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LT 6105 025 b82 1

a

TEIAND-STANFORD JVNIOR-VNIVERSITY

Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s- Borlefungen

über die

Geſcchichte der Philofophie.

- Herausgegeben

D. Karl Eudwig Mideler.

Dritter Band.

Standhaftigfeit wird dazu nöthig feyn, fi), durch die Schwierigkeit innerlich und den Wideritand äußerlich, nicht abhalten zu laſſen, die Metaphyſik, eine der menſch⸗ Iihen Vernunft unentbehrlihe Wiſſenſchaft endlich

einmal zu einem gedeihlichen und fruchtbaren Wuchſe au befördern.

Kant 4 a

Mit Königl. Würtembergiſchem, Großherzogl. Heſſtſchem und der freien Stadt Stanffurt Privilegium gegen den Nachdruck und Nachdrucks⸗Verkauf.

a Berlin, 1836. Verlag von Dunder und Humblot.

[4

Georg Wilhelm Friedrich Hegel's

Werke

-

Vollſtaͤndige Ausgabe

darch

einen Derein von Freunden bes Verewigten:

D. phe. Marheinete, D. 3. Säulze, D. Ed. Sans, D. Lp. v. Henning, D. 9. Hotho, D. K Michelet, D. 8. Förſter. |

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Mit König. Würtembergiſchem, Großherzogl. Heſſiſchem und der freien Stadt Feanffurt Privilegium gegen den Nachdrud und Nadydruds » Berkauf.

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eraneon. 0 0

Anhalt berg beitten Bande.

Erſter Theil

(Schluß.) nenn . . ... See _ Dritter Abschnitt: Dritte Periode, Neuplatoniker onen. 3 A. Dhilo -....0runonunsonnnsuonnnsnesnnnnnnsnnununnsonerenenne .. 418 B. Kabbala und Gnoſticismus ..... 26 4. Rabbaliftifche Philofophie --....-. Ueossneosennsennnenenee o... 2% 2. Gnoſtiker =.u...0000000000nunnnennennnnenne PEELIFEPTEUFTEUFER 29 C. Alexandriniſche Philofophie ............................. 31 4. Ammonius Sakkas ...... nu 2. Plotin oonnaosnonnnosnnnenennensnnnsennnenuenen Sonsaesnnnucnee 37° - 3. Porphyr und Jamblich ».....oen-nonsenannnnonsenuennanunnnre 69 4, Proklus TEE TIER —— —να 71 5. Nachfolger des Proflus -.......... PEITETTERPRERREFRR ... 8 Zweiter Theil. Philoſophie des Mittelalters. Einleitung ......................... 99 Erfter Abſchnitt: Arabifche Philofophie ................... 4121 A. Philofophie der Medabberim .....0r«ususconononnenee Tnononose 125 B. Kommentatoren des Ariftoteled ---..-.---nurnoononnnnunnnnnce» 139

C. Juͤdiſche Philofophen, Moſes Maimonided or...erununseconee 131

u Sapalt.

Seite.

Zweiter Abſchnitt: Scholaſtiſche Philoſophie ..................

3. Berbälmiß der ſcholaſiſchen Philofophie zum Senden Geſichtsyunkte

b. Abalard .. 2. Methodiſche Darftellung des kirchlichen Lehrbegriffs - a. Petrus Lombardus b. Thomas von Aquino ·. e. Johannes Duns Scotus 3 Befammtfhäft mit den ariftteliichen Schriften - a. Alerander von Hales b. Abertus Magnus

a. Julian, Eridiſchof von Toledo b. Pafchafins Radhertus 6. Moſtitet .. u Idhann Charlier - Raimund von Satımde Noger Baco .. A. Raimund Lullus ©. Allgemeiner Standpunkt det Scholaſitker überhaupt - Dritter Abihn tt. Wiederaufleben der Wiſſenſchaften . Sudium der Alten 2. Pomponatius 2. dicinus . 3. Baſſendi, Lipſſus, 4. Ciceronianiſche Dopularphilofephie Br. Eigenthümliche Beſtrebungen der Philofophie - 4. Cardanus ...

4. Banini 5. Perrus Ramus €. Die Reformation

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Dritter Theil.

Neuere Philoſophie.

Einleitung . .... .

Erſter Abſchnitt: Baco und Böhm - A. Baco von Verulam

. Periode des denkenden Verſtandes

Erſtes Kapitel. DVerftandessMetapbyfil -. -

A, Erſte Abrheilung - "4. Descarted

2. Spinöge --.

3. Malebtande

B. Zweite Abtheilung

Ar Bode ......

2. Hugo Srotius -

3. Hobbes

4. Eudworth

5. Pufendorf

6. Newton ..

C. Deitte Abtheilung

1. Leibnig -

2. Wolf

3. Popularphilofophie Be}

Zweites Kapitel: Uebergangs Periode .

A. Idealismus und Skepticismus -.

4. Berkeley -

2. Hume ..

B. Schottiſche Philofophie

4. Thomas Neid

2. James DBeatti

3. James Oswald

4. Dugald Stewart .

©. Franzöfifche Philoſophie

4. Die negative Richtung 514 2. Die pofiive Seite .. 518 a. Systeme de la Nature . 519 b. Robinet canenesnenens 520 3. Idee einer konkteten allgemeinen Einheit . 523 a. Gegenſatz von sentir und penser 524 b. Helverius . 625 ©. Rouſſeau 626

4. Aufklärung Dritter Abſchnitt: Neuefte deutſche Philofophie - Aa. Jacobi ......... .......

J VIII | Inhalt.

Seite. B, Ran - PERTIRTELLTITTITERTTT —öXI 551

C. Fichte - Sennosnnnnesnnnnnecnnnnen ........ 611 4. Urſpruͤngliche Phikofophie Fichte's .......................... 813 2. Fichte's neu umgebildetes Syſtem onseronssconcnnanene nee 640 3, Bauptmomiente, die mit der Fichte ſchen puc ſori⸗ zuſam⸗ menhangen ......... ......................... ..... 641

Ua Friedrich von Schlegel -........ Herereemersennerennsernnn 642

b. Religiöfe Subjektivität ..3.... 64

IE Novalis .................... ................ .............. 644 d. Fries. Bouterwet. Ku - Sessssoscnsuonsenusssenssnenenee BAD

D Schelling ......................... 646

X. Refultat -.. . .. .. .......... L A; A!s u... TE

no 200.

Der

Geſchichte der Philofopbie

. erfter Theil,

Griechifche Philoſophie.

(Schluß.)

Geſch. d. Phil.“ 1

..

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel's

Werke

Vollſtaͤndige Ausgabe

derch

einen Verein von Freunden bes Verewigten:

D. Ph. Marheineke, D. I. Schulze, D. Ed. Gans, D. £p. v. Henning, D. H. Hotho, D. 8 Michelet, D. F. Förfter.

Telndis del nleiorov layvsı Aoyor. Sophocles.

Mir Königl. Würtembergifhem, Großherzog. Heffiihem und der freien Stadt Frankfurt Privilegium gegen den Nachdruck und Nadydruds » Verkauf.

EEE Berlin, 1836. Verlag von Dunder und Humblot

%

4 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

durch die Flucht in die reine unendliche Abſtraktion in ſich. Dieß Aufgeben alles Objektiven iſt der letzte Standpunkt; es iſt die abſolute Armuth an allem Inhalte, vollkommenes Ausleeren von allem Inhalte, der ein Feſtes, Wahres ſeyn fol. Es iſt be⸗ merklich gemacht, daß das ſtoiſche und epikuveifhe Syſtem daf- ſelbe Reſultat und Ziel haben; aber im Skepticismus iſt dieſe Entäußerung alles Beſtimmten vollendet, und damit iſt geſetzt die vollkommene Erinnerung, Innerlichmachung.

Die Philoſophie hatte den Standpunkt erreicht, daß ſich das Selbſtbewußtſeyn in ſeinem Denken als das Abſolute wußte; aber ſie verwarf nunmehr deſſen ſubjektive, endliche Stellung und Differenz gegen ein (nichtiges) äußeres Objekt, erfaßte in ſich ſelbſt den Unterſchied und bildete das Wahre als eine in⸗ telligible Welt aus. Das Bewußtſeyn hiervon, das im Geiſte der Welt ſich ausdrückte, macht jetzt den Gegenſtand der Philo⸗ ſophie aus. Es geſchah dieß vornehmlich mit Gebrauch und auf den Grund platoniſcher, aber auch ariſtoteliſcher und pytha⸗ goreiſcher Begriffe und Ausdrücke.

Dieſe Idee, die in die Menſchen gekommen, verändert nun auf einmal das ganze Ausſehn der Welt, zerſtört alles Bishe⸗ rige, und bringt eine Wiedergeburt der Welt hervor. Dieſe Idee, daß das abſolute Weſen nichts Fremdes für das Selbſt⸗ bewußtſeyn iſt, daß ihm nichts das Weſen iſt, worin es nicht ſein unmittelbares Selbſtbewußtſeyn hat, dieß Prinzip ſehen wir nun als das allgemeine des Weltgeiſtes, als allgemeines Glauben und Wiſſen aller Menſchen erſcheinen. Die mannig⸗ faltigen Formen und Geſtalten dieſes Wiſſens gehören nicht der Geſchichte der Philoſophie, ſondern der Geſchichte des Bewußt⸗ ſeyns und der Bildung an. Dieß Princip iſt als allgemeines Rechtsprincip, daß der einzelne Menſch dadurch, daß er iſt, als von Allen anerkanntes Weſen, als allgemein an und für ſich gelte.

Was das Aceußerliche, Politiſche anbetrifft, fo if es die Form der Philofophie in der römiſchen Welt. Der Charakter

Dritter Abſchnitt. Neuplatoniker. | 5

der römifhen Welt ift die abftratte Allgemeinheit geivefen, die als Macht diefe kalte Herrſchaft ift, in der alle befonderen In⸗ dividualitäten, individuellen Bolksgeifter aufgehoben worden find, alle Schönheit zerftört il. Wir fehen Leblofigkeit; die römiſche Kultur ift felbft dieß, ohne lebendige Innerlichkeit fih zum Be⸗ wußtfeyn zu bringen. Die Dichtkunſt ift nicht eigenthümlich, entlehnt; ebenfo Philoſophie. Sie iſt Verſtandes⸗Philoſophie, fo Eicero’s Philofophie; er hat, wie wenig Philofophen, ganze liche Bewußtlofigteit über die Natur des Zuflands feines Staats. Die Römermacht if der reale Stepticismus. Die Welt in ih» rer Eriftenz bat fi nun in zwei Theile getheilt, einer Seits die Atome, die Privatleute, und anderer Seits ein äußerliches Band derfelben,; und dieß nur Außerliche Band iſt die Herr⸗ ſchaft, die Gewalt als ſolche, und ebenfo verlegt in das Eins eines Subjekts, in den Kaifer. Es if die Zeit des volltomme- nen Despotismus, des Untergangs des Volkslebens, alles äuße⸗ ren Zebens; es ii das Zurückziehn in’s Brivatleben, in Privat⸗ zwede, Interefien. So iſt es die Zeit der Ausbildung des Privatrechts, des Rechts‘, was fih auf das Eigenthum der ein» zelnen Perfon bezieht. Diefen Charakter der abſtrakten Allges meinheit, der unmittelbar verbunden iſt mit der Vereinzelung der Atomiftit, fehen wir auch im Gebiet des Denkens vollendet; Beides entfpriht fh ganz und gar.

Bon hier nun ifl es, daß der Geift weiter geht, einen Bruch in fich madt, aus feiner Subjeftivität wieder herausgeht zum Dbjektiven, aber zugleich zu einer intellektuellen Objektivität, zu einer Objektivität, die im Geiſt und in der Wahrheit ift, die nicht in äußerlicher Seflalt einzelner Gegenftände iſt, niet in der Form von Nflichten, einzelner Moralität, fondern abſolute Dbjektivität, die aber, wie gefagt, aus. dem Geift geboren ifl und der wahrhaften Wahrheit. Oder mit anderen Worten, e6 iſt die Rüdkehr zu Gott einer Seits, anderer Seits das Ber- haltnig, die Manifeflation, Erſcheinung Gottes für den Dien-

+

6 Erſter Theil, Sriechiſche Philoſophie.

ſchen, wie er an und für ſich iſt in ſeiner Wahrheit, wie er für den Geiſt iſt. Dieß iſt der Uebergang, daß das Objektive ſich, der Geiſt, wiederherſtellt, daß die Objektivität des Denkens, die ſich nur ſubjektiv erfaßt hat, ſich gegenſtändlich wird.

In der römifchen Melt ift mehr und mehr das Bedürfnif tege. geworden, gus der ſchlechten Gegenwart in’ den Geift fich aurüdzuzichen, und bier das zu fuchen, was dert nicht mehr ifl. In der griechiſchen Welt namentlich iſt die Freude der geifiigen Lebendigkeit verflogen, und der Schmerz eingetreten über diefen Bruch, ſich in. ſich ſelbſt zurüdzuziehen. Diefe Philofophien find fo Diomente, nicht bloß von der Entwidelung der Bernunft, fondern auch von der der Menſchheit überhaupt; es find For⸗ men, in denen: fi der ganze Weltzuftand durch das Denken ausfpricht. "Die götterlofe, rechtloſe und unflttlihe Welt treibt den Geift in ſich zurüd, In Rom dringen alle jene myſteriöſon Kulte ein‘ aber die ächte Befreiung des Geiſtes if im Chriſten⸗ thum erfhienen, in ihm kommt der Geift zu ſich umd zu feinem Weſen. I

In anderen Geſtalten aber iſt hier Theils die Verachtun der Natur eingetreten, daß ſie gar nichts mehr für ſich, ſondern ihre Mächte dem Menſchen dienen, der ein Mogier fie feinem Gehorfam. und feinen Wünfhen als dienend unterwerfen Tann. (Vorher wurden Drakel durch Bäume, Thiere u. f. f. gegeben; wo nicht unterſchieden göttliches Wiſſen als Wiflen des Ewigen und AZufälligen war.) Es gehört hierher der Wunderglaube, nicht das die Götter Wunder thun, fondern die Dienfchen, die Nothwendigkeit der Natur verachtend, etwas in ihr hervorbringen, das ihr als Natur widerfireite. Mit diefem Unglauben an die gegenwärtige Natur ift eben fo der Unglaube an das Vergan⸗ gene. (die Geſchichte) vorhanden, daß es nur dieß gewefen fey, was. es war. : Alle Gefhichte ber Römer, Griechen, Juden, ihre Mythologie und. wirkliche Gefchichte, ſelbſt die einzelnen Worte und: Buchflaben, erhalten eine andere Bedeutung;_ fle find ein

e

. Deittee Abſchnitt. Neuplatoniker. | 7

in fi) Gebrochenes, haben eine innere Bedeutung, die ihr We⸗ fen, und einen leeren Buchflaben, der ihre Wirklichkeit if. Die fi in der Wirklichkeit befindenden Menſchen haben bier Schen und ‘Hören vollkommen, überhaupt den Sinn der Wirklichkeit und Gegenwart, verlernt. Das finnlid Wahre gilt. ihnen nichts mehr, fie -lügen an Einem fort; denn fie find des Auffaſſens eines Wirkiihen unfähig, weil es für ihren Geift alle Bedeu tung verloren. Undere verlafien die Welt, weil fie in ihr nichts mehr finden: können und das Reale. nur in fi finden. Wie alle Götter in Ein Pantheon fih verfammeln, fo flürzen alle Religionen in Eine, alle Borftellungsarten abforbiren ſich in Einer: Sie if diefe, dag das Selbſtbewußtſeyn ein wirklicher Menſch das abfolute. Wefen if. Was das abfolute Weſen ift, wird ihm jest geoffenbart: cs ift ein Menſch, noch nicht der Menſch oder das Selbſtbewußtſeyn überhaupt.

Die Eine Form diefes Eontreten Princips iſt alfo die Uns endlichkeit des Selbſtbewußtſeyns in ſich. Das iſt die Form des Geiſtes überhaupt; nur als in ſich ſich beſtimmendes Denken hat der' Geiſt Sinn. Das iſt reine Identität des Denkens, das ſich weiß, ſich im ſich unterſcheidet, und nach der Seite dieſes Unterſchiedes ſich beflimmt, darin aber volltommen durchſichtige Einheit mit ſich felbft bleibt. Das if das Konkrete. Daß das Abſolute jest in der Weiſe des Selbfibewußtfeung gewußt wird, fo daß die Beflimmungen in allen formen entwidelt find, das ift ein wirkliches Selbſtbewußtſeyn. Diefe Sphäre gehört nicht hierher. Das ift die Sphäre der Religion, die in einem diefen Menſchen das Göttliche weiß.

Dieß dag das Selbflbewuftfeyn das abfolute Weſen oder das abfolute Weſen Selbfibewußtfeyn ift, die Wiſſen iſt jetzt der Weltgeiſt. Er iſt die Willen, aber weiß die Wiſſen nicht; er ſchaut es nur an, oder er weiß ces nur unmittelbar, nit im Gedanken. Er weiß es unmittelbar, d. h. diefes We⸗ ſen iR ihm wohl abfolutes Selbſtbewußtſeyn, aber es iſt in ſeyen⸗

s

BG Theil. Griechiſche Philoſophie.

der Unmittelbarkeit ein einzelner Menſch. Dieſer einzelne Menſch, der zu einer beſtimmten Zeit gelebt hat und an einem beſtimm⸗ ten Orte, iſt ihm dieſer abſolute Geiſt, aber nicht der Begriff des Selbſtbewußtſeyns; oder das Selbſtbewußtſeyn iſt noch nicht ertannt. Als gedachte Anmittelbarkeit, Immittelbarkeit des Ge» dantens, iſt das abfolute Weſen unmittelbar im Selbfibewußt« fenn, oder als innere Anſchauung, eine Anfhauung, wie wie Bilder gegenwärtig im Geifle haben.

Die andere Form ift, daß dieß Konkrete in abſtrakterer Weiſe -aufgefaßt wird, im Gedanken. Indem der Gedanke abftratt ift, geht ihm noch der Punkt der Sclbflifchkeit ab, der dem Kon kreten zukommt. Der Geift, nad allen Seiten vollendet, muß auch die natürliche Seite haben; diefe Seite ‚fehlt noch in die- fer Geftalt der Philoſophie. Diefe iſt ein. Fortſchritt, den der Geiſt in feinem Selbſtbewußtſeyn that; diefer ift nicht allein. auf philofophifche Entwidchung eingefhräntt. Er ift aub Um⸗ fhlagen der Weltgefchichte, im Myſterium, im Innerfien; in der Dhilofophie mußte er ebenſo nothwendig erfolgen. |

Diefe Seite, wie das abfolute Weſen als Geiſt im Denken, in Begriffen ausgefprochen worden, aber Theils wie im Selbſt⸗ bewußtſeyn als abfolutes Weſen unmittelbar feyend, fällt in die Dbilofophie. Aber jenes Wiffen vom Weſen als Geifle, infos fern es nicht ertannt, nicht begriffen ifl, gehört ihr eigentlich nicht, ſondern der Religion an, weil in dieſer es unmittelbar in der Anſchauung iſt. In der chriſtlichen Religion iſt das ab⸗ ſolute Weſen ſo vorgeſtellt, aber nicht begriffen; in der That thut die Philoſophie nichts Anderes, als dieſe Idee des Chri⸗ ſtenthums begreifen.

Der abſolute Geiſt iſt dieſes, daß er ſey das ewige ſich ſelbſt gleiche Weſen, das ſich ein Anderes wird, und dieſes als fich ſelbſt erkennt: das Unwandelbare, welches fi fo das Un⸗ wandelbare iſt, daß es ſich aus feinem Andersſtyn beſtändig in ſich zurüdtchrt; die f keptiſche Bewegung des Bewußtſeyns,

Dritter Abſchnitt. Neuplatoniker. 9

aber ſo, daß das verſchwindende Gegenſtändliche zugleich bleibt, oder in ſeinem Bleiben die Bedeutung des Selbſtbewußtſeyns hat. In der chriſtlichen Religion zuerſt iſt dieß geifige Weſen zuerſt ſo vorgeſtellt worden, daß das ewige Weſen fich ein An⸗ deres wird, die Welt erſchafft; dieſe iſt geſetzt rein als ein An⸗ deres. Hiezu tritt dann ſpäterhin dieß Moment hinzu, daß dieß Andere an ihm ſelbſt nicht ein Anderes des ewigen Weſens iſt, fondern das ewige Weſen an ihm ſelbſt erſcheint. Darin ıfl dann drittens. die Gleichheit des Anderen und des ewigen We⸗ fens, der Geift, das Zurückgekehrtſeyn des Anderen in das Erfte, und des Anderen nicht nur nad jenem Punkte, woran das ewige Wefen erfdienen,..fondern das Andere als Allgemeines, Die Welt erkennt an diefem erfcheinenden abfoluten Wefen ſich felbft; und fie ift es alſo, die zurüdgetehrt ifl in das Weſen, und der Geift ift allgemeiner Geift.

Diefe Idee des Geiſtes erfchien, wie gefagt, den Chriſten zuerſt in dieſer bloßen Form der Vorſtellung, Gott; und dieſer iſt das einfache Weſen der Juden außerhalb des Selbſtbewußt⸗ ſeyns (er denkt, aber nicht das Denken), jenfeits der Wirklichkeit, das Andersfeyn der finnlih angefhauten Welt, das Moment der Einheit der Welt und des Wefens. Entgegen fteht jenem ebenſo ein einzelner Menſch und der Geifl, die Allgemeinheit diefer Einheit, einer Seits als eine glaubende Gemeine, die dieß nur in der Borftellung, die Wirklichkeit, Realität diefer Einheit aber in der Hoffnung einer Zukunft hat.

Die Idee im reinen Gedanten, daß Gott nicht dieß thut, Subjett. ift, fondern Gott ift diefe Bewegung, fo daß alles dich nicht gefchehe als ein zufälliger Entſchluß und Rathſchluß Bots tes, dem es einmal eingefallen fey, fo zu handeln, fondern diefe Bewegung als fein Wefen, als feine ewige Rothwendigkeit an ibm felbft, d. h. fein Nothwendiges, das nicht in die Bedins gungen des Gefchehens fällt, nicht äußerlich dieß thut, fondern diefe erfcheinenden Momente an ibm felbft if, fo finden wir

10°. Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

bei philoſophiſchen oder beſtimmter platoniſchen Juden ſie aus⸗ geſprochen. J

Die Entſtehung der Vorſtellung fällt in die Gegend, wo ' Miorgenland und Ubendland an einander gerungen. Die orien- talifhe freie Allgemeinheit und die europäifche Beſtimmtheit ift der Gedanke. ‚Bei den Stoitern iſt auch Allgemeinheit des Den tens; fie ficht aber der Empfindung, dem äußerlihen Dafeyn gegenüber. Die orientalifhe Allgemeinheit iſt aber ganz frei; das abendländifhe Denken iſt Princip der Allgemeinheit ſelbſt als Befonderes gefegt, Die Durchdringung diefer Principien iſt die Geburtsflätte für dieſen Standpunkt; vornehmlid in

‚Merandrien ift die Form diefer Philofophie ausgebildet, aber

zugleih mit Rückſicht auf das Frühere. In der pythagoreiſchen Dhilofophie fahen wir fhon den Unterſchied, die Trias. Bei Nlato fahen wir die einfache Idee des Geiſtes: die einfache uns theilbare Subflanz, die Ratur des Einen; die theilbare, das Andersfeyn; und das Dritte aus Beiden, zufammengemifät, das Zurückkehren in die Einheit. Das ift das Konkrete, aber. nur fo in einfaden Diomenten; nit auf die umfaffende Meife, daß das Andersfeyn überhaupt alle Wirklichtett der Natur und des Bewußtſeyns if: und daß die zurüdgelehrte Einheit als foldye Selbſtbewußtſeyn iſt, nicht nur ein Gedanke, fondern leben⸗ diger Gott ifl. Bei Ariſtoteles ift die Evspyera als das ſich felbft dentende Denten das Konkrete. Die Gedanktenbildung diefes Konkreten ſchließt ſich an die frühere Ausbildung des Ge⸗ dankens an, da hierin die zum Theil unſcheinbaren Anfänge deſſen liegen, was jetzt zur Hauptſache wird. Dieſe Philoſophie heißt neupythagoreiſch und neuplatoniſch, man kann ſie auch

neuariſtoteliſch nennen; fle haben ebenſo den Ariſtoteles bearbei⸗

tet, als den Plato, und ſehr hoch geſchätzt.

Bei den Stoikern haben wir befonders dieſe Rücktehr des. Selbſtbewußtfeyns in fich gefehen, daß der Geiſt durdy das Den⸗ ten und durch die Reinheit des Denkens frei, felbfiftändig, uns

Dritter Abſchnitt. Neuplatoniker. 4

abhängig in ſich iſt. Zugleich haben wir dafelbfl eine Objek⸗ tivität geſehen: der Aoyos, ber vods iſt das die ganze Welt Durddringende, die Grundlage, das Subſtantielle der ganzen Melt bei den Stoitern; ebenfo haben wir in den früheren Phi⸗ lofopbien gefehen, daf der vovs das Werfen der Welt ifl. Aber der Unterſchied zwifchen diefem Standpuntte und dem jegigen ift näher aufzufafien. Wir haben bei Ariftoteles gefehen, daß er die ganze Reihe der lebendigen und geiftigen Dinge gefaßt, begriffen hat, und daß er den Begriff für das Wahrhafte der= felben anerkennt. Bei den Stoitern iſt diefe Einheit, dich Sy⸗ flematifhe auf das Beflimmtefte bezausgehoben worden, wenn Ariftöteles mehr dem Einzelnen nachgegangen if. Diefe Eins heit des Gedantens ift im Stoicismus wefentlich zur Grundlage geworden. Diefe Grundlage, die der Logos ift, haben wir aber zu fafien, wie fie fi beflimmt hat, daß fie nämlich nur fubftan= tiell gewefen ift; oder der floifche vods, Aoyog hat einen Pantheis- mus vorgeftellt. -Diefer aber iſt zu unterfheiden von der Phi⸗ lofophie, dem Gedanken, dem Bewußtfeyn des Geiſtes. Es iſt das Nächſte, worauf man verfällt, wenn man das Allgemeine als das Wahre befiimmt, daß man dieß fodann als Pantheis⸗ mus vor fih hat. Es iſt der Anfang der Erhebung des Gei⸗ fies, Alles Icht in der Welt, es ift ein Leben und eine Idee; aber diefe fubflantielle Form hat im Stoicismus diefe- Einheit gehabt, die Form des Dantheismus. Wenn das Selbſtbewußt⸗ feyn aus fih, aus feiner Unendlichkeit, feinem Sid = ſelbſt⸗ Denten beraustritt zum Beflimmten, zu befonderen Dingen, Pflichten, Verhältniffen, oder wenn der Gedanke, der diefe alls gemeine Subflanz, diefen vodg denkt, von da zum Befonderen übergeht, den Himmel, die Geflirne, den Menſchen u. f. f. denkt, fo fällt er von dem Allgemeinen unmittelbar in's Befondere oder unmittelbar in’s Endlidhe; denn es find endliche Geſtalten. Das Kontrete aber ift das Allgemeine, was fi befondert, und in dieſem Befonderen, in diefer Berendlihung doch bei ſich ſelbſt

412 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

unendlich bleibt. Beim Pantheismus iſt dagegen eine allges meine Grundlage, eine allgemeine Subftanz, die ſich verendlicht ‘and damit beruntertritt. Es if die Weife der Emanation, daß das Allgemeine, indem es fi} befondert,; Gott, indem er die Welt erfhafft, dur das Befondere ſich verfchlechtert, ſich eine Grenze fest, fi verendliht; und diefe Verendlichung iſt ohne Rückkehr in fi felbf. Daffelbe Verhältniß findet fi auch in der Mythologie der Griechen und Römer; es ift ein Gott, ein konkreter Gott, nicht ein bloßes Abſtraktum, eine Geftaltung Gottes. Aber dieß Beflimmen wird nur eine Berendlichung Gottes, der nur bis zum ſchönen Gott, zum Kunſtwerk fortgebt; aber das Schöne bleibt felbft endliche Geftalt, die nicht dazu gebracht iſt, der freien Idee zu entfprehen. Das Beflimmen, das Befondern, die Realität der Objektivität muß nun von der Art ſeyn, daß fie adäquat iſt dem anundfürfichfeyenden Allge⸗ meinen; dieß Adäquatſeyn fehlt den Göttergefialten, wie den Geftalten, die Pflichten beißen, und denen, die natürlich find.

Das Bedürfniß iſt alfo jetzt, daß das Wiſſen, der Geiſt, der ſich ſo erinnert hat, ſich objektivirt, zur Gegenſtändlichkeit zurückkehrt, daß er die Welt mit ſich verſöhne, die er verlaſſen bat, ihre Gegenfländlichkeit ſey eine vom Geift unterfchiedene, aber mit ihm adäquate Well. Diefer Tontrete Standpuntt wird, wie es der Standpunkt der Welt ift, fo der der Philoſo⸗ phie, Standpunkt des Hervorgehens des Geiftes; denn dieß erft ift der Geiſt, nicht nur reines Denken, fondern Denken, das fih gegenſtändlich macht, fich darin felbft erhält, fi adäquat hat, darin bei fi if. Die früheren Objektivirungen des Ges dantens find ein Heraustreten nur in die Beflimmung, in die Endlichkeit, nicht in eine objektive Welt, die dem Anundfürſich⸗ feyenden felbft adäquat if. Dieß iſt der allgemeine Standpuntt, aus dem Verluſte der Welt ſich eine Welt zu erzeugen, die zus gleiy in ihrer Aeußerlichkeit eine innerliche bleibt, und fo eine

Dritter Abſchnitt. Neuplatoniker. 13

verſöhnte iſt; und dieß iſt fo die Welt der Geiſtigkeit, die, hier beginnt. . Wir fehen in dieſer Periode die platoniſche Philofophie bervortommen, die aber als eins mit der ariftotelifhen gewußt wurde. Die Grundidee diefer neuppthagoreifhen auch neu⸗ platonifchen oder alerandrinifhen Philofophie war: das Den» ten, das ſich felbft denkt, der vous, der ſich felber zum Gegens - fiande hat. Es ift alfo erfiens das Denken: diefes hat zweitens ein 907209: drittens diefe Beiden find identifch, das Denken hat in feinem Gegenftande ſich felbfi. Das find drei, das Eine und das Andere und die Einheit Beider. Diefe konkrete Idee ift wieder bervorgefommen, und in der Ausbildung des Chriſten⸗ thumes, als das Denken auch in ihm aufging, als die Dreiei⸗ nigkeit gewußt, und dieſe Idee iſt das Weſen an und für ſich. Dieſe Idee entwickelte ſich von Platon und Ariſtoteles aus nicht unmittelbar, ſondern nahm den Umweg des Dogmatismus. Bei den Erſteren trat die Idee zwar unmittelbar als Höchſtes hervor, aber neben ihr und außer ihr kommt noch der andere Inhalt, der Reichthum der Gedanken des Geiſtes und der Na⸗ tur vor, und wird ſo aufgefaßt. Daß aber die Idee als das eine Alles umfaſſende und in ſich enthaltende Wahre erſcheine, dazu gehörte, daß dieſes Endliche, dieſer weitere Inhalt von Be⸗ ſtimmungen auch auf ſeine endliche Weiſe, d. h. in einem all⸗ gemeinen Gegenſatze aufgefaßt wurde. Ariſtoteles hat ſo das Reich der Natur begriffen, und bei Platon iſt das Entwickelte, Begriffene nur in einer loſen Mannigfaltigkeit dargeſtellt. Die⸗ ſer geſammte Inhalt mußte erſt in einfacher Form, aber in ei⸗ ner endlichen zuſammengefaßt werden. Das war die Funktion des Dogmatismus, der dann durch den Skepticismus aufgelöſt worden iſt. Die Auflöſung alles Beſonderen und Endlichen, welche das Weſen des Letzteren ausmacht, iſt von Platon und Ariſtoteles nicht geſchehen, und ſo die Idee von ihnen nicht als das Alles Enthaltende geſetzt worden. Jetzt iſt der Gegenſatz

14 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

aufgelöft, und der Geiſt zu feiner negativen Ruhe gekommen. Das Affirmative dagegen iſt die Ruhe des Geiftes in ſich felbft; und zu diefer. freiheit von allem Befonderen gebt der Geift jest fort. Es if das Wiſſen von dem, mas der Geift an ſich ifl, nachdem er durch die Auflöfung aller Endlichkeit in ſich zur Berföhnung gekommen ifl. Dieſe ewige Rube des Geiſtes in fich ſelbſt macht nun ſeinen Gegenſtand aus; er weiß davon, und ſtrebt, es denkend weiter zu beſtimmen und zu entwickeln. Darin iſt auch das Princip der Evolution, der freien Entwicke⸗ lung, enthalten; alles Andere außer dem Geiſte iſt nur endlich und ſich auflöſend. Und wenn der Geiſt zum Beſonderen fort⸗ geht, ſo iſt dieß Beſondere beſtimmt als in dieſer Idealität ſchlechthin enthalten, was der Geiſt als Unterworfenes weiß und fo erhält. Das iſt das affirmative Reſultat der ſtkeptiſchen Philoſophie. |

Es ift einleuchtend, daß auf diefem Standpunkte auf ganz andere Weiſe geredet werden wird. Gott, der Geiftian und für fih, ift jest der Gegenfland, der abfolute reine Geift in fi, und deſſen Thätigkeit in ſich. Gott wird aber nun nicht mehr als das Abſtrakte gewußt, fondern als das Konkrete in fich felbft; und diefes Konkrete ift eben der Geifl. Gott ift lebendig, thä⸗ tig in fih, das Eine und das Andere und die Einheit der un⸗ terfchiedenen Beflimmungen; denn das Abftrafte ift nur das Einfahe, das Lebendige hat aber den Unterfohied in ihm felbft und ift darin doch bei ſich.

Näher haben folgende Punkte befonders das Interefie des Geiftes für fih: erfiens dag dieß ſubjektiv gewordene Bewuft- feyn das Abfolute als-das Wahre fi zum Gegenftand macht, dieß Anundfürfichfcyende aus fi herausfegt; oder daß es zum Glauben an Bott fommt (eben dieß, das Anundfürfichfcyende, das ganz Allgemeine, zugleich als gegenftändlich, iſt Gott), dag Bott nun manifeflirt wird, in die Erſcheinung tritt, d. h. daß er für das Bewußtfeyn if. Damit tritt das Verhältniß des Menſchen

. Dritter Abſchnin. Neuplatoniker. 15

zu. diefem feinem Gegenflande, dem. abfolut Wahren ein. Dies fir neue Standpuntt, der von jest an abfolutes Intereſſe hat, ift nicht ein Verhältniß zu Außerlichen Dingen, Pflichten, Ideen; diefe find alle ein Beflimmtes, Befchränttes, nicht das Alles ums faffende Beftimmen, wie das ift, was fo eben genannt worden if. Es ift in diefem Berhältniß aufgehoben die bloße Richtung des Subjekts auf fi), diefes Reden von dem Meifen; Beides ift aufgehoben nad feiner Einfeitigkeit. Diefelbe Freiheit, Se⸗ ligteit, Unerfchütterlichkeit, die Zmwed des Epitureismus, Etoi- cismus und Stepticismus war, ſoll auch für das Subjekt er⸗ reicht werden: aber vermittelt durch Bott, dur das Intereſſe für das anundfürfichfepende Wahre, nicht durch die Flucht aus dem Objektiven, ſondern weſentlich durch die Richtung auf daſ⸗ ſelbe; ſo daß durch das Objektive die Freiheit, Seligkeit erwor⸗ ben wird für das Subjekt. Dieß iſt der Standpunkt der Ver⸗ ehrung, Betrachtung Gottes und der‘ Richtung des Menfchen

darauf: fo daß das, was für den Menſchen Zwed ift, nur ers reicht wird durch diefe Richtung, daß an dem Objett, was als frei, feſt gegenüber fleht, die eigene Freiheit des Subjekts gewonnen wird.

Es find hierin Gegenfäge enthalten, um deren Bermittelung es wefentlich. zu thun if. Wird jene Stellung einfeitig genoms men, fo ift Gott jenfeits und der Menſch in feiner Freiheit bieffeits, der fi als unendlich erfaßt hat gegenüber dem Objet-- tiven; diefe Freiheit des Menſchen, diefe reine Innerlichteit, die fich felbft abfalut, aber nur formell abfolut ifl. Die Frei⸗ heit des Menſchen in ihm: heißt, weil er als Selbſtbewußtſeyn nur denkend ˖iſt, die reine Beziehung auf ſich und diefe Bezie=

bung das Abfolute, aber nur formell, nicht konkret. Diefer Ges

genfas tritt nun ‚hier hervor, und nimmt nothwendig das In⸗ tereſſe des Geiſtes in Anſpruch. Inſofern nun auch der menſch⸗ liche Wille als negativ gegen das Objektive ſich beſtimmt, ſo

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16 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

entſteht das Böſe, das Uebel im Gegenſatz gegen das abſolut Affirmative.

Ein weiteres weſentliches Moment iſt die Beſtimmung, die Form, in welcher nun Gott überhaupt gedacht, gefaßt werden muf. Er ift jest wefentlich zu beſtimmen als das Anundfürs fihfeyende, aber als konkret; und dieß gekört dann zum Begriff des Geiſtes. Es ift unerläßlih, daß Gott im Verhältniß zur Welt, zum Dienfhen gedacht wird, infofern Gott ein lebendiger Gott iſt; dieß Verhältniß zur Welt iſt dann ein Verhältniß zu einem Anderen, und damit iſt Unterſcheidung, Beſtimmung ge⸗ ſetzt. Das Verhältniß zur Welt erſcheint alſo zunächſt als Ver⸗ hältniß zu einem Anderen, was außerhalb Gottes iſt; aber weil es ſein Verhältniß, ſeine Thätigkeit iſt, ſo iſt dieß, das Ver⸗ hältniß in ſich zu haben, ein Moment feiner ſelbſt. Der Zus fammenhang Gottes mit der Melt ift Beftimmung in ihm ſelbſt; oder das Andersfeyn des Einen, die Zweiheit, das Res gative, die Beftimmung überhaupt iſt wefentlid Moment, das in ihm zu denken ifl, oder Bott iſt in ihm felber konhkret, in ſich felbft aufſchließend, alfo als unterfhiedene Beftimmungen in ſich fegend. Dieß Unterſcheiden in ihm felbft if der Punkt, wo das, Anundfürfichfeyende zufammenhängt mit dem Dienfchen, mit dem Weltlihen. Wir fagen, Gott hat den Dienfchen, die Melt erfchaffen; dieß ift eine Beftimmung in ihm felbfi, und diefe Beſtimmung ift zunächſt eine Beflimmung feiner in ihm felbft, und dieſe Beftimmung ift der Punkt des Anfangs des Endlihen. Der Punkt der Unterfcheidung in fi if der Vers mittelungspuntt des Endlihen, Weltlihen mit ihm; da fängt dieß in ihm felbft an. Die Wurzel deſſelben if, dag Gott fih in fih ſelbſt unterfcheidet, feine konkrete Natur. |

Auf diefe Weife find denn alfo die Beflimmungen, Beſon⸗ derungen einer Seits feine Beflimmungen, Ideen in ihm felbft, fein Erzeugniß in fi felbft: fo daß das, was nachher endlich erfcheint, noch in ihm felbft iſt, die Welt in Gott felbft, die

Dritter Abſchnitt. Neuplatgpilen 17

göttlihe Welt; an der hat Gott angefangen ſich zu. unterſchei⸗ den, und an ihr ift der Zufammenhang mit. der endlichen, zeit⸗ lichen Welt. Darin, daß Gott als konkret vorgeficlit wird, has ben wir ‚unmittelbar eine göttlihe Welt in ihm felhf. Das Unglüd der römifchen Welt lag in diefer Abſtraktion, —. darin, dag der Menſch feine Befriedigung nicht hatte im Bisherigen: dieß befiand aber in jenem Pantheismus, daß die natürlichen Dinge, Luft, Feuer, Waſſer u. f. f., und dann der GStagt, das politifche Leben ein foldes war, in dem der Menſch ſich befries digte, fein Wahres, fein Höchſtes hatte; —.jekt dagegen in dem Schmerz der Welt über ihre Gegenwart iſt die Verzweiflung eingetreten, der Unglaube an diefe Geflaltungen, an die natürs liche, endlihe Welt und an das Staatslehen, was die fittliche Welt ausmacht. Diefer Geftaltung der Wirklichkeit der äußer⸗ lichen und fittlihen Natur iſt der Menſch ungetreu geworden. Der Zuftand, den man das Leben des Menfhen in der Einheit mit der Natur nennt, und in weldhem der Menſch Gott mit der Natur hat,.weil er darin feine Befriedigung findet, hat aufges hört. Diefe Geftaltungen des Wahren, Göttlihen als Natürz lihes und Politiſches haben fi getrennt von dem Wahren; und die zeitliche Welt ift den Menſchen erfchienen als das Ne⸗ gative, als das Nichtwahre. Der Menſch hat fie von dem Wah- ren, dem Gott getrennt, und bat fo Bott im Geiſt erkannt; er hat ertannt, daß die natürlihen Dinge und der Staat nicht die Weife fey, in der Gott da fey: fondern die Weife fey in ihm felbft, eine intelligible Welt. Die Einheit des Menſchen mit der Welt ift fo gebrochen, damit fie auf höhere Meife wieder gefegt werde, daß die Welt in Gott aufgenommen werde als intelligible Welt. Das Sichbeftimmen Gottes macht hier einen Hauptpunkt des Intereſſes aus. |

Das Verhältnif des Menſchen zu Gott beflimmt fih nun als Ordnung des Heils, Kultus, befonders aber auch als Phi- lofophie, mit dem ausdrüdlichen Bewußtſeyn, dag der Zwed ifl,

Geſch. d. Phil. * * 2

46 Erſter Thell. Geiechiſche Philefophie.

dieſer lntelligiblen Welt anzugehören, daß das Individuum na dazu fähig, angemefien machen foll.

Die Art und Weiſe, wie der Menſch fich fein Werhältnig zu Gott denkt, wird befonders dadurch beflimmt, wie der Menſch fich Gott denkt. Es if nicht, wie man jegt wohl fagt, man brauche Gott nicht zu kennen und könne dieß Verhältniß doch ertennen. Indem Gott das Erſte if, fo beflimmt er das Ber- hältniß; und um daher zu wiflen, was das Wahre des Ver⸗ hältniſſes iſt, muß man Gott Fennen.

Bis zur Negation des Ratürlichen geht alfo das Denten fort; jest ifl es darin, das Wahre nicht in einer exiflirenden Weiſe zu fuhen, aus der Erinnerung wieder herauszugeben zu einem Objektiven, zu einem Wahrhaften, das nicht feine Beflimmung hat auf natürlide Weiſe, wie in der Mythologie, oder als Pflicht, fondern was die Beflimmung aus ihm felbft, aus feiner eigenen Natur hat. Dieß find die Haupt- Momente des jegigen Standpunkts; und hierher gehört, was die Neuplas toniter gedacht haben. Vorher if jedoch im Vorbeigehen noch von Philo, dem Juden, zu ſprechen, und einiger Diomente zu erwähnen, die in der Kichengefchichte vorkommen,

A Pphilemn.

Philo, ein gelchrier Jude zu Alexandrien, lebte um und nad Chriſti Geburt unter den erften römifchen Kaifern; er wurde nämlich zwanzig Jahre vor Chriflus geboren, war aber noch fpäter als diefer am Leben. *%) Er iſt derjenige, in dem wir zuerft diefe Wendung des allgemeinen Bewuftfeuns als philofo= phifches Bewußtſeyn aufgehen fehen. Unter Kaligula, "bei dem von Apion die Auden fehr übel angefährieben worden, wurde er bei Jahren als Sefandter feines Volkes nad) Rom geſchickt, um den Römern eine beffere Vorſtellung über die Juden beizu-

*) Bruckeri Historia eritica philos. T. II, p. 797, et not.

Oriter Abſchain. VPhlleſophle dei -Phile. 19 bringen. Legendenhaft ifl es, daß er auch unter bem SKaifer Klaudins nad Rom gekommen feh, und. dort den Apoſtel Petrus tennen gelernt habe. *) Er hat eine ganze Reihe von Werken verfaßt, noch vice find vorhanden; 3 DB. Vom Bau der Welt (De mundi opificio); Bon den Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis); De victimas offerentibus; Vom Gefet der Allegorien (Lex allegoriarum); De somniis; Daß Gott unveränderlih fcy (Quod Deus sit immutabilis)., Sie find 4691 (in Folio) in Frankfurt herausgekommen; danı von Dfeiffer in Erlangen. Philo war wegen feiner oAvuadsıa berühmt, und mit den griechiſchen Philoſophien fehr gut bekannt.

Ihn zeichnet befonders aus die platonifche Philoſophit, und dann, daß er bemüht war, in den heiligen Schriften der Juden die Philoſophie aufzuzeigen, diefelben ſpekulativ zu erklären. Die Gedichte des jüdischen Volks legt er zu Grunde, kommentirt fie. ber er bat diefes an ihm, daß die Erzählungen und Darflels ungen darin die unmittelbare Bedeutung der Wirklichkeit für ihn verloren hatten, und er aus eben den Worten einen: myflis {dem und allegorifchen Sinn allenthalben in fie hineinlegt, Plato in Moſes findet; daffelbe Streben, vermöge deſſen die Aleraus driner in der griechiſchen Mythologie Bhilofopheme erkannt bar ben. Einige feiner Schriften find fo nur allegoriſch myſtiſche Erklärungen, 3. B. von der Schöpfungsgeſchichte. Seine Ideen aber enthalten die Ratur des Geifles, im Elemente des Denkens zwar eben nicht begriffen, aber doch ausgedrüdt; ein Aus⸗ drud, der mit jenem vermifcht zugleich noch höchſt unrein,. und anf die mannigfaltigfle Weife mit Geflalten der Einbildung fl vermengt. Durd den Geift der Philofophie find die Juden ge⸗ nöthigt worden, in ihren heiligen. Büchern, ebenfo die Heiden, im

#) Philo: De legatione ad Cajum, p.%92 (ed. Francf. 1691) Josephus: Antig. Jud. XVIII, c. 10, p. 649; Bruckerus, 1. I. p. 799 et nota. Eusebius: Hist. eciles. II, c. 18; cfı Fabric. Bibliochee Or. Vol, LI, p. 115 (Hamburg. 1708)... ..

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20 Erſter Theil.¶ Driechiſche Yhllofbphie, Homer und in der Solts;KHeligion; tiefere Bedeutung zu ſuchen, und. ihre religiöfen Schriften: als ein volltommenes Syſtem gött- licher Weisheit darzuftelen. Das iſt der Charakter der Leit; das Berfländige' in den Vorſtellungen hat nicht mehr ausgehalten. Das Haupt Moment ift, daß einer Seits noch die Bor: ſtellung von der Wirklichkeit gebunden ifl an diefe Formen, und daß anderer Seits es nicht mehr genügt, was diefe Formen nur unmittelbar ausfprehen; fo entfteht daher das Beflreben, diefe Kormen tiefer zu faſſen. Südifche, heidnifche Religion als äu⸗ hßerliche Geſchichte hatte man als Autorität, Ausgangspunkt der Wahrheit vor ſich; und doch faßt man den Gedanken, daß bie Wahrheit nicht äußerlich gegeben feyn könne. Go hat man in das Geſchichtliche den tiefen Gedanken hineininterpretirt, wie man fagt: oder herausinterpretirt, und das ift die wahrhaftere Vorſtellung. Beim göttlihen Buch (deffen Urheber der Geiſt ifl) Tann man nicht fagen, daß dieß nicht darin gewefen fey. Es tommt darauf an, ob diefe Geiſtigkeit tiefer oder oberflädhlicher iſt; sin Mann hat das Buch gefchrieben, er hatte dieſe Gedan⸗ ten: nicht, “aber im ntenfiven des Berhältnifies find diefe Ges danken an ſich enthalten. Es iſt überhaupt ein großer Unter⸗ ſchied zwifchen dem, was darin liegt, und dem, was ausgefproden ifl. In der ganzen Gefchichte, Kunft, Philoſophie u. f. f. kommt es darauf an, daß das, was darin if, auch heraus ſey; die Ars beit des Geiſtes ift ganz allein, das zum Bewußtfeyn zu brin- gen, was darin if. Weiß man nur die, fo ift es ſchon an Das Bewußtfeyn herausgebracht; dieß Herausbringen ift alfo das MWefentlihe. Das Andere ifl, daß wenn auch aus einer Geſtal⸗ tung, Religion u. f. f. das nicht herausgebradht wird vor das Bewußtſeyn, was darin gelegen bat, man doch nicht fagen kann, es habe nicht darin gelegen, es fey nicht im menſchlichen Geift geweſen; im Bewußtfeyn war es nicht, in der Vorſtellung auch nicht, aber darin ifl es gewefen. Einer Seits ifl das Zum = be- flimmten- Bewußtfeyn- Bringen des Gedantens ein. Hineinlegen ;

S *

Dritter Abſchnitt. Philoſophio des Phi. 21

aber. anderer Seits, der Materie nach, iſt es nicht ein Hinein⸗ legen. Philo's Manier hat vornehmlich dieſe Seite. Das Pro⸗ ſaiſche iſt verfhwunden, fo find bei Schriftſtellern der folgenden Reiten Wunder etwas Gewöhnliches; das Aeußerliche wird nicht nad) feiner Rothwendigkeit aufgefaft,. der ãnherliche Zuſammen- hang wird nicht mehr gefordert.

Die Grundvorſtellungen des Philo (ame ſie Yan wir zu betrachten) find ‚etwa folgende: : .:: -::

4. Die. Bauptfache if, Gott:gui erfennen. Lrſtens oi dann nur durch das Auge der Seele. angeſchaut werben, durch die öpeois. *): Dieß weint er Entzückung; Verzückung, Eins wirkung. Sottes5:#*): das finden wir. jegt:oft. Zu diefem Bes bufe muß fich: die Seele von dem Körper losreißen, das. finnliche Weſen aufgeben, und ſich zu dein’ reinen -Begenflande des Ge⸗ dankens erheben, :wo Gott näher iſt und angefchaut: wird; #*) Wir können dieß ein. intelligibles Anfchauen nennen. . Das An⸗ dere aber ifl,: daß Bott von dem Yuge. ber Seele auch nicht et⸗ kannt werden kann; fie kann mur wiflen, daß er iſt, nicht, was er iſt. Sein Weſen iſt das Urliht; F) ganz in morgenläus difcher. Weife.. Das Licht ift freilich das Einfache; dagegen Ers kennen beißt: Beflimmtes wiſſen, als ein Kontretes in ſich ſelbſt. So lange alfo die Beftimmung des Einfachen feftgehalten wird, laßt fich dieſes Urliht allerdings nicht erkennen. Indem alfo Philo fagt, „Diefes Eine ift Bott als folder,” kann man nicht wifien, was Gott ifl. Im Chriftenthum iſt dagegen das Eins fache nur als Moment, und das Ganze ift Gott der Geil.

#) De confusione —8 p. 38; De special. legib. II, p. 806 807. 2) "De mundi opificio, p.15; De migratione Abrahami, p. 383; is rer. divin. haeres, p. 518. ##%) De migrat. Abrah., p. 417 418. T) Quod Deus sit innmutabilis, p. 1 W2; De monarchia I, p. 816; De nominum wmutatione, p. 1045; De Cherub., P- 424; Is somniis, p 8576.

33 Erſter Theil Sriechiſche Phileſoyhie.

... Zweitens: „Das Ebenbild und der Abglanz Gottes iſt der Aooc, die dentende Vernunft, der erſtgeborene Sohn, der die Welt tegiert und in Ordnung hält.” Eigentlich iſt dieß ſchon ein. Wiberſpruch; denn das Bild kann nur darſtellen was: die Sache iſt; iſt alſo das Vild konkret, ſo iſt andy das Urſprüng⸗ liche als konkret zu faſſen. „Diefee.Aoyog:ift der Inbegriff al⸗ ker Hcenst«#). Gott ſelber Dagegen als der: Eine, als ſolcher, ift nur das 0», **) das reine Schn (nad) Plato): Das Urlicht tarin nicht, mur der: Boch kann erkannt werben: - Phils fchräntt ben NRamek; Sottes nue: auf Das Weſen ein," das reine eye Gott als: fuldgen iſt nichts, als dirß Seyn; er kann daher: von det: Seele nit, erdaunt werden; was er. if; fonbern nur daß. er iſt, 0 heben nur als Sehn. Oder Gott als‘ dieſes Seyn fl ur das abſtrakte Weſen; es: iſt feine Idee. Was er iſt, iſt er at als /Geiſt/ d. h. eben indem der Aoyos, fein Sohn, zu feinem wehhren Böefen. ſelbſt gerechnet wird, nicht. jenem Seyn der Name Ostkesisbeigeirgt. mind; fondern nur des Einheit biefer Momente; dieſe Einheit enthält. das, was er iſt. Im Chrifllichen. wird der Rasır nicht auf das Weſen eingeſchränkt, fondern Gott iſt Geiſt; der: Sohn iſt ſelbſt Beſtimmung in Gott. Es iſt ganz richtig, daß Bor als Seyn nicht erkaunt werden könne; denn das We⸗ few iſt die leere Abſtraktion. Erkennen ift Wiſſen in konkreter Beſtimmung; das Erkannte muß konkret in ſich ſelbſt ſeyn. Was erkannt werden kann, iſt, daß das reine Weſen nur eine leere Abſtraktion iſt, ſo das Nichtige, nicht der wahrhafte Gott. Zum Seyn iſt alſo dieß das andere Moment des Er⸗ kennens. Jenes iſt ebenſo abſtrakt, als wenn wir ſagen, „Gott der Vater,“ d. h. der noch nicht geſchaffen hat, dieſer Eine, die⸗ ſer Beſtimmungsloſe in ſich, unaufgeſchloſſen; das Andere aber iſt das Beſtimmen ſeiner in ſich ſelbſt, das Erzeugen. Und dieß

#) De mundi opificio, p. 4—6; Do agricultura, p. 48; De somniis, p. 597. “#) De somniis, p. 59.

Dritter Abſchnitt. Philofopbie des Philo. 23

Erzeugte if fein Anderes, was zugleih in ihm ift, ibm auge: börig iſt, Moment feiner felbfi if, wenn Bott. konkret gedacht werden fol. Die Beftimmung des Einen iſt das Erſte, aber fie ift mangelhaft; Bott if konkret, lebendig, d. h. er unterfcheis det ſich in ſich, beſtimmt fi: dieß if, was auch. zu Gott ges hört, und was hier Logos genannt wird. Es kann alfo gefagt werden von Bott als Einem, daß er nidt erkannt wird; es tann nur gefehen werden, daß er if. Das Erkennen iſt das Wiſſen von dem beſtimmten Gott, von (einem Sufihfelötseim- men, Lebendigfeyn.

. Das Erfle, das Welen ſelbſt ift aiſe das uriicht; „es if der Raum des Univerfums, das er umſchließt und erfüllt.” *) Nach der Anfhauung haben wir das AU als Raum; das if leer. Gott umfihließt diefes AU; dieſes Weſeun „ir ſich ſelbſt der Ort, und ift von fich ſelbſt erfüllt.” Warum bat er nöthig, ſich mir ſich zu erfüllen? Eben das Subjektive, Abſtrakte, bes darf aud) eines Objekts. Die Fülle ift das Konkrete, man bat Erfüllendes, Erfülltes, und das Dritte aus Beiden. „Gott ifl fi felbft genugfam; alles Andere ift dürftig, leer. Und alles dieß erfüllt er dann, und hält es zufammen, wird von Nichts umfchloffen; er ift Eins und Alles,“ **) die abfolute Fülle. Das AU ift, wie bei Parmenides, das Abſtraktum, es ift nur die Sub⸗ flanz; es bleibt leer bei feiner Erfüllung, das Konkrete ifl der Logos. Mie Gott der Raum des Univerfums ift, fo „lebt er in dem Urbilde der Zeit,“ **)*8) in dem alwv, d. h. in dem reinen Begriffe derfelben.

2. Seine Unterſchiede aber, oder die Ideen, machen den Verſtand aus. Diefer Verſtand (Aoyos) if dann der herrſchende

#) De sonniis, p. 574 575.

%##) Liber legis allegoriarum J, p.48: ... rel euros Eavr@ tonos xal avrös Eavrov nAnong zul Ixavüs 6 eos, ta ulv alla dnıdek zur Eomuc za) xev& ovıa ninewv zu) epılywy" aurös BL un oudevos alkov regi- EruuEvVog, ÜTE Eis xal TO Tüv aüris Wr.

u) Quod Deus sit immutabilis, p. 298.

ci Eller Her" Griechiſche Philofophle.

Engel (Boxdyyerds);vas' Beflimmende, was das Veftimmtſehn enthält, ein Reich des Gedankens; er iſt der Utmenſch, erft’dief iſt thätig, "das Zynnoch nicht. Das iſt der Menſch als himm⸗ liſcher Menſch; tr kommt duch unter dem Namen vopla; Aban,’ Adam Kudition, der Aufgang der Sonne vor, der Menſch im Gott, Gott als Tätigkeit -angefcehen. Diefer Vers ſtand theilt fich nun in’ Ideen, die von Philo auch Engel '(&y- yeroi, Boten) "genannt werden. *) Diefe Auffaffungsweife iſt noch nicht im reinen Gedanken; Geftalten ber Einbiſdungetraft find noch darin verwoben.

Dieſer Noöyoc iſt die erſte ruhende Gebankenwelt, wenn

gleich ſchon unterſchieden. Ein anderer Aoyog aber iſt der her⸗ vorbringende, thätige CAdyos "roopogıxds), als Rede. Das iſt Witkſamkeit, das Schaffen der Welt, wie er ihre Erhaltung, ihr bleibender Berftand ifl.**) Die Rebe tft immer als- Er⸗ fheinen Gottes angefehen worden, die Rede ift nicht körperlich; als Klang ift fle zeitlich und glei) verfähmunden, das Dafeyn tft fo immateriell. „Gott ſprechend ſchuf er fogleich, nichts zwi⸗ ſchen Beide ſetzend,“ das Gefchaffene bleibt cin Ideelles, wie die Rede. „Wenn man ein wahrhafteres Dogma angeben will, fo ift der Logos das Wert Gottes.” #9) Diefer Logos iſt zu⸗ gleich für das Selbftbemußtfeyn der Lehrer der Weisheit. Die natürlihen Dinge nämlih werden nur in ihren Gefegen gehal« ten; die ſelbſtbewußten Weſen wiffen aber auch von diefen Ge⸗ fegen, und das iſt die Weisheit. Das ift der Hoheprieſter, der Gott und den Menſchen vermittelt, der Geiſt der Gottheit, der

%#) Leg. allegor. ], p. 46, et II, p. 93; Quod deterius potiori insidiari soleat, p. 165; De temulentia, p. 44; De somniis, p. 578, 686 et 588; De confus. ling. p. 341 et 345; Euseb. praep. ev. VII, c. 13.

##) De vita Mosis III, p. 672. 3°) De sacrif. Abel., p. 140: 6 y°Q Yeös Alyavy au Emoleı, un- div ueratv Eypoiv tisels‘ el di xon döyua xıveiv dAndEorepov, Ö Aoyos Eoyov auto.

- Dritter Abſchuitt. Philoſophie des Philo. 8B

die Menſchen belehrt/ e) eben die ſelbſtbewußte Rũckkehr Gottes in ſich ſelbſt, in jene erſte Einheit, in das Urlicht. Das iſt die reine intelligible Welt der Wahrheit ſelbſt; fie iſt nichts Anderes, als das Wort Gottes. **) |

3. Der Gedanke zur Regativität gekommen. Diefer Ideal⸗ Welt: gegemüber- fleht die ſinnliche, feyende Welt. Das Prin⸗ cip derſelben iſt bei Philo, wie bei Platon, das odx dv, die, Materie, das Negative; ***) wie Gott das Seyn, fo ihr We⸗ fen das Nichtſeyn. Richt das Nichts, wie wenn wir ſagen, daß Gott die Welt aus Nichts erſchaffen habe; fondern das Nichts feyn, das Entgegengefehte des: Seyns, iſt ſelbſt ein Nofitives, fo gut als das Seyn. Es eriflirt, infofern Gleichniß des anſich Wahren hineingelegt wird. Philo hatte die richtige Einficht, Daf das Entgegengefegte des Seyns ebenfo pofltiv iſt als das Senn. Wem dieß ungereimt fcheint, der braucht nur daran er⸗ innert zu: werden, daß eigentlid, wenn wir das Senn ſetzen, das Nichts des Seyns das Denken ift, etwas fehr Nofitives, ber das Nähere, der Begriff diefes Gegenfages, und der Uebergang des Seyns in Nichtſeyn findet fi) nicht bei Philo. Ueberhaupt iſt dieſe Philoſophie weniger Metaphufit des Begriffes oder Denkens felbfi, als daß der Geift nur im reinen Denten er⸗ fcheint, nit hier in der Weife der Vorſtellung ifl, und die Bes griffe, Ideen als ſelbſtſtändige Geſtalten vorgeftellt find.

„Das Wort Gottes bat im Anfang den Himmel erfchafs fen, der aus dem reinflen Seyn beflcht, und der Aufenthalt der reinften Engel iſt, die nicht erfcheinen, und den Sinnen nicht offenbar werden,” F) nur dem Gedanken; das find die idene. „Der Schöpfer hat vor Allem der intelligiblen Welt den unkör⸗

%#) Buhle: Lehrbuch d. Gesch. d. Phil. Th. IV, S. 124. “#) De mundi opificio, p. 5. “sy De mundi opificio, p.4; De victimas offerentibus, p. 857; Buhle, a. a. O. S. 125. 7) De mundi opifiaio, p. 5.

26 Erſter Theil. Griechiſche Phileſorhie.

perlichen Himmel und die unflunliche Erde gemacht, und die Idee der Luft und des Leeren, hierauf die unkörperliche Eſſenz (ovale) des Waſſers und ein unkörperliches Licht, und ein un⸗ finnliches Urbild (@px&runos) der Sonne und aller Sterne;” *) und die finnlihe Welt ift das Gegenbild davon. Philo geht nun nad) der mofaifchen Urkunde fort. In der Schöpfungsges ſchichte des alten Zeflaments werden am dritten Tag Gras, Kraut, Bäume, am vierten Zag Lichter an der Veſte des Him⸗ mels, Sonne und Mond geſchaffen. Philo fagt, am vierten Tag habe den. Himmel eine Zahl gefhmüdt, Vier, die Tetrak⸗ tys, die vollkommenſte **) uff. Die find die Baupte Momente der Philofophie Philo's. |

B. Rabbala unb Suoftirigmug.

Die kabbaliſtiſche Philofophie, gnoſtiſche Theologie beſchäf⸗ tigen ſich alle mit diefen Vorſtellungen, die auch Philo hatte, Das Erſte iſt das Seyende, Abſtrakte, Unerkaunte, Namenloſe. Das Zweite iſt Enthüllung, das Konkrete; es geht nach der Emanation fort. Zum Theil iſt die Rückkehr zur Einheit auch angenommen, vorzüglich bei chriſtlichen Philoſophen; und dieſe Rückkehr wird als das Dritte angenommen, dieſes Dritte kommt dem Aoyos zu. So war bei Philo die Weisheit, der Lehrer, Hohepriefler das, was das Dritte zum Erfien zurüdführt; fo in der ögaoıg Gottes.

1. Kabbaliftifhe Philofophie.

Kabbala Heißt die geheime Weisheit der Juden. Weber ihren Urfprung iſt viel gefabelt worden; es ifl viel Zrübes darin. Und es wird von ihr gefagt, daß fie enthalten fey in zwei Büchern, Jezirah (Schöpfung) und Sohar (Glanz). Jezirah,

#) De mundi opificio, p. 6; Brucker: Hist. cr. phil. T. UI, p. 802

—— 803. ##) De mundi opif., p. 9—10.

Dritter: Abſchuitt. Kabbaliſtiſche Philoſophie. 27

das. Hatıptbach: derfelben, welches einem Rabbi Alibhn. zuges ſchrieben wird, :erwartet von Herrn v. Mayer in frankfurt eine vollfiändigere Ausgabe. Es find Ideen, die zum Theil an Philo bingeben,. aber auf fehr trübe Weife zum Theil, und mehr für die Mhantafte. vorgeftellt. find. Mber ein fo hohes Alter, als die Verehrer der Rabbala. ihm zufchreiben, hat es nicht; fie erzählen nämlih, daß dem Adam diefes Himmelsbuch zum Troft feines Sündenfalles gegeben ſey. Es ift ein aſtronomiſches, magifches, meditinifches, prophetifches. Gebrãu; gefchichtlich. verfolgte Spus ren ‚zeigen, daß dieß in Aegypten Tultivirt: wurde, Akibha lebte bald nad der Zerſtörung Jeruſalems. Die Juden haben mit einem Seer von 200,000 Mann gegen Hadrian revoltirt, ‚der Habbiner war dabei thätig; Bar Cochebas hat für den Meſſtas gegolten, der Rabbi wurde lebendig gefchunden: *). Das. zweite Buch foll von feinem Schüler Rabbi. Schimeon Ben Jochai herrühren; er hieß das große Licht, der Tzunte Mofls.**) Beide Bücher find im 17. Jahrhundert in's Lateiniſche übreſetzt. Ein fpetulativer Ifraelit, der Rabbi Abraham Cohen Irira, hat aud) ein Buch gefchrieben, Das Himmelsthor (Porta coelorum); es ift fpäter, aus dem 15. Jahrhundert, und enthält Beziehungen auf Araber und Scholaftiter.: Dieß find die Quellen der hohen tabbaliftifchen. Weisheit... Es iſt trübes Gemenge; das Bud) hat aber allgemeine Grundlage. Das Beffere darin bewegt ſich in ähnlichen Borfiellungen, wie bei Philo. In diefen Büchern find gewifle recht intereffante Gtrundbeflimmungen, von denen man aber zu trüben Phantaftereien fortgegangen ift.

Früher findet bei den Juden nichts von den Vorſtel⸗ lungen Gottes als eines Lichtwefens, von einem Gegentheile def= felben, der Finfternif und dem Böfen, das in Streit mit dem Lichte ifl, nichts von guten und böfen Engeln, von dem Abfalle

der Bofen, ihrer Berdammnif, ihrem Aufenthalte in der Holle,

#) Brucker. I. 1. T. II, p. 831 838; 944 927. ##) Brucker. I. I. T. II, p. 839 840.

28 .. Erftet. Theil. Sriechiſche Philoſophijie. künſtigem · Weltgerichte über die Guten und Böſen, von dei Vers derbniß des Fleiſches. Die Juden fangen hier erſt in, ihre Bes danken über ihre Wirklichkeit hinauszutragen, eine Geiſtes⸗ oder wenigſtens Seiſterwelt ſich ihnen aufzuſchließen, da: vorher fie, dieſe Juden, allein ſich galten, in den Schmutz und den Eigen⸗ dünkel ihres Daſeyns und der Erhaltung ihres Volkes und cherr Geſchlechter verſenkt waren.

Was das Nähere der Kabbala betrifft, ſo fr es Folgendes Das Eins. iſt als Princip aller Dinge ausgefprochen, wie’ biefas auch der Urquell aller Zahlen ifl. - Wie die Zahleneinheit ‚felber eine von. allen Zahlen iſt, ſo auf gleiche. Weife Gott Grund aller Dinge (Enfoph). *) Die damit zufammenhangende Ema⸗ nation ift Wirkung aus der erfien Urſache, durch Einfhräntung jenes erfien Unendlihen; fie iſt Gtenze (dooc) des Erſten. **) In diefer erften. einen Urſache iſt Alles eminenter, nicht forma- liter, fondern causaliter enthalten. ***) Das. zweite Haupt⸗ Moment iſt dee Adam Kadmon, der erſte Menſch, Keter, das erfte Entflandene,: die höchſte Krone, der Mitrotosmus, der Dias _ trotosmus, ) womit’ die emanirte Welt als Ausfluß des Lichtes zufammenhängt.. Durch weiteres. Herausgehen find dann die an⸗ deren Sphären, Kreife der Welt geworden; und diefe Emana⸗ tion wird als Lichtſtröme dargeftell. Da geht es: fort zu zehn Lichtfirömen: dieſe Ausflüfle (Sephirotb) bilden die reine, azilu⸗ thifche Welt, welche ohne alle Veränderlichkeit in fi iſt; zwei⸗ tens die briahtifhe Welt, welde veränderlid iſt; drittens bie geformte, jezirathiſche Welt, die reinen Beifter in die Diaterie geſetzt, die Seelen der Geſtirne (die reinen Geiſter find weitere

%) Jrira: Porta coelorum, Dissertatio I, c. 45 Tiedemann: Geist d. spek. Phil. Th. III, 5.149 150; Buhle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil. Th. IV, S. 156.

”W) Jrira ll c.6, $. 13, ee c.7,$. 2 “%#) IJrira ll. Diss. IV, c. 4 s99.; Tiedemann a. a. O. S. 455; Buhle a. a. O. S. 162.

f) Irira ll. Diss. II, c. 4; Buhle a. a. O. S. 460.

. Dritter Abſchuitt. Gnoſtike.

Unterfcheidungen, in denen dieſe trübe. Weiſe fortgeht); viertens die gemachte Welt, die aſtahtiſche: es if die unterſte, vegetirende

und empfindende Weit. ) 4

2. Gnofiter.

Bei den Gnofliteen machen ähnliche Beflimmungen die Grundlage aus. "Der Herr Profeſſor Neander hat fie fehr ge⸗ lehrt gefammelt und ausführlich bearbeitet; einige zzormen ent⸗ ſprechen denen, Die wir angegebeu haben. Einer der ausgezeich⸗ wetften Gnoſtiker iſt Bafilides. Bei ihm ift auch. das Erſte der unfagbare Bott (Seog Kuönrog), der Enfoph. der Kabs bala; er iſt als zo DV, Ö @v, namenlos (Avwvouaozog), unmits telbar, auch bei Philo.**). Das Zweite iſt dann: der voug, der Erfigebosene, Aöyos, oopia, das Bethätigende (durauıs), in näherer Befiimmung die Gerechtigkeit (Ooxcuioovvn), und der Frieder (eig797). Hierauf folgen weiter beflimmte Principe, Die Bafllides Archonten nennt, -Häupter von Geifterreihen. Eine Hauptſache dabei ift wieder die Rückkehr, der Läuterungs Pros‘ ceß der Seele, die Detonomie der Reinigung (oixövonia xa-' Japoewv); aus der UA muß die Seele zur oopie, zur eignvn. zurüdtommen. Das Urweſen trägt alle Vollkommenheit in fi verſchloſſen, aber nur als potentia; der Geiſt (vovs), der Erſt⸗ geborene ift erfi die .erfte Dffienbarung des Verborgenen. Auch alle gefchaffenen Wefen können nur. durdy die Verbindung mit Bott an der wahren Gerechtigkeit und dem daraus herrũhrenden Frieden Theil. erhalten. ***) Das Erſte nennen die Gnoſtiker, z. B. Marcue, au. das Undenkbare (Avsvvönros), und- fogar das Nichtſeyende %) IJrira: Porta coelorum, Diss. V, c. 7—8; Tiedemann a. a. O. S. 156 157; Buhle a. a. O. S, 157. FH) Meander: genetifche Entwicelung der. vornehmften gnoftifchen

Enftenie, ©. 10; Philo: De nominum mutat., p. 1046. RE) Neander a. a. D. ©. 33 34, 7

0 Erſter Theil, Griechiſche Philoſophie.

(Gvovorog), was nicht zur Beſtimmtheit fortgeht, die Loroene;

Sie nennen es auch die reine Stille (01y7); das Andere find

dann die Ideen, Engel, die Aronen. Dieſe find die Wur ein,

Samen der beſonderen Erfüllung (Aoyor, bite, orepuara,

nee xaprsot); jeder Heone trägt feine eigene Welt in fi. *)

Bei Anderen, 3. B. Balentin, heißt das Erfe aud Aeon (tdlsıog ν dv Gogasoıg α Gxeroronagzorg Öywpape) oder das Unergründlihe, der Urgrund, abſolute Uhgrund (Au og), worin Alles ift als aufgehoben: oder AtpoaExn,- was nen dem Princip if, oder noonazwp, vor dem Anfang, was noch vor dem Vater if. Diefer iſt das Thätige. Der Mebergang, die Yuseinanderlegung des Einen ift dann dıadscıs, und bie Weitere wird auch genannt das Sichbegreifligmachen des Unbe⸗ greiflihden (xaraAnyıg vov axazainızov), was wir bei den Stoitern als xasainyıg gefehen haben. Diefe Begriffe- End die Heonen, die befonderen dıedEeosıs: die Heonens Welt heißt dann auch Erfüllung (ninpwuo). Das Zweite heit auch die Begrenzung (0005); und infofern die Lebensentwidelung: näher im Gegenfage gefaßt wird, fo wird fie beflimmt als in zwei Principen enthalten, in der Form des Männlihen und Weihe lichen. Das Eine if das nAnpwua des Anderen; aus ihrer Verbindung (ovLvyia) gehen die Erfüllungen (ninpwuara) her- vor, fle iſt erſt das Reale. Jedes hat fein es Integrirendes (ovLvyog); der Inbegriff diefer rAngwuara iſt die Heonenwelt überhaupt, das allgemeine nAngwua des Büsog. Jener Abs grund ‚heißt daher aud) Hermaphrodit, Mannweib (adero- InAvs). **) |

Ptolomäus fihreibt dem Bi90g zwei ovkiyoug. zu, zwei dıurdEasıs, weldhe duch alles Daſeyn vorausgefegt werden, IE-

*) Neander a. a. D. ©. 168, 170 171. %%) Ehendafelbft, ©. 94 7. oh"

Dritter Abſchnitt. Alerandriniſche Philsſophjie. 31 Anua xcè Evvora.#) Kaufe, bunte Formen treten bier ein. Die Grundbeflimmung iſt diefelbe; Abgrund und Enthüllung iſt die Hauptfahe. Die Offenbarung, was berabgefommen ift, iſt aud Herrlichkeit (döde, Schechinah) Gottes, vopie nüpdvuoag (fie felbft iſt öpaoıs vov Ie0ö), duvdueis Ayerncoı, ai regi adro9 odoaı Arunporerov Püg Anaoroantevor, die Adern, Aöyos: oder vorzugsweife der Name: Gottes (70 ovoua Tod 9eod, roAvavvuog), diefer Demiurg; das ift Erſcheinen Got: tes, Beftimmung. **) Alle diefe formen gehen in das Zrübe. Die Grundlagen find im Ganzen diefelben Beflimmungen; und das allgemeine Bedürfniß ift eben dieß, das, was an und für fig if, als das Konkrete zu beflimmen und zu faſſen. An dieſe Formen babe ich jedoch nur erinnern. wollen, um auf ihren Zuſammenhang mit dem Allgemeinen hinzudeuten; es liegt da⸗ bei ein tiefes Bedürfniß der konkreten Vernunft zum Grunde. Die Kirche hat den Gnoflicismus verworfen, weil er Theils im Allgemeinen ſtehrn blieb, oder die Vorftellung in Form der Einbildungstraft faßte, und diefe Borflellung dem wirklichen Selbfibewußtfegn, dem Chriſtus im Fleiſche (Xouorög &v vapxl) entgegengefegt war. #**) Denn die Doketen fagten 3. B., Chriſtus hatte nur Scheinleib, Scheinleben; der Gedanke war nur Hin⸗ tergrund. Die Kirche hielt dagegen feft an der beflimmten Ges flalt der Perſönlichkeit; fie hielt das Princip der konkreten Wirk⸗ lichkeit feſt.

C. Alexandriniſche Philofappie.

Philoſophiſcher und begriffener aber tritt die Einheit des Selbfibewußtfeyns und Seyns in der alerandrinifhen Schule auf; fie iſt die Hauptgeflalt, die eigentliche Philofophie. Alexan⸗ drien war namlich feit längerer Zeit, befonders durch die Pto⸗

*) Ebendaſelbſt, S. 160. |

na) Ebendaſ. ©. 10— 135 Philo: Quod Deus ; sit’ immut. p. 304. “RR Neander a. a. O. ©. 43, |

32 . Crfer Tell, Griechiſche Phllofophie. .

lomäet, zum hauptſächlichen Sig der Wiſſenſchaften gemacht. Hier als in ihrem Mittelpunkte berührten, durchdrangen und vermiſchten ſich alle Religionen und Mythologien der Völker des Orients und Occidents, ebenſo ihre Geſchichte, eine Ver⸗ bindung, die auch nach der religiöſen Seite hin vielfache Formen und Geſtaltungen angenommen hat; wo ſie mit einander ver⸗ glichen, in jeder Theils das geſucht und zuſammengeſtellt wurde, was die andere enthielt, vorzüglich aber den Vorſtellungen der Religionen eine tiefere Bedeutung untergelegt, und ein allge⸗ meiner allegoriſcher Sinn gegeben wurde. Dieſes Streben hat allerdings trübe Ausgeburten gehabt; die reinere -Ausgeburt ifl die alerandrinifche Philoſophie. Beſſer, als jene trüben Ausge⸗ burten einer ſich noch nicht verfichenden Vernunft, mußte ‚die Vereinigung der Philofophien gelingen. Denn indem in der That in der Philoſophie Eine Idee ift, fo hebt fie die befondere Form, die fie angenommen, die Einfeitigkeit, in der fle ſich aus⸗ fpricht, durch fich felbfi auf.- In dem Stepticismus war dief Negative erlangt worden, die beflimmten Weifen des Seyns, in weldhen das Abfolute gefegt wurde, aufgehoben zu fehen.

In Alerandrien entfland eine Weife der Philoſophie, welche nad) diefer Seite, daß fie ſich nicht an den beflimmten älteren philofophifchen Schulen hielt, fondern die verfhicdenen Syſteme der Philofophie vereinigte, die Einheit insbefondere der pytha⸗ goräifhen, platonifhen und ariftotelifhen Philoſophie erkannte und in ihren Expofitionen darftellt, häufig als Eklekticismus aufgeführt wurde; etwas fehr Schlechtes, wenn er in dem Sinne genommen wird, daß ohne Konfequenz aus diefer Philofo- phie diefes, aus einer andern etwas Anderes aufgenommen wird, pie wenn ein Kleid aus Stüden von verſchiedenen Karben, Stoffen zufammengeflidt wäre. Es ift fon früher bemerkt, daß ein Eflekticismus nichts giebt als ein oberflächliches Aggres gat. Sole Eklektiker find Theils die ungebildeten Menſchen überhaupt, in deren Kopf die widerſprechendſten Vorſtellungen

Dritter Abſchnitt. Philofophie der Alerandriner. 33

neben einander Platz haben, ohne daß ſie je ihre Gedanken zu⸗ ſammenbrächten und ein Bewußtſeyn über ihre Widerſprüche hätten; oder die klugen Leute, die es mit Bewußtſeyn thun und glauben, ſo erlangen ſie das Beſte, wenn ſie aus jedem Syſteme das Gute, wie ſie es nennen, nehmen und ſo einen Konto von verſchiedenen Gedanken ſich anſchaffen, worin ſie al⸗ les Gute, nur die,Konfequenz des Denkens und damit das Den⸗ ten felbft nicht haben. Eklektiſche Philofophie iſt gerade haltlos, inkonfequent; ſolche Philofophie iſt die alexandriniſche Philoſo⸗ phie nicht. In Frankreich heißen fle noch fo; und bier, wo sy- steme mit Einfeitigkeit gleichbedeutend ifl, und man einmal eis aen beflimmten Namen haben muß, der am wenigften fuflema- tif und ‚verdächtig tlingt, mag man es ertragen.

Die Alerandriner legten die platonifhe Philoſophie zum Grunde, benugten aber die Ausbildung der Philoſophie übers haupt, welche fie nach Plato durch Arifioteles und alle folgenden (ſtoiſchen) Philofophien erhalten; oder fie flellten fie ausgerüftet mit einer höheren Bildung wieder her, bei Plotin finden wir nicht Widerlegung. Unter diefe höhere Bildung gehört denn vorzüglich das tiefere Princip, daß das abfolute Wefen als Selbſtbewußtſeyn begriffen werden muß, und daß chen dieß fein Weſen if, Selbſtbewußtſeyn zu feyn, und daher, daß es im eins zelnen. Bewußtſeyn iſt; was nicht fo zu verfichen ift, daß, wie man zu fagen pflegt, Gott ein Geift fey, ber außer der Welt und .aufer dem Selbfibewußtfeyn ift, fondern daß feine Eriftenz ale feiner felbfibewußter Geiſt eben das wirkliche Selbfibewußts feyn ſelbſt iſt. Das platonifche Allgemeine, das im Denten if, erhält daher diefe Bedeutung, daß es als foldhes das abfolute Weſen felbfi if. Sie find eklektiſche Philoſophen im befferen inne des Worts; oder es ift überhaupt ein überflüffiges Wort, fie zu bezeichnen. Uber im höheren Sinne iſt ein weiterer Stand⸗ punkt der Idee von der Art, daß cr die vorhergehenden Prins eipe, die einzeln, einfeitig find, die nur Momente der Jdee ents

Geſch. d. Phil. * * 3

34 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie,

halten, vereinigt, daß eine konkretere und tiefere Idee dieſe Momente in eins vereinigt. So tft auch Plato eklektiſch gewe⸗ fen, er vereinigte Pythagoras, "Heraklit, Parmenides; und fo find aud die Alexandriner Eklektiker, nur führt diefer Ausdruck immer gleich die Borftellung des Herauslefens mit ſich.

Aber diefer Name, den aud Bruder angewendet bat, ift dee Sache nad) unrecht, und auch ungeſchichtlich. Für die aler= . andrinifhe Schule wird gewöhnlich ausdrüdlich der Name eklek⸗ tiſche Schule gebraucht. Bruder *) hat dieß, wie ich gefunden babe, zuerft gethan; und Diogenes Laertius **) giebt die Vers anlaffung dazu. Denn Diogenes Laertius fpricht von einem gewiffen Potamo aus Ylerandrien, der noch nicht fo gar lange (rroö öAiyov) aus den verfhiedenen Philoſophien die Sauptfäge und das Befte herausgenommen habe. Und Diogenes führt mehrere Säbe von ihm an, wobei er fagt, er habe eine eklek⸗ tifche Philoſophie gemacht. Es find Säge aus dem Ariſtoteles, Plato, den Stoikern; aber fie find nicht von Bedeutung, und das, was die Alerandriner auszeichnet ,‚ it darin nicht zu erken⸗ nen. Diogenes ift auch früher, als die alerandrinifcdhe Säule; Notamo aber ift nad; Suidas ***) ein Lehrer der Stiefföhne des Auguflus gewefen, und für einen Prinzenlehrer ift der Eklek⸗ tieismus volllommen zwedmäßig. Daher, weil diefer Potamo ein Alerandriner ift, hat Bruder auf diefe alerandriniſche Phi⸗ lofophie den Namen der eklektifchen, der fih bei Diogenes fin⸗ det, angewendet. Das ift fie aber nicht. Denn die Vereinigung der älteren Syſteme ift eben eine tiefere Erkenntniß der philo- fophifchen Idee, die konkret in ſich gewußt wird, fo daß die ab⸗ firafteren Principien in der tieferen Form ber Idee enthalten find. Das muß eintreten von Zeit zu Zeit; nad vorhergegan⸗ gener Divergenz muß die Identität, die an fi if, anerkannt

X) Hist. crit. philos. T. II, p. 198.

*##) Prooemium, $. 21. u) sv Ioreuwr, T. III, p. 161.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie der Alcrandeiner. 35 werden, und fo der Unterfhied nur als Form. Die Alerandri- ner hatten den tieferen Standpunkt, daß fie ebenſo wohl Py⸗ tbagoräer, als Platoniter und Ariſtoteliker waren; alle früheren Philoſophien konnten in der ihrigen ihre Stelle finden.

In Alerandrien hatten die Ptolomäer nämlich die. Wiffen- ſchaften und Gelehrten an fid) gezogen Theils dur ihr eigenes Anterefie an der Wiſſenſchaft, Theils durch die angemefienften Anftalten. Sie legten: die berühmte. große Bibliothet an, für welche. auch die griechiſche Ueberſetzung des alten Teflaments ans gefertigt wurde; als Cäfar fie zerfiört. hatte, wurde fle wieder aufgelegt. Es war auch ein Muſeum, oder was jest Akademie der Wiffenfchaften. genannt wird, wo. Philoſophen und ſpeciellere Gelehrte Beſoldungen erhielten, und kein anderes Geſchäft als das, die: Wiſſenſchaften zu. treiben, hatten. In ſpäteren Zeiten waren auch in. Athen ſolche Konvente 'gefliftet morden, und ohne _ Borliche für. eine oder die andere Philoſophie hatte jede philo ſophiſche Schule ihre eigene öffentliche Anſtalt. *)

Die neuplatoniſche Philoſophie erhob ſich Theils neben den anderen, Theils auf den Trümmern derſelben und verdunkelte die übrigen; alle früheren Syſteme wurden darin ausgelöſcht. Sie machte nicht eine ſolche eigene philoſophiſche Schule aus, wie die bisherigen; ſondern indem ſie alle in ſich vereinigte, hatte fie das Studium Plato’s, Ariftoteles: und ber Pythagoräer zu ihrem Hauptcharakter. Mit diefem Studium war eine In⸗ terpretation jener Schriften verknüpft, welche darauf binausging, ihre »hilofophifchen Ideen zu verbinden und ihre Einheit zu zei⸗ gen. Die neuplatonifchen. philofophifchen Lehrer verhielten fich mehr fo, daß fie über die verfchiedenen philofophifchen Werke, befonders platonifche und ariftotelifche Söriften , Vorleſungen hielten und fie erläuterten.

#) Vergl. Buhle: Lehrb.d. Gesch.d. Phil. Th. IV, S. 195 200. 3 *

36 Erſter heil, Griechiſche Philofophie. +

1. Ammonius Sakkas.

Ammonius Sakkas (der Sackträger) wird als einer der erſten oder berühmteſten Lehrer dieſer Schule genannt; er flarb 248 Jahre nach Ehrifli Geburt. * Aber von ihm haben wir keine Schriften; und auch von feiner Philofophie find: keine Nachrichten auf. ung gekommen. Die hauptfächlichfie Art, wfe Philoſophie getrieben und bearbeitet wurde, beftand in der Kom⸗ mentation platonifcher und ariftotelifcher Werke, oder in Abriffen diefer Philofophien. Kommentare über die alten Philofophen wurden ‚entweder vorgetragen oder geſchrieben; und wir haben deren noch jest viele übrig, welche zum Theil vortrefflich Tab. Ariſtoteliſche Werke. kommentirte Alexander Aphrodifienfls, Andro- nitus Rhodius, Nikolaus Damascenus, auch Porphyrius: Pla tonifhe Numenius, Marimus Tyrius. Andere Alerandriner das ben.den Plato fo kommentirt, daß fie zugleich die anderen Phi⸗ lofopheme oder Philoſophien Tannten, und den Einheitspuntt der verfchiedenen Weifen der Idee fehr wohl erfaßt haben. Die beften Kommentare find: aus diefer Zeit; die meiften Werke des Protlus find Kommentare über einzelne Dialoge des Platon-u. ſ. w. Dieſe Schule hat insbefondere auch dich Eigenthümliche, dag fie. die Spekulation als wirkliches göttlihes Seyn und Les ben. ausfprach und daher als myſtiſch und magifch erfcheinen läßt.

Unter feinen fehr zahlreihen Schülern hatte Ammonius viele in anderen Wiffenfchaften berühmte Männer, 3. B. Lon⸗ gin, dann Drigines, ungewiß ob der Kirchenvater. Der berühm⸗ tefte Schüler deffelben als Philoſoph ift aber Plotin, durch def= fen noch vorhandene Schriften wir die neuplatonifhe Philoſophie am meiflen tennen. Das zufammenhängende Gebäude biefer Dhilofophie wird ihm von den Späteren eigentlich zugeſchrieben, und diefe Philoſophie feine Philofophie genannt.

#) Brucker. Hist. cr. phil. T. LI, p. 205, 213 214.

Dritter Abſchaitt. Philofophie des Pletin. 37

2:. Plotin.

Da ſich Ammonius Schüler auf den Wunſch ihres. Lehrers das Wort' gegeben hatten, ſeine Philoſophie nicht in Schriften niederzulegen, *) fo bat auch Plotin erſt ſpät geſchrieben, oder vielmehr die von ihm erhaltenen Werke find: nach feinem Tode von Porphyrius, einem feiner Schüler, herausgegeben. "Seine Lee bensgefhichte haben wir durd Porphyrius. Das Auffallende _ darin ift, daß die genaue Angabe der Lebensumſtände vermifcht ift mit einer Dienge wunderbarer Dinge Es ift die Zeit, wo das Wunderbare feine Rolle fpielt. Wenn man aber das reine Philoſophiren, den reinen Sinn eines folhen Mannes kennt, fo Tann man fi nicht genug wundern üher dergleichen Gefchichten.

Plotin if. ein Aegypter, um das Jahr 205 nad. Chriſtus unter der Negierung des Septimius Severus :zu Lykopolis ge⸗ boren. Nachdem cr viele philofophifhe Lehrer ſchon .befucht, wurde er melancholiſch und tieffinnig; ex kam, 28 Jahr alt, zu Ammonius, fand. fich endlich hier befriedigt, und hörte. ihn elf Fahre. Da in jener Zeit von indijcher und brahminifcher Weise heit hohe Vorftellungen in Umlauf gefommen waren, ſo ‚machte fich Plotin in dem Heere des Kaifers Gordian nad) Perfien auf; aber der Feldzug lief fo unglücklich ab, dag Plotin feine Abficht nicht erreichte. und er felbft fi nur mit Mühe rettete. **) In einem Alter. von 40 Jahren ging er nun nah Rom, und blieb daſelbſt noch 26 Jahre bis an feinen Tod. ***) In Rom benahm er fich äußerlih auf eine auffallende Weiſe nad) alter Pothageräifcher Sitte, enthielt ſich der Fleiſchſpeiſen, legte ſich oft ‚Baften. auf und ging auch in der alten pythagoräiſchen Tracht. T)

#) Porphyrius: vi ita Plotini (praemissa Ennead. Plot, Ba-

sil. 1580), p. 3. ##) Porphyrius, I. I. p. 2; Brucker. J I. p. 218 221. MR) Porphyrius,.1.1.p.2—3, et 7. +) Tiedemann: Geist d. spek, Phil. B. III, S. 272; Buhle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil. Th. IV, S. 306; Porphyrius, I. I. p. 6.

38 Erſter Theil. wSriechiſche Philoſoyhie.

Er gelangte aber als öffentlicher Lehrer unter allen Ständen zu großem Anfehen.?)

Der damalige. Katfer Gallien, bei dem er, fa wie bei ſei⸗ ner Gemahlin, viel galt, war geneigt, fagt man, dem Plotin eime Stadt in. Kampanien einzuräumen, worin Plotin die pla⸗ toniſche Republik zu realtfiren gedachte. Die Miniſter aber ver⸗ hinderten die Ausführung dieſes Vorhabens; **) und daran ha⸗ ben fie auch ſehr klug gethan. Denn in folder äußerlichen Lage des römiſchen Reichs, und bei der völligen Veränderung des Geiſtes der Menſchen ſeit Plato's Zeiten, wo ein anderes Prin⸗ eig. des Geiſtes zum allgemeinen werden mußte, war dieß ein Unternehmen, was viel weniger, als zu Platon’s Zeit, jest zur _ Ehre des platonifchen Republit ausgefallen ſeyn würde. Cs macht der Einficht Plotins wenig Ehre, nur diefen Gedanken gehabt zu haben; doch wiffen wir es eben nicht genau, ob fein. Plan nur den platonifhen Staat enthielt, oder ob er ihm-nicht eine Erweiterung oder Modifitation gab. Ein eigentlicher: pla= tonifher Staat war namlich wider die Natur der Sache, denn - der platonifche Staat ift ein freier, felbfifländiger Staat, was aber diefer im Umfange des römiſchen Reichs nicht fepn tonnte. Plotin flarb zu Rom im 66. Jahre feines Alters, 270 nah Ehrifti Geburt. ***) Ä

. Seine Schriften find vornehmlich als Antworten. auf vor⸗ gelegte Fragen ſeiner Zuhörer entſtanden; er hat ſie in den letz⸗ ten ſechszehn Jahren feines Lebens niedergeſchrieben, und Por⸗ phyr hat fie erſt ſpäter redigirt. Er verhielt ſich in ſeinem Lehren ſo, wie vorhin erinnert, daß er verſchiedene ältere philo⸗ ſophiſche Schriften in ſeinen Vorleſungen kommentirte. Die Schriften Plotins heißen Enneaden, deren ſechs an der Zahl ſind: jede derſelben enthält neun einzelne Abhandlungen, wir

#) Porphyrius: Vita Plotini, p.5— 7. #) ood. loco, p. 8. _ RR) ood. loco, p. 2.

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Plotin. 39

haben alfo zufammen vier und funfzig Abhandlungen, die wies der in viele Kapitel zerfallen, es ift ein weitſchichtiges Wert. Diefe Bücher bilden jedoch nicht ein zufammenhangendes Ganze, fondern es find eigentlih in jedem Buche befondere Materien vorgenommen und philofophifch behandelt; es ift ermüdend, ſich durch fie durchzumachen. Die erſte Enneade ift vornehmlich mos raliſch: 1. Buch, Was das Thier, was der Menſch; 2) Bon den Zugenden; 3) Bon der Dialektit; 4) Bon der Seligkeit Crregi eüdaıuoviag); 5) Ob die Seligkeit in Ausdehnung der Zeit befiche (nagaraosı xoovov); 6) Vom Schönen; 7) Vom höchſten (nowzov) Gut, und von den anderen Gütern; 8) Wos her das Böfe; 9) Bon einem vernünftigen Ausgang aus dem Leben. Andere find metaphufifcher Natur. Porphyr fagt, fie feyen ungleich. inundzwanzig Bücher habe Plotin geſchrieben "gehabt, che er. zu ihm gekommen, als SPlotin 59 Jahr alt war; vierundzwanzig in diefem und den fünf ferneren Jahren, die Porphyr als Schüler bei ihm zubrachte, indem er Gelegenheit zu fchreiben nahm aus den vorkommenden ragen. Während Porphyr dann in Sicilitn gewefen, habe er in den legten Jah⸗ ren vor feinem Zode nod neun gefhrieben, welde legteren ſchwãcher feyen. *) Kreuzer will Ausgabe von Plotin machen.

° Die Darftellung ift fehwierig, nichts weniger als eine ſyſte⸗ matifhe Entwickelung. Im Ganzen iſt die Dianier Ploting, daß er immer das Befondere zurüdführt auf das ganz Allge⸗ meine. Plotins Geift fhwebt über jeder einzelnen Materic, und behandelt diefe raifonnirend und dialektifh, führt fie aber alle zu Einer Idee zurüd. So find gewifie Hauptgedanten unendlich oft wiederholt. Die Lektüre feiner Schriften: hat deswegen et⸗ was Ermüdendes, eben weil das Befondere, von dem angefan- gen wird, im Ganzen immer wieder auf daffelbe zurüdgeführt wird. Man kann fo aus einigen Büchern Plotins Ideen gut

#) Porphyrius, I. l. p. 3- 5, 9, 17—19.

40 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

faſſen, ohne daß das Leſen der übrigen zu neuen Entwickelungen führt. Beſonders ſind bei ihm Plato's Ideen und Ausdruck herrſchend, aber ebenſo gut die des Ariſtoteles; man kann Plo⸗ tin ebenſo gut einen Neuplatoniker, als Neuariſtoteliker nennen. Es finden ſich bei ihm viele Ausführungen ganz in ariſtoteliſcher Weiſe; die von Ariftoteles angeführten formen der Dynamis, Energie u. f. f. find ebenfo herefchend bei Plotin, und ihr Vers hältniß ift wefentlid Gegenftand feiner Betrachtung. Die Haupts ſache if, daß man ihn nicht nehmen muß im Gegenfag ‚gegen Plato und Ariftoteles; auch das Denken, den Logos der Stoiter hat er aufgenommen.

Eine Darftellung feiner Philoſophie zu geben, ift ſehr ſchwierig. Es ift Plotin nicht darum zu thun, die Gegenftände in ihrer Beftimmtheit aufzufafien, wie Ariftoteles, fondern fie zu ihrer Einheit zurüdzuführen, und das Eubflantielle gegen ihren Schein geltend zu machen. Die Hauptfache, das Charakteriftifche in Plotin iſt die hohe, reine Begeifterung für die Erhebung des Geiſtes zum Guten und MWahren, zu dem, was an und für fi if. Er Halt fih an das Erkennen, an dieß bloß Ideelle, den intelleftuellen Gedanten, wie die Stoiter, der an fih Leben, aber nicht flumm und verfhloffen iſt. Seine ganze Philoſophie ift einer Seits Metaphyſik, aber nicht fo, daß ein Trieb, eine Zendenz darin vorherrfcht zur Erklärung, zum Yuslegen (Des duftion der Dlaterie, des Uebels); fondern fle iſt Surüdführung der Seele von den befonderen Gegenfländen zur Anfchauung des Einen, des Wahrhaften und Emwigen, zum Nachdenken über die Wahrheit, daß die Seele gebradht werde zur Seligkeit dieſer Betrachtung und des Lebens in ihr. Die Richtung iſt alſo nicht ſo ſehr die, bekümmert zu ſeyn, das, was als Wirklichkeit ſich aufdringt, zu begreifen und abzuleiten, ſondern mehr nur, dieſe einzelnen Gegenſtände als Anfang zu nehmen (Meinungen, Phi⸗ loſopheme anzuſühren, aber dieſe Anſichten zu widerlegen), als daß er ihre Stellung und ihr Entſtehen aufzeigte, und den Geiſt

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 4

von diefem Aeußerlichen abzuziehen und ihm feine Stellung zu geben in der Mitte der einfach klaren Idee. Der ganze Ton ſeines Philoſophirens iſt ein Hinführen zur Tugend und zur in⸗ tellektuellen Betrachtung des Ewigen und Einen, als der Quelle derſelben. Und er geht dann inſoſern in's Specielle der Tugend, um die Seele von Leidenſchaften, von den unlauteren, unwahren Vorflellungen vom Böſen, Schickſal, auch vom Unglauben, Aber⸗ glauben, Aſtrologie, Magie u. f. f. zu reinigen. Er führt mehr zum Eubflantiellen zurüd, als diefes in feinen ſpeciellen Be⸗ ſtimmungen auszulegen.

Plotin hat daher z. B. viel mit den Gnoſtikern zu thun; er handelt von ihnen, und tadelt fie, daß „fie gar nicht von der Tugend und dem Guten fpreden, nicht davon, wie fle erworben wird, noch wie die Seele gebildet und gereinigt werden foll. Denn zu fagen, Schaue auf Gott, damit wird nichts gefördert; fondern man muß aud zeigen, wie das bewirkt ‚werde, wie der Menſch zu dieiem chen gebradht werde. Die Tugend, die auf einen letten Endzweck geht und in der Seele inwohnt mit Meis- heit, zeigt Gott”) Er ehrte die heidnifchen Sötter, indem er ihnen einen tiefen Sinn und eine tiefe Wirkſamkeit beilegte. „Wer Etwas liebt,” fagte er, „ber liebt auch alles demfelben Derwandte, wie die Kinder des Vaters, welden er licht. Die Seelen aber in der Welt find dem Höheren verwandt. Wie follten fie alfo von Diefem abgefänitten ſeyn?“ #*) Dieß ift nun ungefähr die allgemeine Richtung.

*) Ennead. II, 1.1X, 0.15: ... od yap dei zo elneiv, Bilne npös Ieov, npovpyou rı. koyalercı, av un nüg zer Blkıpn dıdafn. Ti yag zwiveı, elnoı Tıs @v, Blfneıv za undeuiüs aneyeodaı ndorvnsn axpern Yvuod eivaı. (Es ift dafelbft wohl dr oder eiwas dergleichen zu lefen. Zicinus überfeßt: Quod enim solent dicere, ad Deum adspice, nihil prodest omnino.) ’Agern ulv oUv, eig Telog oolovoa xal dv Yuri Eyyevouevn ueta goovnaews, HEoy delxvvoıy" avev IR agerijs dAndırns Heös Aeyousvog bvoua Lorıy.

##) Ennead. II, 1. IX, c. 16: 6 yag yıleiv nroös örıoüv Eywv xal 10 auyyerks nüy ob gılei donalerar, za) tous naidas av ıbv narega

42 Erſter Theli. Griechische Philoſophie.

Was nun das Nähere ſeiner Philoſophie betrifft, ſo iſt hier nicht mehr vom Kriterium die Rede, wie bei den Stoikern und ‚Epikureern, dieß iſt abgethan; ſondern cs wird darauf ge⸗ drungen, ſich in den Mittelpunkt zu ſtellen, in die reine An⸗ ſchauung, in's reine Denken, jene Einigkeit der Seele mit ſich ſelbſt in der Ataraxie iſt Ausgangspunkt. Das, was ſo bei den Stdikern und Epikureern das Ziel iſt, damit wird hier an⸗ gefangen, ſich auf diefen Standpunft zu flellen, dieß in. fi zu erweden als ein Entzüden, wie es Plotin nennt, als eine Begeifterung.

Der allgemeine Ruf über diefe Philofophie ift, daß fie Schwärmerei ey. Es ifl gewöhnlich, fie eine Schwärmerei nen= nen zu hören, womit es zugleich fehr Tontraftirt, daß ihm alle Wahrheit allein in der Vernunft und in dem Begreifen ifl. Die Schwärmerei fest die Wahrheit in ein Wefen, das zwifchen der Wirklichkeit und dem Begriffe ſteht, das nicht Wirklichkeit if, noch auch begriffen, ein Wefen der Einbildung. Hiervon aber iſt Plotin weit entfernt. Aber was ihn in Diefen Geruch gebracht hat, ift Theils dieß, daß häufig alles dasjenige Schwär⸗ merei genannt wird, was über das finnlihe Bewußtfeyn oder über die beflunmten Verflandesbegriffe, die in ihrer Beſchränkt⸗ heit für Wefen gelten, hinausgeht; zum Theil aber feine Ma⸗ nier, überhaupt von Begriffen, geiftigen Diomenten als ſolchen jo zu fprechen, als ob fie eigene Subfianzen wären, finnliche Meifen, Weifen der Vorftellung in die Welt der Begriffe hinein zutragen: Zheils auch Ideen in die Sphäre des Sinnlichen herab⸗ uzichen, 3. B. den Zufammenhang der Nothwendigteit aller Dinge für die Magie gebraucht. Denn der Magier ifi eben

eyarık. Puxij di näca noös (al. lectio rargös) Exelvov (anima vero omnis patris illius est filia. Fic.). wuyal d& Tovzoıg (in mundi sphae- ris. Fic.), xal voscal zul ayadal, xal ouvoeis Tois Exei (supernis) oA uülloy 7 al um. Ilüs yag av amorundels Ode 6 x00uos

dxelyou nV. nt

Dritter Abſchnitt. Philefophie des Plotin. 43

der, der gewiſſen Worten, Zeichen, ſinulichen, einzelnen, eine all» gemeine Kraft beilegt, durch Gebete u. f. f. fie in das Allges meine einzubilden befirebt if, aber ein gegebenes Allgemei⸗ nes, nicht an fih, feiner Natur nad; oder das Allgemeine des Gedankens hat ſich noch nicht eine allgemeine Wirklichkeit gegeben. Der Gedanke eines Helden ift ein Gedanke, des Hel⸗ den Zhat iſt das Wahre, Allgemeine; die Wirkung, das Mittel ift ebenfo groß und allgemein.

Wenn man Plotin und die Reuplatoniter Schwärmer und Phantaſten genannt hat, fo haben fie diefen Vorwurf: wohl im einem gewifien Sinne verdient. Denn in den Lebensbefchreis bungen der großen Lehrer diefer Schule, des Plotin, Porphyr und Jamblich, finden wir Manches erzählt, was in die Vorſtel⸗ lung von einer Wunderthätigkeit fält. Denn indem fie den Glauben an die heidnifchen Götter aufrecht hielten, behaupteten fie in Bezug auf die Verehrung der Götterbilder, daß diefe wirklich von göttliher Wirkſamkeit und Gegenwart erfüllt feyen. Die alerandrinifhe Schule ift überhaupt nicht freizufpredhen vom MWunderglauben. # Uber auch von den Perfonen finden ſich mancherlei..Zaubereien erzählt, wie wir fie vom Phthagoras bes merkt haben, Geſchichten, ‚die in: diefer Zeit eher ‚ihre Entflehung haben, als in älterer. Denn in der ganzen damaligen Welt⸗ Periode unter Chriften und Heiden iſt diefes. Wunderthun herr⸗ fchend gewefen, weil der Geiſt, zurüdgezogen in’s Innere, voll Bewunderung der unendlichen Macht und Hoheit des Innern, den natürliden Zufammenhang der ‚Ereignifie nicht -beachtete, und das Eingreifen einer hohen Macht ganz nahe legte. ‚Aber ganz und gar fern davon iſt die philofophifche Lehre; außer dem oben bemerkten ganz XTheoretifchen von den Götterbildern ents halten Plotins Schriften nichts dahin Gehöriges. Wer freilich

#) Cf. Ennead. I, 1. VI, c. 7; IV, 1. IV, c. 39 43; Procli T’heol. Plat. I, c. 29, p. 69—- 70 (ed. dem. Portus, Hamburg. 1618).

4 Erſter Theil, Griechiſche Philoſophie.

jede Erhebung des Geiſtes zum Unfinnlichen, jeden Glauben bes Menſchen an Tugend, Edles; Göttliches, Ewiges, alle religiöfe Ueberzeugung Schwärmerei nennt, der wird auch die Neuplato⸗ niker hierher rechnen dürfen; freilich aber iſt es da nur ein lee⸗ rer Name, der nur im Munde des kahlen Verſtandes und des Unglaubens an alles Höhere vorkommen kann. Nennen wir aber die Erhebung zu ſpekulativen Wahrheiten, welche den Ka⸗ tegorien des endlichen Verſtandes widerſprechen, Schwärmereien, nun dann haben ſich auch die Alexandriner derſelben ſchuldig gemacht; aber mit demfelben Recht wird auch die platoniſche und ariflotelifhe Philoſophie Schwärmerei feyn. Denn Plotin fpricht allerdings von der’ Erhebung des Geifles -in das: Denten mit-Begeifterung; oder vielmehr dieß ift die eigentliche und pla⸗ ‚tonifche Begeifterung, fich zu erheben in die Sphäre der Bewes gung des Gedankens.

Gleich dieß hat dem Plotin den Vorwurf der Schwärmerei zugezogen, wie er das Verhältniß des einzelnen Bewußtfenns zur Erkenntniß des abfoluten Weſens beflimmt oder beſchreibt: daß Die Seele, die ſich von dem Körperlihen zurüdziehe und alle Vorftellungen verliere, außer der Vorftellung des reinen Wefens, fi) der Gottheit nähere. *) Das Princip der plotinifhen Phi⸗ lofophie iſt die Vernunft, die in und für ſich ſelbſt if. Plotin fpricht allerdings davon, daß das wahrhaft Eeyende nur gewußt . werde dur die Ekſtaſe; dieſe Verzüdung muß man’ fich aber nicht als Zufland der Schwärmerei vorflellen. Sondern er nennt dieß eine Vereinfachung der Serle, wodurd fie in felige Ruhe verfegt wird, weil ihr Gegenſtand felbft einfach und ruhig iſt. **) Dieß, dag die Seele fih vom Körper zurüdzicht, gefchieht durch den reinen Gedanken; die Thätigkeit ifl das Denken, und ebenfo der Gegenfland. Es ift alfo ruhiges Verhalten ohne Aufwal⸗

#) Ennead. VI, I VII, c. 35 36. ##) ood. loco, I. IX, c. 4.

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Plotin. 45.

lung des Bluts, der Einbildungskraft. Und Ekſtaſe iſt ja nicht blog Entzüdung der Empfindung und Phantaſte, fondern viel mehr ein Heraustreten aus dem Inhalt des finnlichen Bewußt⸗ ſeyns; es iſt reines Denken, das bei ſich ſelbſt iſt, fiih zum Ges genſtand hat. Plotin ſpricht oft von dieſem Zuſtande, auf ähn⸗ liche Weiſe, wie er einmal ſagt: „Oft, indem ih aus dem „Körper zu mir felbft erwache, und außerhalb des Anderen,” des Aeußerlichen, „bin, innerlich bei mir felbft, und eine bewunderns- „würdige Anfhauung habe, und ein göttlihes Leben führe,“ u, f. f..*) Aber das, defien er in diefer Ekſtaſe bemußt wird, find philofophifhe Gedanken, fpefulative Begriffe und Ideen. Theils in diefem Namen, daß er dieh auch Ekſtaſe nennt, Theils auch in der Sadıe felbft, if dann der Grund ‚gefunden, worden, ihn einen Schwärmer zu nennen. a) In dem Namen, Denn es fällt dann denen, die ihn fo nennen, ‚nichts Anderes ein, als ein Zuſtand, in den ſich die verrüdten Indier, Brah⸗ minen, Mönche und Nonnen verfegten, die, zum reinen Zurück⸗ ziehen in fich felbft ſich zu bringen, alle Vorſtellungen und Se hen einer Wirklichkeit in fi zu tilgen ſuchen; fo daß dieß Theils ein: befländiger Zuftand ſey, Theils aber in diefem feſten Schauen in das Leere, es erſcheine nun als Helle oder als Fin⸗ fterniß, keine Bewegung, fein Unterfchied, überhaupt Fein Denten ſey. 4) In der Sade felbfi. Diejenigen, die überzeugt find, daß das abfolute Mefen im Denken nicht das Denken felbft: ift, fpredhen immer davon, daß Bott ein Jenfeits des Bewußtſeyns ſey, und das Denken feiner der Begriff von ihm, defien Exiſtenz oder Wirklichkeit aber noch ein ganz anderes Ding ſey; wie, wenn wir uns ein Thier, Stein denken oder vorftellen, unfer Begriff von ihm oder unfere Borftelung etwas ganz Anderes iſt als diefes hier felbfi, als ob dich das Wahre ihnen wäre. Aber es ift nicht von diefem finnlihen Thiere die Rede,

24*

%#) Ennead. IV, l. VIII; c. 1; cf. ibidem c. 4 7.

46 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

foitdern von feinem Weſen; dieß ift der Begriff von ihm. Und das Weſen des Thiers ift am. finnlichen Thiere. nicht als We⸗ fen vorhanden, fondern als Eins mit der gegenftändliden Ein zeinheit, als einer Weiſe jenes Allgemeinen, als Wejen iſt es unfer Begriff, aber in der That nur diefer das Wahre, das Sinnlihe negativ. So iſt unfer Begriff vom abfoluten Weſen das Werfen felbft, wenn er. Begriff des abfoluten Weſens nicht von irgend etwas Anderem iſt. Aber in dieſem Weſen ſcheint nicht Gott erſchöpft; denn er iſt nicht nur Weſen, ſein Begriff, ſondern ſeine Exiſtenz. Seine Exiſtenz als reines Weſen if unſer Denken von ihm; aber feine reale Exiſtenz iſt die Natur Und in dieſer realen Eriftenz: ift bas Ih einzelnes Dentendes; es gehört zu diefer Eriftenz als Moment derſelben, aber" macht fie nicht aus. Es muß von der Eriflenz des Weſens als We⸗ fens übergegangen werden zue Exiſtenz, als realer Eriftenz. als folcher; und als ſolche ift Gott ein Jenſeits des. einzelnen Selbſt⸗ bewußtſeyns: @) Jenſeits des einzelnen Selbſtbewußtſeyns We⸗ fen, reines Denken, die gegenſtändliche Weiſe wird über⸗ wunden. 6) Als einzelnes Wirkliche iſt er die Natur. Jenſeits des Denkens iſt er nur die Wirklichkeit, Natur; aber eben dieſe kehrt ſelbſt in's Weſen zurück, oder die Einzelnheit des Bewuſt⸗ ſeyns wird überwunden.

Dieß iſt es, warum Plotin Schwärmer iſt, daß er dieſen Gedanken hatte, daß das Weſen Gottes das Denten ſelbſt und gegenwärtig im Denten if. Wie die Chriften ihn auf eine finnliche Weife einmal zu einer gewiffen Zeit und an einem gewiffen Orte gegenwärtig: fagten, aber auch, daf er in ſei⸗ ner Gemeinde: immerfort wohne und ihr Geiſt il —: fo Plotin, daß das abfolute Mefen im Denten ‚des Selbſtbewußtſeyns ge=- genwärtig und darin als Weſen ift, oder das Denten ſelbſt das Böttlihe if. Daß aber nichts Schwärmeriſches in diefer, Vereinfachung des Selbflbewußtfeyns ift, zeigt fich fogleich darin, daß eben diefes unmittelbare Wiſſen von Gott ein Denken und

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Plotin. | 47

Begreifen defielben ift, nicht ein leeres Fühlen, oder, was ebenſo leer iſt, ein Anſchauen. Es nähert ſich mehr dieſer Seite; die bildliche Weiſe des Ausſprechens gebraucht auch mehr der Ab⸗ ſonderung von den zum Theil verworrenen mythiſchen Vorſtel⸗ lungen. Die Idee der plotiniſchen Philoſophie iſt Intellektna⸗ lismus, oder ein hoher Idealismus, der aber von Seiten des Begriffs noch nicht vollendeter Idealismus iſt. Was nun den beßimmten Hauptgedanken Plotins betrifft, das Objektive, den Inhalt, der in dieſer Ekſtaſe, in dieſen Seyn des Denkens bei ſich wird, ſo iſt dieſer Inhalt nach ſei⸗ nen Haupt⸗Momenten im Allgemeinen das, wovon ſchon ge⸗ ſprochen worden iſt. 4. Nämlich das Erſte, Abſolute, die Grundlage it auch bier, wie bei Philo, das reine Seyn, das Unverändetliche, das Grund und Urſache alles erfcheinenden Seyns iſt, deſſen Mog⸗ lichkeit nicht von feiner Wirklichkeit getrennt iſt, ſondern die abfolute Wirklichkeit un ihm ſelbſt iſt. Es iſt dieebenſo ner ſeniliche Einheit oder die Einheit, ſie das Weſen aller Weſen. Nicht die erſcheinende Vielheit des: Dafeyns, die gemeine Sub⸗ flantialität der Dinge, nach der jedes ein von dem andern ge⸗ trenntes Eins, tft das Princip, das Wahre, fondern: vielmehr fchlechterdings ihre Einheit ift ihr Wefen. %) Diefe Einheit if eigentlich nicht Alles; denn Alles iſt erſt Reſultat der Einzelnen, das Sufainmenfaffen derfelben, die" zum Grunde liegen als Mes fen, in eine ihnen fremde’ Einheit. Es if auch nicht vor’ lem; es iſt nicht verfchieden von dein ſeyenden Hilen, es wäre fonft eben wieder nur ein Gedachtes. **) Die neuere Einheit; als Regulativ der Vernunft, gilt für ein fubjektives Prindp; Plotin fest die höchſte Objektivität, Seyn. Diefe Einheit hat keine Vielheit an ihr, oder die Vielheit ift nicht an fid.

#) Ennead. III, 1. VI, c. 6; V1, 1. IX, c. 1- 2. M) eod. loco, III, I. VIII, ce. 8.

8 Errſter Theile Griechiſche Philoſophie.

Es iſt wie bei Parmenides und Zeno nur das abſolute reine Seyn oder auch das abſolute Gute, wie wir bei Plato und beſonders bei Ariſtoteles auch das Abſolute ausgeſprochen ſahen. Zuerſt was iſt das Gute? „Es iſt dasjenige, woran Alles hangt (eis 6 navıa aynorntar),“ auch nad) Ariſtoteles, welches alle Dinge begehren (navra z&.ovre Epiera) und zum Princip haben, deffen fie alle bedürftig find, während es felber unbedürftig, fich felbft genug, das Maaß und die Grenze von Allem ift, das aus fi den voög und die Wefenheit (nö- oley) und Seele und Leben giebt, und die Thätigkeit des voög (rregi voiv Evepyauav). Und bis hierher iſt Alles ſchön; es if aber überſchön (ürrzepxalos) und über das Befle (Errexswea züv Gpiswv) Önepaya9or #) —, frei herrſchend, königlich im GSedantenteih (Baoıleva» & To vonrw)." ##) „Es felbft aber ift nichts von demjenigen, deffen Brincip es iſt. Denn wenn Du gefagt haft, das Bute, fo füge und denke weis ter nichts hinzu. Wenn Du das Seyn felbft aufgehoben, und es fo.nimmft, fo wird Did Erflaunen ergreifen; und Did darauf richtend und in ihm ruhend, wirft Du es verfichen und feine Größe aus demjenigen, was aus ihm ifl. Und wenn Du fo das Seyn vor Dir haft, und es betradhteft in dieſer Reine heit, fo wird Did Staunen ergreifen.“ **%*)

Vom abfoluten Seyn fagte nun Plotin, daß es unerkenn⸗ bar ift, F) wie auch Philo fagte, das Infihbleibende. Hiere über. ift dann Plotin weitläufig, häufig wiederkehrend, daß die Seele ſich aber das Denken diefer Einheit wefentlich verfhaffen müffe erſt durch die negative Bewegung, die etwas Anderes ift als nur Sagen, alle Präditate durchmachen, fEcptifhe Bes wegung, nichts außer diefem Eins. Und das Ziel für das ſub⸗

#) Ennead. VI, 1. IX, c. 6. %*#) ibidem, I, 1. VIII: ZZepi toõũ ziva xal noVev Ta xuxd, c. 2. wer) ibid. III, L VIII, c. 9— 10. +) ibid. V, 1 III, c. 413 14.

Dritter Abſchnitt. Pbilofophie bes Plotin. 49.

jettive Denken fowohl, als für das Praktiſche iſt das Gute; die Beflimmung des Einen ift die Hauptfache. Alle Präditate über- haupt, 3. B. Seyn, Subftanz, paffen nicht auf es; denn fie drüden irgend eine Beflimmtheit aus.) Es empfindet ſich nit, es denkt ſich nicht, es ift ſich feiner nicht bewußt; denn. in allem Diefen liegt eine Unterſcheidung. **) Wenn aber ſchon das Gute das abfolut Freie, ***) fo ift es doch ohne Entſchluß und Willen; denn der Wille Hat den Unterfehied fei- ner felbfi und des Guten an ihm. F) Jenes Seyn ifl und bleibt Gott, iſt nicht außer dieſem, ſondern der Zuſammenhang, die Dieſſelbigkeit ſelbſt. „Die ab⸗ ſolute Einheit erhält die Dinge, daß ſie nicht auseinanderfallen, iſt das feſte Band der Einheit in Allem, Alles durchdringend, ſammelnd und einend, was im Gegenſatz auseinander ſich zu entzweien in Gefahr ſteht. Wir nennen es das Eine und das Gute. Es iſt weder, noch Etwas, irgend Eins, ſondern über Alles. Alle dieſe Kategorien ſind negirt; es hat nicht die Größe, iſt nicht unendlich. Es iſt der Mittelpunkt des Univerſums der Dinge, die ewige Quelle der Tugend und der Urſprung der göttlichen Liebe, um das Alles ſich bewegt, nach dem ſich Alles hinrichtet, aus dem der vovs und das Selbſtbewußtſeyn immer feinen Anfang und Ausgang nimmt.” FF) Zu diefer Subflanz führt Plotin Alles zurüd; fie ift allein das Wahre, bleibt fih in Allem ſchlechthin gleich. Aus diefem Erften gebt aber Alles hervor, und das Eine fchlieft fih auf (zufammenhangend mit der Schöpfung und aller Produktion). Die kann aber aus dem Abfoluten nicht gefaßt werden, wenn

#) Ennead. V, 1. II, c. 1; VI, 1 II; c.9—10; 1. VIII, c. 8 —9;1IX, c.8. #7) ibid. VI, 1 IX, c. 6. wu) ibid. VI, L VIII, c. 7. +) ibid. VI, 1 IX, c. 6 (ef. 1. VIII, c. 13 et 21). +F) Steinhart: Quaestiones de dialectica Plotini ratione, p. 21; Plo- tini Ennead, VI, J 1X, c.1— 9, passim.

Geſch. d. Ppil. ** 4

50. Erfter Theil. Griechiſche Philoſophie.

dieß als Abſtraktes ein Beflimmtes ift, und nicht vielmehr als das in fih thätige Eine gefaßt wird. Diefer Uebergang zum Zweiten wird aber von Plotin nicht philofophifch oder dialektiſch gemacht, fondern diefe Rothwendigteit wird in Vorſtellungen und Bildern ausgedrüdt. Er fagt nämlid vom vovg, dieſem Zweiten, dem Fortgehen vom Unaufgefchloffenen zur Offenba⸗ rung: „Diefes eine abfolute Gute ifl eine Quelle, welde kein anderes Princip hat, aber das Princip if für alle Flüſſe, fo daß es durch diefe nicht aufgezehrt wird, fondern als Quelle ruhig in ſich felbft bleibt” und in Beziehung auf fie, und. fo diefe Flüſſe als ſolche in ſich enthält; fo daß fie, „die heraus⸗ gehen da= und dorthin, nod nicht herausgefloffen find, aber - ſchon wiflen, wo hinaus fie und wohin fie. fließen follen.” ®) Diefes Unterfcheiden if der Punkt, auf den Plotin oft zurüds tommt; und dieß ift der Fortgang zur Beflimmung, das Dar | vorbringen, ein Hauptpunft.

2. Das Erfie nun, was diefe Einheit gezeugt hat, fein Sohn, iR der Verſtand (vous), das zweite göttliche Weſen, das andere Princip.**) Es tritt Hauptfchwierigkeit ein, dag Bemühen: zu faffen, wie das Eine ſich entfchloffen habe ſich zu beftimmen. Das ift nod immer das wefentlihe Intereffe. Die Alten haben diefe Frage noch nicht in diefer Beftimmtheit, als wir, aufgefaßtz fie maden fi) aber darum zu thun. Der vodc ift das Sich=-felbft- Finden feiner ſelbſt. Er iſt dvas, das reine Zwei, er felbft und fein Gegenfland; er enthält alles Gedachte. Er ift diefes Unterfcheiden, aber das reine, das zugleich ſich felbft gleich bleibt. Aber die einfache Einheit ift das Erſte. **) Er bat hier allerlei Weifen der Vorftellung: „Wie nun dieß Hervorbringen befhaffen fey, wie aus der Einheit die Zwei und das Viele überhaupt hervorgegangen, eine bekannte und ge=

*) Enncad. II, 1. VID, c. 9. *#) ibid. III, I. VIII, c. 10 fin. RR) ibid. V, 1.1, c. 4- 6; c. 7; I. IV, co; 11V e. 1.

Dritter. Abfchnitt. Philoſophie bes Plokin. 51

machte Frage von alten Zeiten, dieß zu ſagen zu wiſſen, dazu müſſen wir Gott anrufen, aber nicht mit hörbarer Stimme, ſondern indem wir uns ſelbſt im Gebete zu ihm ausdehnen; die⸗ ſes können wir nur, indem wir einſam in ung zu dem Einſa⸗ men hinzugehen. Der Betrachter muß im Innern wie in einem Tempel bei ſich ſelbſt ſeyn, ruhig und über Alles erhaben in fih bleiben, und fo betrachten, daß es keine Veränderung if.” *) Das ift immer die Stimmung der dentenden Seele, zu der er aufruft und Alles hinführt. In. diefem reinen Denten (An- ſchauen) iſt der vors wirklich; das ift die göttliche Thätigkeit felbfl.

„Diefe Hervgrbringung ift nicht eine Bewegung, Verändes rung;” die Veränderung fest ein Andersfeyn, geht auf etwas Anderes. „Die Veränderung und was dur Veränderung ifl, Das Beränderliche, ift erfi das Dritte,” der vous ift noch das Beifichfelbfibleiben der Betrachtung. „Indem fo der Berfland ohne Veränderung aus dem abfoluten Weſen ift, fo ift er der unmittelbare Abglanz deſſelben, nicht durd einen Willen gefest oder Entſchluß. Sondern Bott,” als Eins, das Gute, „ift das Unbewegliche, und die Erzeugung ift ein Leuchten aus ihm, aus ihm, der bleibt. Das Eine leuchtet um ſich (reoikauıv, Um⸗- leuchten); der Verſtand fließt aus ihm (2 avzoü de uEvovrog), wie das Licht aus der Sonne (olov nAlov To Tegi adrov Acungpov, Werreg repıdEov). Alle” (fubftantiellen) „Dinge, die ein Bleiben haben, geben aus ihrer Subftanz um fie herum ein Weſen, das von ihnen abhängig iſt;“ oder vielmehr er fagt, es ift daffelbe. „Wie Feuer um fi ber Wärme, Schnee Kälte verbreitet, befonders aber der Duft der Dinge,” fo umleuchtet der vos das Seyn. „Was zu feiner Volltommenheit gelangt ift, geht in die Emanation den Lichtkreis **) über,” duftet um fich herum. ***x) Er gebraucht für dieß Hervorgehen, Pro⸗

#) Ennead. V, 1.1], c. 6.

##) ibid, IV, 1. III, c. 17. SE) ibid. V, LI, c. 6.

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2 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

duciren auch das Bild des Weberfließens, wodurch das Cine aber ſchlechthin Eines bleibt. „Weil es in fi volltommen, ohne Mangel if, fo fließt es über; und diefer Ueberfluß iſt das Herr vorgebradhte. Dieß Hervorgebrachte aber kehrt ſich“ ſchlechthin „na dem Einen,” dein Guten; „das Eins iſt fein Gegen ftand, Inhalt und Erfüllung,” es ift das mit Gott Erfüllte, begehrt ihn. „Und dieß ift der Verſtand,“ überhaupt diefe Umkehr des Hervorgebrachten zu der erſtew Einheit. „Das erſte ruhende Seyn ift das abfolute Wefen, der Verſtand das Ans fhauen diefes Weſens.“ 9 Oder er entficht dadurch, daß das Ierfte Wefen durch Rückkehr auf ſich ſelbſt fich ſelbſt ficht, ein fehendes Schen if. Das umfliefende Licht ift ein Anfchauen Bes - Einen; dieß Sihinfihzurüdbengen (Emiorgkgew, Erriorgopn). ift dann das Denken, oder der vovs ift diefe Kreisbewegung. **) Dief find die Hauptbefiimmungen bei Plotin. Dieſe Bes flimmung der Natur der Idee ift wahrhaft in allen ihren Mo⸗ menten. Nur ift darin eine Schwierigkeit; was uns nämlich fogleich bedenklich ift, if dieß Hervorgehen. Das Unendliche fließt fi auf; aber dief kann man auf viglerlei Weife vor« flellen. In neuerer Seit hat man fo viel vom Herausgehen aus Gott gefprodhen; es iſt aber immer eine finnlide Vorſtel⸗ lung, ein Unmittelbares. Die Nothwendigkeit des Sichaufſchlie⸗ fens ift damit nicht ausgeſprochen; es iſt nur gefeßt, es geſchieht. Der Bater zeugt den ewigen Sohn, dieß ift für die Vorflellung genügend; aber für den Begriff iſt dieſe Form der Unmittelbar⸗ teit der Bewegung, der Beflimmung nicht hinreichend. Die Idee als diefe Dreiheit ift alfo dem Inhalte nach ganz richtig aufges : foßt, und dieß if Hoch zu achten; diefe Beflimmungen find wahr; aber nicht befriedigend. Die einfache Einheit, ihr Werden iſt jenes Aufheben aller Prädikate, die abfolute Regativität ; dag

#) Ennead. V, L. II, c. 1.

##) ibid. V, L. I, c. 7; VI, l. IX, c. 2.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 53

Herausgehen ift eben jene Negativität an fih, nicht von der Einheit anfangen und zur Zweiheit übergehen. Bon Plotin tonnte noch viel Schönes angeführt werden, es wiederholen ſich jedoch in feinen Werken oft diefelben Gedanken; häufig findet fi das Zurückgehen auf das Allgemeine, und es iſt tein eigents | licher Fortgang darin.

Dieſer Berfland iſt nur der Inhalt der mannigfaltigen Ideen. Diefes, was der Verſtand, was fein Gegenfland ift, ift ihm ſchlechthin nichts ihm noch ſich Fremdes, nicht entgegenge= ' fegt. Gott ift alfo Unterſcheiden, Ausbreiten, aber ebenfo Rüds kehr zu ſich felbft; diefe Zweiheit ift fchlechthin in der Einheit, diefe if ihr Gegenſtand. Das Gedachte iſt nicht außer dem vovs, der vovs hat im Gedanken fih nur felbft als dentend.. Der Gegenfland des Denkens, ‚das, wozu ſich daffelbe zurück⸗ beugt, ift die abfolute Einheit, in die aber als folde nicht eins gedrungen, und die nicht beftimmt wird, fondern das Unerkannte bleibt. Aber das Denken ift dann auch diefes, ſich felbft zum Gegenftande zu haben; und damit hat es einen Gegenftand, der BVermittelung ‘und Thätigkeit, überhaupt die dvag in ſich ent- halt. Dieß ift das Denken als Denten des Denkens. *) Oder in der Ausbildung diefes Denkens in fi, infofern es fein Ge⸗ genftand ift, liegt dem Plotin die erfle und wahrhafte intellel= tuelle Welt, die dann zur finnliden Welt im Verhältniß ficht, fo daß diefe aber nur eine entfernte Nachahmung ifl. Und die Dinge fo angefhaut, wie fie in diefem abfoluten Denken find, find fie als Aoyoı, oder als ihre Begriffe und Weſen; und fie find die Muſter der Sinnenwefen (wie Plato fih auch aus⸗ drüdte), wie vorhin in dem Beifpiele von der Quelle. **)

Daß aber das Denken diefes ift, fich felbft zu denken, dag iſt ganz arifiotelifh. Aber bei Plotin und den Alexandrinern

%) Ennead. V, 1. III, c.5;: VI, L. II, e 8. ##) ibid. II, 1. IV, c. A: VLIIV, 0.2; V, 1. IX, c. 8- 9.

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z4 Ürfler Theile Griechiſche Philoſophie.

iſt weiter dieß der Fall, daß dieſe ariſtoteliſche Beſtimmung, das Gedachte, vom Gedanken Erzeugte das wahre Univerſum, die intellektuelle Welt iſt; was bei Platon die Ideen ſind, iſt der bildende, hervorbringende Verſtand und Intelligenz, die in die⸗ | ſem Hervorgebrachten wirtlih ifl, und fich ſelbſt zum Gegen ftande hat, ſich felbft dentt,

Plotin fagt auch auf pythagoräiſche Weife, 9— die Dinge als Zahlen in dieſem Aoyos find. „Die Zahl aber iſt nicht das Erfie, fondern die Einheit Feine Zahl. Die erfte Zahl if die Zwei, aber unbeflimmte Zweiheit; das Eins iſt bas Bes flimmende berfelben. Sie ift auch die Seele. Die Zahl if das Dichte; was die Empfindung für feyend nimmt, ift das Spätere.” *)

Wie diefe vielen Begriffe im Verſtande find, beſtimmt Plo⸗ tin ſo, daß ſie darin ſind wie die Elemente ein Ding konſtitui⸗ ren, alſo nicht wie gleichgültige Gattungen gegeneinander, ſon⸗ dern Verſchiedene, die ſich vollkommen einen, nicht gleihgüls tig durch den Raum unterſchieden, bloß durch innern Unterſchied, Begriff, oder auch nicht wie ſeyende Theile. .**) Dadurch ift der Verfland als negative Einheit ausgefagt. Wie die Ele⸗ mente ein Ding ausmachen, ſchlechthin unpaffend, wenn ihr Verhältniß beſtimmt wird als Theile, aus denen das Ganze bes fteht (Theile find gleichgültig gegeneinander, jeder für und an fid) —: fo wird vorgeftellt Waffer, Kiefelerde u. f. f. in einem Kryſtalle, fo daß es noch Waſſer, Kiefelerde als ſolche if. Ihr Seyn ift die Neutralität, worin jedes als Gleichgültiges, Seyen⸗ des aufgehoben iſt; ihre Einheit ift die negative Einheit, das innere Wefen, das Princip der Individualität als Differente in ſich enthaltend.

3. Die veränderlihe Welt, die im Unterfchiede befan=

*) Ennead. V, 1.1, c. 5. ##) ibid. YILI,c.2; V, IJ. IX, c. 8.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 55

gen if. So iſt an ſich die Vielheit diefer Formen im Verſtand; aber fie find nicht nur in ihm, fondern find für ihn, es if fein in der Form feines Gegenſtandes. Näher ift für ihn dreiers let: a) Es iſt für ihn alfo das Umnveränderliche, die. Einheit; er denkt feine Einheit als Gegenfland. P) Er denkt die Unter- ſcheidung ſeiner von dem Weſen; es iſt für ihn der Unterſchied Gegenſtand, oder die Vielheit des Seyenden. Er iſt das Er⸗ ſchaffen der Welt; in ihm hat Alles ſeinen Unterſchied und Be⸗ ſtimmtheit (Form) gegen einander, und dieß macht die Sub⸗ ſtanz derſelben aus. Y) Die Subſtantialität, das Bleiben im Dentenden ift die Beflimmtheit; fein Erzeugen oder Ausfließen aller Dinge aus ihm ift daher fo, daß er erfüllt von Als lem bleibt, oder Alles unmittelbar ebenfo aufzehrt. Und er ift das Aufheben diefer Unterfchiede, oder das Mebergehen von ei⸗ nem zum andern; er denkt fidh eben fo, oder ift fi fo Gegen ſtand. Dieß ift die Veränderung. Inſofern der vovs ſich felbfl als fi) verändernd, aber in diefer Veränderung auch einfad bei fich ‘bleibend dentt, denkt er das Leben überhaupt. And die, daß er fih fo Gegenftand if, feine Diomente, die er als feyend fest, dieß ift das wahrhafte, lebendige AUniverfum. Diefes Sich⸗ ummwenden des Herausfliehens aus fi felbft, diefes Denten ſei⸗ ner iſt die ewige Erfchaffung der Welt. *)

Es erhellt in diefen plotinifchen Gedanken, daß darin zuerſt das Andersfeyn, das Fremde aufgehoben ift. Die eriflivenden Dinge find an ſich Begriffe Der göttliche Verſtand ift ihr Denten, und dieß ihr Gedachtſeyn im göttlichen Verſtande ift ihre Eriftenz; und ihre Eriflenz iſt nichts Anderes, ift felbft die⸗ fes Gedachtſeyn. Sie find Momente des Dentens, und eben dadurch des Schns. Die Formen der duvanıs und Evspyeıa find aud bei Plotin fehr geläufig, Hauptbeflimmung; er hat

#) Ennoud. V, I, ce; LU, C. LARBEI MVI, 04 VI, I. II, c. 92. |

06 Erfter Theil. Griechiſche Philofophie. | fehr weitläufige Erpofitionen darüber. Er unterfcheidet im vodg das Denten (voüs), das Gedachte (vonror), und den Gedanken (vönoıs), fo daß der vous Eins und zugleich Ales iſt; Pie vonors ift aber die Einheit der Unterſchiedenen. ) „Gedanke“ ift nicht fo Einheit, mehr Produkt; doch auch der Gedanke fhwingt fih auf zu Gott, der Gedanke, d. i. das Subjekt. Der Unterfhied des Denkens gegen einen äuferlichen Gott fallt binweg; deswegen Tlagt man die Reuplatoniter der Schwärmes rei an, und fle felbft bringen dabei wunderliche Dinge vor.

Näher nun diefe dreifache Weife des Dentens betrachtet, ‚als einfaches, als unterfähiedenes und als Veränderung, fo hat diefes drei Principien an ihm. Jene erſte Weiſe ift das eins fache unterfhiedslofe Schauen feines Gegenflandes, oder es if das Licht. Es ift nicht Materie, fondern reine Form, die Wirk, famteit. Der Raum ift die abfiratte reine Kontinuität diefer Wirkſamkeit, nicht das Wirkfamfenn felbfi, fondern die Form .. feines Ununterbrochenfeyns. Der Verſtand als das Denten Dies fes Lichts iſt ſelbſt Licht, aber das in fh reale, oder das Licht. des Lichts. **)

a. Die drei Principien find das Eins, der vous und die Seele „Der vovs, wie er ift, fo ift er ewig in Thätigkeit. Die Bewegung zu ihm und um ihn ift das Thun der Seele. Die Vernunft (Aoyos) von ihm zur Seele macht die Seele den⸗ tend, nichts zwifchen ihnen ſetzend. Das Denten (vovs) ift nicht ein Mebreres; das Denten ift einfah, und Denten daß es. denft. Der wahrhafte vods (nicht unferer, als in der Begierde) denkt in den Gedanken, und fein Gedachtes ift nicht außer ihm; fondern er felbft ift fein Gedachtes, hat nothwendig im Gedans ten fich felbft und ſieht ſich felbfi, und flieht ſich felbft nicht nidhtsdentend, fondern dentend. Unfere Seele ifl zum Theil

%#) Ennead. V, k III, c. 5: &v &ua novıa Eoreı, voüs, vöonoic, To vonzör. #3) ibid. IV, L Il, e. 47.

_ - Dritter Abfchnitt. Philofophie des Plotin. 57 im Cwigen (Lichte), „ein Theil der allgemeinen Seele; diefe ift zum Theil: im Ewigen, und fließt von da aus, im Anſchauen ihrer ſelbſt bleibend, nicht berichtigend aus Abſicht,“ und der⸗ gleichen. „Die Ausſchmückung des Ganzen giebt jedem Körper⸗ lichen, was es vermag nach ſeiner Beſtimmung und Natur aus⸗ zuführen, wie Feuer in der Mitte Alles um ſich her erwärmt.” *) „Beil das Eine nicht einfam ſeyn fol denn fo wäre Alles verborgen und hätte feine Geflalt an ibm, und es wäre nichts von dem, was if, wenn jenes in fich felbft ſtünde; und es wäre nicht die Menge der Schenden, die vom Eins erzeugt

find, wenn die nicht das Hervorgehen (7000009) erhalten häts .

ten, die die Ordnung der Seelen befommen haben —: ebenfo mußten nicht allein Seelen feyn, als ob das durd fie Erzeugte nicht erfhheinen follte. Denn jeder Natur ift dieß inwohnend, etwas nach ihre zu machen und in’s Licht zu feßen, wie der Saame aus einem ungetheilten Anfang. Nichts verhindert, daf Allem von der Natur des Guten mitgetheilt werde.“ ##) Plotin läßt das Körperliche, Sinnliche gleichſam auf der Seite liegen, hat kein Intereſſe, Grund, es zu erklären, ſondern immer davon zu reinigen, damit die allgemeine Seele und unfere Seele nicht gefährdet werde. \

b. Er ſpricht vom Princip der materiellen Welt, vom Ur⸗ ſprung des Böſen. Die ſinnliche Welt hat zu ihrem Princip die Materie; über dieſe Materie philoſophirt Plotin viel, und fo auch im Zuſammenhang mit der Materie über das Böſe. Die Materie ift das Nichtfeyende (odx 09), das ein Bild des Seyenden an ihm hat. Die Dinge find verfchieden durch ihre reine Form, die fie unterfcheidende Differenz; das Allgemeine

%#) Ennead. II, 1. 1X, c. 1—3: Eor yap ws Borı vous del asav- ws. Lvepyela xelusvos Zorwon x. T. A. Die Ueberfegung macht Fein Komma nad) wseurws: Est enim, sıcut est intellectus, eodem modo semper in actu stabili..constitutus.

##) ibid. IV, 1. IX, c. 6.

er Erſter Abſchnitt. Griechiſche Philoſophie.

der Differenz iſt das Negative, und dieß iſt die Materie. Wie die erſte abſolute Einheit das Seyn iſt, ſo iſt dieſe Einheit des Gegenſtändlichen das Negative; ſte iſt ohne alle Prädikate und Eigenfchaften, Figur u. f. f. Sie ift fo felbft ein Gedanke, teis ner. Begriff, und zwar ber Begriff der reinen Unbeſtimmtheit; oder fie ift die allgemeine Möglichkeit ohne Energie. Plotin befchreibt diefe reine Möglichkeit fehr gut, und beſtimmt fie als das negative Princip. #) Hierüber ſpricht Plotin viel: „Das Erz ift nur der Möglichkeit nah Bildfüule. In dem, was nicht bleibend ifl, war das Mögliche (50 dvvazıke) ein ganz Anderes. Wenn der Grammatiter der Möglichkeit nah, es auch der Wirklichkeit nad) wird (dvepyeia yerıyras), fo ift bier das Mögliche dafielbe mit dem Wirkliben. Der: Unwiffende ifl es beziehungsweife (zara ovußeßnxos); und nicht infofern er unwiffend, ift er ein Wiffender der Möglichkeit nach. Die Seele, die für fi ifl, erhält das, was fie der Möglichkeit nad war, auch infofern fie wiffend iſt (7 de Yuyn xaf Eav- nv dxovon zo Övvausı Tv Tneg xal dnıornuwv, Erı o0Y owLeı TO Övvaueı: Anima vero secundum se ipsam ex- istens apta, in potentia perdurat etiam quatenus est sciens, servatque adhuc quod dicitur in potentia), Es wäre nicht unpaffend, die Energie, infofern fie der Energie nach und nicht bloß der Möglichkeit nach ifl, Form und Idee (Eidos) zu nen⸗ nen: nicht überhaupt (irrAwg) Energie, fondern Energie von etwas Beſtimmtem (Tod xai Eveoyeıaov, sed potius hujus actum. Fic.). Denn wir können eine andere Energie vielleicht eigentlicher (xvpuwregov) benennen, die entgegengefegt ift der in die Wirklichkeit führenden Möglichkeit (77 drrayovan Evep- yeıav, quae educit in actum). Denn das Mögliche hat das von einem Anderen, der Wirklichkeit nach zu ſeyn. Durch die Möglichkeit aber hat das Mögliche an ihm felbft die Wirklich—

%) Enneail. II, I. IV’, c..4, 12 15.

Dritter Abfchnitt. Philofophie des Plotin. 5.

keit, wie die Fertigkeit und Die ſich darauf beziehende Thätigkeit die Zapferkeit und das tapfere Handeln.” *) | „Denn in dem Gedachten“ („der intelligiblen Welt“ iſt ſchiefer Ausdrud; nirgend fleht Welt, fondern €» Tois vonvois)‘ „teine Materie ift, als welche das iſt, was der Möglichkeit nach iſt (dA dr 7 vo Övraueı), und Nichts‘ wird als“ (utpote, nicht quam) „ein Solches, das noch nicht ift, noch ein in An⸗ deres ſich Beränderndes, oder als bleibend ein Anderes erzeugt, oder aus fi heraustretend dem Andern flatt feiner zu ſeyn er⸗ laubt: dann ift da kein bloz Mögliches, da, wo” (nicht im Reiche, in regno) „das Sehende iſt, das Ewigkeit und Teine Zeit hat. Sollte die Materie da als Form (eidog) feyn, wie auch die Seele, eine form, für Anderes, (rroög Ereoov) Dias terie if.” **) (Hier kommen fehr dunkle Stellen). Die Materie ift überhaupt nicht actu. ***) „Sie if das der Mög⸗ lichteit nad) Seyende. Ihr Seyn ift nur ein Werden Verkün⸗ dendes (TO eivar aus uovov TO ughAkov Enayyellousvor): fo daß ihr Seyn in das ſich verkehrt, was feyn wird (R Zora). Das, was der Möglichkeit nah if, iſt nicht Etwas, fondern Alles; erſt die Energie ift beflimmt. „Die Materie bleibt im- - mer ſich neigend zu Anderem (u&vovoa nroög &AAo), die Mög- lichkeit für das Folgende (dvvausı odoa npög' ra dpesnc). Sie ift zurüdgelafien als ein ſchwaches und düſteres (trübes) Bild (eidwAov), das nicht formirbar ifl. Iſt fie nun der Wirk⸗ lichkeit nach Bild? Alſo der Wirklichkeit nach Lüge? Dieß ift

*. Ennead. II, 1.V, «2: ... 2) d} duvausı 6 duvaraı nag evınsn Eveoyeın, olov Eis zal 7 zer abımy Asyouevn Evkoysin av- dola zul ro avdolleogeı (potentia vero illa, per quam aliquid agi pot- est, ex se ipsa edit actum sibi quodammodo oppositum, velut habitus et qui secundum illum actus dicitur, fortitudo scilicet atque fortiter agere).

3) ibid. c. 3: ... ZEiorausyov iavrod Edwxev ally dv! alrov eivaı, oöx üv ein dxei vo duvausı, dv W ko ıuv Ovıwv xal alavı od xoövor Zyovımv.

RR) ibid. c. 4.

60 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

daffelbe, als wahrhafte Lüge (aAnIıvöv Wevdog), dieß iſt das wahrhaft Nichtſeyende (övzws un 09);” fie iſt ein Unwahres duch die Energie. „Das if alfo nicht der Wirklichkeit nad ein Scehendes, das fein Wahres,“ -was es in der That if, „bat (6 aAnFEs Exoveı) in: dem Nichtfegenden (un Dreu);" es ift in Wahrheit nicht, „in dem Nichtſeyn hat es fein Seyn“ Das Richtſeyn drüdt die Natur der Materie aus; es iſt Dief ihre Beftimmung, als das rein Negative. „Wenn man dent, , Falſchen fein Falſches nimmt, fo nimmt man ihm alle Weſen⸗ beit, die es hatte. Ebenfo wenn Du in dasjenige, was fein Senn und fein Wefen in der Möglichkeit hat, die Wirklichkeit einführft, fo zerftörft Du die Urſache feiner Subftanz, weil ihm das Senn in der Möglichkeit beftand. Will man alfo die Mas terie unverfehrt bewahren, fo muß man fle als Materie bewahs ren; man muß alfo, wie es fheint, fagen, daß fle nur der Möglichkeit nad) fey, damit fie bleibe, was fie iſt.“ *)

c. Auch das Böfe, dem Guten gegenüber, fängt jest an, Gegenſtand der Betrachtung zu fehn, wit denn die frage nadh dem Urſprung des Böſen das Bewußtſeyn des Menſchen übers haupt interefficen muß. Das Negative gegen das Denten has ben. diefe Wlerandriner als die Materie gefest. Indem das Bes wußtſeyn des konkreten Geifles eingetreten iſt, wird aud das abfiratte Regative in diefer konkreten Weiſe aufgefaßt als in nerhalb des Geiftes felbft, alfo als das geiftig Negative, Plotin betrachtet dieß Böſe vielfach; aber die denkende Betrachtung von dieſem Punkte geht noch nicht weit. Im Allgemeinen herrſchen nun dieſe Vorſtellungen: Das Thun der Seele iſt die Bewegung

#) Ennead. II, J. V, c.5: ... 27 15 un eivaı eivaı Inelneg Tois weudas ovoıy, 2av ay&ins To Weudos airav, dpeikes aurav nruva eiyov ovalay. xal Tois duvansı TO eivaı zu) ı79 oVolan Eyovoıy eisayayav ınv Evkpysiav ANoAWlEXuS aUIWy TNS ÜNOOTAGEWS ınv alılev, dt To eivaı avroig 29 duvausı nv. elnco üga dei drw- 1e900v ınv LAnv ınoeiv, Sinv airyv dei ıngeiv. dei apu duvaueı, Ws

koıxev, eiyau Adysıy uovor, Ive 7 6 toru.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 6

zu dem Einen, zwifchen Seele und Aoyog ift nichts; denn der Gedanke hat nur ſich zum Gegenflande, fieht ſich als deutend. *) Das Gute ift das, wovon Alles abhängt, was Alles bezeichnet was ift, das fich felbf genügt, Maaß, Princip und Grenze von Allem, was Seele und Leben giebt, nicht nur ſchön; fondern es ift über dem Beften, königlich, herefchend im Gedanten. **) „Es ift der vovüs, aber nicht wie wir den Verfland zu nehmen pfle= gen, der aus einer Vorausfegung (Ex rroozacews) ſich erfüllt und das verficht, was ihn gefagt wird, der ſchließt und aus dem, was folgt, die Theorie macht, und aus der Folge, was ifl, ertennt, als der. es vorher nicht hatte, fondern vor feiner Ers Tenntmiß teer war, ob er gleich Verfland. Sondern jener voüc, die Intelligenz, hat Alles, ift Alles und wohnt bei fi,“ ents halt Alles in fi; „er hat Alles, indem er es nicht hat,“ in

dem es ideell, intelligibel in ihm ifl. „Nicht aber befist er es

in dem Sinne, wie man Etwas, das man befigt, als etwas:

Anderes oder Fremdes anfleht; was er befist, ift nicht von ihm unterfchieden. Denn er iſt ganz ein Jedes und überall Alles und nicht gemifcht, fondern wiederum an und für fich.”

„Bas defielben theilhaftig ift, ift nicht theilhaftig des Alles zugleich, fondern theilhaftig, fo weit es fann. Und Er“ (der vovs) „ist die erſte Energie defielben” (des endlichen vovg), oder deffen Energie ift die Erſte, „und die erfle Sub- flanz, indem jener in ſich bleibt“ (der endlihe namlih). „Er ift thätig um jenen, wie er um ihn lebt (7). Die außerhalb um ihn fi) bewegende” (xwosvoron, circa hunc se versans. Nicht Zogsvonce?) „Seele, und ihn betrachtend und inwendig in ihm fehend, ſchaut Gott durch denfelben; und dieß iſt das

übellofe und felige Leben der Götter.” Die Intelligenz iſt Thä—⸗ tigkeit, als foldhe aber fließt fie über, und geht heraus; fie ift

x) S. Oben, $. 56. ##) S. Oben, S. 48.

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62 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

alſo unterſcheidend, aber indem ſie in ihrem Unterſchiede nur mit fich zu thun hat, bleibt fie in ihrer göttlichen Einheit und in einem übellofen und feligen Leben. „And wenn es dabei fiehen bliebe, würde tein Uebel ſeyn. Uber es find erfle Güter und zweite und dritte, alle um den König von Allem, und Je⸗ nes (2xeivo) iſt der Mcheber von allem Buten und Alles ift das Seinige;” aber es ift darin enthalten das Moment des Unter- fhiedes, „und das Zweite um (nept) die Zweiten und das Dritte um die Dritten.” *)

„Iſt dieß nun das Schende und das noch über das Syn Erhabene, fo ift das Böſe nicht im Seyenden, noch in dem über das Seyn Erhabenen; denn dief iſt das Gute. Es bleibt alfo nur übrig, daß das Böfe, wenn es ift, in dem Nichtſeyenden ift, wie eine Form des Nichtſeyenden, das Nichtfeyende aber nicht als gänzlich nicht feyend, fondern nur als ein Anderes des Seyenden.” Das Böfe ift nicht abfolutes Princip, von Gott unabhängig, wie bei den Gnoftitern, Manichäern. „Es ift nicht ein Nichtfeyendes, wie Bewegung und Ruhe am Schaden, fons dern wie ein Bild des Schenden (eix@v Tov Ovrog), oder auch noch mehr” Cim flärkeren Grade) „nicht feyend (N xal Erı uöhhov ur ov). Es ift das finnliche Umiverfum.” **) Das Böfe hat feine Wurzel im Nichtſeyn.

#) Ennead. I, 1, VIII, c. 2: ... xal oiveotv cUIo ovvwy, xal Eysı nayra oUx Eywyv* ob yio alla 6 dE allos, oüdE xuwels &xaoıov zuv Ey auıo. OAov TE yao Lorıy Exaorov xal navıeyn nüw xal ob ovyxäyvraı, dll& au ywols (secum habitat sibi prorsus unitus, habet cuncta non habens; non enim ea possidet tanquam alia, nec ipse existit alıus, neque quae sunt in eo singula segregantur a singulis. Immo vero quodlibet est universum et ubique totum, neque tamen confundun- tur cuncta, sed rursus singula discernuntur) x. 7. A.

#) ibid. c. 3: ei en tevıe Lot ra Ovıa zul To Inexeıvo Toy 00x &v &v Tois ovor To xaxov Eveln ovdk dv Two Inkxeıva tor öyıwy° dyasc yaR_ avra. Aslrerar zolvur, eineo Eorıv, ev Tols 0oð (sic) oübuv eivar, olov eidog Tu Tov un Övzos ... un öv dt, ovu To nayıelög un 09, All Eregov MOVoP ToU OVLog x. Tu 4.

Dritter Abfnitt. Philofopbie des Plotin. 63

Im achten Buch der erfien Enneade fagt er: „Wie wird aber das Böfe ertannt? Inſofern das Denten ſich von fich ab- kehrt, entficht die Materie. Die Materie iſt nur dur die Abs

ſtraktion des Anderen. Was zurüdbleibt, wenn wir die Ideen binwegnehmen, fagen wir, ift die Diaterie,” das Böfe. „Der Gedanke wird daher ein Anderer, Nichtgedanke, indem er es wagt, fich auf das zu richten, was nicht das Seinige iſt (di xai vovc Glos 0VTog, yoüc, toAungos ideiv T& un adrod);“ nit das einige ift aber die Materie, und das ifl das „Bote. „Die das Auge ſich vom Lichte wegwendend, um die Finſterniß zu ſehen, mit dem es fie nicht ſteht eben dieß ift ein .Schen, das Nichtſehen iſt —: ſo der Gedanke leidet das Entgegengeſetzte deſſen, was er iſt, damit er das ihm Entgegen⸗ geſetzte ſehe (nass Tovvarsiov ij Lore, ih in vo avzım &vav- zioy)." *) Dieß abflratte Andere ift auch das Böſe. Das Se⸗ ben des Maaßloſen ift eben ein Nichtſehen. „Das Sinnlide in Beziehung auf das Maaß“ öpos, voog „ift das Maaß⸗ lofe, das Unendliche Grenzenlofe „in Beziehung auf das Be⸗ grenzte (reoas), das Unbeflimmte, Nichtruhende, Unerfättliche, ſchlechthin Bedürftige. Solches ift ihm nicht Accidenz (ovuße- Bnxora), fondern feine Subftanz (ovoia).” Es ift immer auf das Werden gerichtet; man kann nicht fagen, daß es ift, fon= dern nur, daß es immer feyn wird. „Die Seele zum vovs gerichtet (vevovon, geneigt) ift rein, hält die Materie ab, und - alles Unbeſtimmte und Maaßloſe (Eooıorov za &perp0v). ##)

„Warum ift denn aber, wenn das Gute if, au das Bofe nothwendig? Weil die Materie in dem Ganzen ſeyn muß, weil aus Entgegengefegten nothwendig das Ganze beſteht. Es wäre nicht, wenn die Materie nicht wäre. Die Natur der Welt ift gemifcht aus vovs und Nothwendigkeit, Bei den Göttern ſeyn,

%) Ennead, I, I. VII, c. 9. %#) ibid. c. 3 et 4.

64 Erſter Theil, Griechiſche Philofophie.

heißt im Gedachten ſeyn; denn fie find unfterblic. Mir können des Böfen Rothwendigkeit auch fo fafien. Denn da das Bute nicht allein, iſt die Materie nothwendig dem SHerausgehen eine Gegenlage gegen daſſelbe.“ Es ift ja der rpoodog, das Herausgehen eine Thãtigkeit und ein Umkehren in ſich, mithin Unterſcheiden und Entgegenſetzen darin. Beim Herausgehen des Guten iſt die Materie nothwendig, und ſie macht die letzte Ge⸗ genlage aus für das Herausgehen. „Oder man könnte auch ſo ſagen, das Aeußerſte durch das ſtete Herabgehen und Abfall, und über das hinaus nichts mehr werden könne, ſeh das Böſe; nothwendig ſey aber Etwas nach dem Erſten, ſo daß auch das Aeußerſte. Das iſt aber die Materie, nichts mehr von ihm ha⸗ bend; und das iſt die Nothwendigkeit des Böſen.“ *)

„Die Materie ift ein wahres Nichtſeyn, als das ſich felbft aufhebende Bewegen: die abfolute Unruhe, aber diefe felbfi tus hend, das Entgegengefegte an ſich felbft; fie ift das Große, das Flein, das Kleine, das groß iſt, das Mehr, das weniger, das Weniger, das mehr if. Auf die eine Weiſe beſtimmt, iſt fie vielmehr das Gegentheil: Oder angeſchaut, geſetzt, iſt fie nicht geſetzt, entflohen; oder nicht gefest, fo ift fie geſetzt, das ſchlechthin Trügliche.” **) Die Materie felbft ift deswegen un⸗ verganglih, fie kann in Nichts übergehen; ***) die Idee der Beränderung felbft ift das Unvergängliche, aber was in diefer Idee befangen ift, ift veranderli. Aber diefe Materie ift nicht ohne Form; und wir haben gefehen, daß der Verſtand zu feinem

*) Ennead. I, 1. VII, c.7: ... zo d’ dv Tois Yeois eivaı, dv

. 7 —4 [3 zois vontois* ovroı Yao ddavaroı. Zorı dt Toü xuxov alia lectio roũ xaloü Aaßeiv zul ovrw ınv avayany" Enel yap uovor TO

Eyadov, iydyan 11 Exßaoeı Tij aap aüro Unooreoe. N ct oro TIg EIElsı Akysır, TI Gel Vmoßaoeı zul anooraoeı To Eayarov, zul ue9° 6 odx nv Erı yerkodaı ÖTiody, Tovro eivaı 10 xuxov. LE avayans dE eivaı To uETr& TO nEWToV, WsTE xal To Eayarov. Touro de n Un under En Eyovoa adrov (Ob Tov nowzou?), xal au 7 Ayayan TOD xuxov. =) ibid. II, L VL, 07. Wie) ibid. c. 8.

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Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 65

Gegenſtande fich auf eine dritte Weiſe verhält, nämlich als Un⸗ terſchiede beziehend. Dieſe Beziehung, Uebergang, Veränderung iſt das Leben des Univerſums, die allgemeine Seele deſſelben. Ihr Seyn iſt ebenſo nicht eine Veränderung, die im Ver⸗ ſtande vorgeht, ſondern ihr Seyn ihr unmittelbares Gedachtſeyn durch ihn. |

Bei Plotin ift auch, wie bei Pythagoras, Eywyr der Seele zur Tugend Hauptfeite. Cs ift ſchon bemerkt, daß Plotin ſich häufig an die Gnoſtiker macht; befonders thut er dieß im neunten Buch der

zweiten Enneade. Die Gnoftiter machen das Geiflige, Intellek⸗

tuelle zum Wahrhaften; fie haben ihren Namen von yrwaus, Er⸗- tennen. Sie legen die chriſtlichen Bücher zu Grunde, aber dabei verwandeln fie Alles in ein Geifliges; die Form des. Dafeyns, der Wirklicteit, die in Chriftus ein wefentliches Moment ifl, verflüchtigen fie zu einem allgemeinen Gedanken. Gegen die Guofliter ertlärt fih nun Plotin, und hält feſt als wefentlicy den Zufammenhang des Intelligiblen mit dem Wirklichen. Cr fagt: „Nicht, die Welt und die Götter in ihr und das andere Schöne verachten, if eg, wodurch man gut wird. Der Bofe

verachtet die Götter, und ift erfi dann recht böfe, wenn er dieß

vollbradht hat. Und dann ihre vorgegebene Ehre für die intel- ligiblen Götter (vonrovg Seovg) hat nichts Entfprechendes

> 2* . (Lovunasng av yEvoıro, consentaneum sive cognatum ni-

hil habet).“ Die Gnoftiter geben vor, den Göttern des Ge⸗

dachten die höchſte Ehre zu erweiſen; aber es iſt keine Harmonie in den Gedanken und der wirklichen Welt, wenn man nur beim Gedachten ſtehen bleibt. „Die Seelen in der wirklichen Welt find noch viel mehr verwandt mit dem Dortigen, als die unſri⸗

gen. Denn wie follte diefe wirkliche Welt abgeſchnitten ſeyn

von Ienem? Die das mit Jenem (Exeivos) Verwandte ver-

achten, kennen Jenes nicht, als nur mit Worten (Aoyp, verbis

Fic.). Wie follte es fromm feyn, daß die Borfehung (reo-

vora),“ das Göttliche, „nicht gelange zu dem Hieſigen (eis va Geſch. d. Phie. ** 5

66 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

ınde, Dieffeitigen)? Warum iſt Er nicht auch bir? Denn woher follte er ertennen, daß fie hier find?” (müs de vv xai adros dorıw &rIade; vorher nür rodvora, nit Faog. Il69ev yüp yyooeraı, Orı eioiv Fade; die Men— ſchen.) „Er wohnt alfo Allem bei, und iſt in diefer Welt, auf welche Weiſe es auch ſey, fo daf die Welt an ihm Theil hat. Wenn er von der Welt entfernt if, fo ifl er es auch von uns; und Ihr könntet nichts über ihn und feine Erzeugniffe fagen. Auch diefe Welt hat von ihm, und ift nicht verlaſſen von ihm, noch wird es je ſeyn. Denn das Ganze ifl noch viel mehr als der Theil der göttlihen Vorſehung theilyaftig, und noch viel mehr jene Weltfeele. Die beweifen das Schn und das Ver⸗ nünftigfeyn der Melt.” *)

Er erklärt fih fo beflimmt gegen die Gnofliter, gegen die bloße Intellettualität. Die Gnoftiter find der abendländifchen Kirche entgegen gewefen, diefe bat fie vielfach befämpft; und es gehört zur Kegerei der erfien Jahrhunderte des Chriflentkums, daß das Moment des Daſeyns in Chriflus geläugnet oder aufs gehoben ift. Sie fagten, fein Dafeyn fey nur ein Scheinleib gewefen. Die Manichäer fprechen ganz in diefem Sinne, daß Gott, das Gute, hervorgehe, umleuchte und fo eine intelligible Welt hervorbringe. Das Dritte ift dann der vovg, der Geiſt als umkehrend, das Zweite und Erſte als Eins fetend, als Eins empfindend; und diefe Empfindung iſt die Liebe. Die Idee ertennt diefe Keerei fchr wohl; aber die Form der vers

#) Ennead. II, 1. 1X, c. 16: ... zücıy ody nrep£orar, zul Eotar ev To xooum twde, Ösrıs 6 TE6TOS (quacunque ratione adsit), wsTeE za) ucdeke alrov 6 xöouos. ed JE ansorı zov xo0ouov, xel Jumr (duov) antoraı zu) ovd’ av Eyoırl Akysıy reg) abrov oðdè rar ner avrov. °Oye x00uos &xeidev Eysı, za) oüx anolkleınaı oud° anolsıp3nostaı‘ old yap uüllov ıwv HAmv N TOv UEEWV 7 NO0- vom xal n u£defıs, xuxelvng Tns Wuynjs (universi anıma) ol widl- Aov. dnloi d& zul z6 eivaı (declarat hoc ipsum esse mundi) xal zo Zupoövus sivaı.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Plotin. 67 einzelten Wirklichkeit, in der dieß in: der chriſtlichen Religion vorgeſtellt iſt, hebt fie auf. Die Kreuzigung Chriſti erſcheint fo als bloß ſcheinbar, nur als allegoriſch genommen, daß in ihr ein Bild gegeben iſt von dem wirklichen Leiden der gefangenen Seele. So kommt die Vorſtellung vor, dag Chrifſus in aller Melt’ gekreuzigt wird, in der Seele leide, daß es wine myſtiſche Krenzigung ſey. Durſch die Vegitation würden die: Zichttheile gebunden, und dieß Gebundenſeyn derfelben exzeugt ſtch als Pflanze.“) Diefe Vorſtellung wird von ihnen als‘ allgemeine Idee angefehen, die fi in allem: Tinzelnen der Natur, des Vegetativen und Animaliſchen, wie in der Natur der Secte wies derholt. Gegen diefe Gnoftiter hat ſich alfo Plotin erklärt. Die Kirche hat’ ebenſo vornehmlich behauptet‘ die Einheit der gött⸗ lichen und menſchlichen Natur. Dieß ift dann in der chrifllichen Religion zur Vorftelling, zum Bewußtſeyn gekommen; fo daß die menſchliche Natur in ihrer Wirklichkeit genommen: wird ale Diefer, und nicht bloß im allegorifihen ober philoſophiſchen Stun,

Die macht die Haupt= dee bes plotiniſchen Intellektua⸗ lismus und Idealismus aus, die allgemeinen Borflellängen, worauf das Specielle zurücgeführt wird; diefe Zurüdführungen find oft bildlich. Way an ihm zu vermiſſen ift, iſt @) wie ſchon bemerkt, der Begriff. Entzweiung, Emanation, Ausfließen oder Hervorgehen, Hervortreten, Herausfallen find Worte, die and in neueren Seiten viel herhalten mußten, in der That aber nichts fagen. Der Stepticismus und Dogmatismus, ald Bewußtſehn, Erkennen, ſetzt den Gegenfat von Subjektivität und Objektivi⸗ tät. Plotin hat ihn weggeworfen, fih in die höchſte Region geſchwungen, in das ariſtoteliſche Denken des Denkens; er hat viel mehr von dieſem, als vom Plato. Er iſt nicht dialektiſch, weder aus ſich ſelbſt herausgehend, noch als Bewußtſeyn aus fich ſelbſt in ſich zurückgehend.

*) Neander: Genetiſche Entwickelung der vornehmſten gnoſtiſchen

Syſteme, ©. 90. 5 %

68 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie.

P) Das weitere Herabfleigen, Theile zur Natur, Theile zum erföpeinenden Bewußtſeyn, zwar Wirkung der höheren Seele, enthält nun viele Willtür, ohne Nothwendigkeit des Begriffs, Theils in bunten Bildern, wo, was in Begriffen beflimmt feyn follte, in der Form einer Wirklichkeit ausgedrüdt if, wenig⸗ fiens ein unnüger, ungemäßer Ausdrud. Ich führe nur Ein Beifpiel an. Unfere Seele gehört nicht der Verfiandeswelt allein an, wo fie volltommen, felig ohne allen Mangel war; nur ihre Denkkraft gehört dem erfien Verfiande. Ihr Bewegungsvermö⸗ gen, fie als Leben, floß aus der verfländigen Weltfeele, das Empfinden aber aus der Seele der empfundenen Welt. Näm⸗ lich Plotin fest die erſte Weltfeele als unmittelbare Wirkſam⸗ teit des Verflandes, der ſich gegenftändlich ift; fie iſt reine Seelt über der fublunarifchen Gegend, wohnt in dem oberen Himmel der Fixſterne. Diefe erzeugt; es fließt aus ihr wieder eine ganz finnlihe Seele. Das Berlangen der einzelnen, befonderen, von dem Ganzen getrennten Seele giebt ihr einen Körper; diefen erhält fie in. der oberen Region des Himmels. Mit diefem Körper erhält fie Phantafie und Gedächtniß. Endlich begiebt fie fih zur Seele der Sinnenwelt; und von diefer erhält fie Empfindung, Begierden und das vegetativ fich erhaltende Leben. *)-

Diefen Abfall, diefes weitere Körperlichwerden befchreiben Nachfolger des Plotin fo, daß fie aus der Milchſtraße und dem Thierkreife in die weiter unten ſich befindlichen Planetenkreiſe berabfintt und in jedem neue Vermögen erhält und in jedem auch diefe Kräfte zu üben anfängt: im Saturn zuerſt das Ver- mögen, über Dinge Schlüffe zu maden; in Jupiter die Kraft der Wirkſamkeit des Willens; in Mars Neigungen und Zricbe; in der Sonne Empfindung, Meinung und Einbildung; in der

®*) Buhle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil. Th. IV, S. 418 419; Tiedemann; Geist d. spek. Phil. B. III, S. 421— 423; cf. Plotini Ennead. IV, 1. III et VIII passim.

Dritter Abſchnitt. Porphyr und Jamblich. 6

Venus ſinnliche, auf's Einzelne gehende Begierden; im Monde endlich die Zeugungstraft, *) Ä

Auf ſolche Weife, was Plotin felbft als intelligible Mos mente nad einer Seite angiebt, macht er auch für das Geiflige zu einer feyenden Eriftenz, befonderen Eriftenz. Die Seele, die nur begehrt, iſt das Thier; die nur vegetict, nur das Vermögen zu zeugen bat, die Pflanze. ber jenes find nicht beſondere Zuſtände des Geiſtes, außer des allgemeinen Geiſtes in des Weltgeiſtes beſonderen Stufen ſeines Selbſtbewußtſeyns über fich. Aber der Saturn und Jupiter haben damit weiter nichts zu thun. Wenn fie in ihrer Potenz Diomente der Seele aus⸗ drüden, fo ift dieß ebenfo, als wenn fie jest jeder ein befondes res Metall ausdrüden follen. Wie Saturn das Blei, Jupiter Sinn u. f. f. ausdrüdt, fo Saturn aud das Schließen, Jupiter Willen u. f. w. Theils ift es eben leichter zu fagen, Saturn entfpredhe dem Blei u. f. f., oder er repräfentire das Blei, flatt feinen Begriff, fein Weſen auszufpredhen, eine Vergleichung mit einem ebenfo nicht Begriffenen, fondern einem finnlichen Dinge, das’ aus der Luft, oder vielmehr vom Boden zunädhft aufgegriffen if, wie, dag Satum Schließen fey oder reprä⸗ fentire, oder wie man will; denn die Seele tommt ja darin dazu. Aber folde Vorftellungen, wie bier, find ſchief oder falfıh, wie wenn man fagen wollte, fie fey Blei u. f. fe Das Weſen des Blei's ift nicht mehr dieß finnlihe Seyn, was Blei genannt wird, nod hat für die Seele dieß Moment eines foldien Zus flands eine Wirklichkeit; denn es wird eben von ihrem Anſich geſprochen, dieß aber drüdt nur finnlihes Seyn aus.

3. Porphyr und Zamblid. Berühmte Schüler Plotins find Porphyr und Jamblich; Erfterer, ein Sprier, farb 304: **) Legterer, ebenfalls aus She

%#) Buhle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil, Th. IV, S. 4149 420. %#) Brucker. Hist. er. phil. T. Il, p. 248.

70 Erſter Theil. Griechiſche Philofephie.

rien, 333.*) Bon Porphhrius haben wir unter Anderem auch noch eine Einleitung in das Organon des Yriftoteles über Gate tungen, Arten, Urtheile, worin die Logik deffelben nad ihren Haupt: Momenten vorgetragen wird, eine Schrift, die ũbri⸗ gens zu allen Zeiten Lehrbuch für den Vortrag der ariflotelis fihen Logik und eine Quelle gewefen if, woraus man die Form derfelben gefchöpft hat; und unfere gewöhnlichen Lehrbücher der Logik enthalten wenig mehr, als fi in diefer Einleitung beflus det. Seine Bemühungen um die Logik zeigen, daß beſtimmtes Denten mehr in die Reuplatoniter hereingetommen. Dieß iſt etwas fehr Verftändiges, Formelles; und es ift das Eigenthüm⸗ lihe, daß fi fo bei den Reuplatonitern die Verſtaͤndes⸗Logik, die ganz verfländig empirifche Behandlung der Wiffenfchaften mit der ganz fpetulativen Idee und in Rüdfiht aufs Prak⸗ tifhe mit dem Glauben an Theurgie, dem Wunderbaren unb Sonderbaren vereinigt findet. Porphyr bat Lebenshefähreibung _ Plotins gefihrieben, worin diefer als Wundermann befchrieben wird; das müffen wir der Literatur überlaffen.

Mehr Trübheit und Nerworrenheit zeigt Jamblich, deffen fyon als Biographen des Pythagoras erwähnt worden. In der pythagorãiſchen Dhilofophie war es ebenfo, daf die Reuplatonis fer viel fuchten, und befonders die Form der Zahlenbeflimmung derfelben wiedererwedten. Er war ein fehr hochgeachteter Lehrer feiner Zeit, und erhielt daher den Namen eines göttlichen Leh⸗ rers; aber feine philofophiichen Schriften find eine Kompilation ohne viele Eigenthümlichkeit, und feine Lebensbefchreibung des Pythagoras macht feinem Verftande eben keine große Ehre. Im ihm fintt der Gedanke zur Einbildungstraft, das intelleftuelle Univerfum zu einem Reihe von Dämonen und Engeln mit eis ner Klaffifitation derfelben, und die Spekulation zur Weife der Magie herab. Sie nannten dieß Theologie. Im Wunder ift

#) Brucker. Hist. cr. phil. T. II, p. 268.

Deiner Abſchnitt. Philofophie des Proflus, 74

die Spekulation, göttlide Idee, gleichfam unmittelbar in Bes zührung mit der Wirklichkeit gebracht, nicht auf eine -allges meine Weife. Won der Schrift De mysteriis Aegyptiorum weiß man nicht gewiß, ob fie von Jamblich. Proklus fpäter macht viel Aufhebens von ihm, und bezeugt, feine Haupt⸗Idee ibm ſchuldig zu feyn. *) |

4. Proklus.

Michtiger iſt Proklus, ein fpäterer Reuplatoniter, der noch zu erwähnen. Proklus ward 412 zu Konflantinopel gebo- ren und flarb zu Athen 485, fludirte und lebte aber vornehmlich im Athen bei Plutarch. Sein Leben ifl von Marinus in dem⸗ felben Styl befchrieben, wie in den fehon oben Genaunten. Hier⸗ nad waren feine eltern aus Kanthus in Lycien in Kleinafien; und da Apollo und Minerva die Schuggottheiten diefer Stadt waren, fo verehrte er fie dankbar; und fie felber würdigten ihn, als ihren Liebling, befonderer Rückſichten und perfönlicher Er⸗ fheinumgen, wie er denn von Apoll dur Berührung feines Kopfes in einer Krankheit geheilt, von Minerva aber aufgefor- dert wurde, nad) Athen zu gehen. Zuerſt ging er nad Alexan⸗ drin, Rhetorik und Philoſophie zu fludiren, dann nad Athen, bei Plutarch und Syrian, den Platonikern. Hier fludirte er zuerſt ariflotelifche, dann platonifhe Philoſophie. Vornehmlich weibte ihn die Tochter des Plutarch, die Asklepigenia, in das Innerſte der Dhilofophie ein, die, wie Marinus verfidert, die einzige zu Proklus Seiten war, welche die ihr von ihrem Water überlieferte Kenntnif von den großen DOrgien und der ganzen theurgifchen Wiffenfhaft bewahrte. Proklus hat Alles fludirt, was zu den Myſterien gehört, die orphifchen Gedichte, die Schrife ten des Hermes, und die religiöfen Anftalten jeder Art: fo daß er, wohin er auch kam, die Eeremonien des heidniſchen Gottes-

#) cf. Procli Tool. Plat. IH, c. 11, p. 140.

Ürftee Theil. Griechiſche Philoſophle.

dienftes beffer verftand, als die bei denfelben befonders angeftell« ten Driefter. Proklus fol ſich in alle heidniſche Myſterien has ben einweihen laffen. Er feierte ſelbſt alle religiöfen Feſte und Handlungen der. verfhiedenften Nationen; felbft den Aghptifchen Sottesdienft kannte er, beobachtete auch die Reinigungs» und Feiertage der Aegypter, und gewifie Faſttage bradite er mit Bes ten und Hymnen zu. Movorngıov hat aber bei den Alexandri⸗ nern nicht den Sinn, den wir darunter verflehen, fondern es heißt bei ihnen überhaupt fpetulative Philofophie. Sp find auch die Dinfterien im Chriftenthbum für den Verfland zwar unbes greiflih, ein Geheimniß; aber fie find ſpekulativ, die Vernunft faßt fie, geheim ‚aber find fie nicht, fie find ja geoffenbast. Proklus hat viele Hymnen verfertigt, von denen wir noch einige fehe ſchöne übrig haben, auf bekannte, auch auf ganz befondere Lokal-Sottheiten. Daß er fih mit fo vielen Religionen abgege⸗ ben hat (6 Heoosßeozarog Avng), barüber fagt er felbfl: „Eis nem Philoſophen gebühre es nicht, Diener der Kulte (dega-' gevrnv) einer Stadt oder des bei Einigen einheimifdhen zu ſeyn, fondern allgemein der Hierophant der ganzen Welt.” Or⸗ pheus hielt er für den Urheber aller griechifchen Theologie, und legte befonders großen Werth auf orphifche und chaldäiſche Ora⸗ tel. In Athen hat er gelehrt. Natürlich erzählt nun fein Bio⸗ graph, Marin, auch von ihm die gröfefien Wunder, daß er Regen vom Himmel. herbeigeführt und ‚große Hitze gemäßigt, dag er Erdbeben geftillt und Krankheiten geheilt und Götterers ſcheinungen gefehen habe. *)

Proklus führte. ein Außerfi gelchrtthätiges Leben; er war ein tiefer fpelulativeer Mann, und befaß den größten Umfang von Kenntniffen. Man muß ſich wundern über den Gegenfat der Einfiht folder Bhilofophen und defien, was die Schüler

#) Brucker. Hist. cr. phil. T. II, p. 320; Iennemann, B. VI, &©.234—289; Marinus: Vita Procli, passim (praem. Theol. Piat.).

Dritter Abſchui. Philoſophie des Proklus. 73

dann in den Lebensbeſchreibungen angeben. Von den Wunder⸗ Dingen der Lebensbeſchreiber finden ſich wenig Spuren in den Wer⸗ ten der Männer ſelbſt. Proklus hat viele Schriften hinter laffen, wir haben noch viele; auch mehrere mathematifche Schrifs ten, 3. B. Ueber die Kugel (De sphaera), haben wir von ihm. Seine philofophifchen Werke find befonders Kommentare über Platon's Dialoge, von denen verfhiedene zu verfchiedenen Zeiten herausgegeben, und. der. zum Timäus befonders berühmt war. Dichrere aber waren nur in Manuftripten; Coufln in Paris bat fie am vollfländigfien beforgt. Befonders abgedrudte Bücher find feine platonifche Theologie (eig 77 Illazwvog IsoAoylar) und feine philofophifchen Elemente (oroıyeiwors HsoAoyıxr), Hauptfchriften des Proklus. Diefe legtere Kleine Schrift hat Kreuzer wieder neu abdruden lafien, wie auch einige von jenen Kommentaren, u | Er lebte gleichfam im Gottesdienfle, in den Wiffenfchaften und der neuplatonifchen Philoſophie. Die Haupt⸗Ideen feiner, Philoſophie find leicht aus feiner Schrift über die platonifche Theologie zu erkennen; und fie hat befonders daher viele Schwies rigteiten, weil die heidnifchen Götter betrachtet und philofophifche Bedeutungen von ihnen eruirt werden. Dadurch aber unterfcheis det er fih ganz befonders von Plotin, daß bei ihm die neuplas tonifhe Philofophie wenigftens ſchon zu einer fuflematifcheren Anordnung im Ganzen und ausgebildeteren Form gekommen ifl. Has ihn auszeichnet, iſt fein tieferes Studiren der platonifchen Dialettit. Er ift intereffant, weil, in feiner platonifchen Theo logie befonders, mehr (fo fehr das Wert auch dialektifh ifl) ein beflimmteres Fortſchreiten und Unterfcheiden der Sphären in der Idee fi findet; bei Plotin ift dieß weniger der all. In dies fer Scheift beſchäftigt er fi mit der fdharffinnigften und weit- läufigften Dialektik des Einen; cs ift ihm nothwendig, das Viele als Eins und das Eins als Vieles zu zeigen, die For⸗ men, die das Eins annimmt, darzulegen. Aber es ift eine Dia⸗

74. Erfter Theil. Griechiſche Philoſophie.

lektik, die mehr ober weniger äußerlich geführt wird, und die höchſt ermüdend iſt. Es if ein großer Zieffian in Proklus nicht zu verkennen, und größere Ausführung und Klarheit, fo wie die wiſſenſchaftliche Entwidelung gewonnen, und im Ganzen vor⸗ trefflihe Diktion. Seine Philofophie hat, wie ‚die plotinifche, die form, Kommentation des. Plato zu ſeyn „Ueber Die Zheologie Plato's“ if fein intereffanteftes Werk in diefer Nüde fht ; fie iſt ein Intellektualſyſtem. Wir wollen fehen, wie wir damit zurecht kommen; ich will nicht fagen, daß feine Dar⸗ ſtellung volltommen deutlih, fie hat noch vieles Mangelhefte.

Im Darmenides des Plato fand auch ausdrüdlidy er bes fonders die Natur des abfoluten Weſens erfannt. Das Reful- tat des platonifchen Parmenides ift ſchon bei Plato angeführt. *) Bei Dlato felbfi treten diefe reinen Begriffe unbefangen auf, gleihfam ohne weitere Bedeutung, als fie unmittelbar haben. „Einheit, Vielheit, Seyn“ u. f. f., dabei denken wir eben diefe unmittelbare Einheit, Vielheit. Wir beflimmen fie etwa als allgemeine Begriffe, die in unferem Denten find; aber für Pro⸗ klus haben fie eine höhere Bedeutung, fie find der Ausbrud des abfoluten Wefens. Er zeigt nun nad der platonifchen Dias lettit, wie alle Beftimmungen, befonders die Vielheit, ſich in ſich felbft auflofen und in die Einheit zurüdtchren. Was dem vor⸗ fiellenden Bewußtſeyn eine feiner Hauptwahrheiten ift, daß viele Subflanzen find, oder dag die Vielen (Dinge, deren jedes ein Eins heißt und fo Subflanz) an fih, in Wahrheit feyen, die Hauptwahrheit geht in diefer Dialektik verloren; und es res fultirt, dag nur die Einheit Weſen, wahrhaft ifl, alle anderen Beflimmungen aber nur verfehwindende Größen, nur Momente, ihr Seyn nur fo if, wie ein Gedanke unmittelbar if. Eis nem Gedanten ſchreiben wir feine Eubflantialität, kein eigenes Seyn zu; fo find Alles Beftimmungen, und die Beflimmungen

#) S. Band II, S. 43 44.

Dritter Abſchuict. Philoſophie des Proklus. 75

eines Dinges folhe Momente im Dentn. Was den Neus platonitern und dem Proklus befländig eingewendet und entges gengehalten wird, ift immer diefes, daß freilich für das Denken Ales in die Einheit zurüdgehe, aber daß dieß aud nur eine Einheit des Dentens iſt, daraus aber gar nicht folge, daf alle wirklichen Dinge nicht wirkliche Subflanzen ſeyen, verfchiedene, don einander unabhängige Principien haben, und ſelbſt verſchie⸗ dene Subftanzen, jedes getrennt von dem Anderen an und für fih ſey, jene logifhe Einheit nicht eine Einheit der Wirk⸗ lichkeit fey, von jener nicht auf die Wirklichkeit gefchlofien wer⸗ den könne D. h. diefes Widerlegen fängt immer die Sade wieder von vome an. Es ſpricht von der Wirklichkeit, daß Diefe etwas an fich fey; und wenn fie von ihr fprechen, was fie ſey, fo ift fie ein Ding, eine Subflanz, Eins, kurz fie brins

gen immer das wieder als etwas Anſichſeyendes vor, deſſen Ver⸗

ſchwinden, Nichtanſichſeyn aufgezeigt worden iſt.

Proklus fängt von der Einheit an; von da geht er nun wieder vorwärts, aber nicht unmittelbar zum vous fort. Son⸗ dern Alles hat bei ihm eine viel konkretere Geſtalt; die Selbſt⸗ entwickelung dieſer Einheit aber wird bei Proklus nicht eben mehr zum Begriffe gemacht, als bei Plotin. Dieß müſſen wir einmal aufgeben, dieſen Begriff der Entzweiung nicht ſuchen. Die Einheit, das Erſte iſt die Hauptſache. „Das Eine iſt an

ſich unausſprechlich und unerkennbar; aber es wird aus ſeinem

Hervorgehen und Inſichzurückgehen aufgefaßt.“ *) Proklus bes

ſtimmt dieſe Selbſtentzweiung, das Verhältniß zum Unterſchiede,

die nächſte Beſtimmung der Einheit, als ein Hervorbringen œqòyeiv), ein Hervorgehen (re00dos), Thätigkeit, Darſtellen, Zeigen.“*) Das Verhältniß der Einheit, welche hervorbringt, iſt nicht ein Herausgehen aus ſich; denn ein Herausgehen wäre

#) Proclus: Theologia Platonis II, p. 95. #%) thbidem, p. 107 ee 108. |

76 - Erfter Shell. Griechiſche Philoſophie.

eine Veränderung, ſie wäre gefegt als nicht mehr ſich Telbft gleih. Die Einheit leidet daher auch nicht durch ihr Hervor⸗ bringen eine Abnahme oder Verringerung. Die Einheit iſt Denten, das nicht eine Abnahme durch Erzeugung eines bes flimmten Gedantens erleidet, ſondern dafjelbe bleibt, und das Hervorgebrachte auch in ſich erhält. *)

Anfofern wird der Begriff eigentlih nicht mehr als bei Plotin deutlich. Dabei aber macht Proklus eine tieffinnige Be⸗ merkung über die Art, wie im Parmenides des Plato diefe Pros duktion erſcheint. Er findet fie fhon im platonifhen Parmeni⸗ des (Proklus ſchrieb Kommentar darüber: IV VI. Band von Eoufin), wo Parmenides auf eine negative Weife (oft find die Refultate nur negativ) zeigt, daß, wenn die Einheit if, das Seyn der Vielheit nicht iſt, w. f. Ueber diefe Kegationen nun fagt Proklus, „daß fie nicht ein Aufheben defien feyen, von dem fie gefagt werden (des Inhalts), fondern Erzeugungen der Beflimmungen nad) ihren Gegenfägen. Wenn Plato alfo zeigt, dag das Erfte nicht Vieles fen, fo hat dieß die Bedeutung, daf das Viele vom Erften hervorgeht: Daf es nicht ein Ganzes feb, daf die Ganzheit von ihm ausgeht” u.f.f. *F) Das Viele, die Beftimmung der Theile gebt von dem Einen aus. Diefe Negationen find nicht zu faffen als ein bloß Privatives, fondern fie enthalten auch affiemative Beſtimmungen; die Vielheit ift nicht empirifh aufgenommen, und dann nur aufgehoben. „Dies fer Zropus der Negationen ift alfo als Vollkommenes zu neh⸗ men, das in der Einheit bleibt, aus Allem herausgeht und in einem unausfpredhlihen Uebermaaß der Einfachheit iſt;“ das Teherov iſt umleuchtend und fo produceirend, fo dag das Ganze

#) Institutio theologica, c. 26. %%#) 'Theol. Platonis II, p. 108: seol zoü roonov dıogklous:. rwy ENOPLOEWY, WS 00x EIOL OTEpnTLxa wmv Unoxeıuevwy, alla yeryn-

Tixat TWV 0l0ov avrıxeuulyovy x. T. A.

Deister Abſchnitt. Philofophie des Proklus. 77

ideell in dem Einen enthalten iſt. „Ebenſo umgekehrt muß Bott dieſen Negationen aud wieder entnommen werden,” fie müffen nicht abfolut ‚bleiben; „ſonſt wäre kein Begriff (Aoyos) defielben, und auch feine Negation, ‘Der Begriff des Unaus⸗ fprechlidhen wälzt fih um fich felbft herum, und ruht nicht, und betämpft fih ſelbſt;/“ 9 d. h. das Eine fegt feine Beftims mungen ideell, hebt fie auh auf. Das Negative ift chen das Entzweiende, Producirende, Thätige, entgegengefegt dem Ein« fachen; es iſt ebenfo der Negation entnommen. So gewinnt jene platonifhe Dialektik. für Proklus eine pofitive Bedeutung; durch Dialektik will er alle Unterfhiede auf die. Einheit zurüds führen. Mit diefer Dialektik des Einen und des Vielen macht fi Proklus viel: zu thun, befonders in feiner berũhmten Ele⸗ mentar⸗Lehre.

Das Hervorbringende bringt nun aber weiter durch einen Ueberfluß der Kraft: hervor. Cs geſchieht auch ein Hervorbrin⸗ gen durch Mangel: Alles Bedürfniß, Triebiu. ſ. fi. wird. Ur⸗ ſache, aber durch Mangel; ſein Hervorbringen iſt die Erfüllung feiner. Der Zwed iſt unvollſtändig, die Wirkſamkeit entſpringt aus dem Zweck, ſich zu vervollſtändigen; aber das Bedürfniß, der Trieb vermindert ſich zugleich in der Hervorbringung, der Trieb hört auf, ſolcher zu ſeyn, oder das Für ſich Seyn ver⸗ ſchwindet. Die Einheit geht dagegen heraus aus ſich durch die Ueberfülle der Möglichkeit (das iſt ariſtoteliſch); und dieſe über- fliegende Möglichkeit iſt die Wirklichkeit überhaupt. Ihr Her- vorgehen beficht daher darin, daß fie fich felbft vervielfältigt, die reine Zahl hervorgeht; aber diefe Vervielfältigung hebt jene Einheit nicht auf, fie gefhicht vielmehr auf Einheitsweife (Evı- aiws); diefe Vervielfältigung vermindert die erfte Einheit nicht. Das Viele hat Antheil an der Einheit, aber die Einheit nicht

#) Theol. Plar. II, p. 109.

78 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

an der Vielheit.) Er wendet vielfache Dialektik an, zu zei⸗ gen, daß das Viele nicht an ſich, nicht Urheber des Vielen ſey, daß Alles in die Einheit zurüdgehe, daß alfo die Einheit auch Urheber des Dielen ifl. Die ift nicht deutlih, nicht neges tive Beziehung auf fih; wir fehen überhaupt dann mannigfal⸗ tige Diatettit, Hin» und Hergehen über diefe Beziehung. - '

Das Viele iſt zweitens unähnlid. In diefem Fortgang iſt dem Proklus eine Hauptbeflimmung, daß er durch die Achullich⸗ teit gefhehe, und das dem Wahren Unähnlidhe weiter abliege, Das Viele bat an der Einheit Theil, aber zum Theil iſt es auch nicht Eines. Das Crzengte ifl ferner dem Etzengenden ähnlih; es hat daher auch die Einheit zu feinem Wein, 26 find mithin felbfiftändige Henaden. Sie enthalten das Princip der Einheit in fi, find aber auch verfhieden; Viele, aber fo, daß fle gleihfam nur für ein Drittes Viele find, an und für fich find fle Einheiten. Diefe Henaden erzeugen Kun wiedes andere, die aber unvolltommener ſeyn müſſen. Ganz gleich iR die Wirkung der Urſache, das Hervorgebrachte dem Hervorbrin⸗ genden nicht. Diefe nächſten Einheiten find Banze, d. h. feldhe, die nicht mehr wefentlihe Einheiten, nicht Selbfleinheiten find, fondern an denen die Einheit nur Accidenz if. So entfernen fi) die Erzeugungen immer mehr von der Einheit, und haben weniger Antheil an ihr. **)

Ausgezeichnet if die nähere Beflimmung der dee in ihren drei formen, die Trinität (vgras). Bon diefer giebt er zus nächſt die abflrakte Beflimmung an als drei Götter. **) Es ift nun befonders herauszuheben, wie er die Trinität befiimmt

%) Institutio theol. c. 27; Theol. Plat. III, p: 1149; II, p. 101 4102; 1II, p. 121; Institut. theol. c. 5. %#) Institut. theol. c. 1—2; c.2%8; Theol. Plat. III, p. 118, 122 1235; II, p. 108 109. #) Theol, Plat. III, c. 14, p. 140.

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Proklus. 79

hat. Dieſe Trinität iſt überhaupt bei den Neuplatonikern in⸗ tereſſant; beſonders aber iſt ſie es bei Proklus, weil er ſie nicht in ihren abſtrakten Momenten gelaſſen. Sondern dieſe drei ab⸗

ſtrakten Beſtimmungen des Abſoluten betrachtet er dann wieder

jede für fich als eine ſolche Totalität der Dreieinigkeit, wodurch er eine reale Trinität erhält; ſo daß es drei Beſtimmungen ſind, die die Totalität ausmachen, aber ſo, daß jede wieder als in fi erfüllt und konkret zu betrachten iſt. Und dieß muß als ein volltommen richtiger Geſtchtspunkt betrachtet werben, zu dem er fortgefchritten ifl. Diefe Unterfehiede in der Idee, als in der Einheit mit fi) bleibend, werden, weil es ihre Momente, ihre Unterſchiede find, wefentlih auch als Ganzes beflimmt; fo daf die Einheit in ihren Unterſchieden ganz ifl, was es ift, fo daß

jeder dieſer Unterfhiede in der Form einer Totalität ift, und

das Ganze der Proceß ifl, daß die drei Totalitäten in einander fich identifh fegen. Proklus iſt deswegen viel beffimmter, if viel weiter gegangen als Plotin; und man kann fagen, daf er

in dieſer Rüdficht das Vorzüglichſte, Ausgebildetfie unter den

Reuplatonitern enthält.

Dieb beftimmt fi nun fo: Die abfolute Einheit, die ſich vervielfältigt in viele Eins, hat damit die Vielheit, wie fie an diefen Eins ift, erzeugt. Vielheit, der Begriff, nicht Viele, ift ſelbſt Einheit; fie ift die Zweiheit überhaupt, oder die Beflimmts heit, weldyer die Unbeflimmtheit gegenüberficht. Das Dritte iſt nun ein Ganzes, die Einheit des Beftimmten und Unbeflimmten oder Gemifchtes; erſt das Schende, Subflantielle, Eins⸗Vie⸗ les (dy roAlc). An diefem wahrhaft Eriflirenden ifl die Schön heit, Wahrheit und die Symmetrie. *) Das wahrhaft Eriflis rende, aus ſich felbft herausgehend, ift das Leben. Aus der Ab- fonderung, Entwidelung der Momente, welde im Leben find,

#) Theol. Plat. IH, c. 9— 11, p. 137 139.

80 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

quillt erſt der Verſtand hervor, *%) und aus dieſem die Seele. *#)

©) Das Hervorgehen ift nicht fowohl die Notwendigkeit des Begriffs. Das Verfinten von Allem in bie Einheit bleibt. jenfeits diefer Einheit liegen; eben diefe Negativität aber: iſt ihre Erzeugung. 4) Protlus unterſcheidet fi von Plotin darin, daf er nicht das aus der Einheit unmittelbar Hervorgehende Were: : fland nennt. Proklus ift logifcher; der Verſtand ift ein Reiches res, jenes unmittelbar aus der Einheit Hervorgegangene hat bie Beflimmungen nit entwidelt. Die Reihe .ift eigentlich zum heil hübſch. Proklus unterfheidet fi dadurd von Plotin, daß er Platon genauer folgt, und durd ein reineres ausgebildee teres Unterfcheiden der Momente. Er fagt, dag „zwar in der erfien Einheit Alle übereinftimmen, allein Plotin laſſe gleich nad) der Einheit,” wie wir gefehen, ***) „die dentende Natur erſcheinen; allein befier habe fein Lehrer” wer es iſt, fagt Proklus nicht; fiche feine Lebensbefchreibung F) —, „der: ihn in alle göttliche Wahrheit eingeführt, diefe unbeflimmte Betrach⸗ tung der Yelteren begrenzt, und diefe unordentlihe Vermengung der verfchiedenen Ordnungen zu einer gedachten Unterſcheidung gebracht, und gerathen, die Unterfcheidung der Beflimmungen genau zu befolgen und feftzuhalten.” FF) Und in der That fe= ben wir mehr Unterfheidung und Klarheit bei Proklus, als in der plotinifhen Zrübheit; es ifl ganz richtig, daß cr den voüg als das Dritte erkennt, als das Umkehrende.

Alsdann weicht Proklus von Plotin darin ab, daß er nicht das Seyn zum Princip oder rein abflraften Diomente macht,

#) Theol. Plat. III, c. 13, p. 141. #%#) ibidem III, p. 127; Instit. theol. c. 192. ii) Siehe oben S. 50. P) Oben S. 71; cf. Theol. Plat. IT, c. 11, p. 238. tP) Theol. Plat. I, c. 10, p. 41 22.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Proklus. 814

ſondern die Einheit, oder daß er das Erſte nicht als Seyn, ſondern als Einheit beſtimmt, und das Seyn, Subfiſtiren erſt als das Dritte begreift.

Wir ſehen im Ganzen drei Sphären von einander unter⸗ ſchieden, beſtimmt fo, daß fie die zeuag find; jede iſt zugleich wieder das Ganze diefer Momente, es find verfchiedene Ord⸗ nungen der Erzeugung. Welche Ordnungen dieß find, wird fich fogleich ergeben. Um diefe Ordnungen iſt es dem Proklus viel zu thun, nämlich die verfhiedenen Sphären, Potenzen in dens felben wieder aufzuzeigen.

Das Rähere feiner. Zrinität betreffen, fo find nad) feiner Beftimmung die drei Momente derfelben das Eine, das Unends liche und die Grenze. Dieß find die abſtrakten Momente, die in feiner platonifhen Theologie ausgeführt find; das Unbegrenzte und die Grenze find Beflimmungen, die wir aud) ‚bei Plato ges ſehen haben. *) Das Erfie, Bott, iſt nun alfo die ſchon oft gefagte abfolute Einheit, für ſich unerkennbar, unaufgeſchloſſen, blog Abſtraktum; es kann nidht erfannt werden, als Abſtrak⸗ tum: es kann nur erfannt werden, baf es ein Abflrattum iſt, es iſt noch nicht Thätigkeit. Diefe- Einheit iſt über dem Seyn (Unsgovorov, superessentiale);. ihre erſte Produktion find die vielen Eins (Evades) der Dinge, die reinen Zahlen.” Dieß find die dentenden Principien der Dinge, duch welche fie an der abfoluten Einheit Theil haben; aber jedes hat an ihr nur Theil durch eine individuelle, einzelne Einheit, Eins, die Serle aber durch die gedachten, allgemeinen Einheiten. Wie Proklus jene erſte Einheit Gott nennt, fo nennt er diefe viclen gedachten Einheiten Götter, aber die folgenden Momente auch fo. ber diefe Götter oder Einheiten entfpredhen nicht fo der Drdnung der Dinge, daß fo viele und folde Henaden oder

#) Band II, S. 238. Geſch. d. Phil. ** 6

82 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

Götter find als Dinge; denn dieſe Einheiten vertnüpfen die Dinge nur mit der abfoluten Einheit, herausgenommen aus dem Ganzen, d. 5. der Vermifhung, Synthefis, welche bie Dinge als foldhe find. *) Die Dinge felbfi find in ihrer ſynthe⸗ tifhen Ratur Ganze (Seelen das Berbindende derfelben)

unähnlich der erfien Einheit, und können nicht unmittelbar weit ihr vereinigt feyn. Die abſtrakt gedachte Vielheit ift alfo ee Mitte; die Vielheit iſt der abfoluten Einheit ähnlich, und iſt das, was die Einheit mit dem ganzen Univerfum verknüpft. Die reine Bielheit macht die Werfihiedenen einander glei, und verbindet fie daher der Einheit; die Dinge haben nur Aehnlich⸗ teit mit der Einheit. Das Dritte ift die Grenze, welche Diefe Henaden zufammenhält und ihre Einheit mit der abfoluten Henade ausmacht; die Grenze fegt die Vielen und das Eine ſelbſt als Eines. **)

Beffer ift dieß Durch Folgendes ausgedrüdt, reiner als ae genfag beflimmt. Proklus nimmt nun als dieſe Principien (Wefenheiten) die Grenze und das Unendliche und das Ges mifchte aus Plato's Dhilebus auf; ‚und es feinen alfo dieß die erſten Götter zu ſeyn. Aber diefe Abſtraktionen find nicht angemefien dem Namen Götter; wir fehen fie aud wieder zu⸗ rückgekehrt.

„Von jener erſten Grenze,“ dem abſoluten Eins, „haben die Dinge” (2önornrar bei Ariſtoteles, ein Wort, das oft bei den Reuplatonitern vortommt) „Einung, Ganzheit und Ges meinſchaft,“ das Brincip der Individualität, „und göttliche Maaße. Hingegen alle Trennung und Fruchtbarkeit und das Hervorgehen zur Vielheit beruht auf (UpEornxev ao) der ers fien Unendlichkeit;“ *244) das Unendliche if fo die Quantität,

#) NVergl. Unten, S. 88. *#) Täeol. Plat. III, p. 133 14. #3) ibidem Ill, c. 7, p. 133.

Deister Abſchuitt. Philoſophie des Proklus. 83

das Unbeflimmte. Plato feht das Unendlihe als das Schlechte

‚im Philebus, das Vergnügen als nit das Wahre, weil es das Alnendliche, das Unbeftimmte, keine Vernunft, Logos in ihm iſt. ) „Wenn wir daher von dem SHervorgchen eines jeg- lien Böttlihen ſprechen, fo iſt gemeint, daß es feſt in, den individuellen Eins bleibe, und nur nad der Unendlichkeit forts ſchreite,“ der Kontinuität als Sichfelbfiprodueiren, „und das Eins zugleich an ſich habe und die Vielheit, jenes vom Princip der Grenze, die vom Princip der Unendlichkeit. In allem Ge⸗ genfage der göttlichen Geſchlechter gehört das Vortrefflichere der Grenze, das Schledhtere aber dem Imendlichen an. Aus diefen - beiden Principien hat Alles feinen Fortgang bis zum Hervor⸗ treten in’s Seyn. So das Ewige” (auch ein göttlihes Ges ſchlecht), „Sofern es das Maaß als intellettuell if, hat: es Theil an der Grenze: fofern es aber die Urſache der unaufborlichen Kraft nach dem Seyn, an der Unendlichkeit. So der Vers fland, infofern er die Muflermaafe (Tapadeıyuarıza uEreER) en ihm bat, iſt er ein Erzeugniß der Grenze; fofern er ewig Alles producirt (nagayeı), hat er unvermindernde. Kraft der Unendlichkeit.‘ **) .

Die Hauptfache find aber die Grundbeflimmungen des rıE- gas, üreıpov und uıxsörv. Der legte Ausdrud, ein platoni⸗ ſcher Ausdruck, ift nicht ſehr paſſend, ift ſchlecht, da die Mi- ſchung zunächſt nur eine äußerliche Verbindung ausdrückt, da hier doch das Konkrete und noch mehr das Subjektive ſeyn ſollte; das Dritte iſt auch hier die Einheit Beider. Dieſe ab⸗ ſtrakten Grundbeſtimmungen find aber fo bei ihm, daß fie nur als Diomente, als Elemente eines Ganzen betrachtet werden, welches die zorag iſt: aber fo, daß jedes: der. einzelnen Drei

#) Siehe Band II, S. 238 40. De) Theol.. Plat.. Ill, C 7 pr 133 134. 6*

‚84 . Exrſter Theil. Grlechiſche Phile lordie.

ſelbſt eine ſolche ganze vous iſt, aber unter einer dieſet beſcu⸗ deren Formen, Eine Dreieinigkeit und drei Dreteinigtehten, Das rrepas und &rssıpov find vor der odoia und wieder: in berfelben. *)

„Das erſte Seyn (70 nowrwg 3 it das Gemiſchte,“ die Einheit der Trias mit ſich felbfl; ‚es if das "Segn ebenfo. wohl des Lebens, als des Verſtandes. 1) Das Eike der Vermiſchten ift das Exfte alles Sehenden.“ Es find uch zwei andere Ordnungen: „2) das Leben, 3) der Geiſt. Wikis if mithin triadiſch,“ da jedes von diefen Unterſchiedenen ie soras in ſich felbf if. „Diefe drei Triaden beſtimmen ib . nun“ näher „als abfolutes Schn (ovolc), Leben und Geiſt; fo ift es geiſtig, im Gedanken zu faffen.” Nur die intelligtäle Melt iſt das Wahrhafte, fie enthält felbft drei Ordbnungenz:biefe : Trias von Triaden aber macht die wahre, die intelligible ‚Belt aus. - Hierhin bringt Proklus nun die Formen der. alten Mythologie. Denn die unterſchiedenen &vades nennt: ex Got⸗ ter; der Gott als ſolcher aber iſt die ovala, aus ber die Is fonderen. Götter ausfliefen. Es bleibt aber immer ein Zwaug, die Mythologie. in der Beftimmtheit des Begriffs darzuſtellen. Ihr: Verhältnig if fo zu faflen: „Dieſe Drei find aber ſelbſt wefentlih (odoıwdwg, essentialiter) in dem Geyenden (&v To Ovsı) enthalten,” fie find in der erfien Subſtanz zu foffen, jede von diefen drei Triaden enthält die anderen in ſich. „Denn darin iſt die Subftanz, das Leben, und der 2006 und *#) die Spige des Seyenden“ (Axpörns zWv Ovzwv, summitas). Das iſt das Selbflifhe, Fürſtchſeyende, Subjektive, der Punkt ber ‚individuellen Einheit. „Das mit dem Gedanken aufgefaßte Leben ift das mittlere. Centrum des Seyenden (Tod Ovrog) felbft:

#) Theol. Plat. III, c. 10, p. 138 139. #9) Es waͤre die Frage, ob nicht das xac auszulaſſen wäre, fo daß youg hieße N üngörns av ovıor. ©, p.-139 1405. Unten, S. 87.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des’ Profins, 85°.

Der Verſtand (voös) aber ift die Grenze (70 ru£oas, ſinis) des Seyenden, und er ifl gedachtes Denten vontög voũg); denn ini Gedachten ifl der vous, und tm vous das Gedachte. Aber dafelbſt· Wo? An der ovola? Im Erfien, oder beffer &u uw vonso „iſt der vous auf gedachte Weife (vonzwg, men- talifer),, in dem vovs ift das Gedachte auf denkende Weiſe (voepis, intellectualiter). . Die Eſſenz (ovole) iſt das Bleis. bende (20 uorıov): des Sehenden, und das, was mit den erflen: Principien verwoben ifl (Taig Towsioraus agxgaig ovvupaıvo- Kenav),.und aus dem Einen nicht herausgeht, (avexpoisnzon)“ Das weite, in. konkreter Beſtimmung, „das Leben iſt aber dann das; was aus den Principien hervorgeht, und mit der uns eablichen Möglichkeit (Övvazer) mitgeboren. iſt (ovugpvorıevov) ;“ iſt ſelbſt die ganze Totalität in der Beflimmtheit der Unend⸗ lichkeit, in der Form: des Unbeſtimmten, ſo daß es ein Mannig- faltiges if. „Der Berftand aber .ift die Grenze“ (Individuali⸗ tät), „welche wieder” (das Leben) „zu den Principien zurüde. führt (ioro pov), und” (es imnier) „dem Princip“ (der odcia) „gemäß macht, *) und einen intellektuellen Kreis voll bringt.” Die Grenze ift das Anfſich, das Abſtrakte, der vous. Er: ift aber felbft unter dreierlei formen in der erfien Ordnung; dieſe drei Formen machen felbft die drei Ordnungen aus. „Da er #*) nun ein Dreifaches in ſich iſt, Theils das Subflantielle - (odowedws) in ſich felbft, Theils lebendig, Theils das Intellek⸗ tuglle C(vosoov), Alles aber fubftantiell (essentialiter). in ihm enthalten ift: fo ift er das Erſte der Seyenden, das aus den Erften Drincipien Geeinte.” Erſt das ift das Reale; fehr gut! „Ich heiße es die ovoia. Denn die auzoovoie ift alles Seyns

#) „Der vous aber ift das Zuräcführende zu den Princiyien und die Grenze! Ob Nominativ oder Akkuſativ? „aneignend dem Prinz cip umd einen Kreis bildend.

##) Diefer Kreis oder der vous? Im Griechiſchen ſteht ein Subjekt.

86 Erſter Thell. Griechiſche Philoſophle.

Spitze, und wie die Monas von Allen;“ das Erſte, bie odocc heißt auch avzoovola, fie iſt der voüc. „Der Verſtanß (vous) felbft if das Erkennende (Tö yrwozıxöov),“ Indivi⸗ duelle, „das Leben aber das Denken” in Bewegung (Gonotg)gy „das Seyn ſelbſt iſt das Gedachte (TO vonzdr). Wenn nun. das ganze Seyende (när To 09) gemiſcht if, das Selbſtſeyn (76 adrody) aber die:adale if: fo iſt die odaie,. bie ans. ben. beei Prinzipien iſt (ögsoraudyn), das Gemiſchte.“ #) --* run „Das Gemifchte iſt mun alfo gedachte. Subftanz -(obeikat: volvvv .dori vonen v0 mixröy); fie if von Bett, vor'bens: auch das Unendblidhe und die Grenze. So find. vier Moment; das Gemiſchte das Vierte.“ Das Erfte if die Monas, das abfolut Eine; dann ‚die Wielen, die felbft Henaden find, ſie ſtad das ürseıpov Mlato’s; das Dritte iſt die Grenze überhaupk: Das Eine ift das ſchlechthin Durchdringende, bei ſich Bleibende Wenn dieſe gleich ſchon drei ausmachen, fo fügt Proklus noch ein Viertes hinzu, welches Einheit des üneıpov und suödag: (Maaß, Ziel, Grenze) if. Hier hat er platoniſche Ausdrüde (im Werte eis 79 IMaruwos Fsoloylay); er führt immer Sokrates an. Das eigentlih Deitte ift ixzor, das ift nicht eigentliche Vermiſchung. Für das Konkrete, die Einheit der Entgegengefesten, gebraucht Proflus nad) Plato den Ausdruck des Gemiſchten. Diefes Dritte, als Einheit des Unbegrenzten und Begrenzten, iſt das Vierte; oder indem das Eine das Als umfaffende iſt, fo kommt es nicht als Moment vor. Die Eine: heit nun der Momente des rdpag und ürzeıpov iſt Subflanz, nrowslorn ovale: das ift das Erfle alles Seyenden. „Dieſes Geeinte ift nicht nur aus jenen Principien, die nad dem ins: find; fondern es geht auch aus ihnen hervor, und ift triadiſch.“ **)

#) Theol. Plat, III, c. 9, p. 135. ##) ibidem p. 136: ... oux Zorıy dx zwv uera To Ev doyms uö- voy, noösıcı di zul dx vourwy, zul Eorı roradızov.

Dritter Abſchnitt. Philoſophie des Proklus. 87

Alles iſt Dreieinigkeit; jenes ſind die drei Momente der abſtrak⸗ ten Dreieinigkeit, in ihr iſt Alles an ſich enthalten. | „Dieß ift nun die Natur alles Seyenden, eine Monade vieler Möglichkeiten, ein erfülltes Wefen, Eins das Vieles RN. „Es hat die Dreieinigkeit der Schönheit, der Wahrheit und der Symmetrie in fi” (wie er diefe drei Trias den auch nennt, nah Plato): „Die Schönheit zur Ordnung, die Wahrheit zur Reinheit, die Symmetrie zur Einheit der Ver⸗ bunbenen. Die. Symmetrie ift Urſache, dag das Seyende Eins heit iſt; die Wahrheit, daß es das Seyn ift (die Eſſenz bat); die Schönheit, daß es ein Gedadtes if.“ ##) Proklus zeigt, daß die .erfle Zrias Alles in fih enthält, und daß die beiden anderen. Ordnungen auch diefe Zriaden in fich find; jede Triade iſt alfo .daffelbe in Einer der drei Formen geſetzt, die die erfle Trias ausmachen,

a. „Dieß iſt nun die erſte Trias alles Gedachten: Die Grenze, das Unendliche und das Gemifchte.” Die erſte Zriade if die Einheit diefer drei Beflimmtheiten als folcher, die reine Wes fenheit, der erſte Diakosmos, der erfle Gott, die erfie Ordnung des Böttlihen. Dieß ift alfo das Eine; die Eine, diefe ovalen ift als konkretes Eins ſelbſt die Einheit des Unendlichen und der Grenze. Und „die Grenze” (das srepag, weldes konkreter vovg if) „ift der Gott, bis zur dentenden Spige hervorgehend aus dem unmittheilbaren und erſten Gott, Alles meſſend und beflimmend, und alles Bäterlihe und Zufammenhaltende und das unbefledte Gefchlecht der Götter in fih aufnehmend.” Die erfie Ordnung iſt die ovoia, in der diefe Elemente eingefchlofs fen find ohne Entwidelung, fe im regas zufammengebalten, im Spröden, fofern das Unaufgeſchloſſene. Die Spige vom Erſten ift die ovola. „Das Unendlidhe aber“ (die Quantität)

®). Theol. Plat. II, c. 9, p. 137. #4) ibidom, c. 11, p. 139 er 140.

88 .. &rfter Theil. Griechiſche Philoſophie.

zift die unerſchöpfliche Möglichkeit diefes Gottes, das, was alle Ausgeburt, Drdnungen erfheinen macht und die ganze Unende lichkeit, fowohl die vorwefentlihe, als die fubftantielle und bis zur legten Materie. Das Gemifchte if aber die erfle und höchſte Anordnung (dıaxoouog) der Götter, und die verborgen Alles: in ſich zufammenhält, nad der gedadten, Alles in ſich begueds. fenden Trias erfüllt, von allem Seyenden die Urſache in ein⸗ facher Weife umfaffend, und in den erſten Gedachten“ ‚nik: intelligiblen Dingen, als ob eine Art von Dingen intelligible: Dinge, und es. dann noch andere Dinge gäbe; foldye Unterſchei⸗ dungen und. Beflimmungen kommen nit vor „die. Spige“ (Selbſt, Individualität, Fürfichſeyn), „die den Ganzen entnom⸗ men iſt,“ heißt die: die nicht abflratt iſt? „befeſtigend 5) Sie iſt die Spige des Denkens und wefentlih ebenfo Umtcheen,. wie dieß auch bei Plotin vortommt. Und dieß Erſte erzeugt: rin. feiner Spige die zweite Ordnung; die zweite Ordnung iſt im Ganzen das Leben, und feine Spige der voug. Diefes Zweite iR in der Beflimmung ber dvag oder des Ürsıpoy. Bei dies fem zortgange bricht Proklus in Begeifterung, bapantifigen Enthufiasmus aus, indem er fagt:

b. „Nach diefer erfien Zrias, die in der Einheit bleibt, der Einheit geeint ift, kaft uns nun die zweite in Hymnen preis

#) Theol. Plat. II, c. 12, p. 140: zoriın ulv ovv.... 165 yontöy 7 nowrlorn rords, nepas, Äreıpov, wıxtöv. av To u8v rrepag dorı Heös Em Üxom vonp no0eAImy ano ToV Auedexrov zul zow- tiorov FEoÜ, Favıa usıoW@v ze) Arogllwv, zul nüv TO nergıxöy zul ouvextixöv xal üygavıov ıov HEewv yEvos Ügıords. To dE ansıpov duvauıs Ayexksınros TOU FED TOUTOV, Na0RS Tas yEerynrızas diazoaun- osis Exgalvovoe, xal näoev 179 dneiglav TNy TE 00000109 za my oVowön zul ueygı zus kayeıns Dins. TO JE nırıöv 6 nEWTIOTog x Uymiotarog dıazoouos T5y HEWv, za) xovgplus Ta rayıa Ouveilnpeos, zart To1L0da Ev vonrmv Ovvexuxmy Ovunimgovusvos, nevrös dR_ToU Ovıos nv alılay Evınios neoıkyav, zul Ev Tois vomois zois HEwslgTorg axgornra zul zwy Öloy Einonuevnv Idgvoauevos.

, VDritter Abſchnitt. Philoſophle des Proklus. 89 fen (Umtomuer), die von diefer ausgeht, und-durch das Aloe. giſche von ber, die vor ihr ifl, ausgefüllt iſt. Wie die erfle Ein» heit (Evag)-die Spige des Seyns zeugt, fo erzeugt die mittlere Einheit das. mittlere Seyn; denn. fie ift ebenſo erzeugend und in fi .haltend.” In der zweiten Ordnung treten- wieder, wie vorhin, drei: Momente ein. „Hier ifl. die Grundlage. die odcla, Die die Einheit (Endung) der rrfien Trias war; die odara iſt bier das Erſte. Das Zweite, was dort das Unendliche war, iſt bier. duvanıs: Und die Einheit diefer beiden tft das Leben (Lom)/'-das Eentrum, was der. ganzen Ordnung. die Beſtimmt⸗ beit überhaupt giebt. „Das. zweite- Seyn :ift das gedachte Le⸗ ben. In dem Extrem voös haben die Seyenden ihre. Grund⸗ lage (Unöoraois). Die zweite Ordnung iſt eine Trias, analog der‘ erſten; denn. ein Gott ift die zweite gleichfalls.” Das Verhältniß diefer Dreiheiten ift diefes. „Indem die erfle Trias Alles if, aber intellettuell (vonrws) .und unmittelbar. aus dem. Einen: (Erraiog) und in der Grenze bleibend (mepazosıdag): fo if die zweite Alles, aber lebendig und im Princip der Un⸗ endlichkeit (Lwrıxug xai üreıposıdas); wie die dritte nad) der Weife des Gemifchten hervorgegangen ifl, Die Grenze bes flimmt die erfle Dreieinigkeit, *) das Unbegrenzte die zweite, das Konkrete die dritte. Jede Beflimmtheit der Einheit, eine neben die andere geftellt, explicirt auch die intelligible Ordnung der Götter. Jede enthält alle drei Momente unter fih, und jede ift diefe Dreiheit unter einem diefer Momente gefegt.“ **) Und diefe drei Ordnungen find die höchſten Götter; fpäter kommen vierlei Götter vor. *%*) J

c. „Die dritte (Subſtanz) ſtelltf den gedachten vous um. fih herum (öplornoı repl adıny);“ die dritte Trias iſt der

#) MWielmehr die dritte. %%#) Theol. Plat. III, c. 13, p. 141 142. ws) Proclus: in Timacum, p. Wi, 29.

@: Erſter Theil, Griechiſche Philoſophie.

zöög ſelbſt. „Sie ſtellt die mittlere zwiſchen fi und bie abſo⸗ Inte Subflanz, und erfüllt den gedachten vous mit ber göttlichen Einheit; durch die mittlere erfüllt fie das Schn, und wendet es zu fih. Diefes Dritte ift nicht durch eine Urfache, wie das erfte Senn, noch offenbart es (rpopaivor) das All, wie Die zweite: fondern ift als Altus und Aufernd (Expyavac), Die: abfolute Grenze. Die erfle Trias” (diefer konkrete Bott) „bleibe verbörgen- in der Grenze ſelbſt“ die Grenze if die negative Einheit, die Subjektivität überhaupt „und hat alles Beſte⸗ ben" (Seyn) „Des Intellektuellen in ihr firirt” Das Intellek⸗ tuelle if und hat fein Seyn in’ diefem. Einen, in diefer odale.. „Die zweite iſt ebenfo bleibend, und fehreitet zugleich yorwärts>*: das Lebendige fcheint, ift aber darin zur Einheit zurückgeführt. „Die dritte” (das Denken als foldhes) „nad dem Fortſchreiten wendet und kehrt die intelligible Grenze zum Anfang, und drebt die Ordnung in ſich ſelbſt zurüd; denn der Verſtand iſt das Zurücklenken und das dem Gedachten“ (der Einheit) „gemäß: Machen. Und die Ales iſt Ein Denten (Eine Idee): das Beharren, das Morfchreiten (ronievaı) und das Umkehren (ersıorofpew)." Jedes iſt Zotalität für fih, aber alle Drei werden in Eins zurüdgeführt. Im vovs find die zwei erſten Triaden felbft nur Momente; der Geift aber ifl, die Totalität der: beiden erften in fich zu faflen. „Diefe drei Dreieinigkeiten verfündigen nun auf eine myſtiſche Weife die vollig unerfannte Certenntniflofe) Urſache des erften und unmitgetheilten (aue- Hextov) Gottes,” der das Princip der erſten Einheit ift, in den Drei aber manifeftirt wird: „Die eine feine unausfprechliche Einheit, die andere” (das Leben) „den Ueberfluß (Ueberſchuß) aller Kräfte” und das Ausleuchten deffelben, „die dritte aber die vollkommene Ausgeburt des Seyns, der Wefen überhaupt.” *)

#) Theol. Plat. 11, c. 44, p. 143.

Dritter. Abſchnitt. Philoſophie des Proklus. 91

Das Myſtifche iſt, daß dieſe Unterſchiede, die als Totalitäten, ale Götter beſtimmt find, als Eins gefaßt werden. *) Der od ift dreifadh: ovoıwdwg, borıxds und yoeowc.**) „Im einer- Ordnung iſt das. Konkrete felbft die Eſſenz, in einer anderen ift es das Lehen, in der dritten der gedachte Gedanke.” Die erfie Subflanz ifl der 2000 als Gedachtes, was Objekt wird: fprechen wie vom Berftand, Denken, fo ift er ein Seyendes; er ift auch Dioment. Zweitens das Leben. ift der gedachte und dentende:. der dritte: iſt der denkende Gedanke. Dieſe nennt er auch die drei Götter; die ovola nennt er auch Koride, das Feſte, Grundlage. A5) „Die erſte Dreieinigkeit iſt der gedachte. Gott: (Heös. vonroͤg): die zweite der gedachte und denkende (Seöc vonrog xai vospös),“ thätige: „die dritte der‘. reine, „denkende Gott (Sec v08009),“: der in fich. diefe Rüdkehr, Umkehr zur Einheit ift, in der als Rückkehr alles Dreies ent⸗ hatten if. „Bott ift das Ganze in: ihm.” F) Diefe-drei find auch fchlehthin das abfolut Eine; und dieß made dann einen abfoluten konkreten Gott aus.

„Bott ertennt ungetheilt das Getheilte, zeitlos das Zeitliche, das nicht Nothwendige nothwendig, das Veränderliche unverän⸗ derlich, und überhaupt alle Dinge vortrefflicher (xgsızzovwg), als nach ihrer Ordnung.” Fr) „Deſſen die Gedanken find, deffen find auch die Subftanzen, indem der Gedanke eines Jeden daffelbe mit dem Seyn eines Jeden; und Jeder iſt Beides, der

#) Bei den Neuplatonikern kommt überhaupt der Ausdruck „myftifch” oft vorz cf. Theol. Plat. III, c. 7, p. 431: zalıy dn ovv Auiv dnava- Annıdov ınv nrepl Tod Evös uvorayaylav (wie wir fagen würden: „fpes kulative Betrachtung‘). Myſtagogie ift eben diefe fpekulative Philofophie, Diefes Seyn im Denken, Eelbftgenuß, Anfchauung.

##) S. Oben, S. 85. w##) Theol. Plat. VI, c. 22, p. 408.

+) ibidem III, c. 14, p. 144.

Tr) Institut. theol. c, 124, p. 467.

9 Erſter Theil. Griechiſche Phlloſophie.

Gedanke und das Seyn“ u. ſ. w. ) Dieß find die Haupt⸗ beſtimmungen in der Theologie des Proklus; und es bleibt uns nur noch übrig, einiges Aeußerliche anzuführen.

Die Einzelnheit des Bewußtſeyns ift zum Theil im der Form einer Wirklichkeit Magie und Theurgie; die. Theurgie kommt bei den Neuplatonikern und bei Proklus oft vor, es heißt einen Gott machen. Und das Theurgiſche wird ſo vor⸗ geftellt in Beziehung auf die heidniſchen Götterbilder: „Die er⸗ fien und vorzüglichften. Namen der Götter, muß man annehmen; gründen fi in den Göttern felbft (& avzois idpvosas zoig: Hsois). Das göttlihe Denten (vous) macht (Önuuoveyei) von feinen Gedanten Namen, und zeigt die (legten) Bilder der Bar: ter; jeder Rame zeugt gleichſam ein Bild (Ayaluc) eines Got- tes. Wie die Theurgie mun durch gewiffe Symbole die neidloſe Güte Gottes zum Leuchten (dAauıyır) der Bildniffe der Qünfi⸗ ler. hervorruft (rrpoxaksirar): fo die Gedankenwiſſenſchaft durch Zufammenfegungen und Zrennungen der Töne macht feinem. (£upaiveı) die verborgene Wefenheit (ovoia) Gottes.“ **) Go zeigen die Bildfäulen, Gemälde der Künftler das innere ſpeku⸗ lative Denten, das Erfülltfeyn vom Göttlichen, das ſich zur Aeußerlichkeit bringt. So wird. aud das Einweihen von Bil⸗ dein vorgeflellt. Es ift damit der Zuſammenhang ausgefprodhen,. daß die Neuplatoniter noch das. Dipthifche befeelt haben mit; dem Göttlichen felbft: fo daß in den Bildern u. f. f. die götte; lihe Kraft vorhanden if. Ih habe an die Moment nur erinnern wollen, weil es in diefer Zeit eine große Rolle fpielt.

%) Institut. theol. c. 170, p. 486: (yap) al vorosıs al aurel xl ovoleı, einep n vonoıs % &xaorov x. t. A. %#) Theol. Platon. I, c. 29, p. 69 70.

Deitter Mofnie Madhfolger des Prokius. 3

65. Nachfolger. des Protlus.

Proklus iſt die Spitze der neuplatoniſchen Philoſophie; d die⸗ ſes Philoſophiren zieht ſich nun weit hinein in ſpäte Zeiten, ſelbſt durch das ganze Mittelalter. Proklus hatte noch mehrere Nachfolger auf dem Lehrſtuhl zu Athen, Marinus, feinen Les bensbefchreiber, dann Iſidorus von Gaza, endlih Damass cius. Bon dem Lesten find auch noch fehr interefiante Schrif⸗ ten da. *) Er war der legte Lehrer der neuplatonifhen Philo⸗ fophie in .der Alademie. Denn 529 n. Chr. Geb. lie Kaifer Juſtinian Diefe Schule fließen, und trieb alle heidniſchen Phi⸗ lofophen aus feinem Reiche. **) Unter ihnen befand. ſich auch Simplicius, ein. berühmter Kommentator des Xrifloteles, von deffen Kommentaren mehrere gar noch nicht gedrudt find. ..Sie ſuchten und fanden Schug und Freiheit in Perſten unter Kos roes. Rad einiger Zeit. durften fie zwar aud) wieder m’6 rö⸗ miſche Reich zurüdtehren, tonnten aber Feine Schule zu Athen mehr bilden; und bie heidnifhe Philofophie ging fa aud in ihrer äußerlichen Eriftenz zu Grunde. #**) "Eunapius. handelt von diefer letzten Seit; und Coufin hat. fie in einer kleinen Schrift behandelt. Obgleich diefes äußerlich aufgehört hat, fo haben ſich die. neuplatonifdhen Ideen, befonders die Philoſophie des Proklus, doch noch lange in der Kirche feftgefegt und erhal- ten; und wir werden fpäterhin noch mehrmals darauf zurückwel⸗ fen. Die älteren, reineren, myſtiſchen Scholaftiter haben dafielbe, was wir bei Proklus ſahen; und bis auf die fpäteen Zeiten aud in der Tatholifchen Kirche, wenn myſtiſch tief von Gott ge⸗ ſprochen wird, fo. find dieß neuplatoniſche Vorſtellungen.—

#) Bruckkeor. Hist. cr. ꝓhil. T. II, p. 350. = #%) Joan. Malala: Hist. chrom. P. II, 7, 487; Ai, Amann ad Procopii anecdot. c. 26, . I. . en ##%#) Brucker. 1. 1. p. AT.

94 Erſter Theil. Griechiſche Philoſophie.

Dieß find einige Proben oder vielleicht das Beſte der neus platonifhen Philofophie; in ihr hat fi die Welt des Gedan⸗ tens gleihfam Tonfolidirt. Nicht als ob fie neben einer finn- lichen Welt auch Gedanken gehabt hätten; fondern die finnliche Melt ift verfhwunden, und das Ganze in den Geift erhoben, und dieß Ganze Gott und fein Leben in ihm genannt.

Hier fliehen wir an einer großen Umkehrung. Damit if nun die erfte Periode, die der griechiſchen Philofophie, geſchloſ⸗ fen. Das griedhifche Princip iſt Freiheit als Schönheit, Ber- föhnung in der Phantafle, natürliches freies Verſöhntſeyn un mittelbar realifixt, finnlihe Idee in finnlicher Geſtalt. Durch die Philoſophie will fi der Gedanke dem Sinnlichen entreißen; fie ift Ausbildung des Gedankens zur Zotalität .jenfeits des - Sinnlihen und der Phantafſie. Es ift darin dieſer einfache Fortgang; die Geſichtspunkte, die wir hatten, find in turzer Weberficht die. Zuerſt fahen wir das Abſtrakte in natürlicher Form; dann den abfiratten Gedanken in feiner Unmittelbarkeit: fo das Eine, das Seyn. Das find reine Gedanken, der Bes danke ift nicht als Gedanke aufgefaßt; fie find für uns Gedans ten, allgemeine Gedanken, das Bewuftfeyn des Gedankens fehlt. Sokrates ift die zweite Stufe, die Stufe des Selbſt, des Ge⸗ dankens als Selbſt; das Abfolute ift das Denten felbft, vovc. Der Inhalt ift nicht nur beflimmt, Seyn, Atom, fondern kon kret, in ſich beftimmtes, fubjeftives Denken; er iſt aber nur an ſich konkret. Drittens wird dieſes wieder als konkret gewußt; bis dahin ging die griechiſche Philoſophie.

Das Selbſt iſt die einfachſte Form des Kontreten, das Selbft ift inhaltslos; infofern es beflimmt ift, wird es konkret: fo Sokrates, die platonifche Idee. Diefer Inhalt ift aber nur an fich konkret, er wird nod nicht als konkret gewußt. Plato, vom Gegebenen anfangend, nimmt den befimmteren Inhalt aus demfelben, der Anſchauung. Ariftoteles hat die höchſte der, das

Dritter Abſchaitt. " Meberfcht'der oriechlfchen Philofophie. 68

Denten des Denkens, fieht in: der oberſten Spitze; aufer ihr ift die Welt, der Inhalt. Das Konkrete if mannigfaltig Konkre⸗ 166, es fol zur Einheit zurüdgeführt. werden; das Selbſt iſt die legte, einfache Einheit des Konkreten. Oder umgekehrt, Das Abſtrakte, das Princip fol Inhalt gewinnen; fo fahen. wir die Epfleme des Dogmatismus entfliehen. Jenes Denten des Den⸗ tens iſt im Staicismus als Princip aller Welt; es iſt Verſuch, Aufgabe, ſie als Denken zu faſſen. Der Skepticismus vernich⸗ tet allen ſolchen Inhalt; er iſt Selbſtbewußtſeyn, Denken in ſei⸗ ner reinen Einſamkeit mit ſich, die Reflerion auf jenes Voraus⸗ fegen und Unfangen. von Borausfegungen. . De

Drittens wird. das Abfolnte als Konkretes gewußt. Im Sp⸗ flem ift nur Sollen vorhanden, Beziehung des Linterfchiedes auf die Einheit; die Identität kommt nicht zu Stande, es iſt nur innere For⸗ derung. Zuletzt, in der neuplatonijchen Schule, wird das Abfolute alfo als konkret gewußt, die Idee in ihrer ganz konkreten Beſtim⸗ mung als Dreieinigkeit, Dreiheit von Dreiheiten, fo daß diefe im⸗ mer nod weiter emaniren. Jedes ift aber ein Dreieiniges in ſich, fo daß die abftraften Momente diefer Trias felbft auch gefaßt find als Zotalität. Als wahr gilt nur ein Soldes, das fih mani⸗ feftirt und darin fih als das Eine erhält. Die Alexandriner find fonfrete Zotalität an ſich; fie haben die Natur des Geiftes aufgefaft. Sie find aber nicht ©) ausgegangen von unendlicher Subjettivität, der Ziefe, dem abfoluten Bruch: haben nicht 0 die abfolute (abftrakte) Freiheit, das Ich, den unendlichen Werth des Subjekts.

Dieß ift nit fo ein Einfall der Philoſophie, fondern ein Ruck des Menfchengeiftes, der Welt, des Weltgeiftes. Die Of⸗ fenbarung Gottes ift nicht als ihm von einem Fremden gefches ben. Was wir fo troden, abftraft hier betrachten, iſt konkret. Solches Zeug, fagt man, die Abftrattionen, die wir betrachten, wenn wir fo in unferem Kabinet die Philoſophen ſich zanten

L: Erfter Theil: Griechiſche Philoſophie. | und’ fireiten laffen, und es fo oder fo ausmacheu ‚find Works Abſtraktionen. Nein! Rein! Es find Tihaten des Weltgeiftes, meine Herren, und darum des Schidfals. Die Philoſophen find dabei dem Herrn näher, als die ſich nähren von den Bro⸗ famen des Geiftes; fle lefen, oder fehreiben diefe Kabinetsorbres gleih im Original: fie find gehalten, diefe mitzufchreiben. Die Dhilofophen find die uvoras, die beim Rud im innerften Hei⸗ ligthum mit und dabei gewefen; die Anderen haben ihr befon- deres Intereffe: diefe Herrfchaft, dieſen Reichthum, die Mädchen Wozu der MWeltgeift 100 und 1000 Jahre: braucht, das machen wir fihneller, weil wir .den Vortheil haben, daß es eine Vergangenheit, und in der Abſtraktion gefchicht.

Der Geſchichte der Philofophie

zweiter Theil,

Philoſophie des Mittelalterg.

Geſch. d. Phil. * * 7

Die erfte Periode umfaßte 1000 Jahre, von Thales 550 vor Chr. Geb. bis Proflus, der 485 nad Chr. Geb. flarb und bis ‚zum Untergang der äußeren Etabliffements der heidniſchen Phi⸗ loſophie 529 nad Chr. Geb. Die zweite Periode reiht bis in das 16. Jahrhundert, und umfaßt fo wieder 1000 Jahre, über welde wir wegzutommen Siebenmeilenfliefel anlegen wollen.

Bisher fiel die Philofophie innerhalb der griechifchen (heid⸗ nifchen) Religion. Bon jest an (in diefer Periode) hat die Philoſophie ihre Stelle in der chriſtlichen Welt; Yraber und Zuden find nur äußerlich, geſchichtlich zu bemerken. Es iſt eine neue Religion m der Welt aufgelommen, das Chriftenthum. Mit der dee defielben find wir durd die neuplatonifche Phi⸗ loſophie ganz in Bekanntfchaft getreten. Denn fie hat zu ihrem wejentlihen Princip, dag das Abfolute, Gott der Geiſt ift, daß er nicht eine bloße Vorſtellung überhaupt ift, fondern daß Gott als Geift auf konkrete Weife beflimmt wird. Nur das Konkrete ift das Mahre, das Abſtrakte iſt nicht das Wahre; obgleich es auch Denten ifl, fo muß es doch, um wahr zu fehn, in fid felbft konkret feyn: und dieß ift denn erſt das Abſolute , der an⸗ undfürſichſeyende Geiſt.

Dieß Konkrete haben wir ſchon geſehen. Die nähere Ge⸗ ſtalt deſſelben in der chriſtlichen Religion iſt, daß den Menſchen in's Bewußtſeyn gekommen, offenbar geworden iſt, was Gott iſt, in näherer Beſtimmung zum Bewußtſeyn gekommen iſt bie Ein» heit der göttlichen und menfälichen Natur: c) Das Anſichſeyn dies

7*

100 Zweiter Teil,

fee Einheit, M in der Wirklichkeit der Kultus. Die Spike ber Subjektivität if vertraut mit der Vorſtellung. Der Kultus, das chriſtliche Leben, ift, daß das Individuum, das Subjekt felbft in Anſpruch genommen wird, gewürdigt wird, für ſich zw Diefer Einheit zu gelangen, fich felbft zu würdigen, daß der Geiſt Bst tes, die Gnade, wie es genannt wird, in ihm wohne. Und bie Lehre von der Berföhnung iſt, daß Bott gewußt wird als fd

verfühnend mit der Welt; „Daß er fi verföhnt,” heißt, wie | wie bei der neuplatonifchen Philofophie gefchen haben, daß er fih befondert, nicht abſtrakt bleibt: und zum Befonderen gehört. nicht bloß die äußerliche Natur, fondern die Welt, befonders .bie menſchliche Individualität. Das Amtereffe des Subjetts ſelbſt | wird mit hineingezogen, fpielt bier die wefentlihe Rolle: daß Bott realifiet ſey und ſich realifire im Bewußtfeyn der Indivi⸗ duen, die an fich geiflig find; wozu gehört, daß diefe, weil fle Geift und frei an ſich find, durch den Proceß an ihnen ſelbſt diefe Verföhnung vollbringen, daß fle das, was fle find, Gef, frei an fi, zu ihrer Freiheit verwirklihden, d. 5. daß fle zu dem Bewußtfeyn des Himmels auf Exden, der Erhebung bes Menſchen gelangen. Die Intellettual- Welt ift nicht jenfeits, fondern das fogenannte Endliche ein Element darin; es ift nicht ein Hüben und Drüben. Das Konkrete in Anfchung Gottes, der abfoluten Ydec, if: das Weltlihe, das Andere in Gott feben, es als an ſich göttlich wiflen, göttlich madhen, auf geiftige Weife, d. h. nicht auf unmittelbare Weife. In den äls teren Religionen iſt das Göttliche aud vereint mit dem Natür⸗ lien, dem Menſchlichen: aber nicht verföhnt, fondern nur auf natürliche Weiſe. Die Einheit Gottes mit dem Natürlichen, mit dem Menſchen, ift da eine unmittelbare und fo geiftlofe Einheit, eben weil fie nur natürlich if. Der Gef iſt nicht natürlih, er ifl nur das, wozu er fi madıt; die nicht hervor⸗ gebrachte, natürliche Einheit ift die geiftlofe, der Proceß in fi

diefe Einheit hervorzubringen dagegen ift die geiflige. Zu biefer

Philofophie des Mittelalters. 101

gehört die Negation des Natürlichen, weil es nur das Unmittel⸗ bare, das Geifllofe if. Das Fleiſch, das Natürliche if das, was nicht ſeyn fol; die Natürlichkeit ift das, worin der Menſch nicht bleiben fol. Die Natur iſt böfe von Haufe aus, der Menſch if an fi das Ebenbild Gottes, in der Eriftenz nur ift er natürlid; und das, was an fi if, ſoll hervorgebracht werden. Die erfle Natürlichkeit fol aufgehoben werden. Die ift die Idee des Chriftenthums überhaupt.

Um die Idee des Chriſtenthums zu faſſen, anzuwen⸗ den, muß man nun die philofophifche Idee für ſich erkannt haben, Bon bdiefer Idee haben wir ſchon gefprochen; aber es ift noch nicht bewicfen, was das Wahrhafte if. Ungeachtet ihrer tiefen und wahren Spekulation hatten die Reuplatoniter doch ihre Lehre, daß die Dreieinigkeit das Wahre ift, noch nicht bewiefen, und es fehlte ihr die Form der innerlichen Rothwendigkeit. Man muß zu dem Bewußtfeyn gefommen ſeyn, daß dieß allem das Wahrhafte if. Die Neuplatoniter fangen an von dem Einen, das fi ſelbſt beſtimmt, das fi Maaß feht, woraus das Bes flimmte hervorgeht; dieß ift aber felbft eine unmittelbare Weife, und es macht das Ermüdende bei Plotin, Proklus u. f. f. aus. Es tommen wohl dialeftifhe Betrachtungen hinein, in denen die Gegenfäge, die als abfolut genommen werden, als nichtig aufe gezeigt werden; aber diefe Dialektit ift nicht methodiſch, fondern nue vereinzelt. Am das, was das Princip des Chriftentbums it, ale Wahrheit zu erfennen, muß die Wahrheit der Idee des Geiſtes als konkreter Geiſt erfannt ſeyn; und dieß iſt die eigen thümliche Form bei den Kirchenvätern.

Es kommt alfpo darauf an, daß das Weltlihe überhaupt nicht in feiner Unmittelbarkeit, Ratürlichteit gelaffen wird, fon» dern daß es an ſich als das Befondere, nämlih als Allgemeis nes, intellektuelle Welt, als in Gott feine Wurzel, feine Wahr⸗ heit habend betrachtet wird, fomit Gott als konkret gedacht wird. Unter dem Weltlihen, was fo in Gott aufgenommen wird (in

109 Zuriter Theil,

den m es aur in (ner Baier, iät. I (einer Weg barkeit anfgenommen;.-- und nicht das, Bas wie hether; deun dieſer ‚fegt das Anmittelbiars,:: wit. eanäfl;, ; was füh in Bott wiſſen ſoll, iM ins Veſondede SIE RP Wir haben fo geſchen, vaß der Menſch die: Being Engl

au :erfigeberenet: Soha, Abam Kadmon, der :erfir Keukiitrmnit \ HARH diefe Cinhrit-Liumen wir beſtiimen als Die: Einheit ſich, als bie koukrete Ber, aber dieſe win 0 7

*

iſt: das erſte Suter ti: > 2 ee dat. Bweite; was a. dieſer —E——— doh idiei natũrltichen· Dinge mur im: ihren Aaſich, u“ blelben⸗ ober: ihee Wahrheit · tritt nicht in ihre Vnnipenkiciie digkeit ein, ihre Lebendigkeit If: ihre natürliche Etazelcatna | die lebendigen Dinge eriflicen als: einzelne, biefe Sudajeniißt, aber nur ein Vorudergehendes, ſo daß dieſe —E— | das’ Zurüdfchauen hat auf die metürlichen Dinge: - DEE | Unglüt, daß die Wahrheit, ihr Weſen nicht für ſie VOR und: darin liegt⸗ daß fie widht zur Unendlnhkeit, ul u 0 a frriung von: ihrer unmittelbaren Einzeinheit;:d. i. 117 12°. .0 97 hät tommen „, fondern nur in der Nothwendigkeit bleiben, Ne: der. Zuſammenhang Eines mit einem Anderen ift: fo daf, wenn fi: dieß Andere vereinigt mit den natürlichen Dingen, Bifergie Grunde gehen, fie können den Widerſpruch nicht :ertwageg: Dat Menſch aber iR eben deflen fähig, als Bewußtſeyn, daß ihn das Wahre ift, und daf er darin die. Beſtimmung zur Fret⸗ beit hat, das Anundfürſichſeyende anzufhauen, zu wiren, hr in ein Verhältniß zu demfelben zu fegen, das Miffen zum Zwed habend; und imbem ex. dieß zum Zweck hat, if Befreiung bes Geifles darin enthalten, daß das Bewußtſeyn nicht als natür⸗ lies ‚bleibe, -fondern als geiftiges, d. b. daß für ihn ſey das Ewige, d. i. die Werföhnung, die Einheit des Endlichen als Dies fes Subjetts mit dem Unendlichen. Bewußtſeyn iR alſo diefer Deoceh; nicht im Matürlihen ſtehen zu bleiben, ſondern der Pro⸗

N

Philoſophie des Mistelalters. 103

ceß, woburd ihm das Allgemeine zum Gegenfland, zum Zweck wird. Darin aber, dag Gott das wefentlid Konkrete ift, ‚Liegt die Quelle, die Wurzel des Menſchen als Bewußtfeyn, aber nur.die Wurzel; den Proceß hat er felbfi dann in fid zw voll= bringen, um zu diefer feiner Wahrheit zu gelangen.

Drittens Dieß wird nun angegeben oder wird behaup- tet als die Grund⸗Idee des Chriſtenthums. a) Einer Seits ift dieß eine hiſtoriſche Frage; zu verfihiedenen Zeiten ift diefe Idee anders gefaßt, jest macht man ſich wieder befondere Vorftelluns gen davon... Zu entwideln, daß dieß die hiflorifche Idee ſey, müßte entwidelt werben, .wie die auf hiſtoriſche Weife geſchieht; es iſt uns aber bier um diefe hiſtoriſche Erörterung nicht zu thun. Wir müffen es alfo als Lemina, Lehnſatz der Gefchichte annehmen. 4) Infofern anderer Seits dieſe Frage in die Ge- ſchichte der Philoſophie fällt, hat die Behauptung, daß dieß die Idee des Chriftenthums fey, eine andere Stellung, als die nad hiſtoriſcher Behandlung. In der philofophifchen Geſchichte muß die Behauptung die Geflalt haben, daß in der Welt notwendig diefe Idee hervorgetreten ifl, und zwar daß diefe Idee der In⸗ halt des allgemeinen Bewußtfeyns, des Bewußtſeyns der- Wolter geworden ift, d. h. daß diefe Religion allgemeine Religion dex Bölker geworden iſt. In der philoſophiſchen Geſchichte iſt der Inhalt dieſer, daß der Begriff des Geiſtes zum Grunde gelegt wird, und nun die Geſchichte der Proceß des Geiſtes ſelbſt iſt, aus feinem erſten ungründlichen, eingehüllten Bewußtſeyn fich zu enthüllen und zu dieſem Standpunkt feines freien Selbſtbewußt⸗ ſeyns zu gelangen, daß das abſolute Gebot des Geiſtes, „Er⸗ kenne Dich ſelbſt,“ erfüllt werde. In dem Zuſammenhang der bisherigen Geſtalten hat es ſich gezeigt, daß dieſe Idee des Chriſtenthums jetzt hervortreten, und zwar allgemeines Bewußt⸗ ſeyn der Melt werden mußte. Daß fie als Welt⸗Religion auf⸗ getreten ift, ift Inhalt der Gefchichtes diefe Nothwendigkeit der Idee iſt es, die in der Philofophie der Geſchichte beflimmter dars

94 Erſter Theil. Griechiſche Philofophie:

Dieß find einige Proben oder vielleicht das Befle der neus platonifchen Philofophie; in ihr hat .fih die Welt des Gedan⸗ tens gleihfam Tonfolidirt. Richt als ob fie neben einer ſinn⸗ lihen Welt audy Gedanken gehabt hätten; fondern die finnliche Melt ift verfhwunden, und das Ganze in den Geift erhoben, und dieß Ganze Gott und fein Leben in ihm genannt.

Hier ſtehen wir an einer großen Umkehrung. Damit if nun bie erfle Periode, die der griechifhen Philoſophie, geſchloſ⸗ fen. Das griehifche Princip iſt Freiheit als Schönheit, Ber- föhnung in der Phantafle, natürliches freies Verſöhntſeyn uns mittelbar realifirt, finnlihe Idee in finnlicher Geſtalt. Dur die Philoſophie will fi) der Gedanke dem Sinnlichen entreifen; fie iſt Ausbildung des Gedankens zur Totalität jenfeits des - Sinnlihen und der Phantafit. Es iſt darin diefer einfache Fortgang; die Gefihtspuntte, die wir hatten, find in kurzer Ueberſicht die. Zuerſt fahen wir das Abſtrakte in natürlicher Form; dann den abftratten Gedanken in feiner Unmittelbarkeit: fo das Eine, das Seyn. Das find reine Gedanken, der Ges danke ift nicht als Gedanke aufgefaßt; fie find für uns Gedan⸗ ten, allgemeine Gedanken, das Bewußtſeyn des Gedankens fehlt. Sokrates ift die zweite Stufe, die Stufe des Selbſt, des Ges dantıns als Selbſt; das Abfolute ift das Denten felbft, voog. Der Inhalt ift nicht nur befliinmt, Seyn, Atom, fondern kon⸗ kret, in ſich beftimmtes, fubjeftives Denken; er ifl aber nur an ſich konkret. Drittens wird diefes wieder als konkret gewußt; bis dahin ging die griechiſche Philoſophie.

Das Selbft if die einfachſte Form des Konkreten, das Selbſt ift inhaltslos; infofern es beftimmt ift, wird es konkret: fo Sokrates, die platonifhe Idee. Diefer Inhalt ift aber nur an fi konkret, er wird noch nicht als Tonkret gewußt. Plato, vom Gegebenen anfangend, nimmt den beflimmteren Inhalt aus demfelben, der Anſchauung. Ariftoteles hat die höchſte Idee, das

Dritter Ablchaitt. Heberfiche-der griechifchen Philofophie. 6

Denten des Denkens, ficht in: der oberſten Spige; außer ihr iſt die Welt, der Inhalt. Das Konkrete iſt mannigfaltig. Konkre⸗ tes, es ‚fol zur Einheit zurüdgeführt werden; das Selbſt iſt die legte, einfache Einheit des Konkreten. Oder umgekehrt, das Abſtrakte, das Princip ſoll Inhalt gewinnen; ſo ſahen wir die Syſteme des Dogmatismus entſtehen. Jenes Denten des Den⸗ kens iſt im Staicismus als Princip aller Welt; es iſt Verſuch, Aufgabe, ſie als Denken zu faſſen. Der Skepticismus vernich⸗ tet allen. ſolchen Inhalt; er iſt Selbſibewußtſeyn, Denken in ſei⸗ ner reinen Einſamkeit mit ſich, die Reflexion auf ienes Voraus⸗ fegen und Anfangen von Vorausſetzungen. "u.

Drittens wird. das Abfolnte als Konfretes gewußt. Im Sy⸗ ſtem iſt nur Sollen vorhanden, Beziehung des Unterſchiedes auf die Einheit; die Identität kommt nicht zu Stande, es iſt nur innere For⸗ derung. Zuletzt, in der neuplatoniſchen Schule, wird das Abſolute alſo als konkret gewußt, die Idee in ihrer ganz konkreten Beſtim⸗ mung als Dreieinigkeit, Dreiheit von Dreiheiten, ſo daß dieſe im⸗ mer noch weiter emaniren. Jedes iſt aber ein Dreieiniges in ſich, ſo daß die abſtrakten Momente dieſer Trias ſelbſt auch gefaßt ſind als Totalität. Als wahr gilt nur ein Solches, das ſich mani⸗ feftirt und darin fi als das Eine erhält. Die Alerandriner find konkrete Zotalität an fi; fie haben die Natur des Geiſtes aufgefaßt: Sie find aber nicht @) ausgegangen von unendlidher Subjettivität, der Tiefe, dem abfoluten Bruch: haben nicht P) die abfolute (abſtrakte) Freiheit, das Ich, den unendlichen Werth des Subjetts.

Dieß ift nicht fo ein Einfall der Philofophie, fondern ein Ruck des Menfchengeiftes, der Welt, des Weltgeiftes. Die Of⸗ fenbarung Gottes ift nicht als ihm von eimem Fremden gefches ben. Was wir jo troden, abftratt hier betrachten, iſt konkret. Solches Zeug, jagt man, die Abftrattionen, die wir betrachten, wenn wir fo in unferem Kabinet die Philoſophen fi zanken

ss Erſter Theil. Griechiſche Philoſorhie. „u:

und ſtreiten laſſen, und es fo oder fo ausmacheu, find Worl- Abſtraktionen. Nein! Nein! Es find Thaten des Weltgeiftes, meine Herren, und darum des Schickſals. Die Dhilofophen find dabei dem Herrn näher, ale die fid) nähren von den Bros famen des Geiſtes; fle lefen, oder ſchreiben diefe Kabinetsordres gleich im Driginal: fie. find gehalten, diefe mitzufchreiben. Die Philoſophen find die avorcı, die beim Rud im innerfien Hei⸗ ligthum mit und dabei gewefen; die Anderen haben ihr beſon⸗ deres Intereſſe: dieſe Herrſchaft, dieſen Reichthum, dieß Mädchen. Wozu der Weltgeiſt 100 und. 1000 Jahre braucht, das machen wir ſchneller, weil wir den Vortheil haben, daß es eine Vergangenheit, und in der Abſtraktion geſchieht.

Der Geſchichte der Philofopbie

sweiter Theil

Philnfaphie des Mittelalters,

Geſch. d. Ppit. **

Die erfie Periode umfaßte 1000 Jahre, von Thales 550 vor Chr. Geb. bis Proklus, der 485 nad) Chr. Seh. flarb und bis ‚zum Untergang der äußeren Etabliffements der heidniſchen Phi⸗ loſophie 529 nad Chr. Geb. Die zweite Periode reicht bis in das 16. Jahrhundert, und umfaßt fo wieder 1000 Jahre, über „welde wir wegzutommen Siebenmeilenftiefel anlegen wollen.

Bisher fiel die Philofophie innerhalb der griechifihen (heid⸗ nifhen) Religion. Bon jest an (in dieſer Periode) bat die Philoſophie ihre Stelle in der chriſtlichen Welt; Yraber und Juden find nur äußerlich, gefchichtlich zu bemerken. Es ift eine neue Religion m der Welt aufgelommen, das Chriſtenthum. Drit der Idee deffelben find wir durch die neuplatonifche Phi⸗ lofophie ganz in Bekanntfchaft getreten. Denn fle hat zu ihren wejentlihen Princip, dag das Abfolute, Gott der Geiſt iſt, dag er nit eine bloße Vorſtellung überhaupt ift, fondern daß Gott als Geiſt auf konkrete Weife befiimmt wird. Nur das Konkrete it das Mahre, das Abſtrakte iſt nicht das Wahre; obgleich es _ auch Denten iſt, fo muß es doch, um wahr zu fehn, in fl felbft konkret feyn: und dieß ift denn erſt das Abſolute ‚der ans undfürſichſeyende Geift.

Dieß Konkrete Haben wir fchon gefehen. Die nähere Bes Halt defielben in der chriftlichen Religion if, dag den Menſchen in's Bewußtſeyn gekommen, offenbar geworden ift, was Gott ifl, in näherer Beſtimmung gum Bewußtſeyn getommen ifl die Ein» heit der göttlichen und inenf&lichen Natur: a) Das Anſichſeyn dies

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100 Zweiter Teil,

fer Einheit, 4) in der Mirktichkeit der Kultus. Die Spitze ber Subjettivität iſt vertraut mit der Vorflellung. Der Kultus, das chriſtliche Leben, ift, daß das Individuum, das Subjekt felbft im Anſpruch genommen wird, gewürdigt wird, für ſich zu Diefer Einheit zu gelangen, ſich felbft zu würdigen, daß der Geiſt Bots tes, die Gnade, wie es genannt wird, in ihm wohne And die Lehre von der Verſöhnung ifl, daß Gott gewußt wird als fid verföhnend mit der Welt; „Daß er ſich verföhnt,” heißt, wie wir bei der neuplatoniſchen Philoſophie gefehen haben, daß er fi befondert, nicht abfiratt bleibt: und zum Befonderen gehört nicht bloß die äuferlihe Natur, fondern die Welt, befonders .bie menſchliche Individualität. Das Intereffe des Subjekts ſelbit wird mit bineingezogen, fpielt bier die wefentlihe Rolle: daß Bott realifirt fey und ſich realifice im Bewußtſeyn der Indivi⸗ duen, die an ſich geiftig find; wozu gehört, daß diefe, weil fle Geiſt und frei an fih find, duch den Proceß an ihnen felbft diefe Verſöhnung vollbringen, daf fie das, was fie find, Geiſt, frei an fich, zu ihrer Freiheit verwirtliden, d. b. daß flo zu dem Bewuftfeyn des Himmels auf Erden, der Erhebung des Menſchen gelangen. Die Intellettual- Welt ift nicht jenfeits, fondern das fogenannte Endlihe ein Element darin; es ift nicht ein Hüben und Drüben. Das Konkrete in Anfehung Gottes, der abfoluten Idee, if: das Weltlihe, das Andere in Gott fehen, es als an ſich göttlich wiflen, göttlich machen, auf geiflige Weife, d. h. nicht auf unmittelbare Weife. In den äl⸗ teren Religionen ift das Göttliche auch vereint mit dem Natür⸗ lichen, dem Menſchlichen: aber nicht verföhnt, fondern nur auf natürlide Weife. Die Einheit Gottes mit dem Natürlichen, mit dem Dienfchen, iſt da eine unmittelbare und fo geifllofe Einheit, eben weil fie nur natürlich if. Der Geift ift nicht natürlich, er if nur das, wozu er fih madıt; die nicht hervor⸗ gebrachte, natürliche Einheit ift die geifllofe, der Proceß in diefe Einheit hervorzubringen dagegen iſt die geiflige. Zu diefer

Philoſophie des Mittelalters. 410

gehört die Negation des Natürlichen, weil es nur das Unmittels bare, das Geiſtloſe if. Das Fleiſch, das Natürliche iſt das, was nicht ſeyn foll; die Natürlichkeit it das, worin der Menſch nicht bleiben fol. Die Natur ift böfe von Haufe aus, der Menſch ift an fih das Ebenbild Gottes, in der Exiſtenz nur ift er natürlih; und das, was an ſich ifi, fol hervorgebracht werden. Die erfle Natürlichkeit foll aufgehoben werden. Die ift Die Idee des Chriftenthums überhaupt.

Um die Idee des Chrifienthums zu faffen, anzuwen⸗ den, muß man nun die philoſophiſche Idee für ſich erkannt haben. Bon diefer Idee haben wir ſchon gefprocdhen; aber es ift noch: nicht bewiefen, was das Wahrbafte if. Ungeachtet ihrer tiefen und wahren Spekulation hatten die Reuplatoniter doch ihre Lehre, daf die Dreieinigteit das Wahre ifl, noch nicht bewieſen; und es fehlte ihr die Form der innerlichen Nothwendigkeit. Man muß zu dem Bewußtſeyn gekommen ſeyn, daß dieß allein das Wahrhafte iſt. Die Reuplatoniker fangen an von dem Einen, das ſich ſelbſt beflimmt, das ſich Maaß feht, woraus das Bes flimmte hervorgeht; dieß ift aber felbft eine unmittelbare Weife, nad es macht das Ermüdende bei Plotin, Proklus u. f. f. aus. Es kommen wohl dialektifche Betrachtungen hinein, in denen die Gegenfäge, die als abfolut genommen werden, als nichtig aufe gezeigt werden; aber diefe Dialektik ift nicht methodifch, fondern nue vereinzelt. Um das, was das Drincip des Chriftenthums ift, ale Wahrheit zu erkennen, muß die Wahrheit der Idee des Geiſtes als konkreter Beift erkannt feyn; und dieß iſt die eigens thümliche Form bei den Kirdhennätern. |

Es kommt alfo darauf an, daß das Weltlihe überhaupt nicht in feiner Inmittelbarkeit, Natürlichteit gelaffen wird, fon» dern daß es an ſich als das Befondere, nämlid als Allgemei« nes, intellektuelle Welt, als in Gott feine Wurzel, feine Wahr⸗ heit habend betrachtet wird, fomit Gott als konkret gedacht wird. Unter dem Weltlihen, was fo in Bott aufgenommen wird (in

102 Beten Theil,

Bu es aur im: ehe Blei; niit. ſeir Manlig barkeit aufgenommen ;. - und nicht das, was wir Mantbeisung: - _ helfen; deun dieſer ‚fegt das Unwittelbare, wie. es iſt, verauch⸗ was fh in Gott wiſſen ſoll, WM ins Beſondere ver Reh Wir haben fo" geſchen, daß der’ Menſch die Briimmung Gestih ab erſigeborener: Schw, Abam Kadmon, dee erſte Reid; mut‘ rF: dieſe Einheit Tine wir beſtimmen als Die Einhaituigem fih, als die konkrete‘ De aber Diele: fo: an fi mu U ifbıbaszeofic‘ Intertiſe 3 2... BE Kiohun De Bwweite;.mas“ D-Nefe Raciae a bene ie doel dien natũrlichen. Dinge: meer:tn: Ihren Bari, iD" bielbin s0bee. fee: Wahrheit · tritt aicht in: ihre ſinnlicheractuu⸗ dugkeite rin, thre:Lebendigkeit uſt /thot natürliche Etazeln heic weac die lebendigen Dinge exiſttren "ale: einzelne, dieſe Oinzeinheitiä, aber nur ein Worüdergehendes, ſo daß dieſe Einzelicheit · ache. des arũd ſchauen hat auf die Setüzlichen Dinge:.: Dich AR Die Lnglüt daß die Wahrheit, ihr Weſen nicht für. fie Feragkanmye md: Darth legtt Da ſle weit zur Urendlichkeit, nicht zu line freiumg von: ihrer: unmittelbaren Einyelnheit,:d. 4. nicht gur"Penber hät tommen, fondern mir in der Nothwendigkeit bleiben, bie der. Zuſammenhang Eines mit einem Anderen ift: fo daf, wenn fich dieß Andere vereinigt mit den natürlichen Dingen, dieſe zu Grunde gehen, fie können den Miderfpruch nicht ertragen; _ Det Menſch aber ift eben deffen fähig, als Bewußtſeyn, dag für ihn das Wahre ifl, und daß er darin die Beflimmung zur: Brebs. * heit hat, das Anundfürfichſeyende anzufchauen, zu wiſſen, ſich in ein Berhältnig zu demfelben zu fegen, das Wiſſen zum Zweck habenb; und indem er. dieß zum Zweck hat, iſt Befreiung des Geifles darin enthalten, daß das Bewußtſeyn nicht als natür⸗ lies bleibe, -fondern als geiftiges, d. b. daß für ihn ſey das Ewige, d. i. die Verſöhnung, die Einheit des Endlichen ale dies ſes Subjekts mit dem Unendlichen. Bewußtſeyn if alſo dieſer Proceß, nicht im Matürlichen ſtehen zu bleiben, ſondern der Pro⸗

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Philoſophie des Mittelalters. 103

ceß, wodurch ihm das Allgemeine jum Gegenfland, zum Zwed wird. Darin aber, dag Sott das weientlih Konkrete ift, liegt die Quelle, die Wurzel des Menſchen als Bewußtfeyn, aber nur die Wurzel; den Proceß hat er felbft dann in fi zu voll⸗ bringen, ‘um, zu Diefer feiner Wahrheit zu gelangen.

Drittens Dich wird nun angegeben oder wird behaup⸗ tet als dis. Grund⸗Idee: des Chriſtenthums. a) Einer Seits ift dieß eine hiflorifche Frage; zu .verfchiedenen Zeiten ift diefe Idee anders gefaßt, jetzt macht mian ſich wieder befondere Vorftelluns gen davon.. Zu entwideln, daß dieß die hiſtoriſche Idee ſey, müßte entwidelt werden, wie dieß auf hiſtoriſche Weife gefchicht; es ift uns aber bier um diefe Biftorifche Erörterung nicht zu thun. Wir müſſen es alfo als Lemina, Lehnfas der Geſchichte annchmen. P) Infofern anderer Seits diefe Frage in die Ge⸗ ſchichte der Philoſophie fallt, hat die Behauptung, daß dieß die Idee des Chriftenthums fey, eine andere Stellung, als die nad) biftorifher Behandlung. In der philofophifhen Geſchichte mug die Behauptung die Geftalt haben, daß in der Welt nothwendig diefe Idee hervorgetreten: ifl, und zwar daß diefe Idee der In⸗ halt des allgemeinen Bewußtſeyns, des Bewußtſeyns der- Wolter geworden ift, d. h. daß diefe Religion allgemeine Religion dex Bölter geworden if. In der philofophifchen Geſchichte ift der Inhalt diefer, daß der: Begriff des Geifles zum Grunde gelegt wird, und nun die Gefchichte der Proceß des Geiſtes felbft ift, aus feinem erſten ungründlichen, eingehüllten Bewußtſeyn ſich zu enthüllen und zu diefem Standpunkt feines freien Selbſtbewußt⸗ ſeyns zu. gelangen, daß das abfolute- Gebot des Geiſtes, „Er⸗ kenne Dich ſelbſt,“ erfüllt werde. : In dem Zuſammenhang der bisherigen Geſtalten bat es fich gezeigt, daß diefe Idee des Ehriftenthums jest hervortreten, und zwar allgemeines Bewußts fegn der Welt werden mußte. Daß fie als Welt-Religion aufs getreten tft, ift Inhalt der Geſchichte; diefe Nothwendigkeit der Idee ift es, die in der Philofophie der Geſchichte beflimmter dar⸗

308. | siehe Tell, a, | Ä zulegen iR.’ Das: Eceunen adiefer Netienrnbigkeit. jarmanıyfen nannt das Konfiruiren) des: Geſchichte a prloriz esn GUlfE wichtige - es als .unwläffig,: je:fclif übermüthig;; zu-ncrfäreisuin. Düne heit fi bief ientwegber: won als ;üufältig. : Ober; acmenilfune iſt mit der Vorſchuug und: Melixegierung: Qottes fa Arlitsguien fi dieß ſe vor, : als:i wenn bası: Ehriſtedihim dien ctuig: war in Gottes Kopfe; undees erſcheint Nals zufällig, wann. in die Melt geworfen.nEs iſt ‚aber hierkaidae Adcenükfiighf ı

. unteibesnit das Gaiwendige diſen moth/chtu ſes Bott: zul

‚taten: uud: dieß Tann eins Theedicce tin: Rehfiertigunglilche tee, d. i. Beriägtigung aunfene Idee, genannt: werbengnts: Meile - Safzeigen „daß. 0, wie: ich ſouſt gefagt, ;werminftigiän tun. Miele. yugegangen: ah fie: suihält;::baf: ipte. Befehtihte: Dais@irnunfi des Geifles darſtellt, ſein Ettennen; fein :Bewisftfegn. bet· Nh ſeibſt, wos erx iR, 96 eclangen; vr Du ik alt elanα Weiſles, der ſich in Fi gu aeſtekuicen hat Beuaiftäegue αα nerpu kommen. Und bießitſt 5 mas in: her. efchacherau m " Beitrumbgeiegt, wich, ad doot chei: Damm: al6- ef. weil deri Geiß Ichendige: Bewegung, ‚Zen Proeth if, anliegen unmittelbaren Exiſtenz ausgehend; : Nesolutienen, der Welt; wie: ber Individuen zu erzeugen. . ern] Dan Er | Biertens. Indem: ‚hierbei socansgefeht wieh, daß Diefe ee allgemeines. Bewußtſeyn, allgemeine Religton: hat merbeg müffen, :fo liegt daris zine Qurlle einer eigenthämlichen pre für Das beſondere Bewußtſehn. Die neue Religion: hat: die intelll⸗ gible Welt der Philoſaphie zur Welt des ‚gemeinen Bewujtſeyns gemacht; Zeriullian ſagt, jetzt wiflen: die Kinder won: Gott, mes die. größten Weiſen des Alterthums nur "gewußt haben... Dieſe Idee Hehält.und erhält. die Geſtalt für das. vorſtellende Bewußt⸗ ſeyn, in Form des äußerlichen Bewußtſeyns, nicht die Font des nur allgemeinen Gedankens, dag wäre ſonſt eint Philoſophie der: chriſtlichen Religion; und die iſt der: Staudpunkt der Phi⸗ Tofophie,-— die Idee in der Form des Denkens, nicht wie die

Philoſophie des Mittelalters. 105

Idee für das Subjekt iſt, an dieſes gerichtet if. Wodurch dieſe Idee als Religion iſt, das gehört in die Geſchichte der Reli⸗ gion, d. h. ihre Entwickelung, ihre Form; das müſſen wir auf der Seite liegen laſſen. Nur Ein Beiſpiel iſt jedoch hier anzu⸗ geben. Die ſogenannte Lehre von der Erbſünde enthält dieß, daß unſere erſten Aeltern geſündigt haben, dieß Böſeſeyn ſey als eine erbliche Krankheit zu allen Menſchen hindurchgedrungen, und ſey auf die Nachtommen äußerlicher Weiſe gekommen als etwas Angeerbtes, Angeborenes, das nicht zur Freiheit des Gei⸗ ſtes gehört, nicht ſeinen Grund darin hat; durch dieſe Erbſünde, heißt es weiter, babe der Menſch den Zorn Gottes auf fi gezogen. - ce) Wenn fih nun an diefe formen gehalten wird, fo find darin enthalten zunächſt die erſten Aeltern der Zeit nad, nicht dem Gebanten nah; der Gedanke von diefen Erften iſt nichts Anderes, als der Menſch an und für fih. Was von ihm als foldem gefagt wird, was allgemein jeder Menſch an ihm felbft ift, dieß ift hier in der Form des erſten Menſchen, Adam; und bei diefem erſten Dienfchen zeigt fi die Sünde auch als etwas Zufälliges, vollends daß er fi habe verführen lafien, vom Apfel zu efien. Uber es iſt dieß gar nicht bloß vorgefiellt, als habe er von der Frucht nur gegefien, fondern es ift der Baum Der Erkenntniß .des Guten und Böſen; als Menſch muß er das von efien, fonft ift er Fein Menſch, fondern ein Thier. Der Grundcharakter, wodurch er fih vom Thier unterfcheidet, ift, Daß er weiß, was Gut und Bofes if; fo fagt denn auch Gott, „Siehe, Adam ift worden als unfer einer, er weiß, was gut und böfe if.“ Dadurch, daß der Dienfch erkennt, daß er ein Dentendes iſt, Tann er nur den Unterſchied von gut und bofe mahen; im Denken liegt allein die Quelle des Böfen und Guten: es liegt im Denten aber auch die Heilung des Böſen, was durch das Denten angerichtet iſt.

6) Das Weitere ift, daß dee Menſch durch Natur böfe

ſey and es vererbe Dagegen wie-aimme, Dit, for ag Ä , Strafe deswegen: erleiden, da :teine Zurechnung her Uingebaumt. nes exiſtirt Dieß, daß dag di Menſch au ſich, / von Raturt Leif fey,ſcheint ein. hartes Wort zu ſeyr. Woenn wirdieß gan, Wort weglaſſen, von Stuafe Gottes u ff und.nliiteruneiiig gemeine / Worte gebrauchta: ſo müſſen wir fegende gun Menſch, wie er von Ratur iſt, das iſt, was. er· nicht⸗ Scale _ ſoudern bie. Beflitemung: hats -für ſich zu: werden, tn nr, au ſich i. na In diefer Wonftellamg: der. Erkfünde: Iegt: 2 c daß der Menſch ſich tzu betrachten habe, dah ernnis:uinkigtuh: ſo wie oer mittelbar fh; ichtaß/ wie er: ſeyn Hehe:

da dieß num in der Beflimmung des Menſchen als: Wehe

Uegt, iſt eben als Erhlühket vorgeſtellt. Das ;Aufgekten: Der: bloßen, Natürlichkeit iſt eas bekannt · als bloße Erziehung, nnd: fi: von ſelbſt macht; daburch wird Bezãähmung rbewirdi;; Ms. ãquatntachen dem Guten überhaupt wird erzeugt. Dieße fcheu auf leichte Weiſe vor ſich zu gehen; es iſt aber von⸗ nnenli Wichtigkelnn daß eben die. Werföhmung der. Wilt wiiti ſich Aue Das Gutmachen, daß dieß durch die einfache Weile detsind ziehung zu: Stande gebracht wird. Durch dieſe Formen muſſen wir alſo nicht etwa den Inhalt verkennen, geradezu verwerfen; fondern den: Inhalt da durcherkennen; man muß fie aber auch nicht als abfolnte Formen fefihalten, und die Lehren ſchlechthin aur in dieſer Geſtalt Tefthalten und ‚behaupten wollen, ‚wie die ehemals bei einer firohernen DOrthodorie ftattgefunden hat. Das. Interefle; um das es ſich jet handelt, if, das Prin⸗ eip des Ehriſtenthums, was weitläufig erläutert worden iſt, zum Princip der Welt zu machen;es if die Aufgabe. der Tele; diefe abfolute Idee in ſich einzuführen, in fi wirklich zu snachen, dag fie verfühnt werde mit Bott. Zuerſt gehört dazu die Ver⸗ breitung dev chriſtlichen Religion, : daß fie: in die Herzen der Menfhen komme; dieß liegt jedoch aufer dem Kreife unſerer Betrachtung. Das. Herz heißt der fubjcktive Wernfch. als‘ Dies

Philofophie des Mittelakters, 407

fer, und diefer hat eine andere Stellung durch dieß Princip als früher; es ift wefentlih, dag diefes Subjekt dabei fey. Das Subjekt iſt der Gegenſtand der göttlichen Gnade, jedes Subjekt, der Menſch als Menſch hat einen unendlichen Werth, ift dazu beftimmt, daß der göttliche Geiſt in ihm wohne, daß fein Geifl vereinigt ſey mit dem göttlichen Geiſt; und diefer iſt Gott. Der Menſch ift zur freiheit beflimmt, er ift hier anerkannt als an fi frei; dieſe Freiheit der Subjektivität ift zunächſt noch fors mel, nad dem Principe der Subjektivität. Das Zweite ift, daß das Princip der chriftlichen Religion für den Gedanten ausgebildet werde, der dentenden Erlenntnif angeeignet werde, in dieſer verwirklicht fey: fo daß fle zur Werföhnung kommt, Daß fie in ſich habe die göttliche Idee, daß der Reichthum der Gedantenbildung der philofophifhen Idee vereinigt werde mit dem driftlihen Princip. Denn die philofophifhe Idee ift die Idee von Gott, und die Ausbildung des dentenden Erkennens muß vereinigt werden mit dem chriftliden Princip; denn Das Denten bat das abfolute Recht, daß es verföhnt werde, oder daß das chriſtliche Princip entfprede dem Gedanken. Das Dritte ift dann, daß die Idee der Wirklichkeit eingeimpft, ims manent fey, daß nicht nur ſey eine Dienge von glaubenden Her⸗ zen, ſondern daß aus dem Herzen vielmehr, wie Naturgeſetz, ſo konſtituirt werde Leben der Welt, ein Reich, die Verſöhnung Gottes mit ſich ſich vollbringe in der Welt, nicht als ein Him⸗ melreich, das jenſeits iſt; ſondern die Idee muß ſich realiſiren in der Wirklichkeit. Sie iſt nur ſo für den Geiſt, für das ſub⸗ jektive Bewußtſeyn; und hat ſich alſo nicht nur im Herzen, ſon⸗ dern zu einem Reiche des wirklichen Bewußtſeyns zu vollenden. Zuerſt bei der Erſcheinung heißt es, „Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt;“ aber die Realiſirung hat weltlich werden müſſen und ſollen. Mit anderen Worten, die Geſetze, Sitten, Staats⸗ verfaſſungen, und was überhaupt zur Wirklichkeit des geiſtigen

488 Zehen Zelb-

Benafefegus gehöc; folk vernänftig werden. Di eb Nieten Yufgaben. ee ee 0) Die gr Basbreisung In Dei Bergen legt wufer ehe Betrachtung. b) Das Zweite, die Ausbildung der Gelfikiunn Religion in der denkenden Erkenntaiß, haben die Rirenudiium . geleiſtet. Und biefe Werarbeitung des chriſtlichen Principu: heben : wir and) wit: näher. zw betrachten, fie gehört Die Ringe.

ſhichte an; mar‘ iR hier über‘ die Werichung der Kinhenbähe =

'

auf die Philoſophie der Gtanbpuntt anzugeben. Milz: rwili.:

Daf.die Kirchenvãter fche philoſophiſch gebildete. Männer mengi; .

and dafı fie Die Philoſophic, befonders bie nenplatenifiie, im die ‚Kicipe eingeführt: haben. Sie haben das Grifllihe. Peintipsien:

pꝓliloſophiſchen Idee ‚gemäß gemecht, und die philofephifeiipng \

im :daffelbe hineingebildet; fie Haben dadurch einen heine. _

Lehrbegriff ansgeblidet, womit fie über die erfie Mieife.der Mine - ſcheinung des Eprifienthums in der Welt hinausgegangen. kt

Denn der Lehrbegriff, wie die Birhenväter Ihe ausgehibet bar ben, ifl nicht in der erfien Erſcheinung vorhanden geweſen. ie

Fragen über die Natur. Gottes, defien was an und fürfihii,

über die Freiheit des Menſchen, über das Verhältniß zu Gott, der das Objektive iſt, den Urſprung des Böfen u: T. f. haben fie behandelt; und was der Gedanke über diefe Fragen beſtimmt,

das haben fle in den chriſtlichen Lchrbegriff eingetragen und aife .

genommen. Die Natur des Geifles, die Ordnung des Heils, d. i. den Stufengang der Vergeifligung des Subjekts, feine Er⸗ ziehung, den Proceß des Geiſtes, wodurd er Geift if, diefe feine Konverfionen haben fie ebenſo in feiner freiheit behandelt und in feiner Tiefe nach feinen Diomenten erkannt.

So können wir das Verhältniß der Kirchenväter beſtimmen, -und noch bemerken, daß man ihnen dieß zum Verbrechen: gemacht bat, diefe erfie, philoſophiſche Ausbildung des chriſtlichen Prin⸗ cips: fie hätten dadurch jene erfie Erfcheinung des Chriſtenthums verunreinigt. Ueber bie Natur diefer Verunreinigung haben wir

410 . ‚Zweiten. Theil. nichts Anderen, als dqs denen: Inwohnende/ die m Buhflaben machen, die ihn gejßig auffaſſen und belebent Ak daß die mitgrbracten Vorſiclungen und: Bchanten: me: Tanz dit: Ach: in. dem Buchſtaben geltend zu machen haben. Or wiki . alſo auf jent Weiſe das Recht herauegenommen, den Bub. mit Geiſt zu behandela; ©, i, mit eigenen Gedanken Deanugub-. kemmen; aber den Kicchenvätem wird es abgeſprochen·Ge haben ihn. auch mit Geiſt behandelt; und cs iſt die aucdecacuẽ Seſtimmung, deß her. Geiſt der Kirche innewohne, fie hettici belchre, ertläre. Die Kuchenväter haben fo dafſelbe Reikt,unk ‚dem Geiſt ſich zu verhalten zu Dem Poſitiven, von der Ep dung Geſetzten. Ganz allein wird es auf-den Geiſt an ms. gik: - fich ankommen, wie dieſer beſchaſſen iR; denn dien Geifter ſin fehe verſchieden. Dabei iſt denn das Verhältniß feſtzefe et“ Seits, daß der Geiſt lebendig machen ſolle: d. h. der mitgebracha Gedanke, der ganz gewöhnlich ſeyn kann, gewöhnlicher Ber wverſtand, wie man IN. neuerer Zeit —9— meint, e tit ſolle popular ſehn. —V Die Stellung davon, daß. der Bit den. blofen —* lebendig zu machen habe, wird näher ſo angegeben, daß der Geiſt nur das Gegebene erklären ſolle: d. h. er ſolle den Sinn deſſen laſſen, was in den Buchſtaben unmittelbar enthalten ſey. ‚Aber man muß noch weit zurück ſeyn in feiner Bildung, wenn man den Betrug nidt einficht, der in diefem Verhältniſſe Liegt. Erklären ohne eigenen Geil, als ob der Sinn ganz nur gege⸗ bener wäre, iſt unmöglich. Erkläcen heißt klar machen, und es fol mir klar werden, dieß Tann nichts, als was ſchon in mir iſt. Es ſoll entſprechen meiner ſubjektiven Entſcheidung, den Bedürfniſſen meines Wiſſens, meines Erkennens, meines Her⸗ zens u. ſ. f.; ſo nur iſt es für mid, man findet, was man ſucht. Und eben indem ich es mir klar made, made id es mir, d. 5. ich made meine Borftellung, meinen. Gedanken burin geltend; fonft iſt es ein Todtes, Acußeres, das gar nicht für

Philofophie des Mittelalters. 111

mid vorhanden: if. Co if es ſehr ſchwer, fremde Religios nen, die tief unter unferem Bedürfniffe des Geiſtes fichen, ſich tiar zu machen; aber fie berühren doch eine Seite meiner geiſti⸗ gen Bedürfniffe, Standpunkte, wenn es auch nur cine trübe, ſinnliche Seite if. Wenn man fagt „elar maden,” fo verftedt man, was die Sache ift, in ein Wort; maht man fich die Wort ſelbſt aber klar, fo ift nichts darin, als daß der Geifl, der im Dienfchen ift, fich felbft darin erkennen will, und nichts Anderes erkennen Tann, als was in ihm liegt. Man hat fo, Kann man fagen, aus der Bibel eine wächferne Nafe gemacht: diefer findet dieß, jener jenes darin; ein Feſtes zeigt ſich gleich als unfefl, indem es betrachtet wird vom fubjettiven Gifte.

In dieſer Rüdfiht ift näher die Befchaffenheit des Textes zu bemerken, er enthält die Weiſe der erfien Erfcheinung des Chriſtenthums, diefe befchreibt er; und diefe Tann noch nicht auf ſehr ausdrüdlihe Weife das enthalten, was im Princip des Chriftenthums liegt, fondern nur mehr die Ahnung davon. Und dieß if auch ausdrüdlih in dem Texte felbft ausgefprochen. Chriſtus fagt: Wenn ih von Euch entfernt bin, will ih Euch den Zröfter fenden; diefer, der Geift, wird Euch in alle Wahr beit einführen, nit der Umgang Chriſti und feine Worte. Erf nad ihm und nad feiner Belchrung durch den Text werde der Geiſt in die Apoflel kommen, werden fie erſt des Geiflss voll werden. Man kann beinahe fagen, daf, wenn man das Chriſtenthum auf die erſte Erſcheinung zurüdführt, es auf den Standpunkt der Geiftlofigkeit gebracht wird; denn Chriflus fagt felbfi, das Geiflige wird erſt nach mir kommen, wenn id) weg bin. Der Zert der erſten Erſcheinung enthält fo nur die Ah⸗ nung von dem, was der Geiſt iſt und wiſſen wird als wahr. Das Andere ift, dag in der erfien Erfcheinung Chriftus als der Schrer, Dieifias, und. in weiterer Beflimmung als bloßer Leh⸗ rer erſcheint; er ift ein ſinnlicher, gegenwärtiger Menſch für feine Freunde, Apoftel u. f. f, noch nicht das Verhältniß des hei⸗

„genommen wird, in das Reich, ber Borfiellung, + cufesugigl"

Woohin hat er ſich aber entfernt? Da if Die Wefiunniung aih- :

43 00. Bein Tuch | Men Geiſtes. Wenn abet ais,Ontt für den engen Ai | Bott im. Herzen der Mesſchen ſeyn Toll, fo Tamm er niit An. Ude, unmittelbare: Begemwctt haben. Der. Dalal-Bens:tfrnik, - ſlanlicher Menſch, der der Bott für jene Möller in3.in : Ucqhen Princip, wo. Gott im Herzen ber Menſchen icuhiiunib. - er nicht ſtaulich gegenwärtig vor ihnen fichen bleihinse: ih.

So iR das Zweite, daß die finnlide Gehalt verkamäuih” wuf, fo.daf fie in Die Erinnerung tritt, in die Diurnapauhunf

aus der ſinnlichen Gegenwart; erſt daun kann das —XRX wußtſeyn, Werhältwiß eintreten. Entfernt: ifl. Weine uni

geben, fein Sig ih.zur Rechten Gottes, d. 5. jet. ii Gilkighe - \ wat worden ale dieſer Konkrete, er der. Eine uud big: i Cohn, Logos, Sophie m. ſ. f.; erſt durch Die Eutfuuuigiuiä . bem Siunlihen hat das. andere Moment in Bott. den können, und ſo Bott als das Koukrete. Damit era Vorſtellung, daß das abſtrakte Göttliche in ihm felbſ d und aufgehrochen iſt, erſt eingetreten; und ſo iſt dieß * Gott der Sohn, ein Moment im Göttlichen: aber nicht in Weiſe einer intelligiblen Welt, oder, wie wir es wohl in ber Wor⸗ ftellung haben, eines Himmelreichs mit vielen Engeln, die au endlich, beſchränkt find, dem Menſchlichen näher. Aber es:i nicht hinreichend, daß das konkrete Moment in Gott gewußt wird; fondern es ift nothwendig, daß es auch gewußt: wird im Zufammenhang mit dem Menſchen, daß Chriflus ein wirklicher Menſch war. Die if der Zufammenhang mit dem Mienfchen, als Diefem; dieß Diefer ift das ungeheure Moment im Chriſten⸗ thum, es ifl das Zufammenbinden ber ungeheuerſten Gegenfäge. Diefe höhere Vorftellung hat nicht im Text, nicht in ber erſten Erſcheinung vorhanden feyn konnen; das Große der Idee konnte erſt fpäter eintreten, ber Geiſt konnte erfi nach ihe kommen, und

Philoſophie des "Mittelalters. 113 tiefer: Geift hat die Idee ausgebildet. Dieß iſt das, wag die Kirchendater gethan haben. Das allgemeine: Verhältniß dee erſten chöiſtlichen Kirche zur Philvſophie il“ hiermit angegeben. Einer Seite iſt die philo⸗ ſophiſche Idee in: diefe Religion verſetzt worden; anderer Seits iſt die Moment in der Idee, nach welcher dieſelbe ſich in ſich beſtimmt, beſondert, der Logos, Sohn Gottes u. ſ. f., die Einzelnheit eines menſchlichen Individuums, daran geknüpft. @s: ik fo dieſe Beſonderung, die Weisheit, Thätigkeit, Vers nunft, die noch in dee Allgemeinheit bleibt, herausgeſpitzt worden zur finnlichen Einzelnheit, Gegenwättigkeit des einzelnen Individuums. Dası Befondere geht bier bis zur unmittelbaren Sinjelnheit eines. in Raum und Zeit erfcheinenden Individuums fort, indem Das Brfondere immer zum Einjelnen; jur Subjekti⸗ vitũt/ Inbivibnalitär. ſich fortbeſtimut. : Diele zwei: Elemente baben::in-diefein chriftlichen Lehrbegriff Die: Idee wefentlich durch⸗ flochten, in der Geſtalt, wie fie fi: durch die Verknüpfung mit einer einzelnen, vorhandenen, in Raum und Zeit erfchienenen Ins dividualitãt darftelkt.: Die ift denn alfor:der allgemeine Charatter.

... Einer Seits haben die Kirchendäter : den Gnoftiteen gegen» übergeflanden, wie Dlotin und die Reuplatoniter, den nos Riten, wo die Beflimmung des Individuums als Diefes vers ſchwindet, die. unmittelbare Exiſtenz verflüchtigt wird zur Form des Geifligen. Auf der anderen. Seite ift die Kirche und Die Kirgenväter den Arianern gegenübergetreten, die das .erfchienene Individuum anerkennen, aber es nicht in. die Verknüpfung fegen mit der Befonderung in der göttlichen Ider, dem Aufbrechen der göttlihen Idee. Sie haben Ehriftus für einen: Menfchen genommen, aufgefpreizt zu einer höheren Natur; aber fie. haben ihn nicht in das Moment Gottes, des Geiſtes felbft geſetzt. Die Secinianer nehmen Chriſtus nur als Menſchen, als Lehrer u, f. f.; Diefe aber bat es noch nicht in der Kirche gegeben, es waren Heiden. Den Arianern und was, dahin gehört, bie die

Geſch. d. Phil, ** 8

—6

1 Beten Tec

Verſan Ehriti gem. ber-Bofoubruung: FREE | verbanben; hat ſich bie Kicdhe entgegengefct. nufenre: Minfiupigdh zu. eines hẽheren Natur if: cine Sopläeit, "bicmicht: gunikgentiünunig. - gegen. Diefei. haban Die.::Mirdienpäter, behauptet: bie GUpHMHäßp: : aulichen mb mernſchlichen Matwa;nidie: Ian rn nA Arche won Prmuftfepn ;gelotumen iR; and sbießrdfkohtt Bangie. | orundksftimmung. - DE CET Be 1 EEE 07:3 rise: 37 Dep ıprinclpiden Burätbengens: nad Sufmuneiegitiii den Rusplateniterni If: daR der Subflantielirät: Ubcchanpng Aubafih- aber dieſe leſztere fehlk.,:: gaht ahrer Bee: des: :Acikenälincgißen ment. ah, das MRomeens: ber. Mietlichteit, din: Clare alle, Momenne in Eins; zieht; nd enit ungittelbaruciucs abſtrotie Alemeinheit Geha’ wir: DeteGaiſti uns: nis indipidutla elʒ; · diefſex ·Vagei: wind hun AR; Ebritenthien erſcq An welhen: hecBeh αα

vwãruiger, wunittelhenr tu Dar: Rwelt· Citceceher chem⸗ der -akfolste Beil in; unimiltelharer, MBegeäiwert als ußl: wird/ non: {eben Zbiaiksnnm. für, fichinenniächen: äh uwnh Abellnahme an dieſem: Geiſte Jat, Dre Fa ichra ini chas jedes. Menſchen geboren werben ſoll. Hier if ſo das Jadwi⸗ duum alg ſolches frei, während..im Orient nur Einer;cheiiben Griechen und Römern mir Einige frei waren. Dagegen ifistah Chriſtenthum jeder Einzelne Zweck der Gnade Gottes, und A als ſolcher bin von unendlichem Werth. ie) sy In der Welt iſt nun dieß ſelbſt geſchehen, daß dası Wufen Inte geoffendart ‚worden. iſt als das Konkrete, und zwar: läge nicht nur im Gedanken auf: allgemeine Weife als intelligible Welt; fondern. das. Konkrete iſt zu feiner letzten Intenſttät im fid) fortgegaugen. Go ifk:es ein wirkliches Selbft, Ich, das abfolut Allgemeine, konkret Allgemeine,. das Gott if, und bau der .ahfolute Gegenſatz zu dieſer Beflimmung, das ſchlechthin Endlide in Raum und. Seit daſeyend, aber diefes Endliche in Eipheit. mit dem Ewigen als Selbft beftimmt. - Im: Bes

- Dhilofophie des Mittelalters. 115

wußtſeyn dee Welt ifi für die Menfchen aufgegangen, daß das Abſolute konkret iſt bis zu dieſer dxpozns, der Spise der unmittelbaren Wirklichkeit; das if die Erfcheinung des Chriſten⸗ thums. Die Griechen hatten menſchlich gebildete Götter, hatten Anthropomorphismus; ihr Diangel if, daß ſie dieß nicht -genug waren. Die. griedhifche Religion ift zu viel und zu wenig ans- tbsopomorphiftifch:. zu viel, indem unmittelbare Cigenfchaften, Geſtalten, Handlımgen in's Göttliche aufgenommen find; . zu wenig, indem der Menſch nicht als Menſch göttlich iſt, nur .als jenfeitige Geſtaltung, nit als Diefer und fubjektiver Menſch. Das Abfolute als konkret gefaßt, Einheit der abfolut unterfhies denen Beſtimmungen, ift der wahrhafte Gott. Jede ber beiden Beſtimmungen ift abfiratt, ‘und die Eine derſelben nod nicht der wahrhafte Bott. "Den Menſchen iſt das Konkrete fo in dies fer Bollendung ats. Bott gewußt, das macht: die Umkehrung in ber Welt, Dreieinigkeit in der Vorſtellung iſt vorhanden; aber dieſe iſt ſelbſt aus: Vorſtellung, nicht das vollkommen Kot trete, Tondern die Wirklichkelt iſt volltommen damit vereinigt.

: Der Zeit nad) ſpäter Les entfpricht aber diefem Bertiefen in fi) entſtand die Erpanflon im Orient, die Negatton alles Konkreten, die Abftrattion von allen Beflimmungen; reines An« ſchauen und reines Denken iſt -daffelbe, dieſes Drientalifche ent⸗ ſpricht dem abendländifihen Niederſteigen in ſich.

Gott iſt, er iſt offenbar. Damit find. zweierlei Momente geſettt: a) Bott iſt nit das Unnahbare, Unmittheilbare, das Allerhöchſte, nicht.die einzelnen Götter fiche Proklus ) —, iſt nicht ein Verſchloſſenes; ſondern eben: diefe rg00dor find feine Manifeftation, und er ift dieß, feine Dianifeflation, alfo Perſonen in Gott, felbft Gott und Einer. Der Water, der ifraelitifhe Gott ift dieß Eine, das Meitere find verſchiedene, einzelne Namen, Eigenſchaften. 6) Das Moment des Sohnes

%) Oben, 8. 87—N. - 8 *

116 Zuwxeiter Theil.

und Geiſtes ift das Allerhöchſte in geifliger und leiblicher Ger genwart, jenes in einer Gemeinde, diefes in der -Ratur.. Jene Gemeinde ift das. Reid) Gottes auf Erden in der Kirche: „Wo zwei oder drei verfammelt find in meinem Namen, bin ich mit⸗ ten unter ihnen.“

c) Aber die Idee, die der Menſch, das Ockftomgiugm ertennen foll, muß ihm objektiv überhaupt. werden, Gegenflanb, daß er wahrhaft fih als Geiſt und den Geift faſſe, fomit auf geiftige Weiſe geiflig ſey, nicht auf empfundene Weiſe. Dieß Objektivwerden ift in der Kirche. geſchehen. Die erfle Objekti⸗ virung ift ſchon im erflen unmittelbaren Bewußtfeyn der Idee vorhanden geweſen, wo fie als ein einzelner Gegenftand, die ein⸗ zelne Exiſtenz eines. Dienfchen erfchienen. : Die zweite Objettiote tät iſt die geiflige Verehrung und’ Gemeinfhaft zur: Kirche ers weitert. Man tönnte ſich vorſtellen eine allgemeine. Bemeinfchaft der Liebe, Welt der Frommen und. Heiligen, eine Welt: nam Brüderfhhaft, von Lämmlein und Geiſteständeleten, eine gãttlich⸗ Republik, einen Himmel auf Erden. Aber ſo iſt es auf der Erde nicht gemeint, jene Phantaſte if in den Himmel, d. t. anderswohin, verwiefen, in den Tod. Jede lebendige Wirk: Lichteit braucht noch ganz andere Gefühle, Anftalten und Tha⸗ ten: Das Reich vernünftiger Wirklichkeit ift ein ganz anderes, muß dentend, mit Verſtand in fi) organifict und entwidelt ſeyn; das Moment der felbfibewußten SFreiheit des Individuums muß fein Recht erhalten gegen objektive Wahrheit und objektives Gebot. Eben dieß ift denn die wahrhafte wirkliche Objektivität des Geiftes in Geſtalt eines wirklichen Zeitlihen, wie die Phi⸗ lofophie die gedachte, in Geftalt der Allgemeinheit vorhandene Objektivität. Solche Objektivität kann nit Anfangs ſeyn, ſon⸗ dern muß, durchgearbeitet durch Geift und Gedanken, hervorgehen.

Im Ehriftenthum ift dieß Anundfürfihfeyn der Intellek⸗ tual= Welt, des Geiftes, allgemeines Bewuftfeyn geworden. Das Chriftenthbum ift aus dem Judenthum hervorgegangen, aus der

Philofophie des Mittelaltere. 449

fih bewüßten Verworfenheit. Das Jüdiſche hat von Anfang dieß Selbfigefühl der Richtigkeit ausgemacht, ein Elend, Nie⸗ derträchtigkeit, Nichts das Leben und Bewußtfeyn hat. Diefer einzelne Punkt ift fpäter univerſalhiſtoriſch zu feiner Zeit gewor- den; und in dieß Element des Nichts der Wirklichkeit hat fich die ganze Welt erhoben, eben aus diefem Princip aber in das Rei) des Gedankens, jenes Nichts in’s pofitio Verſöhnte umgeſchlagen. Es iſt eine zweite Weltfchöpfung, Die nad) der erften . entfianden: iſt; Die zweite Weltſchöpfung iſt die, wo der Geiſt fih erſt als IH == Ih, als Selbſtbewußtſeyn verftanden bat. Diefe zweite Weltſchöpfung ift zuerft ebenfo unmittelbar im Selbſtbewußtſeyn in der Form einer finnlichen Welt, in der Form eines finnlihen Bewußtſeyns. Was vom Begriff darein gekommen iſt, haben die Kirchenväter von jenen erwähnten Phi⸗ lofophen aufgenommen: ihre Dreieinigteit, infofern ein vernünf- tiger Gedanke, nicht eine bloße Vorſtellung darin ift, fo wie andere Ideen. Was fie aber überhaupt unterfcheidet, iſt, daß für die Ehriften diefe intelligible Welt zugleich diefe unmittels bare finnlihe Wahrheit eines gemeinen Gefchehens hatte, eine Form, wie fie für das Allgemeine der Menſchen haben und behalten muß.

Aber diefe neue Welt hat darum auch von einem neuen Menſchengeſchlechte aufgenommen werden müffen, von Barbaren, denn der Barbaren ift es, das Geiſtige auf eine finnlidhe Weiſe zu nehmen: nordifchen Barbaren, denn nur das nor⸗ diſche Infichſeyn ift das unmittelbare Princip diefes neuen Welt» bewußtfeyns. Mit diefem Selbftbewußtfeyn der intelligiblen Welt als eirier unmittelbar wirklichen iſt der Geiſt, nach dem, was er an fich geworden, höher als bisher; aber auf der anderen Seite in Rüdficht feines Bewußtſeyns iſt cr ganz in den Anfang der Kultur zurüdgeworfen, und diefes hat von vorne anzufangen gehabt. Was es zu überwinden hatte, war auf einer Geite diefe finnliche Ammittelbarkeit feiner intelligiblen Welt, und

1418 Zweiter Theil.

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zweitens die entgegengefeste finnliche Unmittelbarkeit ber Wirk⸗ lichkeit, die feinem Bewußtſeyn als das Richtige gilt. Es fchlieht die Sonne aus, erfegt fie durch Kerzen, ift nur mit Bilbern ausflaffirt; es iſt nur an fih, im Innern, nicht für das Be⸗ wußtſeyn verföhnt, für das Selbſtbewußtſeyn iſt fünbige, ſchlechte Well. Denn eben dieß hatte die intelligible Welt der Philoſophie noch nicht an fi vollendet, fich ebenfo zur wirk⸗ lihen Welt zu machen, in der wirkliden die intelligible, - in der intelligiblen die wirkliche zu ertennen. Es ift etwas An⸗ deres, die Idee der Philoſophie zu haben, das abfolute We⸗ fen als abfolutes Wefen zu erkennen, und es als das Syſtem des Univerſums, der Natur und des eigenen Selbfibewuftfenne, als die ganze Entwidelung feiner Realität zu erkennen. Jenes Princip der Realifisung hatten die Reuplatoniter gefunden nämlich diefelbe reale Subftanz fegt ſich felbfi wieder ganz unter entgegengefegten Beflimmungen, die reell an ihnen ſelbſt —, aber von hier aus nicht die Form, das Princip des Selbflbes wußtſeyns gefunden. Für die nunmehr eintretende Bildung flebt daher diefe nicht vollendete Realität als wirklide Welt ihrer Sedantenwelt entgegen, und fie erkennt Eine in der anderen nit. Sie hat zweierlei Haushaltungen, zweierlei Maaf und Gewicht, die fie nicht zufammenbringt, Eins fern vom Anderen gehalten. Ungeduldig über die entbehrte Wirklichkeit und über ihre Unheiligkeit geht die Chriftenheit das heilige Grab zu ers obern, was fie als wirklich vorftelt auch in der That uls wirk⸗ lid zu erobern; aber fie findet aud nur das Grab, das ihr felbft entriffen wird. Und von diefer Erfahrung muß fie ſich an die eigentliche Wirklichkeit, die fie verachtete, halten, und in diefer die Verwirklichung ihrer intelligiblen Welt fuchen.

Den germanifden Nationen hatte der Weltgeift diefe feine Arbeit aufgetragen, die Arbeit, einen Embryo zur Geſtalt des dentenden Mannes zu vollführen. Das erfle Verhältniß iſt der begriffene Geifl; und damit ift die nicht in den Geift aufs

J Philoſophie des Mittelalters. 119

genommene Subjektivität des Willens in Gegenfag, zufammens gebunden das Reich der Wahrheit und Helligkeit, und ebenfo fhlechthin entzweit. Die neue Religion hat daher die Weltans ſchauung in zwei Welten, in die intellektuelle (aber fubjettiv nicht gedachte). und im die zeitliche getrennt, in zwei Reiche, geifli» gesund weltliches, Dabfi und Kaifer: fo daß jenes zugleich als Kirche auch eine unmittelbare Gegenwart gemeiner Wirklichkeit, diefes aber, fowohl als äußerliche Natur wie als das eigenthüm⸗ lie Selbſt des Bewußtfeyns, keine Wahrheit und Werth in fi, fondern dieſe als ein Jenfeits feiner habe, und was dapon in ibm leuchtet, als ein Unbegteifliches, vollig Fertiges von Au⸗ "fen gegeben wird.

+ Eine intelligible Welt bat ſich alfo in ber Vorſtellung ber Menſchen in der Weiſe derfelben Wirklichkeit befefligt, wie ein ferne liegendes Zand, das fo wirklich vorgefiellt mird als dasje⸗ nige, das wir fehen, bevölkert, bewohnt, aber das uns nur etwa wie-durd einen Berg.verborgen iſt. Es if nicht Die griechifche ober eine andere Götterwelt und Mythologie, ein unbefan⸗ gener, unentzweiter Glaube; fondern es iſt zugleich die höchſte Regativität darin, der Widerſpruch der Wirklichkeit und je⸗ ner anderen Welt. Diefe intellektuelle Belt drüdt die Natur des realen abfoluten Wefens aus. An ihr iſt es, daß die Phi⸗ loſophie ſich verfudht und das Denten fich zerarbeitet. Wir has ben in allgemeinen Zügen von diefen eben nicht erfreulichen Erſcheinungen zu fpredhen.

Mas wir nun zunähft.von Philofophie fehen, ift einer Seits ein trübes Herumtreiben in deu Ziefen ‘der Idee als Seftalten derfelben, die ihre Momente ausmachen, anderer Geits in den reinen Begriffen, wodurch fie im Denken Tonflituirt wird, œ) Jenes erfte kabbaliſtiſche Weſen ift ein trübes und hartcs Mingen der- Vernunft, welche nicht aus der Phantaſie und Vor⸗ ſtellung heraus zum Begriffe kommen kann. Es iſt keine Aben⸗ theuerlichkeit, welche die Phantaſie ſcheut, weil fie von der Ver⸗

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: Mir. haben: in. dieſer Periode 4) die Bhilofaphie kn: MyRaL .

genlande,. 2) im Abendlande zu. betrachten: das iA Philoſophie der Araber, dann feholaftifche Philoſophie; 3). Auflöfen deſſen was in. der ſcholaſtiſchen Philoſophie ſich feſtſetzte: neue komo tariſche Erſcheinungen treten ein, die: der dritten Periode, dem een ien Wirderaufle ben der freien Portofopbie ee sen find... ee u

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bie Abſchnitt. Philoſophie der Araber. 121 on

\ a J Erfier Abſchnitt.

Aradiſche Philoſophie.

Indem jetzt im Abendlande die germaniſchen Völker aa in den Beſttz deſſen gefest hatten, was bis dahin römifches Reich war, und: ihre Eroberungen Feſtigkeit und Geſtalt erhielten, brach dagegen im Morgenlande eine andere Religion hervor, - die. muhamedaniſche. Das Morgenland reinigte fi von als Iem Belonderen und Beflimmten, während das Abendland in die Tiefe und Gegenwärtigteit des Geiftes niederflieg. Im Mus hamedanismus namlih, der ſchnell feine Vollendung fowohl nach äußerlicher Macht und Herrfhaft, als nach der Blüthe des Geiſtes erlangte, blühte neben den verfähiedenften Künften auch die Philoſophie gar fehr, ungeachtet fie hier nichts Eigenthüm⸗ liches iſt. Die Philoſophie wird bei den Arabern gehegt und aufgenommen. So fihnell fie mit ihrem Fanatismus ſich über öſtliche und weftliche Welt verbreiteten, fo ſchnell haben fie auch die Stufm der Bildung durchlaufen, und find in Kurzem in der Bildung viel weiter gewefen, als das Abendland.

Die Philoſophie der Araber ift daher in der Geſchichte der Dhilofophie zu erwähnen. Sie haben fi, wie gefagt, bald um Künfte, Wiffenfhaften und Philofophie befümmert. Was wir zu fagen haben, betrifft mehr äußerliche Erhaltung und Sorte pflanzung der Philoſophie. Die Araber wurden nämlich in’ Befondere durch die Syrer (Vorderafien), die unter- ihre Bots mãßigkeit kamen, mit der griechiſchen Philoſophie bekannt. Die Shrer waren nämlich griechiſch gebildet, und bildeten ein grie⸗ chiſches Reich. In Syrien, zu Antiochien, beſonders in Bery⸗ tus und Edeſſa, waren große gelehrte Anſtalten. Die Syrer machten den Verknüpfungs⸗Punkt aus zwiſchen der griechiſchen Philoſophie und den Arabern.*) Die ſyriſche Sprache war

*) Tennemann, B. VIII, Abth. 4, $. 366; Bulıle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil. Th. V, 5. 3%.

122 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters,

felbft in Bagdad Boltsfpradhe. ) Moſes Maimonides, ein gelehrter Jude, ſpricht näher in feinem Doctor perplexorum biftorifch folgendergeftalt von dieſem uebergang der Philoſophie zu den Arabern:

„Alles, was die Jemaeliten “#) von ber. Einheit Gottes und anderen philofophifhen Dingen gefihrieben haben“ er nennt befonders eine Sekte unter den Ismaeliten Muatzali (hnn»o, i. e, Separati): „von diefen fing es unter den Is⸗ maeliten an,“ fie nahmen zuerft Intereſſe an der abfiratt ge⸗ daten Erkenntniß ſolcher Gegenſtände; „ſpäter entſtand die Sekte Aſſaria (msn) —, iſt auf die Gründe und Sätze gebaut, die aus den Büchern der Griechen und Aramäer“ (Gh rer) „genommen find, welde fi bemühten, die Lehren der Phi⸗ lofophen zu widerlegen und zu vernichten. Die Urſache hiervon ift nämlich diefe. Als das Volk der Chriften auch jene Völker (die Griechen und Shrer) in fih faßte, und die Chriflen viele Dogmen vertheidigten (die den philofophifchen Sägen entgegen waren), unter diefen Wöltern aber die Lehren der Philofopken fehr gemein und ausgebreitet waren (denn von ihnen bat die Philoſophie ihren Mifprung), und Könige aufftanden, Die Die chriſtliche Religion annahmen: fo haben die chriſtlichen, griechi⸗ fhen und aramäiſchen Gelehrten, da fie fahen, daß ihre Lehren fo deutlih und augenfheinlid von den Philoſophen widerlegt feyen, eine eigene Meisheit, die Weisheit der Worte (Deva- rim), ausgedacht, und fie felbft heißen daher die Redenden (Medabberim, a2). Sie flellten Principien auf, welde dazu dienten, fowohl ihren Glauben zu befefligen, als die ent» gegengefegten Lehren der Philoſophen zu widerlegen. Als nach⸗ ber die Ismacliten folgten und zur Herrſchaft gelangten, und die Bücher der Philoſophen felbft zu ihnen kamen und mit u

%*) Brucker. Hist. cr. phil. T. II, p. 23 24, 8 29.

**) Dieß find hier wohl Araber überhaupt, nicht die eigentlichen Js⸗ maeliten, unter denen nachher die Aſſaſſinen.

Erfter Abſchnitt. Philoſophie der Araber, 123

nen auch die Antworten, welche die” chriftlichen „Griechen und Aramäer gegen die Bücher der Philofophen gefchrieben hatten, - wie die Schriften des Johannes Grammatitus, Aben Adi und Anderer: fo haben fie mit beiden Händen zugegriffen, und Alles aufgenommen.” *%) Die Chriften haben fih um Bhilofophie be» mühen müflen, um ihre eigenen Behauptungen zu vertheidigen. Daffelbe Bedürfniß ift auch bei-den Ismaeliten geweſen; diefe haben ſich vornehmlich zur Befefligung ihres Glaubens gleich⸗ falls um ſolche Erkenntniß bemüht, indem es das nächſte Bes dürfnif war, den Diuhamedanismus. gegen das Chrifienthum zu vertheidigen, zu dem ein großer Theil der untermorfenen Volker gehörte.

De ãußerliche Gang iſt der, daß ſyriſche Ueberfelungen griechiſcher Werke vorhanden waren, und dieſe nun von den Arabern weiter in's Arabiſche überſetzt worden ſind; oder es wurde unmittelbar aus dem Griechiſchen in's Arabiſche überſetzt. Unter Harun al Raſchid werden mehrere Syrer genannt, die in Bagdad gelebt, und vom Kalifen aufgefordert dieſe Werke in's Arabiſche ũberſetzten. Sie waren die erſten Lehrer der Wiſ⸗ ſenſchaften unter den Arabern, beſonders Aerzte; fie überſetzten mediciniſche Werke. Johannes Meſue aus Damaskus lehte unter Al⸗Raſchid (7 786 n. Chr. Geb.), Al⸗Mamon (F 833) and Al⸗Motawackel (4]„y4847); 862 wurden die Türken mächtig. Er wurde Hospital⸗Aufſeher in Bagdad. Al⸗Raſchid ſtellte ihn an zur Ueberſetzung aus dem Syriſchen in's Arabiſche; er eröffnete eine öffentliche Schule für Arzneiwiſſenſchaft und alle alten Wiſſenſchaften. ) Honain war gleichfalls: ein Chriſt, wie fein Lehrer Johannes, aus dem Stamme der Araber Ebati; er lernte felbft griechiſch, und dt befonders viel iw’s * rapie

%#) Moses Maimonides: More Nerochim P. L. c. 11, p. 133 134 (Basil. 1629). par Dynast. 1X,. p. 453; Brucker. Hist. er. eli T. II,

124 Zweiter Theil. Philoſophie des Mittelalters.

überfest, auch in's Syriſche: Nikolaus De summa philoso- | phiae Aristotelicae, Ptolomãus, Hippokrates, Galenus. ) Ein anderer iſt Ebn Adda, ein großer Dialektiker, von Abul⸗ faraius angeführt. **) Von den philoſophiſchen Werken der Griechen waren es dann faſt ausſchließlich die ariſtoteliſchen Werke, welche von dieſen Syrern überſetzt wurden: ingleichen die ſpäteren Kommentatoren derſelben; alſo nicht die Araber ſelber ũberſetzten jene Schriften. Wie fie die Griechen hatten, fo nahmen ſie die Wiſſenſchaften auf.

In der arabifchen Bhilofophie, die freie, glänzende, tief Einbildungstraft zeigt, nahm im Allgemeinen die Nhilofophie die Wendung, die fle früher genommen, wie Plato mit feinen Feen, Allgemeinheiten den Anfang der felbfifländigen Intellet- tual-Welt machte, und das abfolute Wefen als ein Weſen, das ſchlechthin in der Weife des Dentens ifl, feste, und Ariſtoteles das Reich des Gedankens ausbildete, erfüllte und bevölterte: fo, nachdem die neuplatonifhe Philoſophie die intelligible Welt als Idee des in fich felbfifländigen Weſens, des Geifles, gewonnen hatte, fo ging: diefe erfte Idee, wie ſchon bei Proklus gefchen, in eben die ariflotelifhe Ausbildung und Erfüllung über. Der arabifchen, fo wie der ſcholaſtiſchen Nhilofophie und Allem, was in der chriftlichen gefchehen, liegt als das Weſen die alerandris nifhe oder neuplatonifdhe Idee zu Grunde; auf ihr ift es, daß die Beflimmungen des Begriffs ſich bemühen, umhertummeln. Eine befondere Befchreibung der arabifchen Bhilofophie hat Theils wenig Intereffe, Theils hat fie mit der fholaftifchen Philoſophie die Hauptfadhe gemeinfchaftlih. Diefe ebenfo wohl erlaubt die Zeit nicht, und wenn fle es auch erlaubte, die Natur der Sache nicht, in ihren einzelnen Syſtemen oder Erſcheinungen ausein= anderzulegen, fondern nur eine Charakterifirung und die Haupt

*) Abulphar. Dynast. 1X, p.174; Brucker. Hist cr. phil, T. I, p- 8 29. ##%) Brucker. 1. 1. p. 44; Abulphar. I. 1. p. 208 209.

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Erſter Abſchniti. : Philofophie der Medabhericn. 495 angabe der Momente, die fie. im Gedanken wirklich genommen hat. Sie. ik: nicht durch ‚ihren: Inhalt intereffant, bei dieſem kann man nicht. ſtehen bleiben;. es ift. Bene. Pheloſephie/ ſondern eigene: Manier. 2: tn Lo mean gi | . & Poitafepie her Webabherim. un un

- Wir ton: von den. Arabern fagen: Ihre: Philoſophie macht nicht. cine: eigenthümliche:: Stufe in: der, Ausbildung Dir Philoſophie; fe: haben das Princip det: Philoſdxhie nicht weiter gebracht. Hanptfragen in biefer,’: vote: in. der ſpäteren Philoſo⸗ phie, find. daefe geweſen: ob die: Welt ewig iſt; dann: die Ein⸗ Heit (Watte au heweiſen. Eine; Muptrũckſicht war. dabei aber, die muhamedaniſchen Lehren zu vertheidigen, wodurch das Phi⸗ laſophiren· innerhalb derſelben eingeſchrãnkt wurde; : die: Yraber find, wie die abendländiſchen Chriſtca, durch: die Dogmen der Kirche (wenn man es fa: nenn; kann) beſchtänkt worden, : fo wentg fie: hatten, doch Frciere- Aber nach Allem; vagı:neie Bon: ihnen. deicnen/ haben fie: teinen wahrhaften· Fortſchritt im Prineip gemocht; ſie: haben ‚kein: :Hührtes Princip der. Tlch: be⸗ wußten Vernunft aufgeſtellt. Steiyaben kein anderes Princip als das der Offenbarung, ein ãußerliches. Bon Moſes Maimonides werden in's Veſondere als eine weitverbreitete und ausgezeichnete philoſophiſche Schule ader Sekte die: Medabbe⸗ rim. angeführt; er ſpricht von ber Eigenthumlichkeit hres phi⸗ lofophireus etwa folgendermaßen: Denn DIE Ismaeliten haben: aber: ihre Reden. noch: ‚ausgedehnt und nach. anderen wundervollen Lehren. getrachtet, wovon keiner der griechiſchen Redenden irgend etwas gewußt, weil ˖dieſe noch in Einigem mit den Bhilofophen: übereintamm. Die Haupts fache iſt, daß alle Redenden, fowohl aus den Griechen, welde Ehriften geworden find, als die Jsmaeliten, in Erbauung ihrer Drincipien nicht der Natur der Sache felbft gefolgt find, oder aus ihr gefchöpft haben, fondern nur darauf geſehen haben, wie

4126 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

die Sache befchaffen ſeyn müffe, um ihre Behauptung zu unters fügen oder wenigftens nicht aufzuheben; und hinterher haben fie dann kühnlich verfihert, fo verhalte fi die Sache ſelbſt, und haben anderweitige Gründe und Grundfäge dafür berbeigeholt,“ die fie aus dem geholt haben, was für fle Zwed war. „Nur das behaupteten fie, was, wenn auch aufs Entferntefle, wenn auch durch hundert Konfequenzen, ihrer Dieinung beiflimmte. So haben es. die erfien Gelehrten gemacht, verfihernd, daß fie durch die Spekulation allein zu folden Gedanken, ohne Nüds fiht auf eine vorausgefegte Meinung, gekommen fehen. Die Folgenden thaten dieß nicht,” u..f. f.*) Bei Ehriften und Je⸗ maeliten war alfo daſſelbe Bedürſuiß, die phite ſophen zu wi⸗ derlegen. Re In der reinen Philoſophie der ſogenannten Rebenden ſprach fi die. dem morgenländiſchen Geiſte eigenthümliche Auflöſung des beſtimmten Denkens in. ihrer ganzen Konſequenz als Auf⸗ | löſung alles Sufammenhanges: und Werhältniffes aus. Mate monibes fagt::., Das Haupt» Fundament der Mebabberim iſt, man tönne Teine gewiffe Erkenntniß von den Dingen haben, daß fie fi fo oder fo verhalten, weil im Verſtande das Gegen» theil immer ſeyn und gedacht werden Tonne. Ueberdem verwech⸗ feln fie in den meiften Orten die Imagination ‚und Phantafle mit dem Berftande, und geben jener den Namen von diefem.“ *#) In ihnen iſt das morgenländifhe Princip auf eigenthüm⸗ liche Weiſe zu erkennen: „Sie haben zum Princip die Atomen und den leeren Raum angenommen,’ wo dann alle Verbindung als ein Zufälliges erfcheint. „Die Erzeugung fey nichts Andes res als eine Verbindung von Atomen, und das Vergehen nichts Anderes als eine Trennung derfelben. Und die Zeit beſtehe aus vielen Jetzt.“ *4*5) Nur das Atom ift fo. Sie haben fo bei

#%) Moses Maimonides: More Nevochim, P. I, c. 74, p. 134— 135. ##) ibid. p. 135. FH) ibid. c. 73, p. 149.

8

Ense Abſchnitt. Phileſophle der Medabberlm. 127

höherer. Gedankenbildung den Hauptſtandpunkt, der es noch für die Orientalen iſt, die Subſtanz;, die:Eine Subſtanz zum Be⸗ wußtſeyn gebracht. Dieſer Pantheismus, wenn man will Spis nozismus, iſt ſo der Standpunkt, die allgemeine Anficht der orienialiſchen Dichter, Geſchichtsſchreiber und Philoſophen. Fer⸗ wer fagen:die Medabberim: „Die. Subſtanzen, d. h. die Indie vidnen, die” übrigens „von Bott erſchaffen, haben viele Accis- beugen, wie im Schnee jedes Theilchen weiß iſt. Kein Accidenz aber kÿnne zwei. Momente (per duo: momenta) dauern; ‘wie es eniſtehe, ſo gehe es wieder unter, und Gott ſchaffe an feine Stelle immer ein anderes.” . Alle Beſtimmungen fepen ſchlecht⸗ hin vorübergehend, untergehend;: nur das: Individuum iſt das Befichende. „Wenn es ihm. gefalle ein auderes Arcidenz in eier Subſtanz zu erſchaffen, ſo dauert fie; wenn. er aber aufs hört zu erſchaffen, fo gehe Die Subſtanz unter“ Er hätte es auch anders machen können; aller‘ nothwendige Aufammeahang iſt aufgehoben, fo daß die Natur keinen Sinn hat.ISie Täuge nen alſo, daß von Natur etwas exiſtire, ingleichen daß ‚die Na⸗ tur dieſes oder jenes Körpers es mit ſich bringe, dieſe vielmehr als :andere Accidenzen zu haben. .; Sondern fie .fügen: Gott ſchaffe alle Accidenzen im. Augenblide, ohne natürliche Mittel and ohne Beihülfe anderer Dinge.” Hd) Das Beharren, Das allgemeine Beharren iſt die Subſtanz, und das Befondere ifl ohne Nothwendigkeit, iſt bloß, veränderlich, "wird jeden Augen⸗ blick verändert, und ſo geſetzt von der Subſtanz.

„Nach dieſem Satze ſagen ſie z. B., daß wir keineswegs ein rothes Kleid, das wir mit der rothen Farbe gefärbt zu ha⸗ ben meinen, gefärbt haben; ſondern Bott habe in dem Augen⸗ blide die rothe Farbe in dem Kleide geſchaffen, in dem wir es mit der rothen Farbe zu verbinden geglaubt. Gott beobachte diefe Gewohnheit, daß die fhwarze Farbe nicht hervortomme,

%#) Moses Maimonides: More Nevochim, P. I, c, 73, p. 152 154.

195 mdlesZheks! BEMERE Deb: EE B binreufie bie, beiber: Dexviugꝰ enifkanbin te a (enter; fie verſchwinde. li erſta Monieule, utridas RUE ind jceuri Ddemienieeins andete, die wileber deſhaa nuebaluper Ehänfor kr au Bier Eiche ‘ein’ Accldenz; Trust iloiuiein : Guginküt„Ube ich sehnasıtäeif/zuen Bott geſchaffei wid ' beſtruheutedael Wiſſercſchaſt At mehr, Die wit geteca Kapupei Betr ken beragẽdie ſFeteri Richt; · wenn Tr ofle Ser ge. - niint nannte iſchveiberi, 7, fonderu: di Bewugungefäguuilen Siclbam de / Feder⸗ ;gefihaffuu tum Bots Yu: dieſem ungen Epi wahehaft Wottıailikskbiel ubirtende ‚Llufadge zur), SE, and Yihtmpeupofitient Es ükmits als Ohkfleng cu caui diaz: unnt die: statächihen · Jormen· Aicar»[choft eribengng Vin Sublamenuflub Yabteibusın: ii Wehäte Prepoſtuecx· a

7 Skeitigeihalten ninenbeh niäit safe. haben Reit Run eher

EEEIEEIE | weni Accidtugencœſſtini· euſde zehnte Aero Hekerganä; Styueiaktgs: (nroißten, »ossihilitss). Yu Det tehinsintr des Bibasikins if wolltoumuun mfälltg: .: „Alles; was iu einbilden :täanen, könne auch .inzden Verſtand übtegehen; dk fey mögliche: Auf diefe Weiſe ſiſt aber Altes möglich,“ da. die Geſetze des Verſtandes nidt.:find. „Gin Menſch ſo groß wie ein Berg, ein⸗Floh wie ein Elephant, fen möglich. Es könne Stegliches. ebenfa gut anders. ſeyn, als es ifl;. und. es fch. ger tein Grund vorhanden, warıan jede Sache vielmehr. fo feg oder feyn Sole, ale anders... Sie nennen’s eine bloße Gemohneit, ! daß die Erde fi um einen. Mittelpunkt, das Ftuer nach oheis bewege, daf das Feuer heiß ſey; es fen ebenfo gut möglich, daß das Feuer friere.“ #9) Mir fchen: fo volllommenen Unbefauk von Allem; dieſer Zaumet von Allem u ächt arientaliſch. is

*) Moses Maimonides: More Nevochim, P.L,c 75 J 154 155. ##) ibidem, p 157459. .:

> N)

Erſter Abſchnitt. Kommentatoren des Ariftoteles. 129

Das iſt nun allerdings eine volltommene Auflöfung alles Zufammenhangs (von Urſache und Wirkung u. f. f.), alles defs fen, was zur Vernünftigkeit gehört, in Einklang mit der morgenländifhen Srhabenheit, an nichts Beflimmtem zu halten. Bott ift in fi das volltommen Unbeſtimmte; und feine Thä⸗ tigkeit ift Schaffen von Accidenzen, die wieder verfchwinden, und an deren Stelle andere treten. Die Thätigkeit ifl ganz abſtrakt, und das durch fie Gefegte, Befondere iſt daher volltommen zus

fällig, oder es iſt nothwendig; aber das Wort Nothiwendig |

ift leer, es iſt nicht begriffen, und es foll auch dazu Fein Verſuch gemacht werden. Die Zhätigkeit Gottes iſt fo als volllommen unvernünftig vorgeftellt. Diefe abſtrakte Negativität, mit. dem verharrenden Einen verbunden, ift fo ein Grumdbegriff der orien⸗ talifchen Borftellungsweife. Die orientalifhen Dichter find vors nehmlich Dantheiften; es iſt ihre gewöhnlichſte Anfchauungsweife. Die Araber haben fo die Wiffenfchaften, die Philoſophie aus⸗ gebildet, ohne die konkrete Idee weiter zu beflimmen; das Letzte ift vielmehr das Auflöfen aller Beflimmung in diefer Subftanz, mit der nur die Verãnderlichkeit als abſtraktes Moment der Negativität verbunden iſt.

B. Kommentatoren des Ariſtoteles.

Sonſt haben die Araber ſehr fleißig Ariſtoteles' Schriften ſtudirt, ſie haben ſich im Ganzen insbeſondere ſeiner metaphy⸗ ſiſchen und logiſchen Schriften, ſeiner Phyſik bedient; und ſte vielfach zu kommentiren und das abſtrakte Logiſche noch weiter hinauszutreiben, war eine Hauptarbeit. Von dieſen Kommenta⸗ ren ſind ſehr viele noch jetzt vorhanden. Dergleichen Werte find im Abendlande bekannt, auch in’s Lateinifche überfegt und ge= druckt; aber cs ift nicht viel daraus zu holen. Die Araber ha⸗ ben Verſtandes⸗Metaphyſik und formelle Logik ausgebildet. Die berühmten Araber haben zum Zheil noch im 8. und 9. Jahr⸗

Seid. d. Phil. * * I

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130 welter Ad. Ohlfepie des Wiebe,

Hundert gelebt; Diefes IR alfo fche ſchuell gegangen, DM. w Abendland noch fehr wenig ausgebildet war. ER Fe

Altendi, Kommentator der Logik, blühte um u na.

800 unter Ylmamın. %).— Ylfarabi flarb 966, ſchrieb Kup mentare über Ariſtotelee Organon, die von den Säolafitin

fleifig benugt worden, dann: Won dem Urſprung umb ber. m

theilung der Wiſſenſchaften. Man erzählte von ihm, da

Ariſtoteles Abhandlung Vom Gehör vierzig Mal und ſeine ip

torid zweihundert Dial durchgeleſen habe, ohne daß ihm ei, Zieh

berdruß angewanbelt; **). er muf einen guten Magen. in .

habt Haben. Gelbfi die Merzte haben fih mit Philoſerhu befchäftigt, nad find fo zu einer Theorie gekommen: 3. B. Api- cenna (geb. 984, gef. 1064) aus Bochara, im Oſten des Las⸗

piſchen Meeres, Kommentator des Ariſtoteles. **) gen. | (geſtorben 1127 zu Bagdad) ſchrieb Kompenbien über-Legit ie :-

Dtetaphyfit; er war ein geiſtricher Skeptiker, Hatte großen vi⸗ talifgen Sinn, hielt die. Worte des Propheten für teine Mahſ⸗

heit, ſchrieb Destructio philosophorum. }) Thophatl.Yeap. '

in Sevilla 1193. FF) Averroes flarb 1217, bieh voriges weife der Kommentator des Ariftoteles. TYP)

Die Bekanntſchaft der Araber mit Arifloteles hat das ges ſchichtliche Interefie, dag auf diefem Wege auch das Abendland

#) Pocock. Specim. hist. Arab. p.78—79; Hottinger. Bibliotk. orient. c.2, p. 219; Brucker. Hist. cr. phil. T. III, p.65—66; Tenne. mann, Band VIII, Abıh. 1, S. 374.

##) Hottinger. I. I. p. 224; Gabriel Sionita: De moribus Orient. p. 16; Brucker. L I. p. 73— 74; Tennemann, a. a. O. 8.3714—305.

: WER) Leo Africanus: De illustrib. Arabum viris, c. 9, p. 268; ‚Abulphar. Dynast. IX, p. 230; Tiedemann: Geist. d. spek. Phil B. IV, S. 11% flg.: Brucker. 1. 1. p. 0 84.

+) Leo Afric. 1.1. c. 12, p. 274; Brucker. I. I. p. 93 98; Tiedemann, a. a. O. S.120—126; Tennemann, a. a. O. S. 383 396.

++) Brucker. L L p. 97.

FrP) Brucker. ]. I. p. 101; Tennemann, a. a. O. S. 420 421.

Erſter Abſchnitt. Moſes Maimonides. 131

zuerſt mit Ariſtoteles bekannt geworden. Die Kommentarien über Ariſtoteles und Zuſammenſtellung der ariſtoteliſchen Stellen find Quelle für die Abendwelt geworden. Die Abendländer ha⸗ ben lange nichts gekannt vom Ariſtoteles, als ſolche Rücküber⸗ ſetzungen ariſtoteliſcher Werke und Ueberſetzungen arabiſcher Kom⸗ mentare über Ariſtoteles Von ſpaniſchen Arabern, beſonders von Juden im füdlihen Spanien und Portugal und in Afrika, wurden diefe Meberfegungen nun aus dem Arabifchen in’s Lateis niſche gemadt; oft iſt alfo erſt noch hebräifche Ueberſetzung das zwiſchen. i

C. Jüdiſche Philtoſophen.

An die Araber ſchließen fich die jüdiſchen Philoſophen an, unter denen der ſchon oben genannte Moſes Maimonides ausgezeichnet if. Er war 1131 (Jahr der Welt 4891, nad Anderen 4895) in Kordova in - Spanien geboren, und' lebte, in Aeghpten.*) Außer feinem Werte More Nevochim, das in’s Rateinifche überfegt ift, hat er auch noch andere Schriften vers foßt. Wie bei den Kirchenvätern und Philo, ift das Geſchicht⸗ liche dabei zum Grunde gelegt; und dieß iſt metaphufifch behan⸗ delt. Bon ibm und anderen Juden könnte noch vieles beſon⸗ ders Literarifche gefagt werden. In ihrer Mhilofophie dringt eines Theile das Kabbaliftifhe in Aftrologie, Geomantie u. f. f. duch; dagegen finden wir bei Mofes Maimonides fehr firenge abfiratte Metaphufit, die ſich nad Art Philo's mit den mofai= {den Büchern und deren Erplitation verknüpfte Wir finden in ihnen Beweife der Einheit Gottes, daß die Welt erfchaffen und die Materie nicht ewig ift, von Gottes Eigenfchaften. Daß Gott Eins ift, ift behandelt, wie fon bei den alten Eleaten und den Reuplatonitern, fo nämlich, daß das Viele nicht das

#) Btuckeri Histor. critic. philos. T. II, p. 857; Tennemann, Band VIII, Abth, 4, p. 446 MT. 9*

4

182 - Zweier Theil. Phaleſophie des Wiuclakers. | Wahre iſt, fondern das fi PR Groningen mh af

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. or "ASt Zweiter Abſchnitt. 3 zum Scholaſtiſche Philofaphie. "We

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: Das iſt ein Zeitraum von GOD ober mit den tamv von 1000 Jahren. Bei den chriſtlichen Kichenvätern und Mie ter bei-den Scholaftitern hatte das Philoſophiren denfelben Cha⸗ rakter der Unfelbfifläddigkeit. Aber innerhalb des Chriſtenthau⸗ iſt die Grundlage der Philoſophie, dag im Menſchen bag Mer wußtfegn der Wahrheit, des Geiſtes an und für ſich aufgeguee gen ift, und dann, daß der Menſch das Bevürfuif bas,., Maß Wahrheit theilhaftig zu werden. Dieß ift abſolute Forderug amd Rothwendigteit. Es muß alfo möglich ſeyn, daß ber Dig ‚fähig ſey, der Wahrheit theilhaftig zu werden; er muß. ferter von diefer Möglichkeit überzeugt feyn. Um aber das Wehr zu wiſſen, und damit Alle es wiffen können, fo muf es an ihn tommen als ein Begenfland, nicht für das dentende, philofophifch ausgebildete Bewußtfeyn, fondern für das finnlihe noch in un⸗ gebildeter Vorftellungsweife flehende Bewußtfeyn. Der Inhalt der Idee alfo muß dem Dienfchen offenbar werden, das iſt bas Erſte; zweitens muß der Menſch fähig feyn, dag für ihn diefe Wahrheit if. Wenn der Menſch aber für das Göttlihe em⸗ pfänglich if, fo muß für ihn die Identität der göttlichen und der menfhlihen Natur da feyn; und das ift den Menſchen auf eine unmittelbare Weiſe in Chrifto’bewußt geworden. Denn in ihm ift die göttliche und menſchliche Natur an fich eins.

#) Moses Maimonides: More Nevochim, P. I, c.51, p. 76 - 78; c.57—58, p. 93 - 98, IH, c. 1—2, p. 184 - 4193; III, c. 5, p. 3A 350; etc. etc. |

Zweiter Abſchnitt. Philofophie der Scholaftiker. 133

Ferner iſt das Urfprüngliche,' an ſich Seyende nur im ins nerften Begriffe. Im Begriffe des Geifles if dieſe Beflimmung, daß der Menſch nur ein Lebendiges if, das zwar die Möglich« teit hat, wirklich Geift zu werden; aber der Geift iſt nicht von Natur. Der Menſch ift alfo nit von Ratur diefes, in dem Gottes Geiſt lebt und wohnt; der Menſch if nicht von Natur fo, wie er feyn fol. Das Thier iſt von Natur, wie es ſeyn fol; das ift aber eben fein Unglüd, daß es nicht weiter kommt. Der Menſch iſt alfo von Natur böſe, ex foll nicht natürlich ſeyn; und Alles, was der Menſch Böfes thut, kommt aus einem na⸗ türlichen Triebe. Das Geiſtige iſt erſt durch die Negation des Unmittelbaren; denn auch Gott ſelbſt iſt nur ſo ein Geiſt, daß er das Eine, Verſchloſſene zum Andern ſeiner ſelbſt machte. So wird auch der Menſch erſt durch Erheben über das Natürliche geiftig, und gelangt zur Wahrheit. Diefe Wahrheit erreicht er, indem für ihn die Gewißheit als Anſchauung wird, daß in Chriſto die Identität der göttlichen und menſchlichen Natur vor- handen, in ihm der Aoyog Fleiſch geworden if. Da haben wir alfo erfiens den Menſchen, der durch diefen Proceß zur Geiftig- teit tommt, und zweitens den Menfchen als Chriftus, in welchem diefe Identität beider Naturen gewußt wird. Das iſt aber der Glaube an Chriſtus; vermittelſt dieſes Wiſſens von dieſer Iden⸗ titãt in Chriſto, vermittelft des Wiſſens dieſer urſprünglichen Einheit kommt der Menſch dann zur Wahrheit. Da nun der Menſch überhaupt diefer Proceß ift, die Negation des Unmittel⸗ baren zu feyn, und aus diefer Negation zu ſich felbft, zu feiner “Einheit zu kommen: fo foll er alfo feinem natürlihen Wollen, Wiffen und Seyn entfagen. Diefes Aufgeben feiner Natürlich: keit wird angefchaut in Chriſti Leiden und Tod, und in feiner Auferſtehung und Erhebung zur Rechten des Vaters, Chriflus iſt ein volllommener Menſch gewefen, hat das Loos aller Men⸗ ſchen, den Tod, ausgeflanden; der Dienfch hat gelitten, ſich ge> opfert, fein Natürliches negirt, und fi dadurd erhoben. In |

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434 Sweet, Theil. Phileſephle des. Müittelaieeel,- °. " _ - £ ihm weich. biefer Proceß, biefe Kenurrfion feines Snbersfenug gung. Geißte; felber augeſchaut, und die Nothwendigkeit des. Chmeugh ') in der Entſagung : gegen die Natürlichkeit; aber bieſer Samen | daß Bots ſelbſt todt iſt, iſt die Geburtsſtätte der Heiligung uk. des Erhebens ‚zu Bett, So wird alfo,..mas. im Subjekt ggg ; gehen muß, ſo wird ‚Diefer Proceh, dieſe Konverſion Dee, Hate lichen, als an ſich vollbracht in Chriſto gemuft . 0 1

Daß die Offenbarung Chriſti dieſe Bedeutung babe, HR dp Blashe der Chriflen, während. die profane, unmittelbare ip nächſte Bedeutung biefer: Geſchichte iſt, daß Chriſtus cinYblafieg Prophet geweſen, und das, Sqhicſal aller alten, Prophetuuhräne habt habe, verfannt:zw fen. Daß fle aber die von uud ange⸗ gebene Bedeutung habpz das. weiß der Geiſt; denn der Saag eben: in dieſer Geſchichte erplicirt. Dieſe Geſchichte iſt der Mer ariff, die Idee des Geiſtes ſelbſt; und die. Weltgeſchichte hhrig ihr ihre Vollendung gefunden, auf diefe unmittelbare Weife ag Wahre zu willen. Der Geiſt alſo iſt es, der. ſie ſo auffeht, und auf unmittelbar auſchauliche Weiſe iſt das im Pfiuatſete gegeben. Denn vor. dieſem Tage hatten die Apoſtel dieſe me endliche Bedeutung von Chriſto nod nicht; fie wußten noch nicht, daß dieſes die unendliche Geſchichte von Gott if: geglaubt hats ten fie an ihn, aber noch nicht an ihn als diefe unendlide Wahr⸗ heit. Seine Freunde haben ihn gefehen, feine Lehren gehört, das Alles haben fie gewußt, haben aud Wunder gefehen, und find dadurk dazu gebradt, an ihn zu glauben. Aber Chriſtus ſelbſt ſchilt die heftig, weiche Wunder von ihm verlangen. „Der Geiſt,“ fagt er, „wird Euch in alle Wahrheit leiten.“

Aus diefer Idee, wie fle durch den Geift gefaßt iſt, entflan- den vicle fogenannte Kegereien. Dahin gehören die Gnoſtiker in vielerlei Selten; ihre Richtung war das Erkennen, woher fie den Namen befommen haben. Sie find nämlich nicht bei dies fer gefchichtlichen Form der Idee des Geiſtes ſtehen geblieben,

fondern fie haben die Geſchichte interpretiet, und fie als Ges

4 Zweiter Abſchnitt. Philoſophie der Ecdolaſtiker. 135 ſchichtliches aufgelöſt. Die von ihnen hineingebrachten Gedanken find mehr oder weniger Gedanken der alexandriniſchen oder auch der philoniſchen Philoſophie. Ihrer Grundlage nach haben ſie fich alſo ſpekulativ gehalten, ſind aber zu Ausſchweifungen im Phantaſtiſchen und auch in der Moralität fortgegangen, wenn gleich auch im trüben und phantaſtiſchen Weſen die Elemente immer zu erkennen find, die wir geſchichtlich gehabt haben. Sie fprechen von einem Jeög &börrog, den fie auch als &ßvooor, Bösos, neonauwg bezeichnen; der Erfigeborene ift der voöc, Aöyog, OVopie, die Auseinanderlegung (dıadscıg) diefes Ab⸗ grundes, das Sich=brgreiflid- machen des Unbegreifliben. Dies fes iſt in der Form von Aconen und Engeln ausgedrüdt. In der Erplitation find unterfhiedene Principien, das männliche und das weibliche, aus deren ourdeoıs und ovLuyia die Erz füllung (nAngwua) hervorgeht. Diefes nAngwun ift die Aeo⸗ nenwelt überhaupt; den Abgrund aber, in dem das Unterfchie- dene noch verſchloſſen, noch nicht herausgetreten war, heißen fie Hermaphrodit, wie ein Aehnliches ſchon längft von den Pytha= goräern gefchehen war. *)

Aus dem Drient find andere Formen diefes Gegenſatzes hineingebracht, Licht und Finſterniß, Gutes und Böſes. Befon- ders ift aber dieſer parfiihe Gegenfag im Manichäismus hervorgetreten, worin Bott, als das Licht, dem Bojen, Rihtfeyens den (oöx 0v), der Un, dem Materiellen, entgegentritt. Das Böfe ift das, was den Widerſpruch in fich felbft hatte „Die fi ſelbſt überlaffenen und in blinder Feindſchaft gegen einander tobenden Mächte des Böfen (An), diefes ſich ſelbſt Vernich⸗ tende, ift „vor einem Schimmer aus dem Lichtreiche getroffen und angezogen;“ und diefes hat die Materie fo weit befänftigt, daß „fie aufhörten, einander zu beftreiten, und ſich“ fogar „vers einigten, um in das Lichtreich einzudringen. Zur Lodfpeife für die An, um ihre blinde Wuth durch eine unwiderſtehlich wir-

#) 5. Oben, 5.W—31; Band.], S. 336.

436 Zweiter Theit. Orte vn Die

kende Kraft - zu’ lahmen und zu befänftigen, ihre en va⸗ nichtung ımbbie Allgemeine Herrſchaft des Lichts, des LA) : der Seele herbeizuführen, gab der Water des Lichtts einen. Mächte deffelben (des Guten) Preis. Und das iſt Die en: (ug) Ershrsciy); diefe würde von der Ar verfhlungen, ik diefe Vermiſchung iſt die Grundlage der ganzen Schöpfung Daher iſt die Seele überall bin verbreitet, und in ber toben " Hülle überall wirtend und kämpfend in dem Menſchen, "vi kxpdxoouog, wie in dem Weltall, dem naxpö6xospogztiä aber mit ungleicher Gewalt; denn „wo Schönheit ſich offenen, fiegt das Licht⸗Princip“ (die Seele) „über bie Yin: in dem Bãßlichen unterliegt es,“ herrſcht die Materie vor. OR gefangene Seele nannte Mani and) den Cohn des Da (viöc -Ardoosnov), 'nämlih des Urmenſchen, des himm⸗ fen Dienfhen, des Adam Kadmon.” ber nur „ein: u son dem Lichtweſen“ (der Seele), „Der dazu beſtimmt, 5 bes Böfen zu bekämpfen,“ ift auf. diefe Weife Preis ‚gegebins- „za ſchwach, gericth er in Gefahr zu unterliegen, und we einen Theil-feiner Rüftung, diefe Seele, der dr hingeben“ Ein anderer ift frei geblieben: „Der Theil der Seele, welcher durch ſolche Vermiſchung mit der dan nicht gelitten hatte, ſich frei zum Himmel erhoben, wirft von oben zur Zäuterung der gefangenen Seele, der verwandten Lichttheile, und das ifl „der Inooũoc viös avdownov äneadng ‚“ Jeſus der Mienfchenfohn, der filius impatibilis, infofern er nicht gelitten hat, „im Ges genfage gegen den filius hominis patibilis, die in dem ganzen Weltall gefangene Seele.” Uber „jene erlöfende Seele bleibt in dem fihtbaren Lichte (lux secunda ac visibilis, entgegenge⸗ fest der prima ac inaccessibilis), und hat darin ihren Sit, und wirkt durch Sonne und Mond auf den LäuterungssProcef der Ratur ein.“ Durch ſie aber erfiheint ihm der ganze Lauf . der phyſtſchen, wie der geiftigen Welt als ein Läuterungs - Pros ef: „Die gefangenen Lichtwefen mußten aus dem Kreislauf

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J

Sweiter Abſchnitt. Philofophie der Scholaftitr. 4137

der Metempſychoſe zur unmittelbaren Wiedervereinigung mit dem Lichfeeih erhoben werden. Deshalb flieg die reine himmliſche

‚Seele zur Erde herab, und erfhien in menſchlicher Scheinform, „um der leidenden Seele” (voüs rradntıxog des Ariftoteles?)

„die Hand zu reihen. Jene bloß ſcheinbare Kreuzigung des "Inooös anasns,"” das freilih nur fheinbare Mitleiden des nicht mit der Materie Bereinigten, „entfpricht dem wirklichen Leiden der gefangenen Seele. So wie über Chriftus“ aber „Die Drachte der Finſterniß keine Gewalt ausüben konnten: follte auch ihre Gewalt über die verwandte Seele fih als nichtig zei⸗ gen. Die Manichäer fprehen von. einem Jefus, der in aller Melt und in der Seele gekreuzigt if; die Kreuzigung Chrifli bedeutet alfo myftifch nur die Wunden des Leidens unferer Seele. Die ſchwangerwerdende Erde erzeuge den Jesus patibilis, der das Leben und Heil der Menſchen iſt, omni suspensus e ligno.

Der in Jeſus erfihienene vous fey Ta Ovza nravra.“ *)

Das Wefentliche der orthodoren Kirchenväter, welche fich Diefen gnoftifchen Spekulanten entgegen flellten, ift nun weiter diefes, daß fie die beftimmte Form der Gegenftändlichkeit, der Wirklichkeit Chrifti feftgehalten haben, aber in diefer Weife, daf diefe Geſchichte zugleich die Idee überhaupt zur Grundlage hat, alfo diefe innige Bereinigung von Idee und gefehichtlicher Ge⸗ flalt. Es ift alfo die wahrhafte Idee des Geiftes in der be= flimmten Form der Geſchichtlichteit zugleich. Die Idee war aber noch nicht, als ſolche, von der Geſchichte unterſchieden. In⸗ dem ſich die Kirche alſo an dieſe Idee in der geſchichtlichen Form hielt, beſtimmte ſie die Lehre. Wenn dagegen die Aria⸗ ner auch noch nicht ſo weit gingen, wie die Socinianer, welche Chriſtus für einen nur ausgezeichneten Menſchen hielten, ſo hat⸗ ten fie doch in ihm nicht, daß Bott in Chriſto gewußt wird. Aber fobald die Gottheit Chrifti wegbleibt, ift die Dreieinigkeit

7 ) Neander: Genet. Entw. d. vorn. gnoſt. Syſteme, S. 87— 9.

138 . Zweiter Theil. Philoſorhie des Mittelakert.

nicht mehr vorhanden, und damit die Grundlage der ſpetulativen Philoſophie weggenommen. Die Pelagianer aher läugneten die Erbſũnde, und behaupteten, daß bie Natur bes Menſchen zur Zugend und Religiofität hinreichend wäre, Abep der Menſch fol nicht ſeyn, wie er von Natur ift; er fol viele mehr geiftig werden. So wurde auch dieſe Lehre als Hänfis ausgefähloffen. So wurde mithin die Kirche vom Geiſte regieuk, an den Beflimmungen in der Idee feflzubalten, immer aber ig der gefihichtlihen Weife. Dieß ift die Philofophie der Kirchen⸗ väter; fie haben die Kirche erzeugt, wie denn der enintideisg Geiſt einer entwidelten Lehre bedarf, und nichts fo ungefchit ift, als das Beſtreben oder Werlangen einiger Reueren, die Kize in ihre erfle Form zurüdzuführen. Später erlanden doctoren | nicht mehr patres ecclesiae. ne J

A. Berhätenig ber ſcholaftiſchen Pöofogbte. . , zum Chriſtenthum.

Die Scholaſtiker find die Hauptperſonen in dieſer ep | riode; es if die europäifche Philofophie im europäifchen Mittel⸗ alter. Die Kirhenväter dagegen find vornehmlich in der alten römifhen Welt, im römifchen Kaiferthbum und lateinifcher Bils dung; ſelbſt die Byzantiner gehören dazu. Die fertige Kirche aber hat in den germaniſchen Nationen ihren Sitz gehabt; durch ihre Konſtitution iſt aber das Philoſophiren bedingt. Die chriſt⸗ liche Kirche, Gemeinde hatte ſich zwar ausgebreitet in der rö⸗ miſchen Welt,’ befonders aber im Anfang nur fo, daß fie eine eigene Gemeinſchaft bildete, von der die Welt aufgegeben war, die einen Anſpruch machte zu gelten, zu herrſchen; ihre Uns ſprüche darauf waren nur negativ, die Individuen waren in ihre nur Märtyrer, oder fie entfagten der Welt. Aber die Kirche ift auch herrfchend geworden, ofl= und weftrömifche Kaifer find Chriften geworden; und die Kirche hat fo eine öffentliche, un⸗ verfümmerte Eriftenz erlangt, eine Exiſtenz, die vielen Ein-

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie der Scholaſtiker. 139

fluß auf das Weltliche befommen hat. Die politifche Welt aber: ift in die Hände der germanifchen Nationen gefallen;. damit if eine neue Geftalt entftanden, und diefer gehört die fcholaftifche Philoſophie an. Wir kennen diefe Revolution als Völker⸗ wanderung. Friſche Stämme haben fi über die alte rö⸗ mifche Welt ergofien, und ſich darin feflgefegt; fie haben fo auf den Trümmern der alten Welt ihre neue Welt erbaut, ein Bild, was uns noch jest der Anblid Roms gewährt, wo die Pracht der chriſtlichen Zempel zum heil Reſte der alten find, und die neuen Paläfte auf und unter Ruinen fichen.

Das Haupts Element im Dlittelalter ift diefe Entzweiung, dieß Gedoppelte: zwei Nationen, zwei Spraden. Wir fehen Völker, die vorher geherrſcht haben, eine vorhergehende Welt, die eigene Sprache, Künfte, Wiffenfchaften fertig hatte; und auf dieß ihnen Fremde festen fich die neuen Nationen, die fo ges brochen in fih angefangen. Wir haben fo in diefer Gefchichte nicht vor ung die Entwidelung einer Nation aus fi” ſelbſt, ſon⸗ dern als ausgehend vom Gegenfag, und die mit diefem Gegen⸗ fag behaftet ift und bleibt, ihn in ſich felbft aufnimmt und zu überwinden hat. Diefe Völker haben fo auf diefe Weiſe die Natur des geifligen Proceffes an ſich dargeftellt. Der Geift ift dieß, fi eine DBorausfegung zu machen, das Natürliche ſich als MWiderlage zu geben, fih davon zu fcheiden, es fo zum Objekt zu haben, und dann erft diefe Dorausfegung zu bearbeiten, zu formiren, und fo aus fi) hervorzubringen, zu erzeugen, in ſich zu refonftruiren. Deswegen ifl das Chriftenthum in der römis fen, wie in der byzantiniſchen Welt als Kirche zwar triumphis vend und herrſchend geworden; allein beide find nicht fähig ges wegen, die neuc Religion in ſich zu bethätigen, und die Welt aus diefem Princip hervorzubringen. Denn in beiden war fer⸗ tiger Charakter: Sitte, Sefege, Rechtszuſtand, Neichsverfaffung (wenn es Berfaffung genannt werden kann), politifcher Zuſtand, Geſchicklichteiten, Kunſt, Wiſſenſchaft, geiftige Bildung; Alles

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440 "Swelter Theil: Philoſophie des Wiittelaiterd.:

wor fchon fertig. Hingegen der Natur des Geiſtes If: 1 gemäß, daß dieſe gebildete Welt aus ihm erzeugt werbe, til daß diefe Erzeugung hervorgehe durch die Gegenwirkung/duch die Aſſtmilation "eines Vorhergegangenen. Diefe Eroberer EP haben ſich feflgefegt in einem Fremden, und find die Serien ben darüber geweſen; aber zugleich find fie in die Gewalt ie neuen Geiſtes gekommen, der ihnen auferlegt worden uw haupt, herrſchend einer Seits, aber anderer Seits ver Geiflige beherrſcht, fich dagegen paffiv verhaltend. " ETF

Die geiflige Idee ober die Geiſtigkeit iſt in fle hinelngelchi wörden, fie, als rohe Batbaren erfcheinend, in Stumpf des Bemüthe und des Geiſtes. Im dieſe Stumpfheit If X Geiſtige verſetzt; ihr Herz iſt damit durchſtochen worden; DEE Natur iſt der Idee auf dieſe Weiſe als dine unendlich eiifgegew geſetzte immanent geworden: oder es iſt in ihnen die unendlich⸗ Qual, das entſetliche Leiden entzündet, fo daß fle fetpft als ci gekreuzigter Chriſtus dargeſtellt werden können. Dieſen Kampf. in fich hatten fle zu beſtehen, und eine Seite deſſelben iſt yte Philoſophie, die fpäter ſich unter ihnen eingeſtellt bat, und zu⸗ nächſt als ein Gegebenes übertommen if. Es find noch unges bildete Völker, aber tief an Herz und Gemüth bei barbarifcher Dumpfheit; in diefe iſt dann das Princip des Geiftes gelegt worden, und damit iſt diefe Dual, diefer Kampf des Geifles und des Natürlihen nothwendig gefest. Die Bildung fängt bier vom ungeheuerfien Widerfprud an, und diefen hat fie aufs zulöſen. Es iſt ein Reich der Dual, aber des Fegefeuers; denn es iſt der Geiſt, der in der Dual ift, nicht Thier, der Geifl aber flirbt nicht, fondern geht aus feinem Grabe hervor. Die zwei Seiten diefes Widerfpruchs find wefentlih fo im Verhält⸗ niß gegen einander, daß das GBeiflige es iſt, was regieren foll, was herrſchend feyn fol über Barbaren.

Die wahrhafte Herrſchaft des Geiſtes kann aber nit Herrſchaft feyn in dem Sinne, dag das Gegemüberfiehende ein

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie der Scholaſtiker. 141

Unterworfenes iſt, ſondern der Geiſt an und für ſich kann den ſubjektiven Geiſt, zu dem er ſich verhält, nicht als einen äußerlich Gehorchenden, Knechtiſchen gegenüber haben; denn dieſer iſt ſelbſt Geiſt. Sondern die Herrſchaft muß die Stellung haben, daß der Geiſt im ſubjektiven Geiſt ſich mit ſich ſelbſt verföhnt. Dieſe Stellung, Harmonie, Verſöhnung iſt die, welche zuerſt als Gegenſatz erſcheint, in dem das Eine nur die Macht haben kann mit Unterwerfung des Anderen. Das Princip iſt, daß der Geiſt herrſche; und die folgende Entwickelung iſt nur die, in der er zur Herrſchaft kommt, aber als Verſöhnung. Dazu gehört, daß das ſubjektive Bewußtſeyn, Gemüth, Herz nicht nur, ſondern auch die weltliche Herrſchaft, Geſetz, Inſtitutionen, menſchliches Leben u. ſ. f., fo weit dieß im Geifte flieht, vernünftig wird, Mir Habey. bei Plato in fejner Republit die Idee gefehen, daß die Dhilofophen regieren follen. Jetzt iſt es die Zeit, in der ausgefprodhen wird, daß das Geiftige herrfchen folle; und dieß Geiſtige hat den Sinn erhalten, daß das Geiftliche, die Geift- lichen herrſchen follen. Das Geiftige ift fo zur befonderen Ges ftalt, zum Individuum gemacht; aber der rechte Sinn ift, daf das Geiflige das Beflimmende feyn foll, was bis auf unfere _ Zeiten gegangen ifl. So fehen wir in der franzöſtſchen Revo⸗ Iution, daß der Gedanke, der abftratte Gedanke herrfchen foll: nah ihm follen Staatsverfaffung und Gefete beftimmt werden, er foll das Band unter den Dienfchen ausmachen; und das Be- wußtfeyn der Menſchen ſoll ſeyn, daß das, was unter ihnen gilt, abſtrakte Gedanken ſind, Freiheit und Gleichheit das Geltende iſt, worin auch das Subjekt ſeinen wahren Werth ſelbſt in Be⸗ ziehung auf die Wirklichkeit hat.

Eine Form dieſer Verſöhnung iſt auch die, daß das Sub⸗ jekt in fich ſelbſt mit ſich, wie es ſteht und geht, mit feinen Gedanken, feinem Wollen, mit feinem Geiftigen, zuftieden iſt; fo daß fein Wiffen, Denken, feine Ueberzeugung zum Höchſten geworden ift, die Beflimmung des Göttlichen, des.an und für

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443 Boelter Tell, Pbllofephie des Mittelaltert. fi) Beltenden hat. , Das Göttliche, Beiflige iR fo in mecknae fabjektiven Geiſt gefept, identiſch mit mir; ich felbft bin: Sag Allgemeine, und es gilt nur, wie ic uamittelbar weiß. DE Form der Berföhnung ift die neueſte, aber bie einſeitigſte. Diüg das Geiſtige iſt da nicht als objektiv beſtimmt, ſondern ur au gefaßt, wie es in meiner Subjektivität ifl, in meinem Gew meine Meberzeugung als ſolche wird für das Lehte genen‘ es if die formelle Berföhnung der Subjektivität wit: nat Hat die Verföhnung dieſe Geflalt, fo hat die Stellung, von We: wir früher ſprachen, kein Intereſſe mehr; es ift nur etwas Mind’ . gangenes, Hiſtoriſches. Wie wir wiſſen, überzeugt ſind, wies fich unmittelbar im Inneren jedes Subjekts offenbart, Def’ das Wahre, das Anundfürfichſeyende; da hat denn dieſe Weiſe, dleſer Bang der Vermittelung des Wahren, bes Anundfürſtchu feyenden, Gottes mit dem Menſchen kein Intereffe, IR wer Yıpdlı riſch, gilt als etwas, das in uns nit mehr Bedüttuiß Ebenfo haben dann die Lehren, die Lehrbegriffe der chriſtlichen Religion die Stellung eines Fremdartigen, einer beſonderen Jeit Angchörigen, mit dem fidh jene Menfchen bemüht haben. Die Idee an und für fih, daß die Idee konkret ift, der Geift ifl, im Verhältniß zum Subjekt ifl, der Gegenfag, dieß ifl vers fhwunden, und erſcheint nur als vergangen. Inſofern hat das, was ich vom Princip des chriſtlichen Lehrbegriffs gefagt habe, und noch von den Schholaftitern fagen werde, nur auf dem Standpunkt, den ich angegeben habe, Intereffe, d. b. auf dem Standpuntte, wo die Idee in ihrer konkreten Beflimmung ins tereffirt, nicht auf dem Standpunkte der unmittelbaren Verſöh⸗ nung des Subjetts mit fih ſelbſt. Das Allgemeine ift alfo jener Gegenfag, der das Princip der Auflöfung ſchon in ſich ent⸗ hält, daß das Geiftige es iſt, was regieren fol, das aber nur tegiert, infofern es verföhnend if.

Näher haben wir nun zu betradhten den Charakter des Gegenſ atzes zur Vergleichung mit dem Philoſophiren; und hier⸗

1

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie der Scholaſtiker. 1483

bei iſt an das Geſchichtliche kurz zu erinnern, jedoch nur an die Haupt⸗Momente. Dieſe Geſtalt des Gegenſatzes, wie fie in der Geſchichte erſcheint, iſt einer Seits die Geiſtigkeit, die als ſolche die Geiſtigkeit des Herzens ſeyn ſoll; der Geiſt iſt aber Eiger, und fo iſt Gemeinſchaft derer, die in dieſer Geiſtigkeit ſtehen. So entſteht eine Gemeinde, die dann äußerlich wird, dann Anordnung der Gemeinde, die fih zur Kirche ausbreitet. Infofern der Geiſt das Princip ift, fo iſt das Geiſtige unmittels bar allgemein; das Einzelnfeyn in der Empfindung, Meinung u. f. f. iſt geiftlos. Die Kirche organifiet ſich, aber die Kirche geht felbft fort zum weltlichen Dafeyn, zum Reichthum, zu Güs tern, wird felbft weltlih mit allen LZeidenfchaften der Rohheit; denn nur erft das Princip ift das Geiflige. Das Herz, mas zum Daſeyn, zur’ Weltlichkeit gehört, und dazu gehören felbfl die Neigungen, Begierden des Herzens, dieß und dad ganze Berhältnig unter den Menſchen ift nach diefen Neigungen, Leis denfchaften, nad diefer Rohheit noch beſtimmt. Die Kirche hat fo nur das geiflige Princip in fh, ohne daß es wahrhaft real ift, und fo, daß die Berhältniffe noch nicht vernünftig find; fo find die weiteren Verhältniffe vor der Entwidelung, Realifirung des geifligen Princips in der Welt. Ohne daß das Meltliche angemefien ift dem Geiftigen, :ift das Weltliche auch vorhanden als Dafeyn, und ifi das unmittelbar natürlihe Weltlihe; fo wird die Kirche in ihre felbft das unmittelbar natürliche Princip an ihr haben. Alle Leidenfhaften, Herrſchſucht, Habſucht, Be⸗ trug, Sewaltthätigkeit, Raub, Mord, Neid, Haß, alle diefe Lafter der Rohheit wird fle an ſich haben; und fle gehören ebenfo zu dem Regiment. Diefe Herrſchaft ift alfo ſchon, wie fle Herr⸗ fhaft des Geiſtigen ſeyn foll, eine Herrfchaft der Leidenfchaft; fo bat die Kirche meiftentheils Unrecht nad) dem Princip der Weltlichkeit, der Leidenſchaſt, aber ſie hat Recht nach der geiſti⸗ gen Seite.

Was dieſem geiftlich- weltlichen Reiche gegenüberſteht, iſt

% fr )

144 Zweiter Teil, Phileſeyble des Mimelaiiæ.

das weltliche Rei für. fi, Kaiſer gegen Pabk und PER Das weltlihe Reich ſoll dem geifligen Reiche, was weltlich u.‘ worden iſt, unterworfen feyn; der Kaifer wird fo advoratig

- eoclesiae, Kirdhenvogt. Das Weltliche ftellt ſich einer Seit⸗ x für ſich, iſt abet mit dem Anderen in Bereinigung, ſo daß

x

‚das Geiftlihe als herrſchend anerkennt. In diefem Gegenſatz muß ein. Kampf entfichen eben wegen des Weltlichen, waq An

der Kirche felbft ift, und ebenſo wegen des ſchlechten Weltlichen des Bewaltthätigen, der Barbarei in dem weltlihen Regime für fih. Der Kampf aber muß zunächſt zum Rachtheil des -

Weltlichen ‚geführt werden; denn ebenfo wie es. fih für Bi...

ſtellt, fo anerkennt es auch das Andere, : muß ſich diefem, Ro; Geiſtigen und defien Leidenfhaften, mit Ehrfurcht unterwerfen,

Die tapferfien, edelften Kaifer find in den Bann gehen um;

- waren fie immer die Beflegten, mußten nachgeben. m:

Häbften, Kardinälen, Legaten, auch Erzbiſchöfen und Biſchſem und konnten nichts dagegen thun, konnten ſich nicht anf. die am ferlihe Macht verlaſſen; denn fie war in ſich gebrochen, ale Mas nun zweitens die Sitte in den Individuen anbeisifft, fo fehen wir einer Seits das Geiflige im Herzen, unendlich gels - tend in. ihm, aber anderer Seits den Gegenfat der Rohheit, Gewaltthätigkeit, unbändiger Begierden. Die Individuen fallen aus Einem Extrem in’s andere, von dem Extrem der rohſten Unbändigkeit, Barbarei, Selbftwillen in das der Entfagung von Allem, der Befiegung aller Neigungen, Leidenſchaften u. f. f. Das größte Beifpiel hiervon geben uns die Kreuzfahrer. Zu heiligen Zweden ziehen fie aus, auf dem Zuge aber verfallen fie in alle LZeidenfchaften, wobei die Anführer ihnen vorangehen; die Individuen lafien ſich in Gewalt, Wildheit, Rohheit aus, Nachdem fie den Zug auf das Kopflofefle, auf die unverfläns digfte Weife gemacht haben, Tommen fie vor Jerufalem an, nachdem fie Taufende verloren haben; hier fallen Alle nieder - auf die Knie, thun Buße und find zerknirſcht. Da begeiftert

Zweiter Abſchnitt. Philofophie der Scholaſtiker. 4145

fie die Tapferkeit, fie erobern SZerufalem, und verfallen wieder in diefelbe Rohheit, Leidenſchaftlichkeit, baden ſich in Blut, find . unendlich graufam, thun dann wieder Buße, und ehren wieder zurüd zu den Pleinlichfien Leidenfhaften des Eigennuges und Neides, und ruiniven den Beſitz, den fie ſich erworben haben durch ihre: Tapferkeit. Dieß ift, weil das Princip nur als abs ſtraktes Princip in ihnen, im Inneren ifl, und die Wirklichkeit des Menſchen noch nicht geiftig ausgebildet if. Dieß iſt die Art und Weife des Gegenfates in der Wirklichkeit,

»Was den Segenfag im Inhalt det Religion, im religiöfen Bewußtſeyn anbetrifft, fo hat er viele Geſtalten; es iſt jedoch hier nur an das Innerſte zu erinnern. Einer Seits iſt die Idee von Gott, anderer Seits was von ihm gewußt, erkannt wird, daß er die Dreieinigkeit iſt; das Andere iſt der Kultus, d. h. der Proceß der Individuen, ſich dem Geiſt, dem Gott an⸗ gemeſſen zu machen, die Gewißheit davon zu haben, in das Reich Gottes einzugehen. Eine fertige Kirche iſt eine Wirklich⸗ keit des Reichs Gottes auf Erden: ſo daß dieſes für jeden Menſchen Gegenwart hat, jeder darin lebt und leben ſoll. In dieſe Anftalt fallt die Verſöhnung eines jeden Individui; da⸗ duch wird es Bürger diefes Reichs, und erhält Antheil am Genuß diefer Gewißheit. Diefe Verſöhnung iſt num aber daran geknüpft, daß in Chrifto die Einheit der göttlichen und menfch- lihen Ratur angefihaut wird, wie der Geiſt Sottes im Dien- fhen feyn fol. Diefer Ehriftus darf alfo nicht ſeyn als ein gewefener, und das Leben der Verföhnung nicht als eine Erin- nerung an den Vergangenen; fondern wie die Frommen im Him⸗ mel Chriſtum fehauen, fo foll aud auf Erden Chriflus ein Ges genfland feyn, der ebenfo gefehaut werden kann. Sodann foll diefer Proceß vorhanden feyn, daß das Individuum mit diefem ibm Gegenftändlichen vereint, dieſes mit ihm identiſch wird. Das Bermittelnde im Kultus iſt vorhanden, es wird vollbracht, am Individuum vollbracht in dem höchſten Punkt, der die Meſſe

Geſch. d. Phil. * * 10

4146 Bweites Theil. Philofophie des Minelakers. heißt, da iſt das Verhãltniß zum Vermittelnden als zum Os jettiven, dieß fol genofien werden von dem Individuum, ‘def es deſſen theilhaftig wird. Und dieß Objektive iſt es, was ak Hoftie und als Genuß derfelben in der Meſſe immer noch, vo handen ift. Dieſe Hoftie gilt einer Seits, als Hoflie, 213 m genſtändlich, für das Göttliche: anderer Seits iſt fle der. ‚Gefiek nad) ein ungeifliges, äußerliches Ding. Das iſt aber. den tiefe Punkt‘ der Außerlichkeit in der Kirche, denn vor dem Dinge in diefer vollkommenen Yeußerlichteit muß das Knie gebengt m den, nicht fofern es Gegenſtand des Genuſſes iſt. | Luther hat diefe Weiſe verändert; er hat den uf

Punkt beibehalten. in dem, was das Abendmahl genannt wih;, dag das Subjekt in ſich empfängt das Göttliche, aber, Def es nur. infofern göttlich ift, als es genoſſen wird im lanpıy infofern es im Glauben und im Genuf anfhört, ein äußerlich " Ding zu ſeyn. Diefer Glauben und Genuß if erſt die ‚fabigde ' tive Geiftigkeit; und fofern es in diefer if, iſt es geiſtig, nick indeß es ein Auferlihes Ding bleibt. In der Kirche des Wikte telalters, in der katholiſchen Kirche überhaupt if die Hoſtie auch verehrt als Außerlihes Ding: fo daß, wenn eine Maus eine Hoftie frißt, fie und ihre Excremente zu verehren find; da hat denn das Göttlihe volltommen die Geftalt der Aeußerlichkeit. Dieß ift der Mittelpuntt des ungeheuren Gegenfages, der einer Seits aufgelöft if, anderer Seits im volltommenen Widerfpruce bleibt: fo daß die Hoftie noch als bloß äußerliches Ding feftges halten, und, doch dieß Hohe, AUbfolute feyn foll.

Mit diefer Aeußerlichkeit ifl verbunden die andere Seite, das Bewußtſeyn über dieß Verhältniß; da iſt denn das Bes wußtſeyn des Geifligen, deflen, was die Wahrheit if, im Beflg einer Prieſterſchaft. So als Ding iſt es natürlih aud im Bes fig eines Anderen, von welchem es, da es ein Ausgezeichnetes iſt, diefe Auszeichnung zu erhalten hat, von dem es geweiht werben muß, aud nur eine äuferlihe Handlung von Individuen.,

Zueiter Abſchnitt. Philoſophie der Scholaſtiker. 147

Dem Dinge dieſe Auszeichnung zu geben, das ift: im Beſttze der Kirche; von ihr empfangen es die Laien. Ferner find die . Individuen im Reiche Gottes; diefe Geſchichte Chrifti, daß Gott \ fih als Menſch erweift, fi) aufopfert, und durch dieſe Aufopfe⸗ rung ſich zur Rechten Gottes erhebt, iſt immer im Meßopfer vorhanden.

Außerdem ift aber noch das Verhalten des Subjetts in - ihm felbft, daß es der Kirche angehöre und ein wahrhaftes Mit- glied derfelben ſey. Auch nach der Aufnahme in die Kirche muß dieſe Theilhaftigkeit der Individuen an derfelben hervorgebracht werden. Zu diefer Reinigung von Sünden gehört aber: 1) zu wiſſen überhaupt, was Bofes, die Sünde ifl; 2) daß das Indi⸗ viduum das Gute und Religiofe wolle, 3) dag der Menſch aus natürlicher Sündhaftigkeit fehle. Und doch muß das Innere, das Gewiſſen rechter Art ſeyn. Die begangenen Fehler müſſen alfo aufgehoben und ungefhhehen gemacht: der Menſch muß im⸗ mer gereinigt, gleihfam von Neuem getauft und von Neuem aufgenommen werden; das ihn ausfchließende Negative: muß im- mer von Neuem weggenommen werden. Gegen diefe Sündhafs tigkeit find nun pofitive Gebote, Gefege: d. h. fo daß nicht aus der Ratur des Geifles gewußt werden kann, was gut und böſe if. So ift das gottliche Geſetz ein Aeußerliches, was daher in Jemandes Beſitz ſeyn muß; und die Prieſterſchaft iſt geſchieden von den Anderen, ſo daß ſie den ausſchließenden Beſitz hat, es zu wiſſen: fowohl die Beſtimmungen der Lehre, als-auch die Gnadenmittel, d. b. die Art und Weife, wie das Individuum, im Kultus religiös ift, und zur Gewißheit feiner felbft kommt, daß es des Göttlichen theilhaftig .fey. Ebenfo wie in Beziehung auf den Kultus die Kirche im Beſitz ift: fo ift fie auch im Be⸗ fie der moraliſchen Würdigung der Handlungen der Individuen, im Befig des Gewiſſens; ſo daß das Innerſte des Menſchen, die Zurechnungsfähigkeit, in fremde Hände, an eine. andere Per⸗ fon übergeht, und das Subjekt bis in das Innerſte ſelbſtlos iſt.

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445 Zweiter Theil, Phllofonhle des Mittelalter J Sie weiß auch, was das Individunm thun fol, Die Fehle defielben müfjen gewußt werben, und ein Anderer, bie Ri weiß fie; die Sünde muß abgethan werden, und auch dieß w ſchieht auf eine äußerlide Weife, durch Abkaufen, Abfaften; Si prügeln, Abmarſchiren, Pilgrimſchaft u. ſ. w. Das iſt un ein Verhältniß der Selbſtloſigkeit, Ungeiſtigkeit und Seile keit des Wiffens und Mollens in den hödften. Dingen; fewehl, wie in den trivialften Handlungen. Diefes Wiffen iſt innerhalb, der Kirche, und das Austheilen der Gnadenmittel tommt- Wh derfeiben als äuferlicher Beſttz zu. = rn Dieß find die Hanptverhältniffe der- Aenſerlihteit in 34 Religion ſelbſt, wovon denn ‚alle weiteren Beftimmungen ap } gen. Damit iſt uns nun auch jet das Verhältniß in der PEN loſophie näher beftimmt. Aber in den barbariſcheü NEN -. konnte das Chriſtenthum nur diefe Form des Aeußerlichſeyus DS ben. Dieß gehört der Geſchichte an. Denn der Stinnpfhen und der fürchterlichen Wildheit derſelben mußte die Knechtſchaff entgegengeſetzt, und durch dieſen Dienſt die Erziehung vollbracht werden. Unter ſolchem Joche dient die Menſchheit, ſolche graufe' Sucht mußte fie durchmachen, um die germanifchen Nationen zum Geift zu erheben. Aber diefer graufe Dienft hat ein Ende, ein Ziel; er iſt unendliher Quell und Elafticität, die Freiheit des Geifles der Preis. Die Indier haben eben ſolchen Dienft,. aber fie find unrettbar verloren, an Natur gebunden, mit der Natur identifh, aber in fi gegen die Natur. Das Wiſſen alfo ift innerhalb der Kirche eingefchräntt; aber auch bei dieſem Wiſſen felbft liegt eine pofitive Autorität feft zum: Grunde, und fie ift ein Hauptzug diefer Philofophie, deren erfte Beftimmung mithin die der Unfreiheit if. | Die ſcholaſtiſche Philoſophie iſt eigentlich ein ſehr unbeſtimmter Name, der mehr eine allgemeine Manier als Ein Syſtem, wenn von einem philoſophiſchen Syſtem die Rede ſeyn könnte, bezeichnet; fie iſt als Scholaſtik nicht eine fire Lehre,

Zweiter Abſchnitt. Phileſohie der Scholaſüker. 149

wie 3. B. platonifche oder ſteptiſche Philoſophie. Es ift ein Name, der die philofophifhen Beftrebungen des Chriſtenthums faft innerhalb eines Jahrtaufends begreift. Allein fie iſt in der hat innerhalb Eines Begriffs befchlofien, den wir näher bes trachten wollen.

Das Studium der fcholaftifhen Philofophie iſt ſchwierig fon wegen der Sprache. Die Ausdrüde der Scholaſtiker find allerdings barbarifches Latein; aber dieß ift nicht die Schuld der Scholaſtiker, fondern Schuld der lateinifhen Bildung. Das liegt an der Sprache; fle iſt unangemeffenes Inftrument für ſolche philoſophiſche Kategorien, indem die Beflimmungen der neuen Geiftesbildung nicht durch die lateinifhe Sprache auszus drüden waren. Man muß der Sprache Gewalt: anthun; das ſchöne Latein des Cicero kann ſich nicht in tiefe Spekulation einlaſſen. Es iſt nun keinem Menſchen zuzumuthen, daß er dieſe Philoſophie des Mittelalters aus Autopſie kenne, da ſie ebenſo umfaſſend, als dürftig, ſchrecklich geſchrieben und voluminös iſt. Wir haben noch viele Werke von den großen Scholaſtikern überhaupt, fle find ſehr weitſchichtig; es iſt keine geringe Auf⸗ gabe, fie zu ſtudiren: und fie find je ſpäter, deſto formeller. Sie f&rieben nicht nur Kompendien; wie denn die Schriften des Als bertus Magnus 21 Folianten, die des Duns Scotus 12, die des Thomas von Aquino 18 Folianten ausmachen. Dan findet Auszüge in verfhiedenen Werten. Die Haupt: Quellen find: 1) Lambertus Danaeus, Einleitung (in prolegomenis) zum Commentarius in librum primum sententiarum (Petri Lombardi), Genevae 1580, ift befle Quelle im Yuszuge; 2) Launoy: De varia Aristotelis in Academia Parisiensi fortuna; 3) Kramer: Fortſetzung von Boſſuet's Weltgefchichte, in den zwei legten Bänden; 4) Thomas Aquinas: Summa. In Tiedemann’s Geſchichte der Philoſophie findet man auch Auszüge aus den Scholaftitern, ebenfo bei Tennemann; Rixner zieht auch Vieles zwedmäfig aus.

10 ‚Zweiter Theil: Philoſophie des Mittelakterd:..

Wir befohränten ums Auf die allgemeinen Gefhtspunäte Der Rame kommt daher, daß, von Karls des Grofen Feiten mw an zwei Orten, an den großen Schulen bei großen Kathe— deal⸗Kirchen und Klöftern, der Auffeher (ein Geiſtlicher Das herr), der über die informatores die Yuffiht hatte, scheinstb: ons hieß (im vierten und fünften Jahrhundert hieß ein: Lehrer auch Schüler); er hielt auch wohl felbft in der wichtigfen Bl: " ſenſchaft, über Theologie, Borlefungen. In den Klöſtern sites richtete der gefihictefle die Mönche. Bon diefen ift eigcutih micht die. Rebe; aber der Name blieb, obgleich ſcholaſtiſche Phu Isfophie. etwas. Anderes war. Bon ihnen blieb der Name: eb! lein denen, welche bie Theologie Pie und in. einen Syſtem⸗ vortrugen.

In theologiſcher Form kann man ſagen , das Mitte lalt iſt im Allgemeinen bie Hertſchaft des Sohnes, nicht des Seiſte (denn der Geift iſt im Berg der Prieſterſchaft). Dem. der Sohn iſt das vom Water ſich Unterfcheidende, und aufgefaft «is: im Unterſchiede bleibend, am ſich der Vater, an ſich die Dote; aber der Geiſt ift erfi die Liebe, die Einheit Beider, der Setm als Liebe ift der Geifl. Halten wir uns ungehörig einen Aus genblid auf bei dem Unterfhiede, ohne die Identität zugleich zu feten, fo ift der Sohn das Andere; und fo finden wir das Mittelalter beftimmt. Der Charakter der Philoſophie im Mittelalter ift ein Denten, ein Begreifen, ein Philoſo⸗ phiren mit einer Vorausſetzung; es ift nicht die dentende Idee

in ihrer Freiheit, fondern mit der Form einer Aeußerlichkeit oder | Vorausſetzung behaftet. Es ift fo hier derfelbe Charakter, wie im Allgemeinen des Zuftandes, und darım habe ich vorher an den Tontreten Charakter erinnert: es iſt in einer Zeit immer eine Beflimmung, die darin vorhanden if. Die Philofophie des Mittelalters enthält alfo das. chriſtliche Princip, das die höchfte Aufforderung zum Denten iſt, weil die Ideen darin durchaus fpefulativ find. Eine Seite darin ift, daß die Idee mit dem

Zweiter Abſchnit. Philoſophie der Sqhelaſikter. 451

Herzen aufgefaßt wird: Herz nennen wir den einzelnen Men⸗ ſchen. Und die Identität des unmittelbar Einzelnen mit der Idee liegt darin, daß der Sohn, der Vermittler gewußt wird als dies fer Menſch; dieß ift die Identität des Geifles mit Gott für das Herz, als foldhes. Aber diefer Zufammenhang felbft, da er zugleich ein Zuſammenhang iſt mit Gott in Gott, ifl deswegen unmittelbar myſtiſch, ſpekulativ; fo liegt darin die Aufforderung zum Denten, welcher erſt die Kirchenväter und dann die Scho⸗ laftiter genügt haben.

Die ſcholaſtiſche Philoſophie iſt ſo weſentlich Theologie, und dieſe Theologie unmittelbar Philoſophie. Der ſonſtige Inhalt der Theologie iſt nur der, welcher in der Vorſtellung, Religion iſt: das Wiſſen vom Lehrbegriff, wie ihn jeder Chriſt, Bauer u. ſ. f. inne haben muß, als Wiſſenſchaft. Das Andere, wodurch ſte Wiſſenſchaft ſeyn ſoll, iſt der äußere geſchichtliche Inhalt, das Kritiſche daß es ſo und ſo viel codices vom neuen Teſtamente giebt, ob ſie auf Pergamen, oder Baumwolle, oder Papier, ob mit Uncial-Buchſtaben geſchrieben, aus welchem Jahrhundert ſie ſeyen —, die Zeitvorſtellungen der Juden, die Geſchichte der Päbſte, Koncilien (wie es zugegangen bei den Kirchenverſammlungen), der Biſchöfe, Kirchenväter. Aber alle dieſe Notizen gehören nicht zur Natur Gottes und zum Ver⸗ hältniß derſelben zum Menſchen. Der weſentliche, einzige Ge⸗ genſtand der Theologie, als Lehre von Gott, iſt die Natur Got⸗ tes; und diefer Inhalt ift feiner Natur nach weſentlich ſpekula⸗ tin, foldhe Theologen Tonnen daher nur Philofophen feyn. Wif- ſenſchaft über Gott ift allein Philofophie. Philoſophie und Theologie haben hier als Eins gegolten, und ihr Unterfchied macht eben den Mebergang in die moderne Zeit aus, als man- nämlich meinte, daß für die dentende Vernunft Etwas wahr feyn könne, was es nicht fey für die Theologie. Im Mittels alter ſelbſt liegt Dagegen zum Grunde, daß es nur Eine Wahr- ‚beit fey.

453: xfuelter Theil: Philoſerhle des Mittelalters.

Wir haben mun näher von der Art und-Meife der Sqholaſtiker zw ſprechen. Im dieſem ſcholaſtiſchen Treiben treibt das Denken ſein Befhäft ganz abgeſondert von aller Rückſicht anf Wirklichkeit, von allen Erfahrung; es iſt niit mehr davon die Rede, die Wirklichkeit aufzunchmen, unbe duch den Gedanken zu beflimmen. Wenn ber Begriff Tele ‚in Yriftoteles auch durchdrang, fo war: a) der Begriff nicht es ' Nothwendigkeit des Inhalts, nicht das Fortführen, ſondern ing der Reihe feiner Erfheinungen nacheinander aufgenommen. (Mes miſchung der wahrgenommenen Wirklichkeit und des Gedantens); und PB) noch mehr der größte Theil des Inhalts nicht von Bis griffen durchdrungen, fondern oberflächlich in die Form des Ber dantens aufgenommen, befonders bei Stoiteen und Epikureern Bon diefem Bemühen abſtrahirt die ſcholaſtiſche Philofophie übers haupt; fie läßt die MWirklichteit ganz neben ſich liegen als bas Verachtete, fie hatte Fein Intereffe für fl. Denn die Vernunft fand fi ihre Verwirklichung, Dafeyn in einer anderen Welt, nicht in diefer Welt; und der ganze Fortgang der Kultur gebt darauf, den Glauben an dieſe Welt wieder herzufiellen. Alles Wiſſen und Thun, was ſich auf das Intereffe an diefer Welt bezieht, war daher im Ganzen verbannt. Kenntniffe, die dem Intereſſe zu fehen und zu hören u. f. f. angehören, das ruhige Betrachten und Befchäftigen mit der gemeinen Wirklichkeit fand da keinen Pla: ebenfo nicht die Wiſſenſchaften, die eine be= flimmte Sphäre der Wirklichkeit nach ihrer Weife erkennen, und das Material für die reale Philofophie ausmachen: noch die Künfte, welche der Idee ein ſinnliches Dafeyn geben; ebenfo nicht in den gefellfehaftliden Verhältniffen galt das Recht, das Anerkanntfeyn des wirklichen Menſchen, fondern anderswo als bier. In diefer Abwefenheit der Vernünftigkeit des Wirklichen, oder der Vernünftigkeit, die ihre Realität, Wirklichkeit an dem Dafeyn bat, befland die Barbarei felbft des Denkens, ſich in einer anderen Welt zu halten, und den Begriff der Vernunft

S

Zweiter Abſchnitt. Pbilofopbie der Scholaſtiker. 453

nicht zu haben, den Begriff ‚daß die Gewißheit feiner ſelbſt alle Wahrheit iſt.

Der abgeſonderte Gedanke nun hat einen Inhalt; die in⸗ telligible Welt iſt eine für ſich beſtehende Wirklichkeit, an fie wendet fi der Gedanke. Sein Verhalten ifl..hier mit demje⸗ nigen zu vergleihen, wenn der Verſtand fih an die finnliche umd wahrgenommene Welt wendet, fie als die Subflanz jum ' Grunde legt, und darüber raifonnirt: nicht eine felbfifländige Bewegung ifl, fondern zum Subjekte, zum felbfifländigen Wefen einen feften Gegenfland hat: nicht eigentliche Philofophie ift, alfo nicht. das Weſen durchdringt und es ausfpridt, fondern nur Dräditate von ihm findet. So bat die fholaftifhe Philofophie die intelligible Welt der chriſtlichen Religion zum Subjekte, Gott | und alle daran gelnüpften Begebenheiten defielben; diefer ift der felbfifländige Gegenftand, zu dem der Gedante nur Prädikate findet: Daß Gott unveränderlih, ob die Materie ewig, der Menſch frei u. ſ. w, wie über das Erfcheinende und Wahr⸗ genommene der Verfland fih hin und her treibt. Hier war nun die fholaftifhe Philoſophie der endlofen Beweglichkeit der beflimmten Begriffe Preis gegeben; Möglichkeit Wirklichkeit, Freiheit Nothwendigkeit, Befchaffenheit und Subflanz u. f. f., dieſe Kategorien find eben von diefer Natur, nichts Feſtes, fon⸗ dern reine Bewegungen zu ſeyn. Irgend etwas beflimmt als Mögliches wandelt ſich ebenfo in das Entgegengefegte um, und muf aufgegeben werden; und die Beſtimmung läßt fih nur durch eine neue Unterfcheidung retten: von einer Seite aufgeges ben, von einer anderen feftgehalten. Die Scholaftiter find bes rüchtigt wegen ihres endlofen Diftinguirens.

Zum Behufe diefer Beflimmungen durch den abftratten Begriff war denn eben die ariftotelifche Philoſophie herrfchend, aber nicht in ihrem ganzen Umfange, fondern das ariftotelifche Organon, feine Logik, d. h. ebenfo fehr nad feinen Dentgefegen, als nach dem metaphufifchen Begriffen, den Kategorien, Diefe

154: Zweiter Thell. Phluloſophle des Mittelaitert.

arifloteliſchen Werke find allein viele Jahrhunderte bekannt gel

wefen, und gebraucht worden; feine metaphyſtiſche Phyſtt if ext

fpäter den Abendländern durch Lateinifche Ueberſezungen aus dem

Arabiſchen bekannt worden viele Jahrhunderte, bis der griedhifäie

Tert bekannt worden, überhaupt griechiſche Literatur ebenſo ſich

wieder verbreitet hat. Es waren: dürftige Traditionen von den

Römern, die Kultur der Welt gleihfam abgebrochen. Die .

abfteatten Begriffe in ihrer Beſtimmtheit machten den Werd der ſcholaſtiſchen Philofophie aus, der nicht über ſich hinaus zut Freiheit kommen und die Freiheit der Vernunft nicht zu ef vermodte.

Das Philoſophiren befand alfo in einem fehulgerechten ni logiſtiſchen Raifonniren. Wie die Sophiſten Griechenlands. zum Behufe der Wirklichkeit fich in den abſtrakten Begriffen herum—⸗

trieben, fo die Scholaftiter zum Behufe ihrer intellektuellen Well | Jenen galt das Seyn, das fie Theils gegen die Negativität des Begriffs retteten, Theils eben damit es durch ihn redhtfertigtem.

Ebenſo war der Scholaſtiker vorzügliches Treiben, die Grund⸗

lage, die hriftliche Intellettual-Welt, gegen die Verwirruig des

Begriffs zu retten, und fie dur ihn ihm gemäß zu erweifen. Die allgemeine Form der ſcholaſtiſchen Philofophie beſteht alfo darin, daß ein Sag aufgeficllt, die Einwände gegen ihn vorges bracht und dieſe widerlegt wurden durch Gegenfyllogisihen und Unterfheidungen. Die Philofophie war deswegen nicht von der Theologie gefihieden, wie fie es an fich nicht ift, indem eben die Philoſophie das Willen vom abfoluten Wefen, d. h. Theologie iſt. Aber jener Theologie war die chriſtliche abfolute Welt ein als eine Wirklichkeit geltendes Syſtem, wie für die griechifchen Sophiften die gemeine Wirklichkeit. Der eigentlichen Philoſo⸗ phie blieben alfo vornehmlih nur die Gefege des Denkens und die Abftraftionen übrig.

Wie dieſe chriſtliche Melt zum Grunde gelegt wurde, dieß geht häufig bis in's höchſt Lächerliche, z. B. in dem Streite der

Zweiter Abschnitt. Philoſophie der Scholaftiker. 455

Nominaliften gegen die Realiften. Wenn jene bebaupten, daß das Allgemieine nur ein Name fey, fo werden dagegen ungefähr ſolche Gründe beigebracht. Abälard wirft dem Roscelin vor, er bes haupte, fein Ding habe Theile, nur die Wörter, welche die Dinge bezeichnen, feyen theilbar. Abälard folgerte, daf nah Roscelin Chriſtus nicht einen wirklichen Theil des gebratenen Fiſches, fon= dern nur einen Theil des Worts (gebratener Fiſch) ich weiß nit wo verzehrt habe (es wäre nicht in Wahrheit ein Theil); welche Auslegung doc) ungereimt und höchſt frevelhaft feyn würde. *) Wir raifonniren aus dem gefunden Menſchenver⸗ flande nicht viel beffer. Aber ihre Theologie ift dabei nicht al= lein fo vorzuftellen, daß ſie nur, wie bei uns, auf gefchichtliche Weiſe Lehren von Gott u. ſ. w. enthalte, ſondern in der That die tiefſten Spekulationen des Ariſtoteles und der Neuplatoniker. Es war ihr Philoſophiren und vieles Vortreffliche nur einfacher und reiner bei Ariſtoteles; nur lag das Ganze jenſeits der Wirk⸗ lichkeit, und vermiſcht mit der vorgeftellten chriſtlichen Wirklichkeit. Es ift angegeben, daß das Philofophiren, das Denken mit abfoluten Borausfegungen behaftet war; es war dieß die kirch⸗ liche Lehre, felbft zwar fpefulativ, aber dod in der Weife dus Berlicher Gegenſtände. Das Denken erfheint alfo nicht frei von fid) ausgehend, und in ſich fi gründend, fondern abhängig von einem gegebenen Inhalt, der fpekulativ ifl, aber auch die Weiſe des unmittelbaren Daſeyns in ſich enthält. Die Folge von die- fer Beſtimmung iſt, daß das Denken mit diefer Vorausfegung ſich wefentlih als fließend benehmen wird; Schließen if die Weiſe des formell logifchen Fortgangs. Won einer Beflimmung wird zur anderen fortgegangen, und folde Beflimmungen als befondere find emdliche überhaupt; die Beſtimmung verhält ſich da als äußerlich, nicht als ſich mit fich zufammenfchließend. Mit *) Buhle: Lehrbuch, d. Geſchichte d. Philofoph. Theil V, ©. 1845

Abälard. Epist. XXI; Tennemann, Band VIII, Abtheil. 1, S. 162 163.

456 . . Boeeliee Thell. Philoſophie des Mittelalters. _ diefer endlichen Form ift auch unmittelbar endlicher Inhalt. ver⸗ ‚bunden; es iſt endliche Form des Inhalts überhaupt. Das Den⸗ ten ift ebenfo nicht frei, fondern die Selbftlofigteit macht im ſe⸗ nem Inhalte die weſentliche Beſtimmung aus. Wenn wir dieß tonkreter ausdrüden, fo können wir uns auf das Menſchliche berufen, und 3. B. ſprechen von dem menſchlich konkreten Ge⸗ müth überhaupt, Menſchlichkeit. In diefem Kontreten liegt, :daf der Menſch als Dentendes und Fühlendes präfente Gegenwert hat, daß folder konkrete Inhalt in feinen Gedanten Wäre

hat: dieß Konkrete macht den Stoff aus für fein felbAfänbigen Bewußtſeyn. Das formelle Denken -orientirt ſich daranz: bis Berirrungen des abſtrakten Reflektirens haben an ſolchem Bes wußtfenn ein Ziel, welches ihnen eine Grenze feht, und die Were. irrungen zurüdführt auf menſchlich Konkretes. Solchen Juhalt entbehrt nun die Weiſe des Philoſophirens in dieſer Zeit. Eis ner Seits iſt die kirchliche Lehre, und anderer Seits iſt der weile liche Menſch durch den Gedanken aus diefer Barbarei heraus‘ gearbeitet; und diefe befteht in dem Begenfag, wie er aufgezeigt ift: fle ift um fo fürdhterlicher, je mehr diefer Gegenfat an dem. Geifte hat. Indem nun diefer Gegenfat überhaupt befteht, in⸗ dem der Menſch an ihm felbfi, an dem, was gefunder Men⸗ fhhenverftand heißt, in die Vernünftigkeit noch nicht hineinge» drungen ift, hat er zum Drientiren des formellen Dentens noch feinen konkreten Inhalt; was er auch über folden Inhalt res flettirt, hängt dann haltungslos an den formellen Beſtimmun⸗ gen des formellen Dentens, des Schließens. Was etwa von Beflimmungen über natürlihe Verhältniffe, Geſetze der Natur u. f. f. vortommt, bat an den Erfahrungen noch nicht feinen Miderhalt, ift noch nicht beflimmt vom gefunden Dienfchenvers fiand. . Der Inhalt ift auch in diefer Rückſicht ein Geiftlofes; und diefe geiftlofen Verhältniffe werden umgekehrt, infofern es zu Beflimmungen des Höheren, Geifligen fortgehen fol, fle werden in das Geiflige hinübergetragen.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie der Scholaſtiker. 457

Wir ſtehen bier im Chriſtenthum. Vom Chriftenthum aus bat fi) die Philoſophie wiederherzuftellen. Im Heidenthum war die Wurzel des Erkennens die äußere und fubjektive Natur: das Selbſt, dann diefes als felbfilofes Denten. Die Natur bat po⸗ fitive, affirmative Bedeutung gehabt: ebenfo das innere, natürs lihe Selbft des Menſchen: ebenfo das Denten; alles diefes war daher gut. Die Wurzel der Wahrheit im Chriftenthum hat ganz anderen Sinn; es war nidht nur Wahrheit gegen die Göt⸗ ter, ſondern auch gegen die Philoſophie, gegen die Natur, gegen das unmittelbare Bewußtfeyn des Menſchen. Die Natur iſt da nicht mehr gut, nur ein Negatives; das Selbſtbewußtſeyn, Den⸗ ten des Menſchen, fein reines Selbſt, alles dieſes erhält eine negative Stellung in dem Chriftentyum. Das Selbſt fell auf« gehoben werden, es ift unmittelbare Gewißheit; die Natur hat - keine Gültigkeit, Intereffe. Himmel, Sonne, die Ratur ift Leiche nam; es foll kein Intereffe haben. Ebenfo foll das Selbft fi verfenten, aud in ein anderes Selbſt, aber in ein jenfeitiges; nur darin foll das Selbft feinen Werth haben. Diefes andere Selbfl, worin das eigene Selbft feine Freiheit haben foll, ift zunächſt ebenfo ein diefes Selbft, nicht ein allgemeines. Es hat nicht die Form der Allgemeinheit; es ift in Zeit und Raum be= flimmt, begrenzt: und hat zugleich die-Bedeutung des Abfoluten, Anundfürfichfeyenden. Die eigene Selbflifchteit iſt alfo einer Seits Dreis gegeben; was das Selbftbewußtfeyn dagegen ges winnt, ift nicht ein Allgemeines, ein Denten, fondern es wird in diefes aber jenfeitige Selbft verfentt. Damit ift die Idee der abfolute Anhalt, der höchſt konkrete Inhalt, in dem die ſchlechthin unendlichen Gegenfäge vereint find; er iſt die Macht, welde in fi eint das dem Bewußtſeyn unendlich entfernt von einander zu Liegen Scheinende, das Sterbliche und Abfolute. Die- fes Abfolute ift felbft erſt diefes als diefes Konkrete, als Einheit, nit als Abſtraktion, als Einheit des Allgemeinen und Einzels nen; diefes konkrete Bewußtſeyn iſt zunächft die Wahrheit.

48 Zweiter Theil. Vbiloſopbie des Mittelakert

Der Eine Ausgangs Punkt, Naturbetrapptung iſt für das Erkennen nicht vorhanden. Gie giebt uns Geſetze; und geges die eingelnen Eriftenzen ber. Natur hat dieſes Allgemeine, die Geſetze, das abſolute Recht. Dieſe Einzelnheiten werden verei⸗ nigt, geſammelt, ihre Eſſenz wird herausgenommen; dieſes In⸗ tereſſe fehlt. Die Natur als Einzelnes, ebenſo ihre Geſetze, das Allgemeine bat nur die Bedeutung eines Negativen, das viel⸗ mehr dem Geifligen, und felbft der geifligen Subjektivität Yreis gegeben iſt; der Lauf der Ratur iſt den Wundern aller. Hrich Preis gegeben, er wird unterbrodhen. Dann if auf die Erik geflellt, daß ich als Selbfi dabei fey. Bei dem Denken bag ich wefentlich «affirmative Bedeutung, nicht als Diefer, {nom als dentendes Ih; der Inhalt der Wahrheit ift aber jegt fühle hin vereinzelt, fo fällt das Denken des Ih weg.

Mit dieſem Aufgeben der natürlichen Rothwendigkeit 4 auch dieß verbunden, daß aller weitere Inhalt, alle jene Wahr⸗ heit, die das Allgemeine jener Ratur ifl, eine gegebene, geoffen⸗ barte if. Der Grund, warum der fonflige Inhalt auch wohr ſep, erſcheint als ein meinem Selbſt nit Angehöriges, fondern felbftlos Empfangenes. Es gehört zwar Zeugniß des Geifles dazu, da ift mein innerftes Selbft dabei. Aber das Zeugniß des Geiftes ift Eingehülltes überhaupt, das ſich in ſich nicht weiter entwidelt; den Inhalt erzeugt es fih nicht aus fih, fondern empfängt ihn. Ferner: der Geift, der Zeugniß giebt, ift ſelbſt wieder unterihieden von mir als Individuum; mein zgugender Geift ift ein Anderer, mir bleibt nur die leere Hülfe der Paſſt⸗ vität übrig.

Innerhalb diefes harten Standpuntts hatte die Philofophie wieder hervorzugehen. Die erfte Verarbeitung diefes Inhalts, das Hineinwirken des Allgemeinen, des Gedankens in diefen In⸗ halt ift die Arbeit der fcholaftifhen Philofophie. Den Schluß macht der Gegenfag des Glaubens und der Bernunft; Diefe fühlte das Bedürfnig, fi) an die Natur zu machen, um unmittels

- Zweiter Adfchnitt. Johannes Scotus Frigene. | 159

bare Gewißheit zu erhalten, und im Allgemeinen diefelbe Befrie⸗ Digung zu finden, anderer Seits im eigentlichen Denten, im fpes cififhen Erzeugen aus fidh.

Diefe Beflimmungen find bier der allgemeine Charakter des Philoſophirens; wir wollen kurz, an das Nähere gehend, die Haupt-Momente herausheben.

Was wir zuerſt von Philoſophien finden im Mittelalter, im Beginn ſelbſtſtändiger Staatenbildung, das ſind noch dürf⸗ tige Ueberbleibſel der römiſchen Welt, die nach ihrem Verfall in jeder Rückſicht herabgeſunken war. So hat man im Abend⸗ lande faſt weiter nichts gekannt als Porphyrius’ Iſagoge, Bo es tbius? lateiniſche Kommentare über die logiſchen Schriften des Ariſtoteles, und Auszüge des Kaffiodor daraus, höchſt dürftige Kompendien, und auch dürftige, dem Auguflin zugefchriebene Ab⸗ bandiungen-De dialectica, und De categoriis, legtere eine Paraphraſe der arifiotelifchen Schrift über die Kategorien. *) Es waren die ‚erfien Behelfe und Hülfsmittel; das Yeußerlichfte und Formellſte ifl da angewendet.

Das Ganze hat ein einfarbiges Anſehen. Vergeblich bat man fih bisher bemüht, beflimmte Unterfheidungen und Stufen in die Herrfchaft diefer Theologie vom achten, ja fehften Jahr⸗ hundert bis beinahe in’s ſechszehnte zu bringen; dieſe beinahe taufendjährige Geſchichte if auf demfelben Standpunkte, dem⸗ felben Principe: Kirhliches Glauben und Formalismus, der nur das ewige Auflöfen und Herumtreiben in ſich felbft if. Das Allgemeinerwerden der ariftotelifhen Schriften. hat nur Gradun⸗ terſchied, Leinen wiſſenſchaftlichen Fortſchritt hervorgebracht. Es iſt wohl Geſchichte der Männer, aber eigentlich nicht der Wiſ⸗ ſenſchaft; es ſind fromme, edle, höchſt ausgezeichnete Männer.

Dan beginnt die fcholaſtiſche Philoſophie gewöhnlich mit Johann Scotus Erigena im neunten Jahrhundert (um

%) Dennemann, Band VIII, Abtheil, 1, $. 49.

460 Boeuer poll, Phllofopbie des Mitelalerd,

beftimmt; es iſt ungemiß, ob er aus Schottland oder aus Ir⸗

land: Scotus deutet auf Schottland, Erigena auf Irland. Er

war der erfle, mit dem nun eine wahrhafte Philofophte beginnt, and vornehmlich nah Ideen der Reuplatoniter. Uebrigens was ren bie und da einzelne Schriften des Ariftoteles befannt,

fhon Johann Scotus; aber die Kenntnif des Griehifhen war

fehe beſchränkt und felten. Cr zeigt einige Kenntnif der grie⸗

chiſchen, hebräifchen und ſelbſt der arabifchen Sprache, man wei aber nicht, wie er dazu gelommen. Er überfeste auch and bee.

Griechiſchen in's Lateiniſche Schriften von Dionys dem. Areas pagiten, einem ſpãteren griechiſchen Philoſophen aus der aleran⸗ driniſchen Schule, der beſonders dem Proklus folgt: De ses

- lesti hierarchia und. andere, nad) Bruder *) nugae ot de-

‘, 860); es if nicht Duns Scotus. Sein Vaterland iſt nicht gan. -

Hria Platonica. Michael Balbus, Kaifer von Konftantinopel,

hatte im Jahre 824 dem Kaifer Ludwig ‚dem Frommen dieſe Schriften zum Geſchenk gemacht; Karl der Kahle lieh fie fid von Scotus überfegen, der ſich lange an feinem Hofe aufhlelt. Dadurch: wurde im Abendlande Etwas von alerandeinifher- Phi⸗ Iofophie befannt. Der Pabſt zantte mit ihm, beklagte fi; der Meberfeger erhielt vom Pabft den Vorwurf, „er hätte es juxta morem ihm vorher fhiden und approbiren laſſen follen.” Nach⸗ her lebte Johannes Scotus in England, Vorſteher einer Akade⸗ mie zu Oxford, von König Alfred geftiftet. **)

Auch ſchrieb Scotus eigene Werke, die einige Tiefe und

Scharffinn haben: Ueber die Natur und deren verfdiedene

Ordnungen (De naturae divisione) u. f. Dr. Hort in

Kopenhagen hat auch einen Auszug aus den Schriften des Eri⸗

gena geliefert, 1823. Scotus Erigena geht philoſophiſch zu

Werke, in der Weife der Neuplatoniter (nicht frei aus ſich) er⸗ #) Hist. erit. phil. T. III, p. 52.

#3) Brucker. J. I. 2, 644 617; Bulaeus: Hist. Univers. Pari- siensis, T. I, p. 184.

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie der Scholaſtiker. 161

zãhlend. In der Weiſe des Erzãhlens bei Plato, auch Ariſto⸗ teles, freuen wir uns, einen neuen Begriff zu finden, und in Vergleichung mit Philofophie richtig und tief zu finden; hier hat man Alles fon fertig. Die Theologie wurde nicht auf Eregefe und auctoritates patrum gebaut. "Die Kirche verwarf aber auch vielfach feine Schriften. Es find dem Scotus aud) von einer Lyoner Kirchenverfammlung Vorwürfe darüber gemacht: „Es ſind zu uns gekommen die Schriften eines geſchwätzigen Menſchen, der von der göttlichen Prädeſtination auf menſchliche Weiſe, oder, wie er ſelbſt ſagt, mit philoſophiſchen Argumenten disputirt, ohne ſich auf die heilige Schrift zu ſtützen, und die Autoritãten der Kirchenväter beizubringen; ſondern er vertheidigt dieß aus fih, wid hat es auf feine Geſetze geſtellt, den gött⸗ lichen Schriften unterwerfe er ſich nicht.” *) Die Trennung ift erft fpäter. Dieß machte nun fo den Anfang. Er gehört aber eigentlich nicht zu den Scholaftitern.

B Allgemeine gefchichtliche Gefichtgpunkte.

Die yähere ſcholaſtiſche Philofophie hält fich vielmehr an die Lehre der Kirche; es wurde dabei das kirchliche Syſtem zu Grunde gelegt. „Die wahre Dhilofophie ift die wahre Religion, und die wahre Religion iſt die wahre Philoſophie,“ fagte ſchon Scotus Erigena. ** Wir haben Slaubenslehre der driftlichen Kirche, fle wurde früh feftgefegt durch Kirchenkoneilien; der Glaube

. #) Sennemam, Band VII, Abth. 1, ©. 71—72 (Bulaeus: Hist,

Univ. Paris. T. I, p. 182): Venerunt ad nos cujusdam vaniloqui et garruli hominis scripta, qui velut de praescientia et praedestinatione di- ‚vina humanis et ut ipse gloriatur philosophicis argumentationibus dis- putans, ... nulla scripturarum sive SS. Patrum auctoritate prolata, velut tuenda et sequenda sola sua praesumptione definire ausus est, ..... ut non divinis scripturis, non auctoritatibus paternis se submittant.

"##) De praedestinatione. Prooemium (Veterum auctorum, qui IX saeculo de praedestinatione et gratia scripserunt, opera et fragmenta, cara Gilb. Mauguin. Paris. 1650. T. I, p. 103).

@efhed. Phil. ++ 11

.162 Zueiter Theil. Philoſophie bes Mittelalters,

der ebangeliſchen Kirche iſt ſchon vor diefed Koncilien vorbauben |

geweſen, die katholiſche Kirche aber flüst fih auf Koncilien. |

Hauptgedanten und Interefien des Denkens find den Scholaſu-

kern eigen: a) der Streit zwiſchen Nominalismus und Realis⸗ ‚mus; M die Beweife vom Daſehn Gottes, eine ganz neme .

. Erfgeinung

4. Bauen ber Glaubensichre auf wetanbotiſd- Gründe.

| Käher war das Bemühen der Scholaftiter —E Glaubenslehre der chriſtlichen Kirche auf metaphyſiſche Meiiabe zu bauen. Hernach werden auch die geſammten Lehren der Ruihe ſyſtematiſch behandelt. Dann hatten fie Zweige, Meodifitatiunen ; Ä ‚an diefer Lehre die durch den Lehrbegriff nicht entſchieden - ren. Jene Gründe felbfi und dann dieſe weiteren fpeciellen Sei⸗ ten waren. dem freien Raiſonnement überlaſſene Grgenfänbe. - Reuplatonifche Philofophie lag zunächſt den Theologen vor; man erkennt die Manier diefer Schule in den älteren und reineren Scholaſtikern. Anfelmus und Ybälard haben ſich unser den fpäteren berühmt gemacht.

a. Anfelmus.

Unter den Männern, welde kirchliche Lehren auch durch den Gedanken erweifen wollten, ift Anſelm angefehen. Anſel⸗ mus, geboren zu Aoſta in Piemont gegen 1034, ein fehr geehr⸗ ter Dann, wurde 1060 Mönd zu Bec, und fogar 1093 zum Erzbifhof von Kanterbury erhoben; er ift 1109 geftorben. *) Er hat die Lehre der Kirche auf philoſophiſche Werfe zu betrach⸗ ten und zu beweifen gefudht; es wird fogar von ihm gefagt, daß er den Grund zur fholaftifhen Philofophie gelegt habe.

Er fagt in Anfehung des Verhältniffes des Glaubens zum.

#) Tennemann, Band VIII, Abth. 1, S. 115, 417.

. Zweiter Abſchnitt. Anſelm von Kanterbury. 163

Denken folgendes?! „Der Chriſt muß durch den Glanben zur Vernunft fortgehen,” vom Glauben anfangen, „nicht von der Bernunft aus zum Glauben tommen; noch weniger’ aber, wenn er nieht zu begreifen vermag, vom Glauben abgehen. Aber auch wenn er zum Erkennen durchzudringen vermag, fo bat er feine Freude daran,” daß er das erfennt, was er fonft nur glaubte; „wo nicht, fo verehrt er,“ fo muß er bei der Lehre der Kirche bleiben. „Unſer Glaube iſt gegen die Gottlofen mit der Bernunft zu vertheidigen, nicht gegen die Chriften; denn von diefen wird vermuthet, daß fie die dur die Taufe übernommene Berbindlichteit halten werden. Jenen muß aufgezeigt werden, wie unvernünftig fie gegen uns flreiten.” *) Sehr merkwürdig if Folgendes, was das Ganze feines Sinnes enthält. In feis nem Traktatus, Cur Deus homo, der rei an Spekulationen ift, fagt ee: „Es fcheint mir eine Racläffigkeit zu ſeyn, wenn wir im. Olauben feft find, und nicht fuchen, das, was wir glau⸗ ben, auch zu begreifen.” **) Jetzt erklärt man dieß für Hoch⸗ muth; ummittelbares Wiffen, Glauben hält man für höher als Erkennen. Anfelmus aber und die Scholafliter haben das Ge- gentheil fih zum Zweck gemadht.

Anſelm kann ganz. befonders als der Grumdleger der ſcho⸗ Laftifchen Theologie von diefer Seite angefehen werden. Denn der Gedanke, durch ein einfaches Raifonnement zu beweifen, was geglaubt wurde daß Gott iſt —, ließ ihm Tag und Nacht keine

%#) Anselmi Epistol. XLI, 1. 11 ememenn— Band VII, Abth. 4, ©. 159 160): Fides nostra contra impios ratione deſendenda est, non contra eos, qui se Christiani nominis honore gaudere fatentur. Ab his onim juete axigendum est, ut cautionem in baptismate factam inconcusse tengant: illis vero rationabiliter ostendendum est, quam irrationabiliter nos contemnant. Christianus per fidem debet ad intellectum proficere, non per intellectum ad fidem accedere: aut si intelligere non 'valet, a fide recedere. Sed cum ad intellectum valet pertingere, delectatur: cum vero neguit, cum capere nnn potest, veneratur.

#%) Cur Deus homo, I, 2: Negligentia mihi videtir, si, postyuam confirmati sumus in fide, non studemus, quod credimus, intelligere.

11 *

\

164 - Aweiter Theil, Philoſophie des s Witlinc Ruhe. Anfänglich hielt er es für des Teufels Berfuhung,. wei

‚er die göttlichen Wahrheiten beweifen wollte durch bie Veran, und war angft und bange davor. Endlich aber ſey es ihm we

lungen durch die Gnade Gottes, in feinem -Proslogium. *). .

‚Er ift befonders berühmt durch den fogenannten vntologi⸗

ſchen Beweis vom Daſeyn Gottes, den er aufgeſtellt hat, er zat

fich lange: damit gequält; fein Beweis if bis auf bie Tantifhen Zeiten, und (wer noch nicht bis zum Kantiſchen getommen) ne, bis auf die heutige Zeit unter der Reihe von Beweiſen genannt worden. Er iſt verfhieden von dem, was wir bei den Alten finden und lefen: Gott, fügte man nämlich, der abſolute Es danke objektiv, Gott iſt; denn weil die Dinge in der Weite .

fällig ‚find, fo if das nicht das Wahre an und für fi, Tan:

dieß ift das Unendliche. Später dagegen bei Anfelm, mit iD.

der entgegengefegte Bang anfängt, tritt der Begenfag won ie

danke felbft und Seyn auf, dieß unendliche. Extrem. Diefe |

reine Abſtraktion, die, erfi im Chriſtenthume zum Bewußtſeyn Tam, diefe Entzweiung. als ſolche hat das Mittelalter feftgefeikt,

und ifi dabei fichen geblieben. Wie im Vorſtellen, fa tritt her

erft der Begriff und das Seyn in feinem Gegenfage auf; und

es wurde die Verbindung defielben geſucht. Aus der arifloteli= |

fen Philofophie kannten ſie den metaphufifchen Sag wohl, daf

die Möglichkeit nichts für ſich if, fondern ſchlechthin eins mit.

der Wirklichkeit. Und es ifl merkwürdig, daß jest erfl: und nicht früher das Allgemeine und das Seyn in diefer Abſtraktion ent⸗ gegengefegt, und fo das höchſte Gefes zum Bewußtſeyn gekom⸗ men iſt; es ift die höchſte Tiefe, den höchſten Grgenfat zum Be⸗ wußtſeyn zu bringen. Diefer Beweis fließt aus dem Begriffe, daß Gott das allgemeine Wefen der Wefen. Wenn nad einer Seite die Hauptfrage war, was ift Gott, und das Allge⸗

.

#) Tennemaun, Band VIIl, Abth. 1, S. 116; Eadmerus: De

vita Anselmi (subjuncta operibus "Anselnti editis a Gabr. Gerberon.

1721. Fol.) p. 6.

|

Zweiter Abfchnitt. Anfelm von Kanterbury. 165

meine als Prädikat deffelben, des abfolut Schenden, erfchien: fo geht eben damit eine Umkehrung vor, daß das Seyn zum Prädikate wird, und die abfolute Idee zuerft geſetzt ift als das Subjekt, aber des Denkens. Wenn fo einmal das Sehn Got: tes als das erſte Borausgefegte aufgegeben und als ein Gedacht⸗ ſeyn gefegt ift, fo ift das Selbfibewußtfenn auf dem Wege, in ſich zurückzukehren; dann fällt die Frage ein: Iſt Gott? Bekaantlich nahm der erfie eigentlich metaphufifche Beweis vom Dafehn Gottes die Wendung, dag Gott als die Idee des Weſens, das alle Realität im fi vereinigt, auch die Realität ‚des Seyns in fih bat. Der Inhalt feines Raifonnements ift dieſer; Anſelm fagt: „Es ift etwas Anderes, dag eine Sache inm Verſtande ſey, etwas Anderes, einzuſehen, daß ſie exiſtirt. Auch ein Unwiſſender wird überzeugt ſeyn, daß etwas iſt im Gedanken, über das nichts Größeres gedacht werden kann,“ daß der Verſtand in ſich habe eine Vorſtellung, die die höchſte ifl.- „Dasjenige, über welches nichts Größeres gedacht werden Tann, kann nicht allein im BVerftande feyn. Denn wenn es nür als Gedachtes genommen wird,” iſt es nicht das Höchſte; „es Tann alfo auch genommen werden, daß es feh: das ift größer,“ als das nur Gedachte. „Wäre das, worüber nichts Größeres gedacht werden kann, bloß im Verſtande: fo wäre das, worüber nichts Größeres gedacht werden könne, Etwas, worüber etwas Größeres gedacht werden kann. Das, über weldhes nichts Grö⸗ Geres gedacht werden kann, ift fowohl im Berftande als in der Sache;“ *) die höchſte Vorftellung kann nicht allein im Ver⸗

*) Proslogium, ec. 2: Aliud est, rem esse in intellectu; alıud, in- telligere rem esse. Convincitur ergo etiam insipiens, esse vel in in- tellectu aliquid, quo nihil majus cogitarı potest; quia hoc, cum audit, intelligit: et quidquid intelligitur, in intellectu est. Et certe id, quo majus cogitari nequit, non potest esse in intellectu solo. Si enim vel in solo intellectu est, potest cogitari esse et in re: quod majus est. Si ergo id, quo majus cogitarı non potest, est in solo intellectu: id ipsum, quo majus, cogitari non potest, est quo majus cogitari potest. Sed certe

166 Zucker. Abel. Philoſerhie des Mierelaiend:

ſtande feun, es muß dazu gehören, daß fle;erifire, Das: I.000E richtig; nur iſt der Mebergang, midht gezeigt, daß der fnbjeßtiug Verſtand ſich ſelbſt aufhebt. Go erhellt, daß Syn oberſläch⸗ licher Weiſe unter das Allgemeine der ‚Realität fubfamtrt:ä@g ° daß infofern. das Seyn nicht in den Gegeuſatz mit dem Begriffe tritt. Eben dieß iſt das Intereſſe, "oder die Frage. Anden Realität. oder Vollkommenes geſagt wird, ſo daß es nochraiche ſeyend geſetzt iſt: fo iſt es ein Gedachtes, und dem Sehe wich” mehr entgegengeſetzt, als daß dieß unter es ſubſunuirt wärg' mas Dieſe Argumentation hat bis auf Kant gegolten; wir ar hen das Beſtreben, die Lehre der Kirche durch Wernunft. u me, kennen. Dieſer Punkt. if der Anfang der Philoſaphie, dern·ihe ganzes Intereſſe ausmacht. Der. eine Gegenſatz iſt Sehyn⸗n de ‚andere Denken; das iſt das Abſolute, das beide Gegenfäge in fi enthält, ein Begriff (nach Spinoza), der fein Seyn gem glei in fih ſchließt. Gegen Anſelmus ifl zu; bemerken; deß Die. Weiſe des Verſtandes, des ſcholaſtiſchen Raiſonnirens darkı, vor⸗ handen iſt. „a) Es iſt,“ ſagt man, „der. Gedanke eines Höch⸗ ſten;“ dieſe Beſtimmung wird als dag prius vorausgeſezt. M Das Zweite iſt, „es giebt zweierlei: ein Gedachtes, das iſt, und ein Gedachtes, das nicht iſt; dieſes iſt der Gegenſaz. Der Gegen⸗ ſtand, der nur gedacht iſt, nicht ſeyend, iſt unvollkommener Ins halt; ebenſo: Ein Inhalt, der nur iſt, ohne gedacht zu werden, wäre ebenſo unvollkommen.“ (Davon ſpricht man aber nicht; in der That, iſt Gott nur Seyn, würde er nicht gewußt von ſich ſelbſt als Selbſtbewußtſeyn von ſich ſelbſt: ſo wäre er nicht Geiſt, ein Denken, das ſich denkt) „y) Das Höchſte muß alſo auch ſeyn.“ Das iſt Gang des Verſtandes (der Inhalt iſt richtig, die Form mangelhaft): Das Höchſte, die Vorausſetzung, iſt Maaß⸗ ſtab, an dem das Weitere gemeſſen werden ſoll; die Beſtim⸗

hoc esse non potest. Existit ergo procal dubio liquid, quo majus co- gitari non valet, et in intellectu et in re.

Zweiter Abfchnitt. Anſelm von Kanterbury. 467

mung, „ein Gedachtes, das nicht iſt,“ wird darunter fubfumirt als unter eine Regel, und iſt diefer nicht angemefien.

Sein Beweis enthält den Diangel, daß er nach formell lo⸗ gifher Weife gemadt if; er enthält näher dieſes. Wir denten etwas, wir haben einen Gedanken: der Gedanke ift fubjektiv ei⸗ ner Seits, aber der Inhalt des Gedankens iſt das ganz Allge⸗ meine; dieß iſt nun zunächſt als Gedanke, unterſchieden davon iſt das Seyn. Wenn wir ſo etwas denken, Gott denken (der Inhalt iſt gleichgültig): ſo kann es der Fall ſeyn, daß der In⸗ halt nicht iſt; für das Vollkommenſte halten wir das, was der GSedante if und zugleich if. Gott ift das Vollkommenſte: wäre er unvolllommen, fo hätte er nicht auch Die Beflimmung des Seyns, und er wäre bloß Gedanke; alfo müffen wir ihm die Beflimmung des Seyns zuſchreiben. Denken und Seyn iſt ent gegengefegt, dieß ift ausgeſprochen; und wir geben es zu, daß das das Mahrhafte ifl, was nicht bloß Denten ift, fondern aud) if. Das Denten müſſen wir aber bier nicht als bloß fubjektiv nehmen; der Gedanke heißt hier der abfolute, der reine Gedanke.

Das Formelle, das Logiſche, weshalb Kant ihn auch ange- griffen und verworfen hat, welder Berwerfung die ganze Welt binten nachgelaufen ift, wird darin gelegt, daß die Vorausfekung die ifl, daß die Einheit des Seyns und Dentens die volltom- wmenfte fey. Zum Begriffe, zum wahrhaften Beweife gehörte, . dag der Fortgang nicht verfändiger Weife gefchähe, fondern daß aus der Natur des Denkens felbft gezeigt würde, daß es für ſich genommen fich felbft negirt, und die Beflimmung des Seyns ſelbſt darin liege, oder daß das Denken ſich felbft zum Seyn beftimmt. Umgekehrt müßte ebenfo am Seyn aufgezeigt werden, daß es feine eigene Dialektik if, fich felbft aufzuheben, dann ſich zu fegen als das Allgemeine, als der Gedanke. Dieſer ei- gentliche Inhalt, die Einheit des Seyns und Denkens, ifl der wahrhafte Gehalt, den Anſelm vor fich hatte, aber in Form des Berflandes vor fi hatte. Beide Gegenfäge find nur in einer

468 Zweiiee Theil. Philoſerhie des Tittelsherd. n beitten Befliumung bem Böchſten —, bie infofern als m. außer ihnen if, identifch umd an ihm gemeflen. - - „is.

Da ift man ſchon zu jener Zeit ein Mönch geweſen, Gau atlo, der gegen dieſen Beweis des Mufelm einen: liber' 0 2 insipiente geſchrieben hat; Anſelin richtete ſelbſt dagegen feine liber apologeticus adversus insipientem. *) Dieſer iin Feitifiet diefen Beweis, indem er daffelbe aufzeigt, als Hektägher ' Tags Kant, daß das Seyn und Denten verfhichen: Fiyaugeit: dem Denken iſt noch gar nicht gefeht, daß es ſey. **) Senne Kant") z3. B., wenn wir uns 100 Thaler denken, ſo hlue dieſe Vorfiellung noch nicht das Seyn in ſich; und das iſt eich J tig. Was nur vorgeſtellt if, iſt nicht, iſt aber. auch kein wahr⸗ hafter Inhalt. Ein Gedachtes, deſſen Inhalt das Denken übt .

iſt, iſt eben dich, fi) zum Seyn zu beſtimmen; was AUhE-IM, iſt nur unwahre Vorſtellung. Davon ift aber hier nicht die

Rede, ſondern von dem reinen Denken; es iſt dieß auch gar

keine Neuigkeit, daß fle verſchieden find, das: wußte Anſeln

ebenſo gut. Gott iſt das Unendliche, wie Leib und Seele,

Seyn und Gedanken auf. ewig verbunden find; dieß iſt die ſpe⸗

tulative, wahrhafte Definition von Gott. Dem Beweife, den

Kant Tritifirt, fo wie es noch jest nad feiner Art gang und

gäbe ift, fehlt nur die Einſicht in die Einheit des Denkens und

Seyns beim Unendlichen. |

Nur dieß muß der Anfang ſeyn. Andere Beweife, fo ber tosmologifche, welcher von der Aufälligkeit der Welt auf ein abfolutes Weſen, Seyn, fchließt, haben damit nicht die Idee des abfoluten Wefens als Geift erſchöpft, find ohne Bewußtſeyn, daß es ein Gedachtes. Der alte phyſikotheologiſche, den ſchon

Sotrates hatte, aus der Schönheit, Anordnung, den organifchen'

*) Temnemenn, Band VII, Abth. 1, ©. 139; Brucker. Hist, ori. phil. T. III, p. 668. #3) Liber pro insipiente, c. 5. #RR) Kritik d. reinen Vernunft, S. 464 (6. Aufl.)

Zweiter Abſchnitt. Anſelm von Kanterbury. 469

Zwecken, fest zwar einen Verfland, ein reicheres Denken des abfoluten Wefens, nit nur das unbeflimmte Seyn. Aber es ift ebenfo bemußtlos, daß es die Idee. Und dann was für cin Berftand iſt es? Ein anderer, unmittelbarer. Es iſt cbenfo Unordnung, dieſer Geift iſt für fi; und es muß Anderes begriffen werden, als diefe erfcheinende Ordnung der Natur:

' Davon aber nad dem Dafeyn Gottes zu fragen, fein Seyn, feine gegenfländlihe Weife zu einem Prädikate zu machen, und: zu wiffen, daß Gott fo Idee if, bis dahin, daß das abfolute Weſen Ich Ih, das dentende Selbfibewußtfeyn if, nicht als Prädikat, fondern fo, daß Ich, jeder der denkt, das Moment diefes Selbſtbewußtſeyns ift, iſt noch ein weiter Schritt. Hier, wo wir diefe Form zuerft auftreten fehen, ifl das abfolute We⸗ fen ſchlechthin für das Jenfeits des endlihen Bewußtſeyns zu nehmen; dieß iſt fih das Nichtige, und hat fein Selbfigefühl noch nicht erfaßt... Es hat allerhand Gedanken über die Dinge, die Dingheit felbft ift ihm auch Begriff, Prädikat; aber es ift damit noch nicht in ſich zurückgekehrt, weiß vom Wefen, nur nicht von ſich felbft.

Auch Cur Deus homo hat er auf philoſophiſche Weiſe betrachtet.

Hiermit hatte Anſelm die nähere Grundlage zur ſcholafti⸗ ſchen Theologie gelegt; *) ſchon vorher war daſſelbe, nur be⸗ ſchrãänkter, für einzelne Dogmen, auch fo bei Anſelm. Seine Schriften zeigen von Tiefſinn, Geiſt. Anſelm war es, der die Philoſophie der Scholaſtiker erregte, und mit der Philoſophie die Theologie verband; die Theologie des Mittelalters ſteht ſo viel höher, als die der neueren Zeit. Nie find Kaͤtholiken ſolche Barbaren gewefen, daß über die ewige Wahrheit nicht erkannt, fie nicht philofophifch gefaßt werden folltee Die ifl das Eine, was bei ihm herauszuheben ifl; das Andere ifl, daß jener höchſte Gegenſatz in feiner Einheit aufgefaßt iſt.

*) Tennemann, Band VII, Abth, 1, ©. 12i.

10 _ Bielter Theil: Philofophie.des Mittelalters;

b. Abälart.

An Anſelm ſchließt ieh Peter Abälard an, bekannt durch ſeine Gelehrſamkeit, noch berühmter in der empfindſamen Welt durch ſeine Liebe zu Heloiſe und ſeine Schickſale; er, lebte, um 4100, von 1079 —1142:%) - Er iſt nach. Ynfelm, zu großem Anfehen gelangt; er hat ebenſo philoſophirt über) die. Lehre der Kirche, befonders die Dreteinigkeit auch fo behandelt, auf philo⸗ ſophiſche Weiſe zu beweifen geſucht. Er Ichrte zw Paris. Wie um jene Zeit Bologna für die Juriften, fo war Paris: für die Theologen der Mittelpunkt der Wiſſenſchaften; es warıder das malige Sig der philofophirenden Theologie. Abälard: hat dort oft vor Schaaren‘ von 1000 Zuhörern vorgetragen. Die theo- _ logiſche Wiſſenſchaft und das Philoſophiren darüber, war in Frankreich; wie. in Italien die Iurisprudenz, ein Haupt- Mo⸗ ment, das, als für die Entwidelung Frankreichs höchſt bedeu⸗ tend, bisher nur zu ſehr vernachläſſigt iſt. R

Anſelmus und Abälard trugen vornehmlich dazu ei, Die Philoſophie in die Theologie einzuführen. Dieſe Richtung wurde auf mancherlei Weiſe ſelbſt von Myſtikern fortgefegt. **) Es galt die Vorftellung, daß Philofophie und Religion ein und daſſelbe fepen; was ſie an und für fih auch find. Man kam aber bald. auf die Diſtinktion, „daß Mandes in der Philoſo⸗ phie wahr und in der. Theologie falſch ſeyn könne;“ dieſes hat die Kirche geläugnet.***) 1270 erfolgte die Abfonderüng. der vier Fakultäten der Pariſer Univerſität. Dadurch wurde. die | -

#) - Tiodemann: "Geist d. spekul. Philos. Band IV, $. 2173 Bruckar. Hist, crit. phil T. III, p. 762.

##) S. Unten, S. 195 —19. #r) Tennemann (Band VI, Abth. 2, S. 460— 461) führt aus einem Refkripte des Biſchof Stephan am: Dicunt enim, ea vera esse se- cundum philosophiam et non secundum fidem catholicam; quasi sint duae contrarige verifates, et Quasi contra veritatem sacrae seripturae sit veritas in dietis gentilium Gdamnatorum. .

Zweiter Abſchnitt. Petrus Lombardus. | 171

Dbilofophie von der Theologie ausgefhteden, doc ihr verboten, theologifhe Glaubensfäge dem Disputiren zu unterwerfen. *)

2. Methodifhe Darfiellung des kirchlichen Lehrbe⸗ griffs. | |

Das Weitere ift die nähere beflimmtere Form, die die ſcho⸗ laſtiſche Theologie befommen hat In einer zweiten Richtung der ſcholaſtiſchen Philoſophie entſtand jetzt das Hauptbemühen, den Lehrbegriff der chriſtlichen Kirche methodiſch zu machen, zu⸗ gleich in Verbindung mit allen jenen metaphyfiſchen Gründen; und dieſe ſtellte man nebſt ihren Gegengründen bei allen Lehren gegeneinander auf, ſo daß die Theologie in einem wiſſenſchaft⸗ lichen Syſteme dargeſtellt worden iſt, während früher der kirchliche Unterricht für die allgemeine Bildung der Geiſtlichen darauf befchräntt war, daß man Blaubenslehren nad) einander vortrug, und über jeden Sag aus Auguſtin namentlih und an- deren Kirchenvätern Sentenzen, Stellen zufammenfärieb, Die Männer, die dieß geleiftet haben, waren: Ä

Petrus Lombardus,

Petrus aus Novara in der Lombardei in der Mitte des 12. Jahrhunderts ift Urheber diefer Diethode. Petrus Lom⸗ bardus flellte ein Ganzes von feholaflifcher Theologie auf, wel⸗ ches mehrere Jahrhunderte eine Grundlage blieb. Er verfaßte fo feine IV libri sententiarum, daher er auch den Namen Magister sententiarum erhielt; jeder ſcholaſtiſche Gelehrte hatte fo damals ein Präditat: Doctor acutus, invincibilis, senten- tiosus, angelicus u. f. fe Er ift im Jahre 1164 geftorben. **) Diefe sententiae find viele Jahrhunderte lang die Grundlage des kirchlichen Lehrbegriffs geweſen.

#) Tennemann, Band VIII, Abth. 2, S. 457 458. %#) Brucker, Hist. crit. phil. T. III, p. 764 767.

\

473 Zweier Then. Bold des inte

Auch Madire: bebienten ſich folder Titel; Robert wii leyn ſchrieb sententiarum libros VIIL*) —: "1...

Er fammelte die Hauptbeſtimmungen der ticchlichen Schee ans Koncilieg und Kißhenvätern, und fügte dann über befondere Umflände fubtile Fragen hinzu, welche die Schule befhäftigten, und ein Gegenflanb der Disputationen wurden. - Ep fetl! be= _ antwortete var: dieſe: Fragen, ließ aber dann noch Gegengrücde folgen; bie Antwort laßti die Sache bei Petrué oſt problonatiſch⸗ f6: daß'-die' Fragen eigentlich nicht entſchieden beuntwortet waren Die Gruͤnde werden’ von: beiden Seiten aufgezählt; die Kirchen⸗ väter. widerſprechen fi, und für die eine und die andere entgen gengeſetzie Seite. fammelte' man eine Menge Beweisſtellen aus: ihnen. -: So entfianden theses, :dazu quaestiones, hierzu argu-:_ menta, dagegen 'positiönes, "Unb-ndlid dubia, Te nachdem man die Worte in diefem ober jenem Sinne nahm, dieſer ober“ jener Autoritãt folgen will‘ A

Es kam doch Methode herein Diefe Mitte des 12. VJahr⸗ hunderts macht die Epoche aus, wo die Scholaſtik als gelehrte (philoſophiſche) Theologie allgemeiner wurde. Dieſes Buch iſt im ganzen Mittelalter von den doctores theologiae dogma- tiene tommentirt worden, welche nun als die öffentlichen Be⸗ wahrer der kirchlichen Lehre galten. Die Geiftlichkeit hatte Seel⸗ forge. Jene Doktoren hatten: überhaupt Autorität, hielten Sy- noden, ?ritifirten und verdammten diefe oder jene Tehren, Bücher als ketzeriſch u. f.-f., auf Synoden oder als Sorbonne, eine Geſellſchaft ſolcher Doktoren an der Univerſität zu Paris. Man kann fie für Kirchenverſammlungen, für eine Art von Vätern in Anſehung des chriſtlichen Lehrbegriffs anfehen.

Beſonders hielten ſie gegen die Schriften von Myſtikern, wie des Amalrich und feines Schülers David von Dis nanto, die in ihrer Anfiht, dem Proklus ähnlich, auf die

#) Brucker. Hist, crit. phil. T. III, p. 767 768.

- Zweiter Abſchnitt. Thomas Aquinas. 173. ,

Einheit zurüdgingen. Amalrich, 1204 als Keter angeklagt, *)

ſagte 3 B.: „Gott ift Alles, Gott und die Kreatur find nicht

verſchieden; in. Gott find alle Dinge, Gott if die Eine allge=

meine Subftanz.” **) ‚David behauptete: Gott iſt die erfle

Materie (An), und Alles iſt Eins der Materie nad) und Gott - eben diefe Einheit. Er fheilte alle Dinge in drei Klaffen: Kör⸗

per, Seelen, ewige immaterielle Subflanzen oder Geifler. Das. untheilbare Princip der Seelen ift der vous, das der Geiſter Gott. Dieſe drei Principien ſind identiſch, und daher alle Dinge

dem Weſen nach Eins.“***) Seine Bücher wurden verbrannt. P)

Der Andere, der hier berühmt iſt, war:

p. Thomas von Aquino.

So ‚berühmt Netrus Lombardus war, ebenſo Thomas Aquinas: aus dem gräfſichen Geſchlechte Aquino im Neapoli⸗ taniſchen auf dem väterlichen Schloſſe Roccaſteca 1224 geboren. Er trat in den Dominikaner⸗Orden, und flarb 1274 auf einer Reiſe zu einer Lyoner Kirdienverfammlung. Er war ein Schü⸗ ler des Albertus Magnus, ſchrieb Kommentarien über Ariſtoteles und den Petrus Lombardus, und verfaßte auch ſelbſt eine summa theologiae (summa heißt Lehrbegriff), die ihm, wie feine übris gen Schriften, das grüßte Anfehn erwarb, ein Hauptbuch in’ der ganzen feholaftifhen Theologie. Er befaß Fine fehr ausge⸗ breitete Kenntniß der Theologie und des Ariftoteles; er hieß auch Doctor angelicus und communis, ein zweiter Yuguflin. FF)

Es finden fih in diefem Buche zwar logifche Förmlichkei⸗

#) Tennemann, Band VIII, Abth. 4, S. 317.

3%). Bruchker. Hist. crit. phil, T. IH, p. 688. WER) Thomas Aguinas: in IV libros sentent. L. II, Dist. 17, Qu. 4, Art. 15 'Alberti Magni: Summa Theol. P. I, Trac. ı, > Qu. 20 (Oper. T. XVII, p. 76).

7) Tennemann, a. a. O. S. 825.

tTF) Tennemann, Band VIII, Abeh, 2; 8. 0 555; Brucher. l. I. p. 802. -

174 Zweitet Theil» Philofophie des Mittelalters,

ten, aber nicht dialektiſche Spitzfindigkeiten, fondern gründliche metaphyſiſche (ſpekulative) Gedanken, über den ganzen Umfang der, Theologie, und Philoſophie. Er hat ebenfo Fragen, Ant⸗ worten und Zweifel hinzugefügt, und den Punkt angegeben, von dem die Auflöfung ‚abhängt. Das Hauptgefhäft der ſcholaſti— ſchen ‚Theologie, hat’ darin beſtanden, die summa des Thomas auszuführen; und fo find auch viele Bücher über. die sententiae des Petrus Lombardus gefchrieben worden. Die Hauptſache war, die Theologie: philofophifh und weiter ſyſtematiſch zu machen; Petrus Lombardus und Thomas von Aquino find in diefer Rück⸗ ſicht die. berühmteflen, und man hat fie. bei allen weiteren ge= lehtten Bearbeitungen lange zum Grunde gelegt.

Thomas war Realiſt. Zum Grunde liegen ariſtoteliſche Formen, 3. B. die, des ‚Subftantiellen, (forma. substantialis), feiner Enteledie (Ev£oyere) analog. Ueber die Erkenntnißlehre fagte er: Die materiellen Dinge befichen aus Form und Ma— terie; die Seele hat die fubftantielle Form des Steines in fih,*) -

In Rüdfiht der formellen Ausbildung der philoſophiſchen Theologie ift ein Dritter berühmt:

©. Johannes Duns Scotus.

Duns Scotus, Doctor subtilis, ein Franciskaner, ges boren zu. Dunſton in der Grafſchaft Rorthumberland, hatte. nach und nad an 30,000 Zuhörer. . Im Jahre 1304 kam er. nad Paris, und 1308 nah Köln, als. Doktor der dafigen nein Univertät: Er wurde mit. großer Feierlichkeit empfangen, ftarb jedoch dafelbft bald nad feiner Ankunft am Schlagfluß, fol les bendig begraben worden fepn. Er foll nur 34, nad Anderen 43, nad) Anderen 63 Jahr alt geworden feun; das Jahr feiner Geburt if nicht bekannt, #*), Er ſchrieb Kommentarien über

\ ®) Tennemann, Band VAH,:Abth. 2, 8. 554 561. ##) Drucker. Hin. win phil, T..IIl, p. 06-88; Bulaeus: Hist. Univ. Paris. T. IV. p. 900.

Zweiter Abſchnitt. Johannes Duns Scotus. 175

den Magister sententiarum (Petrus Lombardus) , die ihm den Ruhm eines fehr ſcharfſinnigen Denkers verfchafften: ınach der Drdnung, daf tr anfängt mit dem Beweife der Rothwendigkeit einer übernatürlihen Offenbarung gegen das bloße Licht der Vernunft. % Er fügte zu jeder Sentenz eine Menge distin- ctiones, quaestiones, problemata, solutiones, argumenta pro et.contra. Wegen feines Scharffinns hat man ihn auch den Deus inter.philosophos genannt. Er. erhielt ganz ungeheure Lobeserhebungen. Man fagte von ihm: „Er hat die Philoſo⸗ phie fo ausgebildet, daß er felbft deren Erfinder hätte feyn kön⸗ nen, wenn er fie nicht ſchon vorgefunden hätte; er wußte die Myſterien des Glaubens fo, daß er fie faft nit geglaubt bat: die Geheimniffe der Borfehung, als ob er fie durchdrungen: Die Eigenſchaften der Engel, als ob er felbft ein Engel wäre; ex ſchrieb in wenigen Jahren fo Vieles, daß es zu leſen kaum Ein Menſch (unus), es zu verfichen kaum irgend Jemand hin⸗ reicht. N)

Er behauptete das Princip der Individuation, und das Allgemeine als formell, 9) Es fcheint nad allen Zeug⸗ niſſen, dag er der fholaftifhen Disputirmethode und dem Stoff derfelben zu ihrer höchſten Höhe verholfen, eine unendliche Dienge von Sätzen, barbarifhen neun Wörtern, Zufammenfegungen und Unterfheidungen erfunden. Seine Manier ifl, einem Sage, einer Sentenz eine lange Reihe von Argumentationen in Schlüfs fen beigefügt, und fle in einer eben foldhen Reihe widerlegt zu haben; die pro et contra Diethode mit Gründen und Gegen. gründen hat er auf den höchften Gipfel gebracht. Es fiel da= mit auch wieder Alles auseinander; daher gilt er dafür, daf er der Urheber der quodlibetanifchen Diethode gewefen. Die Quod-

%#) Duns Scotus in Magistrum sententiarum. Prooemium; (Tennemann, Band VIII, Abth. 2, S. 706). ##) Brucker. Hist. crit. phil. T.1II, p. 828; et not. aus Sancrutius. WER) Siche Unten, S. 183— 184, 187.

deiter Theil. Philoſophle des Mittelalters.

% 5 Sammlungen vermifchter Abhandlungen über Eint- e4 yenftände in der gewöhnlichen Manier zu disputiren, Die Alles fpricht, aber ohne foftematifhe Ordnung, und ohne n Ganjes ausgeführt und dargeſtellt wurde; die Anderen em aber summas. - Das Latein ift ſehr barbariſch, en oſophiſchen Beftimmtheit gut geeignet.

nutfdaft mit den. arifiotelifhen

Weiter iſt eine dritte Richtung zu bemerken, der äußerlicc⸗

iche Amfland, daß zu Ende des 12. und im 13, Jahr⸗

e abendländifhen Theologen allgemeiner, mit den ariſto⸗

® riften und deren griechiſchen und arabifchen Kom en in lateiniſchen Meberfegungen bekannt wurden, die auch von ihnen vielfach benugt, weiter fommentirt und at⸗ ‚gumentirt wurden; und die Verehrung, Bewunderung und dag Anſehen deffelben ſtieg auf's Höchſte. Der Weg diefer Bekannte ſchaft ift ſchon angezeigt. ) Bisher war die Bekanntſchaft mit Ariftoteles dürftig, beſchränkte ſich auf Logik durch Boethius, Auguſtin, Kaffiodor; **) bei Scotus Erigena’s Bekanntſchaft fieht man ſchon Kenntniß des Griechiſchen, dieſes war vereinzelt, Erſt ſpäter iſt man mehr mit ariſtoteliſchen Schriften bekauut wor⸗ den. In Spanien unter den Arabern blühten die Wiſſenſchaften fehr, namentlich war die Univerfltät Korduba in Andaluſten Mit‘ telpuntt der Gelchrfamteit; viele Abendländer reiften hierher, wie ſchon der als Gerbert früher fo bekannte Pabft Silveſter IL als Mönd nad Spanien entflohen war, bei den Arabern zu ſtudi⸗ ten. **) Befonders Arzneiwiflenfhaft und Chemie (Alchimie) wurden fleißig betrieben. Die chriſtlichen Nerzte ſtudirten dort bei jũdiſch⸗ arabiſchen Lehrern. Es find vornehmlich die ariſto⸗

*) Siehe Oben, 8.490 431.

MR) Siehe Oben, 5. 159. ®##) Trichemius: Annal, Hürsaugiens. T. I, p- 13.

| Zweiter Abfchnitt. Alexander von Hales. 477

klifche Dretaphpfit und Phyſik (Natur-Bhilofophie), die bekannt werden; daraus ‚find, Auszüge (summae) verfertigt worden.

a. Alexander von Hales.

Zuerft wird diefe Bekanntſchaft mit Wriftoteles und den Krabern fihtbar in Alexander von Hales (gef. 1245), dem Doctor irrefragabilis. #) Der hohenflaufifhe Kaifer Frie⸗ brih IL. ließ fodann ariftstelifhe Bücher aus Konftantinopel dommen, und in’s Lateiniſche überfegen. **) Anfangs zwar, beim erſten Erſcheinen der ariſtoteliſchen Schriften, machte die Kiche Schwierigkeiten; das Leſen von feiner Metaphyſik und Phyſit und den daraus verfertigten Summen, fo wie aud der Bortrag darüber wurde verboten in einer Kirhen- Synode zu Maris 1209. ***) So kam der Kardinal Robert Corcto nad Paris, und hielt dafelbft eine Bifitation der Univerfität: ut or- dinaria lectione libri dialectici Aristotelis legantur, libri autem Aristotelis metaphysici et de naturali philosophia, summaeque ex iis confectae doctrinaque. Dinantii et Al- marici haereticorum et Mauritii Hispani a nemine discatur kgaturque. F) Und Pabſt Gregor in einer an die Univerfität on Daris (1231) erlaffenen Bulle, ohne der Metaphufit zu denken, verbot die Bücher der Phyſik, fo lange bis fie ge= müft und von allem Verdachte des Irrthums gereinigt feyn würden. FF) Später aber (1366) wurde im Gegentheil von zwei Kardinälen verordnet, daß Niemand follte Magiſter werden Tonnen, wenn er nicht die vorgefchriebenen Bücher des Ariflote-

#) Brucker. Hist. crit. phil. T. III, p. 779.

#%) Tennemann, Band VIII, Abth. 4, S. 353— 358, und da- selbst Anm. 3 (vergl. Jourdain, Gesch. d. arist. Schriften im Mit- telalter, übersetzt von Stahr, S. 165 176).

*45) Tennemann, a. 0. D. ©. 359; Bulaeus: Hist. Univers. Paris T. III, p. 82. T) Brucker. 1. 1. p. 697. +7) Bulaeus, 1. 1. p. 142.

Geſch. d. Phil. ** 12.

41738, Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

les, unter denen auch die Metaphufit und einige der phyfiſchen waren, fludirt und ſich in deren Erklärung fähig bewiefen hätte.*) Die Logit und Metaphyſik des Ariftoteles wurde in endlofe | Unterfheidungen ausgefponnen, und in eigenthümliche ſyllogi⸗ flifche formen gebradht, die die Grundlage zur Behandlung der Materien vornehmlich ausmanhten. | Unter denen, die fi durch das Kommentiren der ariflotes F liſchen Schriften ausgezeichnet haben, iſt befonders zu bemerken:

b. Albertus Magnus.

Albertus Magnus ift der berühmtefte deutfche Schlaf ter, aus dem adligen Gefchledht von Bollſtädt; Magnus ifl entwe⸗ der Familienzuname, oder wegen des Ruhms gegeben. Er wurde. 4193 oder 1205 in LZauingen an der Donau in Schwaben —*7 "= boren, und fiudirte anfangs in Padua, wo fein Studir- Zimmer noch jest den Reifenden gezeigt wird. Im Jahre, 1221 wurd . er Dominitanermönd, und lebte nachher in Köln als DOrdend - Provincial in Deutſchland; er flarb 1280.

"Es wird von ihm erzählt, er babe ſich in feiner Jugend ſehr ftumpffinnig gezeigt, bis ihm nad einer Legende die Jungs frau Maria in Gefellfhaft von drei anderen fhönen Frauen ers ſchien, ihn zur Philofophie aufmunterte, von feiner Geiſtesſchwäche befreite, und das Verfprechen gab, daf er die Kirche erleuchten, und feiner Wiffenfchaft ungeachtet doc) rechtgläubig ſterben werbe. So gefhah es auch; denn fünf Jahre vor feinem Tode habe. ebenfo ſchnell alle feine Philofophie wieder vergefien, und ſey dann wirklich in der Stumpfheit und Drthodorie feiner früheren - Jahre geftorben. Und daher führt man das alte Sprichwort von ihn an: Albertus repente ex asino factus philosophus, et ex philosopho asinus. Nämlid unter feiner Wiſſenſchaft

B gr

#) Launoius: De varia Aristot. fortun. in Academia Paris. e. IX, p. 210.

Zöreiter Abfkuitt. Albertns Rasuns. 479

verſtand man dann auch befonders die Zauberei. Dean obwohl e8 der eigentlihen Scholaſtik ganz fremd war, diefe vielmehr über die Ratur volllommen blind war: beſchäftigte er fih doch mit natürlichen Dingen, und verfertigte unter Anderm eine Sprach⸗ mafchine, vor der fein Schuler, Thomas von Aquino, erſchrak, und nad ihr ſelbſt fchlug, weil er darin ein Werk des Teufels fah. Daß er Wilhelm von England mitten im Winter in eis nem blühenden Garten empfangen und bewirthet babe, wird ihm als Zauberei angerechnet, *) während wir den Wintergarten bei Fauſt ganz natürlich finden.

Albert bat ſehr viel gefchhrieben, und wir haben davon noch 21 Folianten übrig. Er ſchrieb über Dionyfius Areopagita, tommentirte den Magister sententiarum, war in Arabern und KRabbinen vorzüglich bewandert, wie in der Kenntniß der ariflos telifhen Werte, obſchon er felber kein griehifh, auch arabiſch . nicht verſtand. Er ſchrieb aud über defien Phyſik. Won der mangelhaften Kenntniß der Geſchichte der Philofophie findet ſich bei ihm ein Beifpiel. Den Namen Epitureer leitet er ber, weil fie Eri cutem, auf der faulen Haut, lägen, oder aud) von cura, weil fie ſich um viel unnüge Dinge befümmerten (supercuran- tes). Die Stoiter ſtellt er fi) vor, wie unfere Chorjchitler; fie feyen, fagt er, Leute gemein, die Lieder gemadht (facientes cantilenas), und in den Säulengängen fi) herumgetrichen hät ten. Denn, bemerkt er hierbei fehr gelchrt, die erften Philoſo⸗ phen haben ihre Philofophie in Verſe eingekleidet, und fie dann in den Hallen abgefungen; daher wurden fie Hallenſteher (Stoici) genamnt. #*) Es wird erzählt, als die erften Epitureer babe Albertus Magnus genannt den Heflodus, Athalius oder Acha⸗ lius (von dem wir nidhts wiffen), Cäcina oder, wie ihn Andere stennen, Zetinnus, einen Freund (familiaris) des Cicero, und

%#) Brucker. Hist. cr. phil. T. III, p. 788 798. ##) Albert. Magni: Opera, T. V, p. 530 531. 12%

4180 beiter Theil. Philofophie des Mittelalters,

Iſaaeu ſraelitiſchen Philoſophen (man weiß nicht, wie der dazu kommt); aus den Stoikern führt er dagegen Speufippus, Plato, Sokrates und Pothagoras an. *)

Diefe Anekdoten geben uns ein Bild, des Zuftandes, der Bildung der damaligen Zeit. Eine Hauptfache aber ift die Be— kanntſchaft mit Ariftoteles und befonders mit feiner Logik, was fi von der älteften Zeit her, erhalten hat. Durch die, arifiotes liſche Logik ward die dialektiſche Spisfindteit noch fehr vermehrt und dieſe Verſtandesformen auf das Weiteſte ausgeſponnen, während das eigentlich Spekulative bei Ariſtoteles im; Sinter⸗ grund blieb für den Geiſt der Aeußerlichteit und damit —* der Unvernunft.

4. Gegenſatz von Realismus und Nominalismus. Ein Weiteres, was anzuführen iſt, ift ein Hauptgefichts- punkt, der das Mittelalter intereffirt hat. Eine eigenthümliche philoſophiſche Frage 309 fih nahe zu durch alle Zeiten der Scho— laſtik hindurch, die in dem Streit der Realiften und Nomis naliften enthalten war, Was num diefen im Allgemeinen bes ‚trifft, fo bezieht er. fih auf den metaphyſiſchen Gegenfag des Allgemeinen und des Individuellen, und beſchäftigt die ſcholaſti— fe Philofophie mehrere Jahrhunderte, und macht ihr große Ehre. Man unterfheidet ältere und neuere Nominaliflen und Realiften. >

a Rofcelin.

Der Urfprung des Streites fleigt bis in das 11. Jahrhun⸗ dert zurüd; und der berühmte Abälard tritt ſchon als Gegner des Rofcelin auf. Rofeelin iſt der älteſte Nominaliſt er ſchrieb aud gegen die Dreieinigkeit, **) und wurde 1092 auf

*) Gassendi: Vita Epicuri I, 11, p. 51. ##) Anselmus: Do fide trinitatis, c. 2—8; Epist. XLI, 1. 11. '

Zweiter Abſchnitt. Rofcelin. 191

einer Kirchenverfammlung von Goiffons wegen Kekerei vers dammt —; *) er hatte aber nody wenig Einflug. Auch Abä⸗ lard war älterer Rominalift. Es handelt fi) um das universale, d. h. das Allgemeine überhaupt oder die Sattung, das Weſen der Dinge, was bei Plato Idee genannt wurde; fo Seyn, Menſchheit, Thier. Die Rachfolger Platons behaupteten das Seyn diefer Allgemeinen; man vereinzelte diefes, die Tifchigkeit follte auch real feyn. Der Streit iſt nun diefer, ob diefe Allgemeinen etwas Reales an und für ſich felbft fenen außer dem dentenden Subjekte, und unab⸗ hangig feyen von dem einzelnen eriflirenden Dinge: oder ob das Allgemeine nur nominal fey, nur in der fubjektiven Borftellung, ein Gedankending. Wir mahen uns Borftellungen von dem Dinge, fagen „es iſt blau;“ diefes iſt ein Allgemeines. Sind - foldhe Allgemeinheiten real außerhalb des Gedantens, fo daß fie in den einzelnen Dingen von der Individualität des Dinges und gegeneinander felbftfländig erifliren? Diejenigen, weldhe bes baupteten, daß die Univerfalien außer dem dentenden Subjekte unterfchieden vom einzelnen Dinge ein exiſtirendes Reales feyen, das Weſen der Dinge allein die Idee fey, hießen Realiften, hier in ganz entgegengefegtem Sinne gegen das, was heutiges Zags Realismus heißt. Diefer Ausdrud bat bei uns nämlich den Inhalt, daß die Dinge, wie fie unmittelbar find, eine wirk⸗ liche Exiſtenz haben; und der Jdealismus ficht dem entgegen. Idealismus nannte man fpäter die Philofophie, welche den Ideen allein Realität zufchrich, indem er behauptet, dag die Dinge, wie fie in der Einzelnheit. erfejeinen, nicht ein Wahrhaftes find. Der Realismus der Scholaftiter behauptet, daß das Allgemeine ein Selbſtſtändiges, Fürſichſeyendes, Exiſtirendes ſey: die Ideen find nicht der Zerſtörung unterworfen, wie die natürlichen Dinge, unveränderlich, und allein ein wahres Seyn. Wogegen die An:

*) Tennemann, Band VIII, Abıh. S. 158.

482 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters,

deren, die Nominaliften oder Formaliſten, behaupteten, das Unis verfale ſey nur Vorſtellung, fubjektive Verallgemeinerung, Pros dukt des denkenden Geiftes; wenn man Gattungen u. f. f. fors mire, fo feyen dief nur Namen, Formelles, ein von der Seele Gebildetes und Subjektives, Vorſtellungen für uns, die wir machen, nur das Individuelle fcy das Reale,

Die ift nun der Gegenftand; er ift von großem Intereffe, und ift ein viel höherer Gegenfag, als die Alten gekannt haben. Rofeelin legte die allgemeinen Begriffe bloß in das Bedürfnig der Sprache. Er behauptete, die Allgemeinen feyen nichts als bloße abfiratte Begriffe: daß die Ideen oder Univerfalien, Seyn, Leben, Vernunft, blofe Gattungsnamen und am ſich nihts Nea= les ſeyen; daß Seyendes dabei'nur fey im Individuum, nicht das Seyn felbft: Lebendiges nur fey im, Individuum, das Leben ſelbſt als foldes für ſich habe nicht eine eigenthümliche allgemeine Realität. *) Die Geſchichte der Realiften und No— minaliften ift fonft ſehr dunkel, wir wiſſen mehr über’s Theolo- gifche als über diefe Seite; fie zerfielen in mehrere befondere Meinungen und Schattirungen.

b. Walther von Montagne.

Walther von Montagne (+ 1174) ging auf Vereini— gung des Einzelnen und Allgemeinen: Das Allgemeine muß in- dividuell feyn, die Univerfalien müffen mit den Individuen dem Weſen nach vereinigt ſeyn.**) Später waren die beiden Partheien als Thomiften, vom Dominikaner Thomas von

Aquino, und Scotiften, vom grancistaner Johann Duns Scotus, berühmt. Doch erlitt die Beftimmung, ob die allgemeinen Begriffe

*) Rirner: Handbuch der Geſchichte der Philof., Band II, S. 26 (4. Ausgabe); Anselmus: De fide trinitatis, c. 2. %##) Tennemann, Band VIII, Abth. 1, S. 339; Joh. Sarisbe- riensis: Metalogieus, L. II, c: 17.

[

Zweiter Abfchnitt. Walther von Montagne.“ 183

Realität haben und inwiefern, ſehr mannigfaltige Modifikatio⸗ nen und die Partheien ſehr verſchiedene Namen. Der kraſſe Nominalismus erklärte alſo die allgemeinen Begriffe für bloße Namen, und ſchrieb allein den Individuen Realität zu: Das Allgemeine (die Univerſalien) hat nur in der Sprache Realität. Umgekehrt der Realismus: Daß in dem individuellen Dinge feine Realität ift, fondern die Univerfalien allein Realität ha⸗ ben, und das ſie Unterſcheidende nur ein Accidenz oder eine reine Differenz iſt. Sie kommen nicht recht von dem Einen zum Anderen. Es waren unter ihnen, welche den richtigen Ge⸗ danken faßten, daß die Einfehräntung des Allgemeinen und zwar des Allgemeinften, des Seyns, der Entität, die Individuation eine Negation iſt. Andere: Daß dieß Einſchränkende ſelbſt et⸗ was Poſitives iſt, aber nicht durch eine Zuſammenſetzung eins mit ihm ſey, ſondern in einer metaphyſiſchen Verbindung mit. ihm ftehe, d. h. eine Verbindung, wie der Gedanke fid) mit dem Gedanken verbindet. Wohin auch dieß gehört: Daß das Indis viduelle nur ein deutlicherer Ausdrud deffen if, was fhon im allgemeinen Begriffe enthalten ift; fo daß die Begriffe, ungeach⸗ tet ihrer Theilung und an ihnen gefesten Differenz, doch einfach bleiben. Uebrigens ift Seyn, Entität fohlehthin ein Begriff. *)

Thomas, Realift, feste die allgemeine Idee als unbeflimmt,, die Individuation in der bezeichneten Materie (materia si- gnata), der Materie in ihren Dimenflonen, d. h. Beflimmungen. Das Ur-Princip ift allgemeine Idee, die Form Tann für fih feyn, actus purus (Xriftoteles); die Identität von Materie und Form, die Formen der Materie als folcher find entfernter dom Ur-Princip, die dentenden Subflanzen bloße Formen. **) Scotus if das Allgemeine vielmehr das individuelle Eins.

*) Tiedemann: Geift d. fpeful. Vhilof. Band V, S. 401 4025 Suarez: Disputationes ınetaphysicae, Disp. I, Sectio 6. %##) Tiedemann, a. a. O. Band IV, S. 490 —491; Thomas Aquinas: De ente et essent. c.3 et 6.

184 Zweiter Theil: Philoſorhie des Mittelltere,

Eins kann auch in Anderen vorkommen, die unbeftimmte Ma- terie wird durch einen inneren pofitiven Zufag individuell; das Weſen der Dinge find ihre fubftantiellen Kormen. *) Er hat viel darüber ſich den Kopf zerbrochen. Die Formaliften geflan- den den Univerſalien nur die ideale Realität in dem befchauen- den göttlichen und menſchlichen Verſtande zu, **) Nahe da- mit zufammen hängt der Gedanke, den wir bei den Scholaſtikern erft finden, nämlich fogenannte Beweife vom Daſchn Gottes zu ſuchen und zu geben. *«æ)

© William Occam.

Der Gegenſatz zwiſchen Idealiſten und Realiſten iſt zwar ſchon früh aufgekommen, aber erſt ſpäter ausgebildet und auf's Aeußerſte getrieben, beſonders durch den Franciskaner Wilhelm

Oeeam, aus dem Dorfe Occam in der Grafſchaft Surrey in England, mit dem Beinamen Doctor invineibilis, deffen Blüthe in den Anfang des 14. Jahrhunderts fällt. Seit Occam erregte der Streit allgemeines Intereffe. Sein Geburtsjahr ift nicht be= kannt. Er if höchſt berühmt durch die Gemwandtheit, die logi— Then Waffen zu handhaben: fharffinnig in Unterſcheidungen: fruchtbar, Gründe und Gegengründe zu erfinden u, f. f. Er hat

nun nad) Abälard wieder diefe Frage zur Tagesordnung gebracht, war ein Hauptverfechter des Nominalismus, der bisher nur ein-

‚zelne Freunde (Rofcelin, Abälard) gehabt. Seine Schüler hie- fen Occamiſten, die Francistaner waren Occamiſten: und die Dominikaner, nach Thomas von Aquino, Thomiften. Das Ber- hältniß der Orden und der Politit ſchlich fih ein. Dccam (und fein Orden) hat die Anfprüde der Fürften, des Königs von Frank⸗ reich und des Kaifers von Deutfchland Ludwig von Baiern, 1322

#) Tiedemann: Geist d. spek. Philos. DB. IV, 5. 609— 613; Scotus: in Magistrum sententiar. L. II, Dist. 3, Qu. 1— 6

) Kirner: Handbuch der Gefchichte der Philoſ. Band II, ©. 440, wur) S. Oben, 8. 163— 169.

- Zweier Abſchaitt. Willem Dcrem. 13 auf einem Konvente feines Ordens und fonfl, gegen dir Ins mefungen des Pabſtes auf das Stärkiie vertheidigt Wilhelm fagte unter Anderem zum Saifer: To me defendas gladio, ego te defendam calamo. Daher iſt der Gegenjag jenes Dis dens wit den Dominikanern aud in politifher Rückſicht von hoher Wichtigkeit Er wurde 1328 in den Bann gethan, und farb 1343 zu München. d)

Es fragte fi nämlid (in einer Echrift von Occam), „eb was unmittelbar und zunãchſt durch das Allgemeine und Gleich» namige bezeichnet wird, eine wahre Sache aufer der Seele, ein, dem es gemeinſchaftlich und gleihnamig, Innerlices und Eſ⸗

fentiales iſt, realiter von ihm unterfhieden.“ **%) Die Beflim-

mung der Realifien, weldye die behaupteten, wird fo angegeben: „Es ift Eine Meinung,“ fagt Occam, „daß jeglihes Allge⸗ meine, Gleihnamige eine realiter außer der Seele exiſtirende Sache ift im Jeglichen und Einzelnen, und daß das Seyn (Eſſenz) eines jeglichen Einzelnen real unterfchieden iſt von je» dem Einzelnen” von feiner Individualität „und von jes dem Allgemeinen; fo daß der allgemeine Menſch eine wahre

Sade ift außer der Seele, die realiter in jeglihem Menfchen

eriftirt, unterfchieden von Jeglichem, vom allgemeinen Lebendigen und von der allgemeinen Subſtanz und fo von allen Gattungen und Arten, fowohl den fubalternen als den nicht fubalternen.“ Das Gleichnamige fey nicht mit dem Selbſt, dem legten Punkt der Subjektivität identifh. Der Menſch ift, ift Lebendiges u. f. w.; Menſchheit, Vernunft, Schn, Leben find Prädikate, Als

gemeine. Alle diefe werden vorgeftellt als für fih im Indivi⸗

#) Brucker. Hist. crit. phil. T. III, p. 846 848.

##) ÖOccam in lıbrum I. sentent. Dist. II, Quaest. 4: Utrum illud, quod immediate et proxime denominatur ab intentione universalis et univoci, sit alıqua vera res extra anımam, intrinseca ct essentialis ıllıs, quibus est communis et univoca (Soll hier nicht et oder dergleichen das zwifchen rm) distincta realıter ab illis.

4186 Zweiter Theil, Philoſophle ded Mittelalters,

duum exiſtirend: die"Gattungen fowohl als die Arten, -fubalter- wen und nicht; jene find 3. B. Farbe u. fi w., diefe Eſſenz u. f.w. „Sp viel allgemeine Prädikabilien“ 3. B. Qualität —, „fo viele find: im einzelnen. Dinge real verſchiedene Saden, de— ven jede realiter von der anderen, und. von jenem Einzelnen un⸗ terfchieden iſt, und“ doch bleibt jede univocum; „alle. jene Sachen werden in ſich keineswegs verbielfacht, ſo ſehr aud die Einzelnen: vervielfältigt twerden, die in jedem‘ Individuum. ders felben Art find.“ *) Das; ift die härtefie Vorſtellung der Selbſt- fändigkeit, Abfonderung jeder allgemeinen Beftimmung. L

Decam widerlegt dief. Gedanken, Vorftellungen, Begriffe, Alles ift res. Occam fagt ferner: „Die reale Wiſſenſchaft un terſcheidet fi) von der rationalen nicht darin, daß jene auf die Dinge gebe, jo daß die Dinge felbft die erfannten Säge oder deren Theile wären, diefe nicht fo. auf die Dinge gehe; fondern darin, daf die Theile oder Termini,der erkannten Säge in der realen Wiffenfhaft an die Stelle der Dinge, in der rationalen aber an die Stelle anderer Termini treten.” **)

#) Occam in librum I. sententiar. Dist. IT, Qnaest. 4: Ad istam quaestionem est una opinio, quod quodlıbet universale univocum est quaedam res existens extra animam realiter in quolibet et singylari et essentia cujuslibet singularis distincta realiter a quolibet singulari et a quolibet universali; ita quod homo universalis est una vera res extra animam existens realiter in quolibet homine, et distinguitur realiter a quolibet homine et ab animali universali et a substantia univer- sali et sic de omnibus generibus et speciebus sive subalternis sive non subalternis. Quot sunt universalia praedicabilia in quid per se primo modo de aliquo singulari per se in genere, tot sunt in eo res realiter distinetae, quarum quaelibet realiter distinguitur ab alia et ab illo sin- gulari; et omnes istae res in se nullo modo multiplicantur, quantum- cunque singularia multiplicentur, quac sunt in quolibet individuo ejus- dem speciei.

%*%) Ibidem: Scientia realis non per hoc disinguitur a rationali, quod scientia realis est de rebus ita quod ipsac res sint propositiones ‚acitae vel partes illarum propositionum seitarum, et rationalis ron est sic de rebus; sed per hoc quod partes (scilicet termini) propositionum scitaram scienlia reali stant et supponunt pro rebus, non sic autem ter-

mir Ads. Film rm, 487

Reh Scers „criftirt in der aufer der Erle ſchenden Sothe dieſeibe Rater traliter mit der zu einem keilimmten Ir an ſich weder allarmıın ned intiritwell, jendern unrelliintig allgemein in der Sache una veliiindig allgemein im Ders Baar”)

Dccam firlit andere Meinungen entgegen, entſcheidet ſich nicht gerade, dech bringt cr am Meifketn für die Meinung wer, „rat das Ylgemcine nit etwas Reales if, das cin ſubjcktives Era fur ih weder in der Ecdle, noch im Dinge habe. Es if ein Gebildetes, Das aber doch objektive Realität in der Seele

“es entipreche demſelben aber doch keine Gegenfiändlikeit. „Dir Berfiand, der cine Sache außerhalb der Seele wahrnimmt, biſdet ſich ãhnliche Sache im Geiſie nad: fo daß wenn er pro⸗ duktive Kraft hatte, er ſie als numcriſches Eins berausji würde. Wem das nit gefüllt, daß dieſe Vorſtellung ge= macht genannt werde: fo fann man fagen, die Vorſtellung ſey ein Koncept, das in dem Geiſte eriflire als Zeichen eines Din⸗ ges außerhalb der Scale.” **) Tas Princip der Individugs

Mini propositionum scitarum scientia rationalı, sed ıllı termini stant et supponunt pro aliis.

#) Occam in librum I. sentent. Dist. 11, Quaest 6 (Tennemann, Band VIII, Abıh. 2, S. 852 853): In re extra anımam est natura eadem realiter cum differenua contrahente ad determinatum indivi- duum, distincta tantum formaliter, quae de se nec est unirersalis nec particularis, sed incomplete est universalis in re et complete secundum esse ın intellectu.

#%) ]bidem, Quaest. 8: .. . quod universale non est aliquid reale, habens esse subjecuvum nec ın anıma nec extra anımam; sed tamen habet esse objectivum in anıma, et est quoddam fictum habens esse tale in esse objecuvo, quale habet res extra in esse subjectivo. Et hoc per istum modum, quod intellectus videns aliquam rem extra animam fingit consimilem rem in mente, ita quod si haberet virtutem productivam, talem rem in esse subjectivo numero distinclam a priori produceret ex- tra, et esset consimiliter et proporüionabiliter sicut est de arüfice Cui non placet ista opinio de fictis, potest tenere, quod conceptus et quodlibet universale est aliqua qualitas existens subjective in mente, quae

3 weiter Theil. Philofophie des Mittelalters,

tion, de Scholaſtikern fo viel zu ſchaffen macht, wurde da= bei auf die Seite‘ geſchoben.*) Dieß ift die Hauptfrage bei den Scholaftitern, die für ſich wichtig genug if. | Die Beftimmung des Allgemeinen, die von den Scholaftis ern herkommt, ift höchſt wichtig, bezeihnend für die Bildung der neueren Welt. Das Allgemeine ift das Eine, aber nicht abfiratt, fondern vorgefiellt, gedacht als Alles in ſich befaffend. Aeiftoteles ſtellte den Schluf auf, Was dem A zutommt (zarı- yopeirar) u. f. f., und die Kategorien (& xurnyogeirau züv övrom): Blotin, befonders Proklus das unmittheilbare Eine; es wird. erfannt aus feinen Ordnungen (7EFewv), „Won dem, was. von ihnen abhängt“ (2öyumdvov, von &ferrropai), „wer⸗ den die Götter genannt; deswegen ihre Hypoſtaſen, die ihre Bes fmmtheit ausmachen, die unerkennbar find (&yrooror), iſt es möglich, aug-diefem" Znupevov „zw erkennen. Denn unausfprehbar ift für ſich alles Göttliche und unerkennbar, als dem unausſprechbaren Einen eingemachfen Go iv 15 aA ovugqveg). Aus den Theilpabenden aber, aus der Veränderung gef&icht es, derfelben Eigenthümlichkeiten zu erkennen, Daher " find Gedachte (vorroi), die das wahrhaft Seyende (TO övzwg 5») herausftrahlen. Deswegen ift das wahrhaft Seyende das gedachte Göttliche (vonzov Jeiov), und if das Unmittheilbare (Su&$extov), vor dem vodg Verwirklichte.“ **) Die riftliche Religion ift die offenbare: Gott ift das Dreieinige, alfo das Dffenbare, nicht die Triaden und das Cine unterfhieden; fon= dern eben das Eine ift das Dreifache felbft, d. h. für Anderes feyend, in fid relativ. Das Allgemeine ift das zrgüzegov, 770, rgdayeı, bei Plato und Arifioteles das Ganze, ÖAov, zär, das avze Ev.

ex natura sua est siguum rei extra, sicut vox est signum rei ad placitum instituentis. %) Tennemann, Band VIII, Abth. 2, 5. 864. %#) Procli: Institut. theol, c. 162, p. 483.

Zweiter Abfchnitt. Buridan. 189

Occam fand viele Anhänger. *) Der Streit zwifchen No⸗ minaliften und Realiften entbrannte auf das Heftigfte; und .man zeigt no ein Katheder, das von dem Plage des Opponenten durch eine Bretterwand geſchieden war, damit ſich die Disputi⸗ renden nicht in die Haare gerathen möchten. **) Bon nun an wurde die Theologie in zwei Geftalten gelehrt (theologia scholastica secundum utramque partem).

d. Buridam

Buridan, ein Nominaliſt, neigt auf die Seite der De⸗ terminiſten, daß der Wille durch die Umſtände beſtimmt würde. Gegen ihn wird der Eſel angeführt, der zwiſchen zwei gleichen Bündeln Heu umkommen müßte. ***) 2

Die Eiferfuht der Drden, der Franciskaner, weldhe Occa⸗ miften, und der Dominikaner, welche befonderg Thomiften waren, tam in den Streit beider Partheien. Berbote der parifer Unis verfität, pabftliche Bullen wurden gegen Dccam erlaffen. F) Die parifer Univerfität verbot, die Lehre des Occam vorzutragen, und den Occam zu citiren. FF) Namentli) wurde 1340 ver⸗ boten: „Kein Zehrer fol fh erfühnen, einen befannten Sag eints Schriftftclers, über den er lieft, ſchlechthin oder dem Sprach⸗ gebrauch nad) für falſch zu erklären; fondern ihn entweder zu= geben oder den wahren und falfhen Sinn unterfiheiden, weil fonft die gefährliche Folge zu beforgen, dag die Wahrheiten der Bibel auf gleihe Weife verworfen würden. Kein Lehrer foll behaupten, daß fein Sag zu unterfcheiden oder näher zu beftim= men wäre.” FF) Die Partheien wurden politifch durch die in-

*) Tennemann, Band VIII, Abth. 2, S. 983. ##) cf. Brucker. Hist, crit. phil. T. III, p. 911 912. ###) Tennemann, a. a. O. S. 914— 919. pP) Ebendaselbst, $. 925. +}) Bulaeus: Hist. Univ. Paris. T. IV, p. 237; Tennemann, : a. a. O. S. 939. ++» Tennemann, a. a. O. S. 939 940; Bulaeus, LI. p. 265.

1)

490. Zweiter Theil.‘ Philofophie des Mittelalters,

nerlichen Kriege Frankreichs. % Ludwig XL lich 1473 die Bücher der Nominaliften wegnehmen, und an Ketten legen; im Jahre 1481 wurden fie wieder losgelafen. In der theologiſchen und philoſophiſchen Fakultät follte Ariſtoteles, feine Yusleger Aver- roes, Albertus Magnus, Thomas von Aquino, erklärt und ſtu⸗ dirt werden, **)

5. Formelle Dialektik,

Das dialettiſche Intereſſe iſt aufs Höchſte getrieben wor⸗ den; es wurde ganz formeller Natur, Das Weitere iſt die in's Unendliche gehende Erfindung von terminis technieis, wie denn das formelle dinlektifche Intereffe fehr erfinderifch war, ſich Gegenftände, Probleme und Fragen, die ohne alles religiöfe und philofophifche Intereffe waren, für diefe Behandlungsweife zu treiren. Das Letzte, was noch von den Scholaftitern zw bemer- ten ift, das iſte dieß, daß fie nicht nur in den kirchlichen Lehr begeiff alle möglichen formellen Verhältniffe des Verſtandes hin⸗ eingebracht haben: ſondern daß auch dieſer an ſich intelligible Gegenſtand, die intellektuellen Vorſtellungen und religiöſen Ideen (Dogmata oder Phantaſien), als unmittelbar ſinnlich wirklich dargeftellt wurden, in die Aeußerlichkeit ganz finnliher Verhält- niffe heruntergezogen und nad) diefen methodifh betrachtet wur— den. urſprünglich lag freilich das Geiſtige zum Grunde; aber die Aeußerlichkeit, in der es zunächſt aufgefaßt iſt, hat das Gei— ſtige zugleich zu etwas volltommen Ungeifiigem gemacht. Man kann daher fagen, daß fie den kirchlichen Lehrbegriff einer Seits tief behandelt: anderer Seits, daß fie ihn durch ganz ungeeignete äuferliche Verhältniffe verweltlicht haben; fo daß hier der ſchlech⸗ tefte Sinn der Weltlichteit if, den man nehmen kann. Denn der kirchliche Lehrbegriff enthält für fih ein geſchichtliches Mo-

%#) Tennemann, Band VIII, Abth. 2, S. M4— 945.

m) Tennemann, a. a. 0.8. 45— 947; Bulaeus: Hist. Univ. Paris. T. V, p. 708, 739 740.

%

Zweiter Abſchnitt. Julian Eribiſchof von Toledo. 191

ment, eine Beſtimmung von äußerlicher Weiſe, das chriſtliche Princip enthält dieſen Zuſammenhang in fi) ſelbſt: in der ge⸗ ſchichtlichen Geſtaltung der chriſtlichen Religion findet fich eine Menge von Vorſtellungen, die mit dem Geiſtigen zwar zuſam⸗ menhangen, aber in finnlide Verhältniſſe hinüberſtreifen; wer⸗ den dieſe Verhältniſſe ausgeſponnen, ſo entſteht eine Menge Ge⸗ genſätze, Kontraſte, Widerſprüche, die für uns auch nicht das geringſte Intereſſe haben. Diefe Seite haben die Scholaſtiker aufgefaßt, und mit emdliher Dialektit behandelt. Non diefer Zeit hat man ſich fpäterhin unendlich luſtig über die Scholaflis ter gemadht.

Hiervon will ich einige Beijpiele geben. Wie die Neugierde in einer Berflandeswiffenfhaft zu Haufe if, ohne Beziehung auf den Begriff bloß Thatſachen nachgeht: fo die ſcholaſtiſche Philo⸗ fophie gerade das Gegentheil von empirifher Wiſſenſchaft. Es wurde vorzüglid ein Unterfhied gemacht zwiſchen dem eigent⸗ lihen Lehrbegriff, der indisputabel war, und den verfdiedenen Seiten, Unterfeheidungen ihrer überfinnlihen Melt, die demfels ben angehängt waren; diefe wurden betrachtet als freigelaffen vom Lehrbegriff der Kirche, oft nur temporär: der Lehrbes griff ift nicht fo befiimmt, aus den Kirdenvätern ſey alles zu beweifen, bis ein Koncilium, oder partitulare Synode ' entſchied. Ueber die Beweife, die vom Inhalt des Lchrbegriffs gegeben wurden, konnte man flreiten: und außerdem wurde noch eine Dienge von Inhalt aufgefaßt, der disputabel war, über den fie fih in endlihen Syllogismen und Formen ausgelaffen ha⸗ ben; Unterfuhungen, die in eine ganz leere formelle Disputirs Sucht ausarteten, nit bei den edlen Männern, die als doctores und Shriftfteller bekannt find.

a Julian Erzbifhof von Toledo.

So fudte Julian, Erzbifhof zu Toledo, mit dem größe⸗ fien Ernfte (wie die griechifchen Accente oder Metra oder Abs

192 ‚Zweiter Theil. Philoſophie des Mittelalters.

theilungen der Verfe), als hinge davon das Heil des Menſchen— geſchlechts ab, Fragen zu beantworten, die eine abfurde Vor— ausfegung ‚enthalten. Cs kommt z. B. eine folde Frage vor über die Geftorbenen. Der Menſch wird auferfichen, das ift kirchliche Lehre: wird mit. dem Leibe bekleidet werden, dar mit tritt man nun in die finnlihe Sphäre. Und. folde Fra gen, die aufgewotfen werden, find z. B. folgende: „In welchem Alter werden die Verftorbenen auferfichen? Als Kinder, Jüng- linge, Männer oder Greife? In welder Geftalt? Mit mas für einer Leibes- Konfiitution? Werden die Fetten wieder, fett, die Magern wieder mager werden? Wird in jenem Leben der Geſchlechtsunterſchied fortdauern? Werden die, Auferſtandenen Alles, was fie bier an Nägeln und Haaren. verloren, wieder betommen?“ *)

b. Paſchaſius Nadbertus,

Gegen 840 kam ferner auch die Streitfrage, über. die Ge— burt Jefu, ob fie natürlid) oder übernatürlich gewefen fey, in Bewegung, und veranlafte langen Streit. Pafhafius Rad— bertus fhrieb zwei Bände: De partu beatae virginis; und es ift viel darüber geſchrieben und disputirt worden. **) Man hat da fogar von einem Akkoucheur geſprochen, und dieß behan- delt; und es find viel Fragen gedacht, woran wir mit Schick⸗ lichkeit nicht einmal denken können.

Gottes Weisheit, Allmacht, Vorherfehen und. Vorherbeftim- men führten ebenfo zw einer Menge Gegenfäge in abftratten und abgefhmadten Beflimmungen. Bei Petrus Lombardus, wo von der Dreieinigkeit, Schöpfung, Fall, von den Engeln, Ord⸗ nungen und Klaffen derfelben gehandelt wird, finden fi ſolche

*) Tennemann, Yand VII, Abtheil. 1, ©. 61; Cramer: Fort- setzung von Bossuet, Th. U, B. 2, 5. 8.

=) Tennemann, a. a. O. ©. 61; Bulaeus: Hist. Univ. Paris. T. L p. 169. - J

>

Zweiter Abſchnitt. Paſchaſtus Kabberius, 193

quaestiones: „Db ein Vorherſehen und Vorherbeſtimmen Got⸗ tes moglich gewefen wäre, wenn keine Geſchöpfe gewefen wären? Wo war Gott vor der Schöpfung.” Thomas von Straße burg antwortete: Tunc ubi nunc, in se, quoniam sibi suf- heit ipse. #), Jene Frage bezicht fich auf eine lokale, klein⸗ liche Beftimmung, die Gott nidhts angeht. Ferner: „Ob Gott Mehreres wiffen Tann, als er weiß?“ als ob nod Möglichkeit von Wirklichkeit unterfhieden bliebe. „Ob Gott alle Zeit Als les könne, was er gekonnt habe? Mo die Engel nad ihrer Schöpfung geweien? Ob die Engel immer geweſen?“ Ebenfo kommen fonft no eine Menge ragen über die Engel vor. „In welchem Alter iſt Adam erfhaffen worden? Warum ifl Eva aus der Ribbe und nicht aus einem anderen Theile des Mannes genommen worden? Warum während des Schlafs und nicht im wachenden Zuftande des Menſchen? Warum ha= ben fich die erfien Menſchen im Paradies nicht begattet? Wie fich die Dienfhen würden fortgepflanzt haben, wenn fie nicht gefündigt hätten? Ob im Paradies die Kinder mit vollkom⸗ men ausgewachſenen Sliedern und mit dem vollen Gebrauch der Sinne würden geboren worden »ſeyn? Warum der Sohn und nicht der Vater oder der heilige Geift Menſch geworden ſeyen?“ Eben dieß ift der Begriff des Sohnes. „Ob Gott den Mens fhen nicht auch in dem weiblihen Gefchledhte habe annehmen Tonnen?” **)

Noch mehr find von denen hinzugefügt, die diefe Dialektik verfpotteten, 3.8. Erasmus in feinem Encomium moriae: „Ob in Chriſtus mehrere Sohnſchaften (Kliationes) feyn konnten? Ob der Sat möglih: Haft Gott der Bater den Sohn? Ob Gott auch hätte als Weib fuppofltirt werden konnen? Ob in den Teufel fahren? Ob er nicht auch in Eſels- oder Kürbis

%#) Rixner: Handb. d. Gesch. d. Phil. Band Il, S. 153. *x) Tennemann, Band VIII, Abth. 4, ©. 236 257,

Geſch. d. Phil. ** 13

weiter Theil, Philofophie des Mittelalters,

Nerſcheinen können? (Num Deus potuerit 'suppo- »mulierem? num diabolum? num asinum? num cu- m?) Yuf welde Weife (quemadmodum) der Kürbis digt haben würde? Wunder gethan? Wie gekreuzigt wor⸗ pn?“ *) So wurden Zufammienftellungen. und. Un- dungen: von Berftandesbefiimmungen ohne allen Sinn und en gemacht. Die Hauptfadhe ift, daß fie wie Barbaren

e Dinge nahmen, fie unter die ſinnlichen Beftimmungen \ N Me brachten. Cine völlige finnliche Feſtigkeit, diefe | den Formen der Sinnlofigkeit haben fie ſo in dieß iſtige gebradt, und es damit verweltlicht: wie Hans yöttliche Geſchichte vernürndergert. Esliegt in fol- sttellungen, wie in der Bibel vom Horn Gottes, der ngsgefchichte Gottes, daß Gott dieß und jenes gethan, is Menſchliches und Derbes; Gott ift nicht fo fremd zw neh⸗ fondern einen Muth, ein Herz gegen ihn zu haben, nicht Unnahbare. Aber ein Anderes ift, ihn in das Gebiet des ns zw ziehen, Ernft daraus zu machen. Das Entgegen- getegte ift, argumenta pro und contra vorzubringen, fie ent ſcheiden nicht, helfen nichts; Worausfegungen find ſolche finnliche und endlihe Beftimmungen, alfo unendliche Unterfheidungen. Diefe Verftandesbärbarei ift ganz vernunftlos. Es fah fo aus, wie wenn man Schweinen ein goldenes Halsband angethan. Das Eine ift die Idee der hriftlihen Religion, und dazu die Philoſophie des edlen Arifloteles; Beides konnte nicht ärger in den Koth gezogen werden. So weit hatten die Chriflen ihre

geiftige Idee heruntergebracht.

6 Myſtiker.

Hiermit find nun die Haupt- Momente angegeben, die bei der fcholaftifchen Philofophie in Betracht kommen, indem wir

#) Brucker. Hist. crit. phil. T. III, p. 878.

Zweiter Abſchnitt. Johann Charlier. Raimund von Sabunde. 195

eben noch dieſe Verweltlichung, dieß Hineinbringen von Ver⸗ ſtandesunterſchieden und finnlichen Verhältniſſen in das, was an und für ſich ſeiner Natur nach Geiſtiges, Abſolutes und Unend⸗ liches iſt, geſehen haben. Es muß in Rückficht auf die letztere Richtung noch bemerkt werden, daß neben dieſer Verendlichung aber auch einzelne edle Männer, dieſer Sucht edle Geiſter gegenüberſtanden. &s müſſen herausgehoben werden viele große Scholaſtiker, die man Myſtiker genannt hat, zu unterfcheiden von den eigentlichen kirchlichen Scholaftitern, obgleich verflochten damit. Diefe haben weniger Antheil an diefem Disputiren und Beweiſen genommen, und fi in Anfehung der Kirchenlchre und der philoſophiſchen Betraidtung rein erhalten. Es find Theile fromme, geiftreihe Männer gewefen, die das Nhilofophiren in der Weife der neuplatonifähen Philoſophie fortgefest haben: früs der Scores Erigena, Bei folgen findet man ächtes Philoſo⸗ Hhiren, was mati auch Miyflictsmns nennt; es geht bis zur In⸗ aigtett fort‘, hat; mit: dem Spinozismus die größte Aehnlichkeit. Ste: haben: auch die Meralität, Religiofltät aus wahrhaften Empfindungen gefchöpft, und Betrachtungen, Vorfchriften u. f. f. ‘über Phitoſophie it Diem Sinne gegeben.

a Johann Charlier.

Johann Ehyarltier, gewähnlider von Jerfon oder Ger⸗ fi on, wurde 1363 geberen; er ſchrieb eine tkeologia mystica. *)

b. Raimund von Sabunde

Chenfo hat Raimund von: Sabunde oder Sabehde, ein Spanier im 15. Jahrhundert, Brofeffor zu Zouloufe um 1437, in feiner theologta naturalis, weldye er in einem fpelus lativen Geifte auffaßte, über die Natur der Dinge, über die Of⸗ fenbarung Gottes in der Natur und in der Geſchichte des Gotts

%) Tennemann, Band VIII, Adth. 2, S. 965 6. 13 *

4196 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters,

menſchen geſchrieben. Er fuchte das Sehn, die Dreieinigkeit, die Seugung, das Leben und die Offenbarung Gottes in der Natur und im der Gefchichte des Gottmenſchen den Angläubigen aus der Vernunft zu erweifen, Aus der Betrachtung der Natur tommt er auf Gott, reiner, einfacher; ebenfo ift Moralität aus dem Innern geſchöpft. ) Diefe Weife ift dann jener .gegen- über zu ftellen, um. den ſcholaſtiſchen Theologen auch Gerechtig⸗ teit widerfahren zu Laffen. ; a

© Roger Baco,

Roger Baco bearbeitete befonders Phyſit, blieb * Wir⸗ tung, erfand Schießpulver, Spiegel, Ferngläſer; ‚er ſtarb 1294.*)

d. Raimund Lullus.

Raimund Lullus, Doctor illuminatus, hat fi 3 berühmt gemacht, die ars: lulliana ft von ihm; er nannteidie Kunſt, die er aufſtellte, ars magna, ‚Er war aus Majorte, wo er 1234 geboren wurde. Er ift excentriſch, eine won ‚den gährenden Naturen, die fich in Allem herumwerfen. Diefer hatte Hang zur Alchemie und großen Enthuſiasmus für die Wiffen- ſchaften überhaupt, wie eine feurige unruhige Einbildungstraft. In feiner Jugend lebte er ausſchweifend, ſchwärmte früh in Ver⸗ gnügungen herum; dann zog er fi) in eine Einöde zurüd, und hatte dort viele Viſtonen von Jefus. Und dabei wurde in fei- ner heftigen Natur der Trieb ausgebildet, der Verbreitung der chriſtlichen Seligkeit unter den Muhamedanern in Afien und Afrika fein Leben zu weihen; er lernte arabifh zu feinem Bes kehrungswerk, bereifte Europa und Aſien, fuchte um Unterftügung beim Pabft und allen Königen Europa’s nad; dabei hat er ſich

*) Nirmer: Handbuch d. Geſchithte d. Philof. Band IT, S. 1575 Tennemann, Band VIII, Abth. 2, $. %4 fg; Tiedemann: Geist d. spek. Phil. Band V,, S. 290 fig.

##) Tennemaun, a. a. O, 5. A829.

Zweiter Abſchnint. Raimund Lullus. 197

mit feiner Kunſt beſchäftigt Cr wurde verfolgt, duldete viele Mühfeligkeiten, Abentheuer, ZTodesgefahren, Gefangenfchaften, Mißhandlungen. In Paris bat er lange gelebt am Anfange des 14. Jahrhunderts, verfertigte bei 400 Schriften. Rach eis nem hochſt unruhigen Leben als Heiliger und Märthrer vers ehrt flarb er 1315 an den Folgen von Mißhandlungen, weiße er in Afrika erlitten hatte. *) :

Seine Kunft bezieht fih nun auf das Denken. Näher war das Hauptbeflreben diefes Diannes eine Aufzählung und Anordnung aller Begriffsbeffimmungen,- der reinen Kategorien, wohinein alle Gegenftände falten, danach befiimmt werden kön⸗ nen, um dom jedem Gegenftand leicht die auf ihn anzumenden- den Begriffe angeben zu können. Cr ift ſo ſyſtematiſch; dieſes wird mechaniſch. Er hat Tableau gemacht in Kreiſen, denen Dreiecke eingezeichnet, zu Grunde gelegt waren, wo hindurch Krriſe geben. In diefen :Rreifen hat er die Begriffsbefiimmuns‘ den: geordnet, 'umd- fie: voliftändig aufzutragen verſucht. Bon diefen SKreifen war:ein- Theil unbeweglich, ein anderer beweglich, die dann daͤrauf paßten verglichen mit den Dräditaten. Die Kreife mußten auf gewiffe Weife geftellt werden, um richtige Kombinationen zu betommen; durd die Regeln des Herumdres hens, wo die Prädikate fo auf einander fallen, follte die allges meine Wiffenfchaft durch diefe Gedankenbeſtimmungen erfhöpft werden. Cr befchrieb ſechs Kreife, deren zwei die Subjekte, drei die Prädikate, und der äußerſte die möglihen Fragen ans giebt. Bon jeder Klaſſe hat er neun Beflimmungen gehabt, zu deren Bezeichnung er neun Buchſtaben BEDEFGHIK wählte. So hat er 1) neun abfolute Prädikate um die Tafel gefchries- ben: Güte, Größe, Dauer (Ewigkeit), Macht, Weisheit, Wols len (Wille), Tugend, Wahrheit, Herrlichkeit; dann 2) neun

J

*) Rixner: Lehrbuch d. Gesch. d. Philos. Band II, S. 126; Tennemann, Band VIII, Abth. 2, S. 829 833.

198° Zieiten, Theil, Philofophie. des Mitelttere, \ zelative Präditate; Verſchiedenheit, Einerleiheit, Entgegenfegung, Anfang, ‚Mitte, Ende, Größerfepn, Gleichſeyn, Kleinerſeyn; 3) Ob? Was? Wovon? Warum? Wie groß? Bon welder Beſchaffenheit (guale)? Wann? Wo? Wie und womit? Dief,Neunte enthält zwei: Beflimmungen);, 4) Neun Subflans zen (esse), als: Gott (divinum), Engel (angelicum), Himmel (Ceoeleste), Menfd (humanum), Imaginatiyum, Sensitivum, Vegetativum,.. Elementativum, ‚Instrumentativum; 5). neun Accidenzen, d. i. natürliche Beziehungen: Quantitas; Qualitas, Relatio, Actio, Passio ete.;, und 6) neun moralifche Bezie⸗ hungen, Tugenden: Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit u. ſ. Diefe nun hat. er, wie.bemerkt, zufammen auf bewegliche Kreiſe bezeichnet, fo daß man, indem man dieſe Kreiſe drehe, und zu einquder ftelle, für elle Subftanzen die ihnen zutommenden ab—⸗ foluten und. relativen Prädikate auf die gehörige Weiſe ver⸗ binde; durch die in diefelben gezeichneten, Dreiede entfichen Kom⸗ binationen, und durch die Kombinationen, follten die, konkreten Gegenftände, überhaupt alle Wahrheit, Wiſſenſchaft, Erkenntniß beſtimmt feyn, %. Dieß hieß. num die lulliſche Kunftz

€. Allgemeiner Stantpunkt her Scholaſtiker

überhaupt.

Wir haben nach dieſen Specialien ein Urtheil über die Scholaſtiker, eine Rechenſchaft von ihnen zu geben. Sie unter⸗ ſuchten fo hohe Gegenflände, Religion; das Denken wurde fo frigfindig ausgebildet; es gab edle, tieffinnige Individuen, Ges lehrte. Und doc iR dieß Ganze eine ganz barbariſche Philoſo⸗ phie des Verſtandes, ohne realen Stoff, Inhalt; es erregt uns

%) Tennemann, Band VIII, Abth. 2, 8. 84 83: Rirner: Handbuch d. Geſch. d. Phil. Band II, Anhang S. 86— 89; Jordanus Brunus Nolanus: De compendiosa architectura et complemento artis Lullii, Sectio II (Bruni Scripta, quae latine confeeit, om- nia; ed. Gfrörer, Stutigardiae 183, Fasciculus II, p. U3— 264).

Zweiter Abfchnitt. Philofophie der Scholaftiker. 499

kein wahrhaftes Interefie, und wir Tonnen nicht dahin zurück⸗ tehren. Es ift Form, leerer Verſtand, der fih in grundlofen Berbindungen von Kategorien, Berflandesbeflimmungen berums treibt. Das intellektuelle Reich iſt droben, fo nicht bei den Reuplatonitern, ausſtaffirt mit ſinnlichen Berhältniffen (ſchon Vater, Sohn), Engeln, Heiligen, Märtprern, flatt der Gedan⸗ ten; die Gedanken find ſtroherne Verſtandes⸗Metaphyſik. Wozu altes diefes? Es liegt hinter uns als Vergangenheit, es muß uns für fich unbrauchbar bleiben.

Es Hilft nichts, das Mittelalter eine barbarifche Zeit zw nennen. Es iſt eine eigenthümlidhe Art der Barbarei, nicht der unbefangenen, rohen, fondern die höchfte Idee und die höchſte Bildung zur Barbarei geworden, was eben die gräßlichfle Ge⸗ falt der Barbarei und Verkehrung if, die abfolute Idee, und zwar durch's Denken, zu verkehren. Wir fehen göttliche Welt, äußerlich, obzwar in der Vorſtellung, trodenen, leeren Verſtand; dadurd) wird jene göttliche Welt, obgleich ihrer Na⸗ tur nad) das rein: Spelulative, doch verftändigt, verſinnlicht, nicht wie Kunſt, fondern im Gegentheil als Verhältniß der ges meinen Wirklichkeit. Die Scholaftit ift die gänzlihe Verwir⸗ rung des Berftandes in dem Knorren der nordifch= germanifchen Katur. Wir haben zweierlei Welten: ein Reich des Lebens, ein Reich des Todes. Die göttliche Welt war für die Einbildungs- kraft, Andacht bevölkert durch Engel, Heilige, Märtyrer; in der überfinnlihen Welt war keine Natur, eine Wirklichkeit des den» tenden, allgemeinen, vernünftigen Selbftbewußtfeyns. In der unmittelbaren Welt, ſinnlichen Natur war keine Göttlichkeit, weil fie nur das Grab des Gottes, wie der Gott außer jener. Zum göttlichen Reich, von Verftorbenen bewohnt, war nur duch den od zu gelangen; die natürliche Welt war ebenfo todt, belebt nur durch den Schein jener und die Hoffnung, hatte ſie eine Gegenwart. Es half nit, Mittelmefen als ein Band einzufchieben, Maria, die Heiligen, Verftorbenen in einer jenfeis

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200 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

tigen Welt. Die Verföhnung war formell, nicht an und für ſich, nur Schnfucht des Menfchen, Befriedigung nur in eis ner anderen Welt.

Einem Volke von Barbaren war eine unendliche Wahrheit anvertraut. Wenn wir den am nächften bei der Hand liegen⸗ den Grgenfag gegen die ſcholaſtiſche Philofophier und Theologie und das Treiben des ſcholaſtiſchen Willens ſuchen, fo können wir fagen: es ift der gefunde Menſchenverſtand, Erfahrung (ãu—⸗ fere und innere), Naturanfchauung, Menſchlichkeit, Humanität. Der Geift, Charakter z. B. der griehifhen Humanität war, dag alles Konkrete, alles Intereffe für den Geift, das Denken eine Präfenz, Gegenwart in der menſchlichen Bruft hatte, in feinen Gefühlen, in feinen Gedanken feine Wurzel hat. Das verftäns dige Bewußtſeyn, die gebildete Wiſſenſchaft hat an foldem In» halte ihren realen Stoff, worin fie bei fich ſelbſt ift und bleibt.

Das Wiffen befchäftigt ih allenthafben mit feinen Angelegens -

heiten, und an diefem Stoffe, an der Natur und deren feften Gefegen, hat das Intereſſe den Maaßſtab und die Richtung fi zu orientiren; es bleibt ſich getreu, und fein Ernft und fein "Spiel bat fein Maaß daran. Auch die Verirrungen auf diefem Boden haben ihr Ziel an dem feften Mittelpunkte des Selbft- bewußtſeyhns des menſchlichen Geiftes, und als Verirrungen felbft haben fie darin eine Wurzel, die als Wurzel ihre Rechtfertigung bat; nur die einfeitigen Entfernungen von der Einheit diefer Wurzel mit dem ganz konkreten Grund und Keime find das Mangelhafte. Was wir hier dagegen fehen, ift die abfolute, unendliche Wahrheit, als Geift ausgefproden, in Barbaren ges legt, in Menſchen, die nicht das Selbſtbewußtſeyn ihrer geifligen Menſchheit haben, noch nicht menſchliches Bewußtſeyn, Men- fhenbruft, aber nit menſchlichen Geift haben. Die abfolute Wahrheit realifirt, vergegenwärtigt fi noch nicht im wirklichen Bewußtſeyn, fondern die Menſchen find aus fich Herausgeriffen; für fie befindet fi der Inhalt, die unendliche Wahrheit des Geiftes,

Zweiter Abfchnitt. Philofophie der Scholaftiker. 20

noch in ein fremdartiges Gefäß, voll des intenfiuften Triebes phnfifchen und geiftigen Lebens, in fie hineingelegt, aber als ein centnerfchwerer Stein, deflen ungeheuern Drud fie nur empfin⸗ den, nicht verdauen, mit dem Triebe noch nicht affimilicen: und nur Beruhigung, Verſöhnung finden konnen, indem ſie ſchlech⸗ terdings außer fi kommen, und wild in dem und durd) das geworden find, was ihren Geiſt ruhig und mild machen follte.

Die Religion hat hier in diefem Zuſtand ihre Sphäre, ihre wahrhaft edle und ſchöne Geftalt nur in wenigen einzelnen Ins dividuen, und zwar in ſolchen, die der Welt. abgeftorben, von ihr entfernt find, die fld in der Empfindung halten können: fo in Weibern des Mittelalters, oder in Mönchen oder anderen Einfledlern, die fi) in der kontratten, zufammengezogenen, zu⸗ fammengehaltenen Innigkeit des Herzens und Geifles, . einer Wirklichkeitsloſigkeit halten Tonnen. Die Eine Wahrheit fland tfolirt im Menſchen, die ganze Mirklichleit des Geifles war noch nicht dadurdy durchgebildet; Gemüther, die in einem kleinen Kreife lebend ſich auf die Religion befchränten, zeigen Schönheit.

Auf der anderen Seite iſt es aber nothwendig, daß der Geift als Wille, Triebe, Leidenſchaft noch eine ganz andere Stel- Yung, Yusbreitung, Verwirklichung als ſolche einfame Kontrak⸗ tion fordert, daß die Welt einen ausgedehnteren Kreis des

Daſeyns erfordert, einen wirklichen Zuſammenhalt der Indivi⸗

duen, Vernünftigkeit und Gedanken in den wirklichen Verhält⸗ niffen und den Handlungen. Diefer Kreis der Berwirklidhung des Geiftes, das menfchliche Leben, ift aber zunächſte abgefchnitten von jener geifligen Region der Wahrheit. Die fupjeltive Zus gend hat mehr den Charakter des Schmerzes und der Entbehs rung für fih, die Sittlichkeit iſt eben dieſes Sich» Entziehen, Aufgeben: und die Tugend gegen Andere nur der.der Mildthäs tigkeit, ein Momentanes, AZufälliges, Verhältnißloſes. Alles das, was zur Wirklichkeit gehört, ift fo nicht durchgebildet durch die Wahrheit; diefe ift nur ein Himmliſches, ein Jenſeits. Die

202 ‚weiter Theil. Philoſophie des Mittelalters.

Wirklichkeit, das; Irdiſche ift damit gottverlaffen, und fo. Mills 2ürz alfo einzelne wenige Individuen. find heilig, die anderen unheilig· Wir ſehen in dieſen Anderen die Abwerhfelung ‚von der Heiligkeit eines, Moments in der Vierteltunde ‚des Kultus: und dann wochenlang ein Leben der rohſten Eigenſüchtigkeit, Gewaltthat und graufamfien Leidenschaft. ı Es iſt ſchön, das Kreuzfahrerheer, als fie Jeruſalem anſichtig waren, alle betend, Buße thuend, ihr Herz zerknirſchend auf die Stirne fallen und anbeten zu fehen: Aber dieß iſt ein Moment, der) auf monat lange Rohheit, Tollheit, Abſcheulichkeit, Dummheit, Gemeinheit, Leidenſchaft gefolgt iſt, die ſich überall bewies auf ihrem Zuge. Mit höchſter Tapferkeit haben fie die heilige. Stadt geſtürmt, amd. darauf ſich in Blut gebadet, und. in. viehifher Wildheit ges wüthet;)davon find fie wieder in Zerknirſchung und Buße über- gegangen; dann fiehen ſie verſöhnt und) geheiligt auf von den Knien, und überliefen ſich wieder allem Kleinlichkeiten elender Leis denſchaften, für Rohheit und Geiz, Habfucht, Lüfte thätig zu feyn.

Die, Wahrheit war auch nicht Fundament der Wirtlichteit. Deswegen zerfich das allgemeine Leben in zwei Theile; ſo fehen wie zwei Reiche, nämlich ein geiftiges und ein weltliches, Kaifer und Pabſtthum, fhroff einander gegenüber ſtehen: Kirche und tein Staat, fondern Reich, weltliche Herrſchaft, jene die jenfeits liegende, diefes die dieffeits liegende Welt. Zwei abfolut we⸗ fentlihe Prineipien zerſchlagen ſich an einander; die. weltliche Rohheit, die Knorrigkeit des individuellen Wollens erzeugt die hãrteſte, fürchterlichſte Entgegenfegung.

Ebenſo bodenlos iſt denn auch die Wiſſenſchaft. a. Der denkende Verſtand macht ſich an die Myſterien der Religion; fie find ganz ſpekulativer Inhalt, Inhalt nur für den vernünf— tigen Begriff. Aber das Myſerium, der Geift, diefes Bernünf- tige ift noch nicht in das Denten eingekehrt; das Denken ift daher gottverlaffenes, nur abſtrakter, endlicher Berfiand, in ſich nur formell, gehaltlofes Denken, das jener Tiefe entfremdet if,

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Zweiter Abſchnitt. Philofophie dee Scholaflifer. 203

felbft indem es fi mit diefem Gegenflande befchäftigt. Seinen Anhalt ſchöpft der Verſtand ganz aus einem Soldhen, dem er ſchlechthin, das ihm auch ſchlechthin fremd bleibt; er iſt übers haupt nicht befhräntt, fo maaßlos in feinen Beflimmungen und Unterfheidungn, gleichſam wie wenn man mit Willtür Sätze, Worte und Töne bilden und. verbinden wollte, bei denen Hi vorausgeſetzt ift, daß fie für fih einen Sinn ausdrüden fol

len (Sinn, Bedeutung ift Konkretes), die nur. fprechbar ſeyn, teine Grenze haben follen als die Möglichkeit (ſich nicht zu wi⸗ derſprechen ·

6. Inſofern der Verſtand ſich an den gegebenen religiöſen Inhalt hält, ſe kann er dieſen Inhalt beweiſen, daß es ſo ſeyn muß; und dieſe Einficht kann aufgewieſen werden, wie bei eis nem geometrifhen Sage. Uber es bleibt immer. noch etwas übrig, mas zur Befriedigung: gehört; bewiegen es, aber ich begreife es doch nicht. So ifl der vortrefflihe Sat Anſelms, an dem man den Charakter des fchrlaflifchen Verſtandes über- haupt fickt, ) Beweis, nicht Begreifen des Daſeyns Gottes. Mit. jener Einfihr habe ich nicht das Legte gewonnen, nicht das, was ich will; es.fehlt das Ich, das innige Band, die Innigkeit als .Iunigkeit, des. Gedaukens. Diefe liegt nur im. Begriffe, in der Einheit des Einzelnen und Allgemeinen, des Seyns und Denkens; zum Begreifen diefer Einheit müßte erkannt werden, daß das Seyn aus fi felbft fich zum Begriffe macht und ums gekehrt, Denten und Seyn identifh find. Das ift die Innig⸗ keit, nicht die nothivendige Folge aus Vorausfegungen; nicht die Natur des Denkens und Seyns ift hier Objekt, was fie find, iſt vorausgeſetzt.

y. Wenn dieſer Verſtavd aber fo von Erfahrung, einem gegebenen konkreten Inhalt, beſtimmter Naturanfchauung, menſch⸗ lihem Gemüth, Recht, Pfliht infofern die Innigteit ebenfo

%), Siehe Oben, S. 166 168.

204 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

dieß iſt ausgeht, ſeine Veſtimmungen zum Behuf ſo zu far | gen'diefes "Inhalts findet, er von da auf Abſtraktionen kommt ſo zB in der Phyſit auf Materie und Kräfte —: fo hat Ver, obgleich feine Form, ſolches Allgemeine, nun dem Inhalt nicht Genüge thut, daran doc einen fetten Punkt, an dem er fidy orientiet, eine Grenze für die Reflerion, die ſonſt ins Maaß⸗ loſe fortginge. Oder man hat konkrete Anſchauung von Staat; Familie; das Raifonnement Hat am Inhalt feſten Punkt, der es dirigirt, eine Vorſtellung, welche die Hauptſache iſt. And die Mangelhaftigkeit ſeiner Form wird verſteckt und vergeſſen gemacht, der Accent nicht darauf gelegt. Hier wurde aber nicht von einer ſolchen Grundlage ausgegangen. Bei dieſem ſcholaſti— ſchen Verſtande war es vielmehr, daß ſie die Verſtandesbildung ‚als Tradition (in den Kategorien) empfangen haben; fpäternift dieſem geiſtverlaſſenen Verſtande die Philoſophie des Ariſtoteles indie Hände gefallen." Ste iſt aber ein zweiſchneidiges Schwerdt; ſie iſt höchſt beſtimmter, klarer Verftand,der zugleich ſpekulativer Begriff ifo die abſtrakten Verſtandesbeſtimmungen herausgenom⸗ men, haltungslos für ſich, übergehend, dialektiſch, haben nur: in ihrer Verbindung Wahrheit. Das Spekulative iſt dadurch ge⸗ genwãrtig bei Ariſtoteles, daß ſolches Denken ſich“ nicht dem Res flektiren für fi überläßt, ſondern immerfort die konkrete Natur des Gegenſtandes vor ſich hat; dieſe Natur iſt der Begriff der Sache: das ſpekulative Wefen der Sache ift der regierende Geiſt, welcher die Reflerions- Befiimmungen nicht. frei. für ſich läßt. Die Scholaftiter haben die ariſtoteliſche Philoſophie als äußerlich Trhalten; fie find nicht von diefen Gegenfländen aus» gegangen, welche die Betrachtung regieren, fondern fle haben nur den ãußerlichen Berftand davon übertommen und ſich darin, aus- gebreitet. Weil kein Maaß für denſelben vorhanden war wer der durch die konkrete Anſchauung noch durch den zeinen Begriff ſelbſt, fo if dee Verſtand in. feiner Aeußerlichteit als regellos geblieben. Sie haben die abftrakten Verſtandesbeſtimmungen feft

Zweiter Abfchnitt. Philofophie der Scholaſtiker. 2085

gemacht, immer unangemeflen ihrem abfoluten Stoffe, ebenfo jedes Beifpiel aus dem gemeinen Leben als Stoff ‚genommen: und da jeder Fall, -das Konkrete ihnen widerfpricht, fo fie nur fefthalten können durch Beftimmen, Einfhränten, und fo fi in eine endlofe Menge von Diftinktionen verflochten, die felbft ebenfo im und durch das Konkrete gehalten, erhalten würden. Co ift kein gefunder Dienfchenverfiand in ſolchem Treiben der Scholaſtiker. Gefunder Menſchenverſtand darf nicht gegen Spes tulation, wohl aber gegen bodenlofe Reflexion auftreten; bie ariftotelifche Philofophie ift das Gegentheil hiervon, eben fo im diefem Treiben fi felbfi entfremdet. Ebenfo feft ift die Vor⸗ flellung der überfinnlihen Welt, Engel u. f. f.; ohne alles Ur⸗ theil, barbarifcher Weife haben fie diefen Stoff weiter bearbeis tet, ebenfo wie mit endlihem Verſtande, mit endlichen Vor⸗ ftellungen, Berhältniffen bereichert und betrachtet. Es iſt kein immanentes Prineip im Denken felbfl, fondern der Verfiand der Scholaftiter hat eine fertige Metaphyfik in die Hände bekom⸗ men ohne Bedürfniß feiner Beziehung auf das Konkrete; fie wurde getödtet, die Theile find geifllos verzweigt und vereinzelt worden. Drian könnte von den Scholaftitern fagen, fie haben ohne BVorftellung philofophirt, d. i. ohne ein Konkretes; esse reale, esse formale, esse objectivum, quidditas, zi 7 eivaı haben fie zu Subjetten gemadt. Gefunder Menfchenver⸗ fland hat ein Subſtrat, eine Regel für die abflrakten Verſtan⸗ desbeflimmungen. oo.

6. Diefer rohe Verftand hat dann zugleich Alles gleichge- macht, nivellirt, wegen feiner abftraften Allgemeinheit,’ die das Geltende; ebenfo iſt es auch im Politiſchen, er geht aufs poü⸗ tiſche Gleichmachen. Der rohe Verſtand hat nicht ſich, feine Endlichkeit vernichtet, den Himmel, die Idee, die intellek⸗ tuelle, myſtiſche, ſpekulative Welt in ſeiner Anwendung ſo ſchlecht⸗ hin verendlicht; denn er macht keinen Unterſchied, ob ſeine Be⸗ ſtimmungen bier gelten ober nicht, wo das Endliche gilt, mp

206 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

es nicht gilt: Daher jene ſinnloſen Fragen und Bemühungen, fie" zu entſcheiden; finnlos, abſcheulich, abgeſchmackt ift das, wenn Candy mit richtiger Konfequenz) Beſtimmungen in ein: Feld ‘ges bracht werden, wo fie gar nicht hingehören, Ebenſo iſt hier nicht der Ort zu entfeheiden, welde Konfequenzen zu machen find; als Borfiellungen feiner Phantafte läßt er fie im Nebu—⸗ loſen. "Der Berftand macht nicht den Unterſchied (und kann es nicht), welde Beflimmungen wenn näher beftiimmt werden foll hingehören, um konkreten Inhalt in feiner Algemein- heit aufzufaſſen beim Apfel im Paradiefe fragt er, welcher - Sorte von Yepfeln er angehörte Die Brücke vom Allgemeinen zum Befonderen fehlt. So wird das Recht eingetheilt in ka⸗ noniſches, Kriminale Rede vn. f wez der Cintheilungsgrund wird nicht aus dein Allgemeinen felbft genommen, es iſt ſo unbe Fimmt, welde befondere Beſtimmung dem allgemeinen Gegen- ſtande zukommt: Iſt diefer Gegenftand Gott, 3. B. Gott‘ ifi Menſch worden, fo ift die Beziehung zwiſchen Gott und Menſch nicht aus ihter Natur geſchöpft; Gott überhaupt erſcheint, alſo auf jegliche Weife, So kommt leicht herein, bei Gott iſt nichts unmöglich; fo kommt der Kürbis herein, es iſt gleichgültig, in welder Beftimmung das Allgemeine gefegt wird.

Wir baden nun von dem weiteren Fortgange des allge- meinen Geiftes zu fprechen. Unter den Gelehrten: zeigt fih die Unwiſſenheit ũber's Vernünftige, volltommene, ungeheure Geift- loſigkeit, ebenſo die gräulichſte, gänzliche Unwiſſenheit bei den uUebrigen, den Möuchen. Das Verderben des: Erkennens machte den ebergamg zu einer Veränderung; indem deri-Himmel, das Göttliche fo herabgefetzt, hob fi die Erhabenheit des Gei— fies über das Weltliye, feine geiffige Uebermacht über daffelbe auf. - Denn wie fahen, daß: die überfinnlihe Welt der Wahr- yeit, Religion- (als Welt von Vorfiellungen) durch das Gleich- machen des Verflandes ruiniert wurde. Wir haben: einer Seits geſehen eine Behandlung des Lehrbegriffs auf philoſophiſche

"Zweiter Abſchnitt. Uebergang aus dem Mütelslter. 207

Weiſe, aber aud eine Ausbildung des formell logifchen Gedan⸗ tens, die Berweltlichung des an und für fich ſeyenden, abfoluten Inhalts. Ebenſo hat fid) die eriflirende Kirche, dieſes Daſeyn des Himmels auf Erden, mit dem Weltlihen ausgeglichen; fie if ruinirt, verweltlicht worden, und zugleich auf eine empörende Weiſe. Das Weltliche fol nur weltlich ſeyn, dieß Weltliche aber zugleich die Würde und ‚Autorität des Göttlihen haben. So wie in Anfehung der Wirklichkeit nicht bloß des Erken⸗ nens das Regiment der Kirdde ganz weltlid geworden, in Herrſchaft, Beherrſchung, Reichthum, Länderbefig übergegangen: iſt ſomit auch fo ihr Unterſchied ruinirt, Beides ausgeglichen, aber nicht auf eine vernünftige Weiſe, ſondern für die Kirche auf eine Weiſe, welche Verdorbenheit iſt. Abſcheuliche Sitten und ſchlechte Leidenſchaften, Willkür, Wolluſt, Beſtechung, Lie⸗ derlichkeit, Habſucht, Laſter haben fi in ihr eingefunden; und fie hat das Verhältniß der Herrſchaft gegründet und feſtgehalten. Diefer Ruin der überfinnlihen Welt, als vorgeftellt und als gegemwärtige Kirche, ifl es, der den Menſchen hat treiben müſ⸗ fen aus einem foldhen Tempel, Allerheiligſten, das verendlid wurde. . Mir haben näher die Principien, die eingetreten und ein⸗ ander gegenüber ſtehen, und ihre Entwidelung anzugeben, um den Uebergang in die neue Gefhichte und den Standpuntt der. Philoſophie zu faffen. Weil nun auf diefe und ähnliche Weife der dee des Geiſtes gleichſam das Herz durchſtochen war, blies. ben die Theile geifllos und leblos, und wurden: fo von ‚dem Berftande verarbeitet. Das Denken war dadurch, daß es an eine YHeuferlichteit gebunden war, auch verrüdt,. und der Geift war in ihm nicht mehr für den Geift thätig. Das Daſeyn der Kirche als die Regierung Chriſti auf Erden, der eine Außerliche Eriftenz gegenüber fleht, ift das Höhere, das Herrfchende; denn die Religion muß das. Zeitliche beherrſchen. Durch die Inter werfung der weltlichen. Macht war die. Kirche Theokratie, wurde

208 Zwelter Theil. Philofophie des Mittelalters.

ſo ſelbſt weltlich, und zwar eben die gräulichſte, barbariſchſte Wirklichkeit. Denn Staat, Regierung, Recht, Eigenthum, bürs gerliche Ordnung, dief ift das Religiöfe als vernünftige Uns -terfchiede, d; h. für ſich feſte Geſetze, Das Gelten der Glieder, Stände, Abtheilungen, ihre unterfhiedenen Beſchäftigungen, die Stufen und Grade, des Böſen, ebenſo wie des Guten, find Her austreten in Form der Endlichteit, Wirklichkeit, Exiſtenz des fubjettiven Willens. Das Religiöfe hat nur die Form der Un—⸗ endlichteit. Alle Gefege des Guten find ebenfo über den Haus fen ‚geworfen, als das Böfe und feine Strafen: unendlich. ges maht: Die Kirche ift in ihrem äußerlihen Daſeyn unverletzlich; jedes Vergehen an ihr ift Kegerei, Verlegung.des ‚Heiligen, An⸗ dere Meinungen’ werden auch mit dem Tode. befitaft: fo die Ketzerei, und dann die nicht orthodoren Chriften, die heterodox gegen die Beitimmungen einer endlofen Dogmatik mit den abs flrakteften, leerften Beftimmungen. Diefe Vermiſchung des Hei— ligen, Göttlichen, Unverlegbaren mit den zeitlichen Intereſſen, die: zur volltommenen Willkür, Laſter, gänzlich ungebundenen ' Lüften fortgeht, weil fie nicht durch Gefege gehalten: wird, er⸗ zeugt einer Seits Fanatismus, wie bei den Türken, anderer Seits Demuth, obedientia passiva gegen dieß Furchtbare, Raicität.

Gegen diefe Entzweiung hat fi dann aber auf der ande- ren Seite das Weltliche in ſich vergeiftiigt; oder es hat fih in ſich feftgefegt, und zwar auf eine durd den Geift berechtigte Weiſe. Dem Geiſtigen, der Religion fehlte die Gegenwart ih⸗ ver höchſten Spige, die gegenwärtige Wirklichkeit ihres Hauptes; der Gegenwart, Weltlichkeit fehlt, an ihr den Gedanten, das Vernünftige, Geiflige zu haben. Im 40. Jahrhundert war der allgemeine Trieb in der Chriftenheit, Kirchen zu bauen; der Gott felbft war nicht gegenwärtig darin, angefhaut. Die Ehriftenheit erhob fi in ihrer Sehnſucht, das Princip der Wirklichkeit, als ihr. eigenes im ſich, zw erobern. Nicht dieſe

Zweiter Abſchnitt. Uebergang aus dem Mittelalter. 299

Gebäude, nicht der äußere Reichthum, die Gewalt und Herr⸗ ſchaft der Kirche, nicht die Mönche, der Klerus und Pabſt find das Princip. ‚eigener, wirklicher Gegenwart in ihr, fie genügten dem. Geifligen nicht. Der Pabſt oder Kaifer ift nicht Dalais lama, der Pabſt iſt nur Statthalter Chriſti; Chriſtus iſt, als vergangene Friflenz, nur in der Erinnerung und Hoffnung ges fett. Die Ehriflenheit, erhob ſich alſo, dieß eigentliche . Haupt zu ſuchen; das iſt die Bewegung, Triebfeder der Kreuzzüge. Gie ſuchte feine Gegenwart, feine äußerliche im Lande Kanaan, feine Spuren, den Berg, wg er gelitten, ‚fein Grab; fie fanden..eg, aber Grab. ik Grab. .„ Aber Du läffeft ihn im. Grabe nicht, Da willt nicht, daf ein Heiliger verwefe.” Sie meinten irrig, fie würden fi darin befriedigen, dieß ſey es wahrhaft, was fe ſuchten; fie verſtanden ſich nicht. Diefe heiligen Drte, Delberg, Jordan, Nazareth, als äußere finnlihe Gegenwart des Raums ohne Gegenwart ber Zeit, find Vergangenes, Erinnerung, nit Anſchauen, unmittelbare Gegenwart; fie fanden nur ihren Vers luſt, ihr Grab in dieſer Gegenwart. Ohnehin Barbaren, ſuch⸗ ten ſie nicht das Allgemeine, die Weltſtellung Syriens und Ae⸗ gyptens, dieſes Mittelpunkts der Erde: wie Bonaparte, als die Menſchheit vernünftig, das im Handel frei Verbindende. So wurden ſie durch die Sarazenen und durch ihre eigene Rohheit, Elend, Abſcheulichkeit zum Verſtändniß gebracht, daß ſie ſich hier getäuſcht. Was fie ſuchten, ſollten fie in ſich ſelbſt ſchauen, in der Gegenwart des Verſtandes; das. Denken, eigene Wiſſen und Wollen ift diefe Gegenwart, Indem was fle thun, ihre Zwecke und Interefien, vechtlih und fo zum Allgemeinen gemacht wer- den, fo iſt die Gegenwart vernünftig. Das Weltlide iſt in ihm felbft feft geworden, d. h. bat Gedante, Recht, Vernunft in ſich erhalten.

Was das geſchichtliche Berhältnif der. Zeit überhaupt bes teifft, fo kann bemerkt werden, daß wie wir einer Seits bie Selbftlofigkeit, das Verhältniß des Geifles , ns bei ſich zu

Geſch. d. Phil. * *

0 Bieter SH Mhilo lophie des’ Mitlelalleree ſeyn, die Zerriſſenheit · des Menſchen ſehen, wir auf der anderen Sie dan peluunchen · Zuftendfefer erben ſehen / indem· ſich eine Selbſtſtandigkeit gründet; die nicht mehr? tur barbariſch, ſelbſtſüchtig if." Im jenet Selbſtſtändigkeit iſt das Momentder Barbatet enthalten/ die der Furcht bedarf/ Ani Schrecken the⸗ Halten zu werden. Jettt fehen⸗ wir aber Recht hg eintreten. Das · Feudalſhftem⸗ die⸗ Leibeigenſchaft iſt zwar die heetſchende "Ordnung; aber Alles darin“ iſt ein rechtlich Feoſtte, BOY. ein Feſtes Hr) Begichiing auf die Freipeit TRANREH hat ſeine Wurjel in "der Freiheit/ daß · das Individuum Fehr \. Eriftenz bringe und anerkannt werde; das Recht it ſo⸗feſtgeſtht, wenn (air Verhaltniſſe in Privat⸗ Eigenthum gemuacht · tip, die eigentlich dem Staate angehörrneDieß ? Verhältniß tritt tn auf gegen. das Printip der. Selbſloſt gkeit der Kitchern Die Feidat- Monärchie/inacht zwar Verhälmiſſe der Gebuti fe, nah der Geburt ſind die weſentlichen Mechte beſtimmntz ſienſind aber nicht kaſtenmaßig / wie bet den’ Andiern; “fonderi'in der tirch⸗ lichen Hierarchie konnie jeder" aus der miedrigſten Klaffe ſelbſt zu den höchſten Stellen"gelangen. In Itallen und Deutſchland Haben’ Städte, Bürger- Republiken ihr Recht erworben und an⸗ ertennen · laſſen durch die / weltliche und irchliche Gewalt; Rteich⸗ thum zeigtt fi in den Riederlanben/ "Store une‘ den Reg Hädten' am: Rhein. Die: Kapitanfind dns dem · Feubalſy ſtem· Es iwar nbrtgens aunch til dem: ſyftem Recht, bürgerliche Otdnung, Freiheite —— Aktien ad ind us Bervorgeiteten: "Die Sprache wutbe Tin-

fdaftin gift Pr Nil heenwärtigem · Stoff it. Dieſe Winkehrunig bil dee! Geiſt der’ Seiten genommen; et verläßt die Intellektual-Welt, und fleht ſich jetzt anch ſeine ges genwãrtige Welt / Teii’Dieffeits an.” Mit die ſeni aumſchwunge fintt und verliert ·ſich die ſcholaſttſche Phitoſophlenafte deren du dastten Fenfets der Adirtuicheeit find.“ "Batitt Are hr Hm

a

Zweiten Abſchnitt. Uebergang aus dem Mitielalter. 24

Zuſammenhang Handel und Künfte. In den Künften. liegt, daß der Menſch aus fi das Göttliche -hervorbringt; da jene Kinfts lee fo: fromm ‚waren‘, die Selbſtlofigkeit zu ihrem Princip ale Indiwiduen hatten: fd waren ſie es, aus deren fubjektivent' Ver⸗ mögen: dirfe Darſtellungen hervorgingen. Es hängt damit zu⸗ ſammen, baß das Weltliche ſo berechtigt Tin: ſich ſich "gewußt "hat, Beflininsunigen feſtgehalten hat, diennauf Dis: ſubjektive: Freiheit fich gründen. Im Gewerbe if das Ind widuum auf ſeine Thã tigkeit angewieſen; “es fett. iſt das Bethätigende und Hervor⸗ bringendee: Die Menſchen fihd- Dazu getommen, ſich fret zu wiſ⸗ fer, ihre Freihelt ſich anerdennen za machen, und für eigene Intereſſen, Zwecke thãtig zu ſeyn / die’ Kraft zu Haben! 55 „nr: a BER hat fich wicder::gefainmelt, unb, wie in feine eigenen Hände, fo in feine Vernunft geſchaut. Die Kivche glaubte vorher im Beflge von diefem Andern, der göttlichen Wahrheit, zu fen, und war mithin in derfelben Aeußerlichkeit befangen, die die Form von Willkür, Weltlichkeit und allen ſchlechten Leis denfhhaften hatte. Aber als das weltliche Regiment in fi Ord⸗ nung und Recht erhlelt, Und aus der harten Zucht des Dienftes herausgebildet war: da fühlte es fich für ſich bercchtigt, von Gott geftiftet zu feyn, das Gottliche mithin hier präfent zu haben, fin flily berechtigt gegen: das Gbitliche rider Kirche, was gegen die Eaien ausſchließlich ſeyn ſollte⸗, Dis weltliche Macho, Udcs weltliche Leben, das: Selbſtbewußtſeyn hihi das göttlichere hohers, ktechliche Princip in ſich aufgenommen; fe :int'deri ſchtoffe Ge⸗ genſat verſchwunden. Dieſe Macht! der Kirche iſt aber aidy: die Hoheit der Kirche; ſte fon nicht nach und Im: dee Wirklichkeit wirken, fündern im’ Geiſte määng ſeyn. Es ram ſofott in die Weltlichkeit das Bewußtſeyn der Crfüllunig der abſtrakten Be⸗ griffe mit der Neulität der Gegenwart, und daß dieſe wit mehr in fih-ein. Nichtiges“ fin; ſonbern -. in 1 Wahrhett habt. SH kum der Geiſt wieder zu ſtch. er Hl Diefe Wiedergeburt if als das eiicberanfehm der Kmfle 14* .

2 Kin: 1 Teil nMhllefepbie: des Mittelalter; Woaſſenſhaften bexeichnet/ die Erna dan det Ari: ie tönen gu: fi felhfl und: a feinem Dafthaffaßt, amd. fish-in feiner; Gegenwart ſein Yusereffe Aubet:is Errrißoin Mabcheit wit der Melt veiſhnt· ht an fe) enſeits kun deeren Aenau⸗·

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Aus dieſer Entfremdung des tieferen Iutereſſes in geiſtloſem —— der in unendliche Einzelnheit fich hinausverlaufen⸗ den Reflexion erfaßte ſich der Geiſt nun in ſich ſelbſt, und erhob fich zu der: Forderung, ſich als wirkliches Selbſtbewußtſeyn ſo⸗ wohl in des .überfinnlichen Welt, als in der unmittelbaren, Na— kur zu finden und zu wiſſen, Dieſes Erwachen der Selbfiheit des Geiſtes führte das Misderauflchen. der ‚alten Künſte und. der alten: Wiſſenſchaften herbei, ein ſcheinbares Zurüdfallen in die. Kindheit, aber: in ber That ein eigenes Erheben in die Idee, das. Selbfibewegen. aus fi, wie. die Intellektual⸗Welt ihm mehr eine gegebene war. Davon find alle Beſtrebungen und Erfin- dungen, davon die Entdedung Amerika's und die Auffindung

Dritter Abfchnirt. IBiederaufleben der Wiſſenſchaften. 243

des Wirges nach Dftindien ausgegangen, und befonders die Liche zu den alten. fogenannten heidniſchen Wiffenfchaften wieder ers wacht: und fo, daß man fich zu den Werken der Alten gewendet bat. Diefe Werte der Alten find Gegenftände der Studien ges worden. Diefe wurden als studia humaniora, wo der Dienfch in feinem Intereffe, in. feinem Wirken -anertannt iſt, dem Gött⸗ lichen gegenübergeftellt; aber es war das Böttlihe:in der Wirt- lichkeit des Geiſtes. Daß die Dienfchen felbft etwas find, hat ihnen ein Jutereſſe voran fer die. Menſchen, die als rose et⸗ was find.

Damit tft die nähere Seite verhanben, bet, indem die formelle Bildung des Geiſtes der Scholaſtiker das Allgemeine geworden iſt, das Reſultat hat ſeyn müſſen, daß der Gedanke fi in fi) ſelbſt weiß und findet; ‚daraus iſt dann der Gegen⸗ fag entfprungen: vom Berfiand, und der kirchlichen Lehre oder dem Slauben Die Vorftellung iſt allgemein geworden, daß der Verſtand etwas für falſch erkennen könne, was die Kirche bes bauptet. Es if von Wichtigkeit gewefen, daß der Verftand fich ſe erfaßt hat, obſchon im Gegenſatz gegen das Poſitive Überhaupt

A. Studium ber ten.

Die nächte Weiſe wie das Umſchauen nach dem Menſch⸗ lichen in Anſehung des Wiſſenſchaftlichen ſich hervorgethan hat, iſt die geweſen, daß ein Intereſſe der Art im Abendlande, eine Empfänglichkeit für die Alten in ihrer Klarheit und. Schönheit entfianden ift, und daß die Bekanntſchaft mit den Alten Interefle gewonnen hat. Die Miedererwedung der Wiſſenſchaften und Künfte, befonders des Studiums der alten Literatur in Bezies hung auf Philoſophie war aber zuerfi eines Theils eine Wie⸗ dererwedung bloß der alten Philoſophie in ihrer früheren Urs fprünglichen Geftalt; Neues ift noch nicht aufgefommen. Befons ders das Studium der Griechen erwachte wiederum. Die Bes kanntſchaft, die das Abendland mit den griechiſchen Driginalien

6 NT TEE here Minen. geniächt patz hocit Ma foren vocuiſchec ichebenheiten Aam⸗ wen. Das Abenblanhi Kind: dicech Krenzzüge, md Italien durch Hanudel mit! is) Griecheli⸗ im Häufige: Vrrkrht; nal: Quient hatte rs die/ romiſchen Sere, 5 ORE- ein Redtr de: eorpub jurie BTRUE entbeis wirds; u Beins diplenatſche Beilikling. Das MWörchlauv iſt mivideuigriechtſchen Wirgmlande: wigdeerin Ben arg gehen) ulo un Beh dr RE Oturze· des nt ee undevausgezeſchnecſen Griechen ia Halten finditetein Echon Trüheittn'nEr Bebrängki niß des griechifhen Kaifertkums von den Türken find Seſandte Rich eier Abendlande HERUNDR we, reife batten ſoll⸗ eine län Draft Säle, Tui? Bird) Dünfe;FalesTIä gäöften- U tan Abenblaude wiebuchteßenh „HR vdiſſdeiebe dorthiu: ver⸗ Muarit/ Pervat cu Ian To Arte Vo an, einem Wind iii Kalabblen, bo vergleichen Helv“ woguien: yon dem DODrdao dus heiligen Bufilius / der Rlöferr: tk Unter⸗Itallen mit driochiſchem vritus/hatte, Ded Webecch Trente:in Konfuntts avoeb Griechen dennen /r inebe ſonbere Erhſo lox as, det ſeit 4896: 75 Itanen mgunn befländigen ’&Bohnpg: wählte. - Ient Griechen madten das Abendland mit den Werken der Alten, des Platon, bekannt. *) Dan thut den Mönchen zu viel Ehre, daß fle die Alten uns aufbewahrt; fle find vielmehr aus Kons flantindpel gekommen, Bie lateinifhen Werke find freilich im Abendlande Fonfervirt worden. Jetzt wurde man hier erſt mit den eigentlich ariftotelifchen Schriften bekannt, "und dadurch die alten Bhilofophien wieder erweckt, wenn gleich diefe mit unge⸗ heuer wilden Gährungen vermifcht wurden. So wurde Theils die alte platonifche Philoſophie, Theils die neuplatoniſche wieder in ihrer erſten Geſtalt hervorgeſucht, die ariſtoteliſche, epikureiſche, u die cicetonianiſche Popular—

%) Buhle: Lehrb. d. Gesch. d. Phil, Th. VI, Abth, 1, 6. 125 128; Tennemann, Band IX, S. 2—23

Dritter Abſchnitt, Pomponatius. 215

philoſophie, und mit dem Widerſpruch gegen die Scholaſtik zu⸗ nächſt geltend gemacht; Bemühungen, die jedoch mehr durch die Beförderung der Bildung, als durch die Originalität der philoſophiſchen Produktion merkwürdig find, Wir haben noch Schriften aus jener Zeit, die das enthalten, daß jede Schule der Griechen ihre Anhänger gefunden hat, Ariſtoteliker, Plato⸗ niker u. f. f., aber ganz anders als die Alten; wir lernen an diefen Beftrebungen nichts Neues kennen. Dieß hängt mit der Literatur⸗ und Bildungsgefhihte zufammen.

4 Pomponatius.

Befonders Pomponatius war fo ein Ariſtoteliker, der unter Anderem von der Unſterblichkeit der Seele ſchrieb, und dabei nach einem, dieſem Zeitalter ganz beſonders eigenen, Ge⸗ brauche zeigte, daß ſie, die er als Chriſt glaube, nach Ariſtoteles ſich nicht beweiſen laſſe. *) Die Averroiſten behaupteten, der allgemeine x0ũc, der zum Pfenten aſſiſtire, ſey immateriell und unſterblich, die Seele als numeriſches Eins ſterblich: Alexander Aphrodifienfis, fie ſey ſterblich Beide Meinungen wurden 1513 auf dem Koncilium von Benevent unter Leo X. verdammt. **) Die vegetative und -empfindende Seele feste Pomponatius als ſterblich FM uff So gab es noch viele andere teine Ariftoteliter, befonders fpäter, allgemein unter den Proteftanten. Die Schholaftiter hießen fälfchlich Arifloteliter; die Reformation firitt fo gegen Arifloteles, eigentlich aber gegen die Scholaftiter. Platoniſche, ariftotelifhe, Hoifche und" (in Rüdfiht auf Phyſik) epitureifche Philofophie wurden wieder geltend gemadıt.

#) Pomponatius: Tractatus de immortalitate animae , c. 9, 42 et 15; Tennemann, Band IX, S. 66. ##) Ficinus: Prooemium in Plotinum, p. 2; Tennemann, a. a. ©. F. 65— 67. WW) Pomponatius, Il. c. 9; Tennemann, a. a. O. S. 67.

216 Zweiter Theil." Philofophie des Mittelalters, - ati ae OHR rag Am i ee nn in * man nun auch ee deffen Handſchriften aus ‚Griechenland kamen; Griechen, Flüchtlinge aus Konftantinopel; laſen über platoniſche Philofophie.‘ Kardis nal Beffarion aus Trapezunt, vorher Patriarch von Konſtan⸗ inopel, hat Pläto bekannt gemacht im Mbendlande. *) is einus 3. ®., in Florenz⸗ geb. 1433, geſt 1499, der geſchicte Ueberſetzer des Plato, iſt ausgezeichnet; er iſt es beſonders, der die neuplatoniſche Philoſophie wieder we Proklus und Plotin kennen lehrte, Ficinus ſchrieb auch eine platoniſche Theologie. Ja, ein Medicãer in Florenz (dieſe / überhaupt der frühere Kosmus, Lorenz," Leo Xi, Klemens‘ VIL, "Haben Künſte und Wiſſenſchaftengeſchützt /klaſſiſche griechiſche Gelehrte an ihren Sof gezogen) —/ Kosmus All, Hat ſelbſt eine platoniſche Akade- mie geflüftet; dieß war im 45. wdert.**) Zwei Gras fen Picus von Mirandula, der ältere Johann, der Neffe Johann Franz, wirkten mehr durch ihre eigenthümliche Nas Aue und Originalität; jener Hat 900 Theſes 55 aus'Pro- klus ***) aufgeftellt, und alle Philofophen zu einer feier⸗ lien Disputation darüber aufgefordert: auch ſich als Fürft an⸗ vaſchig omaqt den Abweſenden die Reifetoften zu bezahlen. )

3, Gaffendi, Ripfins, Beuglin. 1 " Später wurde die epikureiſche Philoſophie ( Atbmiſtik) wie⸗ der erwect, insbeſondere von Gaffendt gegen Carteſtus; und aus ihr hat ſich in der Phyfik noch immer die Lehre von den molecules erhalten. Schwãcher war das Wiedererſcheinen

#) Brucker. Hict. erit. phil, T. IV, P. 4, p. 44 45.

##) Ficinus: Prooemium in Plotinum, p. 15 Brucker. 1. I. P..49, 55, 48. we) Proclus: Theologia Platonis, Appendix, p. 503 505.

4) Teunemann, Band IX, 5. 440.

Dritter Abſchnitt. Lipfius. Reuchlin. Helmont. 217

in der ſtoiſchen Philoſophie durch Lipſius. In Reuch⸗ lin (Kapnio) fand die kabbaliſtiſche Philoſophie einen Freund. Er war 1455 zu Pforzheim in Schwaben geboren, *) und übers feste felbft einige Komödien des Ariſtophanes. Er wollte die eigentliche, Achte pythagoräiſche Philoſophie (Alles ift mit vieler Trübheit vermiſcht) auch wieder ausbilden. Es war im Werke, alle hebräifchen Bücher in Deutſchland duch einen Reichsſchluß zu vertilgen, wie in Spanien; Reuchlin hat ſich das Verdienſt erworben, dieß zu verhindern. **) Durch den gänzlihen Mans gel an Lexicis wurde das Studium der griechiſchen Sprache fo erfchwert, daß Reuchlin nad Wien reifte, um von einem Gries hen griechifch zu lernen. Später finden wir bei Helmont in England, geboren 1618, geflorben 1699, ***) viele tiefe Ge⸗ danken. Alle diefe Philoſophien wurden neben dem kirch⸗ lihen Glauben, und ihm unbefchadet, nit im Sinne der. Alten, getrieben: eine große Literatur, die eine Menge Namen von Nhilofophen in ſich faßt, aber vergangen ift, nicht die Friſchheit der Eigenthümlichkeit höherer Principien hat, ſle iſt eigent⸗ lich nicht wahrhafte Philoſophie. Ich laſſe mich daher nicht

näher darauf ein.

4. Ciceronianiſche Popularphiloſophie.

Auch die ciceronianiſche Weiſe des Philoſophirens, eine ſehr allgemeine Manier, wurde beſonders erneuert; ein Philoſo⸗ phiren, das eben keinen ſpektulativen Werth hat, aber in Anſe⸗ bung der allgemeinen Bildung diefes Wichtige, dag der Menſch darin mehr aus fi als einem Ganzen heraus, aus feiner Er⸗ fahrung, überhaupt aus feiner Gegenwart ſpricht. Es iſt popus

#) Tennemann, Band IX, S. 164 165; Tiedemann: Geist

d. spek. Phil., Band V, 8.483; Brucker. Hist. crit. phil, T. IV, P. 1, 9.358.

#%#) Bisner: Handbuch d. Gesch. d. Phil, Band II, S. 206;

Brucker. 1. I. p. 365 366. ##) Tennemann, a. a, O. S. 28--2307 Brucker. I. I, p. 721.

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318 ins Fhreikın Vbibateru⸗ Den hkessheende

lares Nhllgfophiren, „wish aus aer inneren: und äußeren Eufabr ana art: werſtãcbigen Menſch· ie: dir CRD Int Reken: gelees, wand: hhın; dechq Ecken achalfene ;, Die Mefũhle des Wienihen:m. ST. BR: bemerken. fün wollen Winicehwabnn -umeben;,: ; gegen dan: Peinciv· der: Qelbſtlefiattu. sh län duct. Shine ae Menge dervorgeagungen Adete zesiafongrn Fin fick Abais Im Getenſar gran dis. Scu⸗ Kalten: 2 Os fein dia: Mirage zaon mbaloſophiſchtu Sehräften ding fen Wet, 9 Adi Die pehanitden; anch: wickee.: von Era . Veen Oiehürignsnieengefien finkunmub verig inveren: Merik ben iensfamabligumb: Fakırfla macı:der.fhnloRiiihen Därcket.amk san ketenlafen Demunieciien; in Abſtrattionen; mriahehriien es ar hehicher dar Beh heenätiene: micht, wer feinun: Roden. .. mr neh einen: Germithu cals dentender | Mamas: nm rien Diohins mei gun min! nd s1gr: „Diefen: cigerolamiſche Buffnitk: achört-te Dieter : Rũckſcht DT. 4 ttehlähen, Refemmu pub: Ian Proteſtantis wus Sei Prrriip · rben dieſes An Meiſcher n ſich feet Dee Fruihe: aufgehoben anheben, sr. 2 das:iäremde "in der Spradhe. Den deutfchen Chriften das Buch ihres Glaubens in ihre Mutterſprache überfegt zu haben, iſt eine der größten Revolutionen, diegefchehen konnte; wie Italien große Werte der Dichtkunſt erhielt, da ſie in der Landesſprache abgefaßt wur= den: fo Dante, Boccacio, Petrach, während feine politiſchen Warke in lateiniſcher Sprache geſchrieben ſind. Erſt in der Mutterſprache ausgeſprochen iſt etwas mein Eigenthum. Luther, Melauchthon haben das Scholaſtiſche ganz verworfen, und aus. dev: Bibel, dem Glauben, ‚dem: menfhlihen Gemüth ent⸗ ſchieden. Melanchthon zeigt kühle, populare Philoſophie. Der Menſch will ſelbſt dabei ſeyn; es iſt der ungeheuerſte Kontraſt gegen die lebloſe, dürre Scholaſtik. In den verſchiedenſten Rich⸗ tungen und Formen iſt Angriff gegen die ſcholaſtiſche Manier gemacht worden, Das ‚Eine, wie Das Andere, faͤllt mehr in's

Dritter Abſchnitt. Montaigne. Charron. 219

Literarifche, in die Gefchichte der Bildung, der Neligion,. als. der Philoſophie. Eine. Menge Werke hatte die Bearbeitung alter Philoſophien zum Segenflande. Dieß iſt mehr nur Wiederher⸗ ftellung von etwas Vergeſſenem; es wurde für ſich kein Fort⸗ ſchritt gemacht. Ebenſo die‘ popularen Schriften von Mon taigne, Charron enthalten. Aumiuthiges, Geiftreiches, Lehr⸗ teiches; fie können nicht: zur eigentlichen Philoſophie gerechnet werden, fie gehören zum gefunden Dienfchenverflande. Der Menſch bat wieder in fein Herz gefhaut und es "geltend. gemacht: als dann das Weſen des Verhältniſſes des Einzelnen zum abfoluten Weſen in fein eigenes Herz und Verſtand, . in feinen Glauben zurüdgeführt. Dbzwar: nodh. ein entzweites Serz,::fo.:ift dieſe Entzweiung, dieß Sehnen eine Uintzweiuing: feiner ſelbſt gewor⸗ den; er ‚fühlt: diefe Entzweiung in ihm: ſelbſt und feine Ruhe in ſich. Die :eigentlije philoſophiſche "Belehrung muß mon in den Quellen felbft, den Alten, ſuchen.

B. Eigenthümliche Sefrehungen | der Piite- J

| fopbir BEE

Eine ‚weite Reihe von Erfcheinungen : betrifft dann. abe mehr die eigenthümlichen Beſtrebungen "in der -Bhilofophie, . Die nur Beftrebungen: blieben, nur der ungeheuern Zeit :diefer Gäh⸗ rung angehören. Viele Individuen in der ungehenern Gährung der damaligen Zeit ſahen fich von dem bisherigen. Inhalt, dem Objekt, das bisher die Stütze und Halt des Bewußtſeyns aus⸗ gemacht, dem Glauben verlaſſen. Neben dieſem ruhigen Her« vortreten der alten Philoſophie find auf der anderen Seite eine Dienge gährender Geftalten auffallend, in denen der Trieb der Ertenntnif, des Wiffens, ber Wiſſenſchaft auf eine gährende, gewaltſame Weife ſich aufgethan hat. Sie fühlten ſtich, und wurden num von dem Triebe regiert, aus. ſich heraus ſich das Wem zu ſchaffen, die Wahrheit zu ſchöpfen; Menſchen gährender, brauſender Nafür, von. unſtätem und wilden »Eho⸗

220 Ben hell o phie ded äRiiakeee,

natter/ enchaflaſiſchem Weſerl⸗ das aicht die Kuhe ben) Wiffen⸗ ſchuſt wercauen Torte. Mani ſtubet ſo bel ihnen große Otigi⸗ ualktät bee Inhela iſt· ader Fach: vermifcht unbe aiuglaich. Ns

, Viefen Seh ſiadenẽ ſich: eine Merger Judloſduee⸗ izrotß dorch · der - (Guetöle Apres Srifiek, ihrrs Charakterso bei:denenꝰ fich::cber: cine.

groſe Verwocrenheit. den eiſtec nd; Sharadurro zugleich: Findet ı Deren Sdqhicheſe, wit Inch Biheiften mie‘ Diefanefkherheit: ihres Wehen, aid die Emyörkägy is Yuneoanigegen bat wörbaudene Duſeyn ein Qıanlligeng)> uk Bis: Oucht; herans "zur: Feſtigken yeinjchähren:: begekhmiib: >uiade de: Darius che heitzee Trieb (uam "hl br Nouktreteni ivi: deatener Wckfeisdund unendlie Peace; Sabildeng Oucht nad: gehrimen fAdvtegthta, gemaucſhen ib uber euataiſſea verunreinigt init Wirren Coſcholccgea·gleichon weeſentlich der Suhköftug, pie Sccbeben ER} den peace Cnes Vultanc ber ſich im Inneren geblidelhatten ins derieiet neue Echẽvfung beroorbeaipte;- feine Cihöpfungen find ned wild und unzegels wäh: Das’gieht‘ "Olfätliugen, in berien 'ülterdihhd bie fhb- jeßtive Energie des Geiſtes zu’ ſihtchen tft, und ein wunderbares Eingehen in Nechtes und Erofes nicht verkannt werben - darf. Die Seit war: reich an ſolchen Individuen, die ſich auf die ge- waltfamfte und korrupteſte Weife herumgetrieben haben im Ge⸗ banten, im Gemüth, wie in den ;änfßerlichen Verhältniſſen. Die mertwürdigfien Naturen biefer. Met find: Cardanus, Bruno, Va⸗ wind und. Campattella, dann Ramus; fie. find. Repräfentanteh des“ Harddeere | de: Zeit in diefem n Zwgchennuſande des Ue⸗ berzange. NEN mr . EN "Eardanus. J

Card anns if einer von: ihnen; er war ausgezeichnet, als ein weltberühmtes Individuum, in weldem die Auflöſung umd Bährung feiner Zeit in ihrer höchſten Zerriffenheit ſich darſtellte. Seite Schriften find. 1A: Bände in: Fello. Cardan wurde 1501

[4

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Ey Buble: Lehrb. d. Gesch. d. Phil., Th. VI, Äbth. 1, S. 364 365; Tiedenann; Geist d. sBeh. Phil, B. V, S. 565; Brucher. Hist. 'erit. phil. T. IV, P. 2, p. 71- 74.

'##) Cardanus: De vita propria, c. 26, p. 70; Buhle, a, a. O. $. 362 363.

Dritter Abſchnitt. Hieronymus Sardanne.- 293

lüftig, aufgeräumt, fromm, treu, Freund der Weisheit, nach⸗ dentend, unternehmend, lernbegierig, dienſtfertig, nacheifernd, er⸗ finderiſch, durch mich ſelbſt gelehrt, nah Wundern ſtrebend, verfchlagen, liſtig, bitter, in Geheimniſſen bewandert, nüchtern, citbeitſam, ſorglos, geſchwätig, Verãchter der Religion, rachgie⸗ eig, nedifch,; traurig heimtũckiſch, verrätheriſch, Zauberer, Ma⸗ gus; unglücklich, den Meintgen gram, einſtedleriſch, widrig, firenge, Wahrſager, nrifetſũchtig, Zotenreißer, verlãumdetiſch winfaͤhrig derãnderlich; ſolcher · Widerſpruch menet Natut wild Meiner Stiten iſt in mie. x*y Dieß fügt er fett 4 feinein“ Büch Me vita propris.

Ebenſo vollkommen ungleich wie fein Eharütter find Zei "feine Schriften befhaffen, in die er fein Gemüth ausflürmte. Man findet Verwirrung von allem aſtrologiſchen, chiromantiſchen Aberglauben⸗⸗ änd ebenſo dann wieder mit tiefen und hellen Bhicken des Geiſtes bezeichnet: alerandrinifhe, kabbaliftiſche Trüb- beit, hanz Mare gemeine pſychologiſche Beobachtung aus: fie. ech Schriften find wilb, unzufammenhangend; widerſprechend.

Er ſchrieb oft in der drückendſten Armuth. Das Leben und die Daten Chriſti behandelte er aſtrologiſch. Doch beſteht fein po⸗ fitives‘ Verdienſt mehr im der. Erregung; die er mittheilte, As fi ſelbſt zu ſchöpfen; er hat ſehr erregend auf feine Zeit gei wirtt. Er prahite mit der Originalität und Neuheit feiner Gedanken. Die Gut; originell zu ſeyn, wat das Erſte, wie ſich die wiedererwachende und treibende Vernunft in ihrem ſelbfl⸗ thãtigen Thun erfaßt; fie mimmt dieß dafür, new und anbdetd zu feyn als Andere, Privat⸗ Eigenthum an der Wiffenfchaft zu haben. Die Sucht, vriginell zu fon, trieb ihn auf die fon» derbarften. Dinge.

#) Cardanur: De genitur. XI, p. 84; Buhle: Lehrbuch d. Gesch. d. Phil, T. VI, Abth. 1, S. 363 4 ; Tiedemann:. Geist d. spek. Phil, B. V, S. 564 565. Zr

22 Zweiter Theil, Philofephis, des, Mittelalters, (17 2 120772 e —5—— Mn kanal * * TEN RR enge rd or Thomas Gampancıla fernen iſt cbenſo ein, Gemifh von allen, möglichen, Charakteren; ,‚ehenfo ‚zereiffen ‚und phantaſuiſch war, auch „ihr, Leben. und, ihre Schid ſale. Erswar.zu Style in Kalabrien, 4568 geboren, „umd ‚farb zu-Paris. 1639. Wir ha— ben · mod) viele ‚Schriften von ihm; ‚27 Jahre lang hat er in einem parten Gefängniß in Neapel gelebt. %). —. Ihre Werke bilden viele Folianten. Die, Gefaltungen dieſer Urt haben, un endlid) ‚erregt, und Anſtoß gegeben; aber, für ‚fh nichts, Frucht- bringendes zur Folge gehabt. Befonders ‚aber müſſen wir, als hierher ‚gehörig noch erwähnen Giordano, Bruno und Vanini. urn de N 3 —V DITTIEIZES ZEIT Po en rahtrmhts aepnlhe: Srroa nu men nen Jordan Bruno iſt eben ein in ähnlicher Weife untuhi⸗ ges. und, gährendes Gemüth. Wir ſehen in ihm ein kühnes Wegwerfen alles katholiſchen Autoritäts Glaubens. In neueren ‚Zeiten iſt er durch Jacobi in Erinnerung, gebracht. Seinen Briefen über Spinoza hing er „einen Auszug, **), aus, ‚einer Schrift, deffelben an, ***) ‚und parallelifiete ihn; mit Spinoza; dadurch iſt er. zu einem Ruhm gekommen, der über fein. Ver—⸗ dienſt geht. Er war ruhiger, als Cardanus; aber auf der Erde hatte er keinen feſten Sit. Er iſt aus Nolg im. Neapolitani— ſchen gebürtig, lebte auch im 16. Jahrhundert; es iſt nicht ge nau bekannt, in welchenn Jahre er geboren war.Er trieh ſich in.den meiſten europaäiſchen Staqten, Ztalien, Frantreich, Eng- land, Deutſchland, als Lehrer der Philoſophle nunber: verlith Italien, wo er, zuerſt Dominikaner-Vötch, Hittere Aumerkun⸗ %) Brucker. Hist. erit. phil. T. IV, P. 2, p 108, 144 —420; Tennemann,B. IX, S. 20 295. ##) Jacobi: Werke, B. IV, Abth. 2, S.5— 46. #8) ‚Giordano Bruno: De la causa, prineipiö et und, Venctia 1584,

8. wohl ein erdichteter Drudort, und zu Paris erſchlenen, wie die folgendes De Pinfinito, Universo e Mondi, Venetia 4584, 8.; beides Dialogen.

Dritter Abſchnitt. Giordano Bruno. - 225

gen über manche Tatholifche Glaubensichre die Transfubflan« tiation, die unbefledte Empfängnig Marias —, Theils über die kraſſe Unwiſſenheit und lafterhafte Lebensart der Mönche machte. Er lebte dann in Genf 1582, wo er es aber chenfo mit Kalvin und Beza verdarb (es war unmöglich für ihn, mit ihnen zu leben): in anderen franzöftfehen Städten (Xyon): dars ‘auf in Paris, wo er 1585 felbft feierlich gegen die Ariſtoteliker auftrat, nad) einer belichten Dianier der damaligen Zeit philofos phiſche Thefen zur öffentlichen Disputation darüber anſchlug. *) Bruno’s Thefen waren befonders gegen Ariftoteles gerichtet; ex machte aber kein Glüd, die Wrifloteliter faßen noch zu feſt. Bruno war aud in England (London); auch in Deutjchland: in Wittenberg (1586), Prag und anderen IUniverfitäten und Städten. In Helmflädt (1589) wurde er von den Herzögen von Braunſchweig⸗ Lüneburg fehe begünfligt; darauf ging er nad Frankfurt am Main, wo er mehrere feiner Werke druden lieg. Ueberall hielt er öffentliche Vorträge, fhrieb; und darum ift es auch fo ſchwer, feine Bücher vollfländig zu kennen. Aus legt kehrte er nad Italien zurüd 1592, und lebte eine Zeit long in Padua ungekränkt, wurde aber endlih von der Inqui⸗ fition in Venedig ertappt, in’s Gefängniß gefegt, nah Rom geliefert, und hier im Jahre 1600, weil er nicht widerrufen wollte, wegen Kegerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt; wie Augenzeugen (Scioppius) berichten, erduldcte er feinen Tod mit fehr ſtandhaftem Geiſte. Er war in Deutfchland Proteflant ges worden, und hatte fein Ordensgelübde gebrochen. **)

Unter Katholiten, wie unter Protefianten wurden feine Schriften für ketzeriſch und atheiflifch ausgegeben, und des⸗ halb verbrannt, vertilgt und geheim gehalten. Seine Schriften

%#) Siehe Oben, S. 216; Jord. Bruni Nol. Rationes articulo- rum physicorum adversus Peripateticos Parisiis propositorum. Vitebergae apud Zachariam Cratonem, 1588.

WM) Brucker Hist. crit. phil. T. IV, P 2, p. 1529.

Geſch. d. Phil. * * 45

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226 Zweiner Theil. - Philofophie des Mittelalters.

find fehr felten zufainmen, die größte Anzahl davon befindet ſich in der Univerfitätsbibliothet zu Göttingen; die ausführlidiften Nachrichten davon findet man in der buhle'ſchen Geſchichte der Philoſophie. Seine Schriften find felten, oft verboten; in Dres- den gehören fie noch immer zu den verbotenen Schriften, ſo wer⸗ den fie in Dresden nicht gezeigt. Kürzlich *) iſt davon’ eine Ausgabe in italienifcher Sprache beforgt, **) die wielleicht noch nicht einmal erſchienen if; Bruno hat aber auch Vieles Tatei- niſch gefhrieben. Bruno verfaßte und gab Schriften überall heraus, wo er hintam; er hielt ſich eine Zeit lang auf, und war ein wandernder Profeſſor und Schriftfleller. Seine Schrif- ten find daher (viele) gleichen Inhalts (eines gedoppelten) nur im einer verfchiedenen Form; und im der Evofution feiner Ge⸗ danten kam er daher eigentlich nie recht weiter und heraus. Aber der Haupt- Charakter feiner Schriften iſt eigentlich einer Seits eine ſchöne Begeifterung eines Selbſtbewußtſeyhns, das den Geift fih imvohnen fühlt, und die Einheit feines Wer fens und alles Weſens weiß. Es ift etwas Bacchantiſches in diefem Ergreifen diefes Bewußtſeyns; es flieft über, dieſen Reichthum auszuſprechen, umd fih fo zum Gegenflande zu wer= ben. Aber es ift nur das Wiſſen, in weldem der Geift ſich als Ganzes ausgebähren kann. Wenn er diefe wiffenfchaftliche Bildung noch nicht erreicht hat, fo greift er nur nach allen For⸗ men herum, ohne fle gehörig zu ordnen. Einen folden unge= ordneten, mannigfaltigen Reichthum zeigt Bruno; und dadurch gewinnen feine Expoſttionen häufig ein trübes, verworrenes, als legoriſches Ausfehen, myſtiſche Schwärmerei. Der großen inneren Begeifterung opfert er feine perfönlichen Verhältniſſe auf; fo ließ fle ihn nicht ruhig. Es if gleich gefagt, „ein unruhiger Kopf, der ſich nicht habe vertragen können.” Woher diefe Uns

*) Vorlesungen von 184.

#®) Opere di Giordano Bruno Nolano, ora per la prima volta raccolte e. publicate da Adolfo Wagner in due volume. „Lipsia, Weidmann 1830.

Dritter Abſchnitt. Philsſophie des Bruno, 227

ruhe? Nicht mit dem Endlihen, Schlechten, Gemeinen Tonnte er ſich vertragen; dadurd feine Unruhe. Er bat ſich erho- ben zu der einen, allgemeinen Subftantialität, dieſe Tren- nung, Crniedrigung des Selbſtbewußtſeyns ebenfo als ber Ras tur aufgehoben. Gott war wohl im Selbſtbewußtſeyn, doch von Außen und zugleich ein ihm Anderes, eine andere Mirklichkeit: die Ratur von Gott gemacht, Gefhöpf, Fein Bild feiner. Die Güte Gottes: war nur äußerlih in Endurſachen, endlichen ‚Swels Ten: Die Bienen machen Honig für die Nahrung des Menſchen; \ der Kaorkbaumſwächft, um Stöpfel.auf den Bonteillen zu haben. "Was feine Gedanken felbft betrifft, fo hat Jacobi neuers lich *) große Aufmerkſamkeit auf ihn erregt,. indem die Summe feiner Lehre das fpinoziftifche Eins und. Alles oder im Ganzen . der Pantheismus ſey: und dieß unter der Form aufgeftellt, als ob dieß etwas den Bruno befonders Auszeichnendes ſey, daß Ein lebendiges Weſen, eine Weltfecle das Ganze durchdringe, und das Leben von Allem ſey. Bruno flellte c) die Einheit, Allge⸗ meinheit der Weltfeele, des Lebens auf, PA) die gegenwärtige, inwohnende Vernunft. Allein in der That iſt diefe Lehre nichts Anderes als ein Wiederhall der alerandrinifchen, und Bruno ifl darin nichts weniger als original. Aber am Inhalt feiner Schriften heben ſich zwei Seiten Heraus: 1) die eine Seite ifl die feines Syſtems, feinen Hauptgedanken nah, feine philoſo⸗ phiſchen Prineipien überhaupt, die Idee, als ſubſtantielle Einheit; 2) die. Unterfchiede in derfelben, das, was er befonders geltend machen wollte, die andere mit jener jedoch zufammens hangende Seite ift. feine lulliſche Kunft, auf die er eigentlic gereift if, und auf: die er and) immer das Meiſte gehalten bat. 4. Dhilofophifhe Gedanken. Es find zum Theil ariftotelifche Begriffe, die er gebraudt. In den vielerlei Schrif⸗ ten des Bruno zeigt fi) vornehmlich die Begeifterung des Ge⸗

%#) Vorlesungen von 4808. 15# 5

28" Bineitee Seit Phulbſorhie det Mirteltiers.

dantens und ſeines ganzen Lebens; feine" Philofophie zeugt von einem eigenthümlichen, übtelebendigen; und fehr originellem Geifte. Der Inpalt feiner allgemeinen Gedanken iſt die Begeifterung für die ſchon erwähnte Lebendigkeit der Natur, Göttlichkeit, Ger genwart der, Vernunft in der Natur. So ift feine-Philofophie im Allgemeinen "Spinozismus, Pantheismus. Dieſe Trennung der Menfchen von Gott oder der Welt, alle diefe Verhältniffe der Aeußerlichkeit «find hineingeworfen in feine Lebendige Idee der Einheit von Allem. Die Einheit des Lebens, wegen deren Ausſprechen Bruno fo bewundert worden, iſt die abfolnt allge- meine Einheit, Die Hauptformen feiner Vorſtellung find diefe, daß er einer Seits die. allgemeine Beſtimmung * anderer Seits die der Form giebt.

a. Dieſe allgemeine Einheit befimmt er alfo als „den allgemeinen, thätigen Verſtand (voüs)," der ſich als allgemeine Form des Weltalls offenbart, alle Formen im ſich faßt: und wie der Verſtand des Menſchen eine Menge Begriffe bildet, fo auch bildet und ſyſtematiſirt. Et verhält ſich zur Hervorbrin- gung der Naturdinge, wie der Verſtand des Menſchen; er iſt der innerlide Künftler, der von innen die Materie bildet und geftaltet. Aus dem Inneren der Wurzel oder des Samentorns fendet er die Sproffe hervor, aus diefer treibt er. dann die Aeſte, aus diefen die Zweige, aus dem Inneren der Zweige die Knos⸗ pen, Blätter, Blumen u. f. f. Es ift Alles innerlich angelegt, gubereitet und vollendet." *) Diefes iſt deriformale Verftand, der Endurfache, Zwedbeſtimmung ift; er iſt aber ebenſo wohl auch wirkender Verftand (causa efficiens),. eben dieß Hervor- Yringende. **) Der Unterfied von Mittelurfache und Endurs

#) Jacobi’s Werke, "Band IV, Abıh. 2, 8.7— 9; Tenne- mann, B. 1X, $. 3941 —392; Giordano Bruno: De’ la causa, prin- eipio et uno, Dialog. LI (Opere publ, da Ad, Wagner, Val. 1), pP. 235 236.

®®) Jacobi, a a. 0.5.7; Tennemann, a. a. 0,8. 91; Gior- dano Bruno, 1. c. p. 285.

Deitter Abſchnitt. Philoſophie des Bruno. ‚229

ſeche iſt ſehr wichtig. Die innere Form iſt als Form nach Bruno Begriff, Endurſache, ariſtoteliſcher Zweck, aber ebenſo auch Mittelurſache. Natur und Geiſt ſind nicht getrennt; formaler Verſtand, in- welchem der Begriff nicht als gewußter enthalten, ſondern für ſich freier: als Einheit, in fig bleiben«. der, als wirkender, aufer ſich gehender.

„Ebenſo ruft er won innen auch feine Säfte aus. den Früth⸗ ten und‘ Blüthen zu ben. Zweigen zurück“ u. ſ. f.*) So iſt bei Proklus: der Verſtand als: Subſtantielles, das Alles in feis nem Eins in fi Yäls: :das Leben das Herausgehende, Produ⸗ cirende: der Verſtanb ;Als:.foldyer eben dieß Umkehrende, al⸗ les in die Einheit Zurücknehmende. Jene Form des Dings iſt ſein inneres Verſtandes⸗Princip, fein Hervorbringendes Urs ſache; aber Beides if nicht verſchicden, ſondern die. Form ſelbſt Urfache, eben dadurdy: Endurſache, bei Ariſtoteles das Unbe⸗ wegte, das. Princip, der reine Begriff; Entelechie. Das Weltall ift eim.unenibliches Thier, in welchem Alles auf die mannigfal tigſte Weife lebt und webt. »*) Der nad einem Zweck wir⸗ kende Verſtand iſt, der eine Form iſt: Was immer producirt wird, iſt dieſer Form gemäß, und unter ihr enthalten; was hervorkommt, das iſt ſo, wie die Form an ſich beſtimmt iſt. Bei der kantiſchen Philoſophie werden wir dieſe Zweckbeſtimmung auch zu erwähnen haben. Das organiſch Lebendige, deſſen Prin⸗ cip die Lebendigkeit if, das Bildende, das in ſich feine Wirk⸗ famteit. hat, und in derfelben nur bei ſich bleibt, ſich erhält, das. iſt Zweck. Zwec ift die Zhätigkeit, aber die in ſich beflimmte Thätigkeit, die in ihrem Verhalten zu Anderem nicht als bloße

#) Jacobi: VVerke, Band IV, Abth. 2, S.9; Tennemann, B. IX, S. 392; Giordano Bruno: De la tausa, prihncipio et uno, Dial. II, p. 236. ##) Jacobi, a. a. O. 5. 10 —18; Tennemann, a. a. O. 5, 32 894; Giordano Bruno, 1. e. p. 237 242

230 Zwener Theil; Philofophie des’ Mittelalters,

Urſache ſich verhält, fondern im ſich zurüdgeht, ſich erhält. Das iſt nun diefe Form; In» „o@rdande

b Bruno, der die Endurfache unmittelbar als mirtend und als immanentes Leben des Univerſums ſetzt, fegt, fie dann ferner aud) ‚als feyend, als Subflanz. (Er iſt alſo gegen die Vorſtel⸗ lung eines bloß außerweltlichen Verſtandes gerichtet.) Infofern unterſcheidet Bruno Form und Materie an der Subftang; ſie ift jene Einheit der Tätigkeit und des Verftandes (der dee), zufammen Form und Materie, ‚Die Hauptfache bei ihm iſt, daß er die Einheit der Form (des Thätigen) und der Materie fefls hält, daß die Materie an ihr ſelbſt lebendig iſt / An dieſem Sehen⸗ den ſehen ir unendliche Verwandlungen. Das Bleibende dies fer ſich Verwaͤndelnden, in dieſen Unterſchieden des Formirens, iſt nun die, Materie; fie iſt die erſte, abſolute Materie. Dieß abſtrakt geſagt, iſt fe nur das Formloſe, aber die Mutter alter Formen, und das; allerı Formen Fähige, Die Form) iſt ihr im» manent, iſt identiſch mit ihr: ſo dah fie. ſelbſt dieſe Veränderun- gen, Umbildungen ſetzt, ſelbſt hervorbringt; fie geht durch alle hindurch. Eins iſt aber ſchlechthin nicht ohne das Andere. Weil die Materie nicht ohne die erſte allgemeine Form iſt, fo iſt fle felbft Princip oder Endurfache an ihr felbfl. Nur an den end» lien Dingen und in den endlichen Verfiandesbefiimmungen ift diefer Unterfhied von Form. und Seyn (Materie) vorhanden. Diefelbe Materie geht alle Werwandlungen duch: „Was crft Saame war, wird Gras, hierauf Aehre, alsdann Brodt, Nah— zungsfaft, Blut, thierifher Saame, ein Embryo, ein Menſch, ein Leichnam, dann wieder Erde, Stein oder andere Maſſe“ u. ſ. f; aus Sand und Waſſer werden Fröfhe. „Hier erkennen wir .alfo Etwas, weldes, obwohl es fih in alle diefe Dinge verwandelt, doch an fi immer Ein und daffelbe bleibt.“ *)

#) Jacobi: VVerke, B. IV, Abth. 2, $.19— 22; Tennemann,

B. IX, $.394— 3%; Giordano Bruno: De la causa, prineipio et uno, Dial, III, p. 31 383.

%

Dritter Abſchnitt. Philofophie. des Bruno. 231 „Beil ſie Alles if, iſt fie nichts in’s Beſondere:“ nicht Luft, Waf- fer, eben das Abfiratie.e „Materia nullas habet dimensio- nes, ut omnes habeat.“ *) „Diefe Materie kann weder Körper feyn, denn die find geformt: noch zu dem gehören, was wir Eigenfhaften, Belhaffenheiten, Qualitäten nennen; denn | diefe find veränderlid. Hiermit feheint nichts ewig, und des Namens eines Princips würdig, als die Materie. Viele ha- ben darum aud die Materie für das allein Reale, und alle Formen für zufällig gehalten.” **) Aber diefe Eine abfolute Form ift identisch mit der Einen allgemeinen Diaterie, die da⸗ ber in ihr felbft das Princip des Wirkens und der Endurſache bat. Sie ift alfo chen das Borausgefegte aller Körperlichkeit, und daher felbft intelligibel, ein Allgemeines, oder eben das Vers fländige wieder felbft, die Endurſache an ihr felbft; fie ift die Urſache und die Endurfadhe von Allem. Der präformirende Verſtand ift identifh mit der Diaterie, einem Intelligiblen, wos von die als unterfchieden erſcheinenden Dinge Modifitationen find; Beide find intelligibel. Die Formen der Materie find die innere Macht der Diaterie felbft; fie ift, als Intelligibles, ſelbſt die Zotalität der Form. ***) Diefes Syſtem des Bruno ifl fo ganz objeftiver Spinozismus; man fieht, wie tief er einge» drungen ifl.

Er macht die Frage: „Aber die erſte allgemeine Form und die erſte allgemeine Materie, wie find fie vereinigt, unzertrenns lih? verfchieden, und doh Ein Wefen?” Er fagt: „Die Mas terie ift zu betrachten als Potenz; fo fallen alle möglihen We⸗ fen auf gewiffe Weife unter ihren Begriff.” Da gebraudt er

#) Jacobi: Werke, B. IV, Abıh. 2, 5. 30 31; Tennemann, B. IX, S. 398 399: Giordano Bruno: De la causa, principio et uno, Dial. IV, p. 273 274. “R) Jacobi, a. a. O. 5. 2% —23; Tennemann, a. a. O. S. 395 396; Giordano Bruno, I. c. Dial. III, p. 254 357. FR) Jacobi, a. a. O. S. 28-30; Tennemann, a. a. O. S: 398; Giordano Bruno, I. c. Dial, IV, p. %9 272.

* 939 Zibeiter Tpeil: Philoſophie des Mittefltere.

denn ariſtoteliſche Formen von Ödvazız, potentia,: Möglichkeit und Wirrlichteit. Er fagt: „Die Paffivität der Materie mu rein und abſolut betrachtet werden. Nun ift es unmöglich, einer Sache Daſehn beizumeffen, welcher das Vermögen (Kraft) da au ſeyn gebräche. Diefes letztere bezieht ſich aber fo ausdrücklich auf den aktiven Modus, daß hieraus ſogleich erhellt, wie der eine ohne den anderen nicht ſehn Kann, fondern beide ſich ein—⸗ "ander gegenfeitig vorausfehen. Wenn alfo von jeher ein Ver— mögen, zu wirken, hervorzubringen, zu erſchaffen, da war: fo mufte auch von jeher ein Vermögen, bewirkt, Hervorgebracht und erſchaffen zu werden, da fepn.”, Die Müterie als der Form ent gegengefeßt, iſt ffe nur die potentia, Obvanıs, Möglichteit. If die Materie das Unbeſtimmte, tie kommt man zum Beſtimm— ten? Diefe Zoentität, Einfachheit der Materie ift felbft nur Eine Beltimmung, Ein Moment der Form. Indem man alſo die Materie der Form entreifen wollte, hat man fie zugleich in Einer Beſtimmung der Form gefegt; damit iſt aber auch ſogleich das Andere gefegt. „Die volltommene Möglichkeit des Da— ſeyns der Dinge” (die Materie) „kann vor ihrem wirklichen Dafeyn nicht vorhergehen, und ebenſo wenig nach demſelben übrig bleiben. Das erſte und vollkommenſte Prineip faßt alles Daſeyn in fih, kann Alles. ſeyn, und iſt Alles. Thätige Kraft und Potenz, Möglichkeit und Wirklichkeit find in ihm elfo Ein unzertrenntes und ungertrennlihes Princip.” *) Cs ift eine fehr wichtige Beflimmung, die darin kiegt: wenn eine wirkende Kraft gefegt wird, fo liegt darin die Beſtimmung eines Berirktwerdens, Erfhaffens der Materie. Diefe Materie ift aber nichts ohne die Wirkfamteit; die Form if das Vermögen und das innere Leben der Materie,

So ift ihm das Abfolute beflimmt, „nicht fo die anderen“

®) Jacobi: Werke, B, IV, Abth.?, 8.23—%; Tennemann, B. IX, 8.396; Giordano Bruno: Da la causa, prineipio et uno, Dial. II, p. 28 261.

Dritter Abfchnitt. Philofophie des Beune. 1233.

mdliden „Dinge, welde feyn und auch nicht ſeyn,⸗ſo oder anders beſtimmt ſeyn können. Der einzelne Menſch iſt in jedem Augenblicke, was er in dieſem Augenblick ſeyn kann, aber nicht Alles, was er überhaupt und der Subſtanz nach ſeyn kann. Das Univerfum, die unerzeugte Natur ifl aber Alles, was fie feyn kann in der That (wirtlih).und auf Einmal, weil fie

alle Diaterie nebfl der ewigen, unveründerlichen Form ihrer wech⸗

felnden Geftalten in fih faßt Aber in ihren Entwidelungen von Dioment zu Dioment, ihren befonderen Theilen, Befchaffen- heiten, einzelnen Weſen, überhaupt ihrer Aeußerlichkeit, iſt fie nicht mehr, was fle ift und feyn Tann; fondern ein ſolcher Theil ift nur ein Schatten von dem: Bilde des erfien Principe.“ *) So fohrieb er aud) ein Buch De umbris idearum.

c. Dieß ift feine Haupt= Idee. Diefe Einheit von Form und Materie in Allem zu erfennen, dieß ift das Beftreben der Vernunft. **) Aber um zu diefee Einheit durchzudringen, „alle Geheimniſſe der Natur zu erforfhen, wmüflen wir den entgegen gefegten und widerftreitenden äußerfien Enden der Dinge, dem Marimum und dem Minimum, nachforſchen.“ Eben in diefen Ertremen ift es, daß fle intelligibel find, und in dem Begriff fi vereinigen; und diefe Vereinigung ift die unendlide Natur. Er fagt nun: Uber „den Punkt der Vereinigung zu finden, ift nicht das Größte, fondern aus demfelben auch fein. Entgegenges fettes zu entwideln; diefes ift das eigentliche und-tieffte Geheim⸗ niß der Kunſt.“ *44) Dieß ift ein. großes Wort, die-Ents widelung der Idee fo zu erkennen, daß fie eine Nothwendigkeit

%#) Jacobi: Merke, B. IV, Abıh.2, 5.25 26; Tennemann, B. IX, S. 397; Giordano Bruno: De la causa, principio et uno, Dial. IIl, p. 261. “F#) Jacobi, a. a. O. S. 28, 32; Tennemann, a, a, O. S. 398, 899; Giordano Bruno, |. c. 264; Dial. IV, p. 215. HH) Jacobi, a. a. O. S.45; Tennemann, a. a. O. S. 403— 404); ‘&iordano Bruno, I. c. Dial. V, p. 1.

S

24 Bulle She Phllefophie.des Milalre. x von. Beftimmungen iſt Wir werden nachher feben, wie Bruno * gegangen, dieß zu thun. > Ueber dieſen Gegenſatz des Minimum * Maximum. hat ‚mehrere. eigene Worke geſchrieben: ‚De, triplici Minimo et-Mensura,, libri. V. Francofurti-apud ‚Wechelium et Fi- ‚schers.1591;,8, der Text ſind Herameter mit Noten und Scho— lien (bei Buhle iſt der, Tittl De Minimo libri V);. De Mo- nade, Numero et Figura.liber: ‚Item de Innumerabilibus, Immenso et-Infigurabilis,seu.de;Universo et Mundis libri VILL, Erancof. 4591,,8: Ex.fielit;dad UrsPrineip (oder was anderswo! Die Form beißt) aunter dem, Begriff des Kleinſten vor, das zugleich das Größte ift, ‚Eins, das zugleich Alles.*) Das Univerſum ift dieſes Eins in Allem. „Im Univerfum,“ fagt Rift der, Körper: nicht vom Punkte, das Centrum nicht von der Peripherie, das Endliche nicht, vom Unendlihen, das Größte uicht vom Kleinſten unterfhieden. Es iſt ‚lauter, Mittelpunkt; oder fein Mittelpunkt iſt überall, und in, Allem. ‚Die Alten drückten dieß ſo aus, indem, ſie ſagten von dem Water der Göt- ter, daß en weſentlich in jedem Punkte des Weltalls feinen Sig habe,” Es giebt den Dingen erſt wahre, Wirklichkeit, ift die Subſtanz aller Dinge, Monas, Atom, der allenthalben ausges ooſſene Geiſt, die ganze Eſſenz u. f..f., reine Form. **) Dieß iſt aum die Grund» Idee des Bruno, die die Begeifterung einer edlen Seele und tiefes Denten ausdrüdt. Diefe Lebens digkeit der Natur wird mit der. größten Begeiflerung vorgetragen. BWiele Schriften find in Verfen; da ift Phantaftifhes, Allegoris ſches. Ein Buch heißt: Vom triumphirenden Thiere. Er fagt, - an die Stelle der Sterne müßte etwas Anderes gefegt werden, **%*) #) Jordanus Brunus: De Minimo, p. 10, 16— 18.

##) Jacobi: Werke, B.IV, Abth.2, 8.37—39; Tennemann, B. IX, S. 401—402; Giordano Bruno: De la causa, principio et uno, Dial. V, p. Bi 24.

###) Opere di Giordano Bruno, publ, da Wagner: Introdu- zione p. Kr XXV.

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Brio. 235

2. Das Zweite nun, was damit zufammenhängt, worauf er befonders berumreifte, war die fogenannte Iullifhe Kunft, von ihrem erfien Erfinder dem Scholaftiter Raimund Zullus fo genannt. *) Bruns bat dieß aufgefaßt, ein Aehnliches gethan, und dieß weiter vervollkommnet. Diefe Kunſt iſt von einer Seite dem ähnlich, was wir bei Ariftoteles als Topik fahen; **) eine Dienge von Dertern,. Beflimmungen, die man als eine Zafel mit ihren Eintheilungen. in der. Vorftellung befefigte, um diefe. Seiten bei allem Borkommenden anzuwenden. Die Alten gebrauchen eine ſolche Kunft für die Dinemonit, dic damit ver⸗ wandt ift,. von der auch in neueren Zeiten wieder.die Rede ges wefen iftz und diefe nahm Bruno .aud auf, fie iſt eine Kunſt des Gedächtniſſes. Man findet beim Auctor ad Herennium ***) nähere Ausführung davon. Man macht fich eine beſtimmte Dienge von unterfchiedenen, nach Belieben zu wählenden Fächern in des Einbildungskraft feft (3. B. Zwölf, zu drei untereinander gen reiht), fo Aaron, Abimelech, Achilles, Berg, Baum,. Herkules u. f. f: worein man das im Gedädhtniffe zu Behaltende gleichſam einftellte und es zu einer Reihe von Bildern machte, und fo beim Herfagen, nit wie wir es gewohnt find, wenn wir fagen, aus dem Gedächtniffe ſprechen, nicht aus dein Kopfe ohne Vor⸗ fiellung heraus, fondern gleihfam von einer Tafel nur ablas. Die auswendig zu lernenden Worte müffen nun mit diefem Tas bleau in Berbindung gebracht werden. Die Schwierigkeit liegt nur darin, irgend einen Wis, eine Verbindung zu machen zwis fihen dem Inhalt, den ich habe, und dem Bilde, das giebt die beillofeften Kombinationen, es ift dieß auch eine ſchlechte Kunſt. Die Zopit ift nicht fowohl zu diefem Behufe, fondern zum Auffaffen und Beſtimmen von verfchiedenen Seiten,

Auf diefelbe Weife arbeitete Jordanus Bruno, und verfaßte

*) 5. Oben, S. 196 198.

#*#) Band II, S. 408 409. ®#%W) Libr. III, c. 17 s97-

236 Zweitet · Theil. Philofophie des’ Mittelaltere. auch viele’ Schriften darüber; er hat le auch feinerars cömbi- waloria genannt/ Die ·ülteſten topiſch- mnemoniſchen ‚Schriften des Bruno find?" Philotheus Jordanus Brunus Nolanus De compendiosh architeelura et cowplemento artis Lullii, Pa- vis, ap Aeg. Gorbinam.1582.142==.L.ı Brunus Nol. De Umbris idearum, impliesntibus’Artem’quaerendi ete. Paris: ap.’ eund 4582. 8.Der / zweite Theil hat den Titeli Ars ne- moriae. = Ph; Ford: Bruni Explicatio XXX sigillorum ete Quihus adjectus est Sigillus sigillorum ‚ete, Aus der’ Dedis kalidn erhelt; daß es Bruns in England herausgab, alfo zwiſchen 4582 und 1585. Jordanus Brunus De Lampade'combi- natoria'lalliana, Vitebergae 4597.78, Ebendafeloft ſchrieb tr!" De Progressu et Jampade venatoria'Logicorum, Anno 4587, dein Kanzler der Univerfität Wittenberg )dedicirt. Jor⸗ danus Bronus De Specierum serutinio et lampade combina- oria Raymı'ullii, Pragae, exc. Georg. Nigrinus1588. 8; ‚and Jabgedrudt" in Raymundi Lullii operihus⸗ ⸗Auch De imaginum, vignorum et idearum compositione Libri HI, Francoſurti ap. Jo, Wechel. set\Petr. Fischen 4591. 8. Bruno iſt bald davon zurückgekommen. Die Sache des Ge— dächtniſſes wurde Sache der Einbildungstraft; jenes iſt aber höher. Mit dieſer Mnemonik ‚hängt die lulliſche Kunſt zuſam⸗ meh: aber fo,. daß bei Bruno das Tableau nicht nur cin Ge= mälde von. änferlihen. Bildern iſt, fondern rein Syſtem von -Gedantenbeftiimmungen, ‚allgemeinen: Vorfiellungen; . Bruno hat det Kunft eine tiefere innere Bedeutung gegeben. :

# a. Bruno geht zu dieſer Kunſt über von den allgemeinen een, die gegeben find. Weil nämlih Ein Leben, Ein Ber- fland Alles ift: fo hat er die dunkle Ahnung gehabt, diefen all⸗ ‚gemeinen Verſtand in der ZTotalität feiner Beſtimmungen auf⸗ zufaſſen, und Alles darunter zu fübfumiren, eine logiſche Philoſophie darin aufzuſtellen, und fie anwendbar auf Alles zu

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Brımer 237

machen. *) „Der Gegenſtand der Betrachtung“ im ihr „ift das Aniverfum, fofern es unter das‘ Verhältnig des Wahren, Erkennbaren und Bernünftigen tritt.“ . Er unterfdpeidet, wie Spinoza, das intelligible Ding der Vernunft und das wirkliche. „Wie die Metaphyſtk das allgemeine Ding, das ſich in: Sub⸗ flanz und Accidenz theilt, zum Gegenflande macht: fo iſt die Hauptſache, daß es ‚eine. einzige und allgemeinere Kunft giebt, die das- Ding. der. Vernunft mit dem wirklichen Dinge: fo ver⸗ tnüpfe und umfaſſe,“ und. als übereinflimmend mit einander anertenne, „wodurch die Dienge, fie. ſey, welcher Art. ſie wole, zur einfachen Einheit zurückgeführt werde.“ **) |

b. Das: Prineip hierbei if dem: Bruno der. Verſtand abe⸗ haupt: Einmal „der außer ſich thätige Verſtand“ (die. Sinnlich⸗ keit zum Daſeyn entfaltend, er iſt die finnliche Welt); „er verhält fich zur Erleuchtung des Geiſtes, wie die Sonne zum Auge, . er bezieht ſich auf eine ſcheinende Menge, erleuchtet fie, ‚nicht ſich ſelbſt. Das Andere iſt „der thätige Verſtand an ſich felbſt, der ſich zu den denkbaren Arten verhält, wie das Auge zu den fichtbaren Dingen.“ ***) Die unendliche Form, der thätige Verſtand, iſt das Erſte, die Grundlage;:: dieſer entwickelt ſich. Er iſt, wie die Neuplatoniker dieſe Form haben; er geht zum Theil in Proklus' Manier fort. Der Verftand:ift alſo inwoh⸗ nend mit der Materie. Es iſt nun dem Bruno weſentlich darum zu thun, die Organiſirungen dieſes thätigen Verſtandes näher aufzufaſſen und nahzumeifen: .:.. .. .: > rien

. *) ‘Buhle: Geschichte d. neueren Philos. Band 11!" 4b. d S. 715 (717); Jordanus Brakus: De compendfdsa archittctur&: * Complemento artis Lullii (Jordani Bruni Nolani scripta, quae la- tine confecit, omnia, ed. A. Fr. Gfrörer, Srutgard 1835, Fasc. II, e. 1, p. 238.

38) Buhle, a.a. O. S. 717 718: (119, 2718; B)n.Jord. Bru- nus: De compend. 'architect. et compl. art. Lullü, c..5, p. 239.

RW) Buhle, a. a, O. S. 717 491); Jord. Bratuus, I i * c.2—3,

pP: 238 239. . 5 CS GE u GE Je ©

238 Zweiter Theil. Philoſophie des Miuelalters.

© Räher iſt dieſes auf Folgende Weiſe dargeftellt: Der reinen Wahrheit ſelbſt, dem abſoluten Lichte, nähert ſich der Menſch nur; ſein Senn iſt nicht das abſolute Seyn ſelbſt, das ur das Gine und‘ Erfle if. Er⸗ ruht nur unter dem Schatten der Idee; eine Idee, deren Reinheit das Licht ift, die aber zugleich Theil san der Finfternig hat. Das Licht der Subflanz emanirt aus diefem reinen Urlichte das Licht der Weeidenz aus dem Lichte der Subſtanz.“ "Diefe war auch bei) Protlus das Dritte im Erlen) Dieſes abfolute Princip in feiner Ein- heit iſt ihm die materia prims, und den erſten Akt diefes Prin- eips nennt er das Urlicht (actus primus lucis).) „Die“ vielen „Subftanzen aber und Neeidenzen können nicht das volle Licht ‚aufnehmen, fie find alfo nur im Schatten des. Lichts enthalten; ebenſo find die Ideen davon Schatten.“ **)ı Die Entwicelung der Ratur ‘geht fort von Moment zu Moment; die erſchaffenen Dinge ſind nur ein Schatten des erſten Prineips, nicht dieſes ſelbſt. al A. „Von dieſem superessentiale“ (Öregovoie per Pros Mus) „gefehieht der Fortgang zu den Eſenzen, von den Effenzen gu dem, was ift, von dem, was ift, zu ihren Spuren, Bildern und Schatten,“ und zwar in doppelter Richtung!. „zum Theil gegen die Materie, um in ihrem Schooße etzeugt zu werden” dieſe find dann auf. natürliche Weiſe vorhanden; ‚zum Theil gegen die Empfindung und: Bernunft,. um durch ihr Wermögen erkannt zu werden.“ ferner: „Die Dinge: entfernen ſich von dem Urliht zur Finſterniß. Da aber alle Dinge im Univerfum genau zufaommenhangen, das Untere mit dem Mittleren, und diefes mit dem Oberen, das: Zufammengefegte mit dem Eins

#). S. Oben, 8. 87.

®%) Buhles. Gesch. d.neueren Philos. B. Il, Abth. 2, 5. 723 724; Jordani Bruni De Umbris idearum (Jord. Bruni Nolani seripta, ‚od, A, Fr. Gfrörer, Fase. II): Triginta intentiones um- brarum, Intentio I— IV, p. 0

Dritter Abfchnitt. Philoſophie des Demo. 289

fahen, das Einfache mit dem Einfadheren, das Materielle mit . dem Geifligen, damit Ein IUniverfum, Eine Ordnung und Res . gierung deffelben, Ein Princip und Zwed, Ein Erſtes und Letz⸗ tes feh: fo Tann nah dem Tone: der Leier des allgemeinen Apollo” Ausdrud des Heratlit*) „das Untere - fiufens weife zum Obeten zurüdgefühzt werden, wie das Feuer in Luft, Luft in Waſſer, Waſſer fi) in Erde verdichtet und umgekehrt, dag Aller Ein Weſen if. Jener Fortgang herab iſt derfelbe, als dieſer Rückgang,“ und if ein Kreis. „Die Natur innerhalb ihrer Grenzen kann Alles ans Allem bervorbringen,, - un des Verſtand aud Alles aus Allem erkennen.” **) | e. Die Einheit der Entgegengefesten wird näher erörtert: „Die Verſchiedenheit der Schatten ift kein wahrer Widerfireit. An demfelben Begriffe werden” die ‚Entgegengefesten, „das Schöne und Häßliche, das Schidlihe und Unfhidlihe, das Vollkommene und Unvolllommene, das Gute und Böſe erkannt. Unvollkommenes, Böſes, Häfliches beruhen nicht auf beſonderen eigenen Ideen; ſie werden in einem anderen Begriffe erkannt, nicht einem eigenthümlichen, der nichts iſt. Denn das Eigen⸗ thümliche iſt das nonens in ente, defectus in effecto.” ***) „Der erſte Verſtand iſt das Urlicht; er ſtrömt ſein Licht aus dem Innerſten zu dem Aeußerſten, und zieht es vom Aeußerſten wieder an fih. Jedes Weſen kann nach feiner Fähigkeit etwas von nen Lichte auffaffen.” F) f. „Dieß reine Licht der Dinge ift nun ihre Ertennbarteit, die vom eriten Verſtande ausgeht, und nad ihm gerichtet if,

#) S. Band I, S. 336. MM) Buhle: Gesch. d. neueren Philos. B. II, Abth. 2, S. 724 726; Jordanur Brunus: De Umbris idearum, Intentio vr IX, p. 302 305. ###) Buhle, a. a. OÖ. S. 727; Jordanus Brunus, IL Intentio XXI, p. 310. .$) Buhle, a. a. O.S. 731; Jordanus Brunus, I, I. De rigintn idearum conceptibus: Conceptus X, p. 319.

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240 Seiten Theil. Philoſophie des Mittelalters.

und was die Erkennbarkeit begleitet;“ *) das nonens wird nicht erkannt. „Das Wirkliche an den Dingen iſt“ eben, jenes Ins telligible, „nicht das Sinnliche,“ Empfundene, „oder das Indi— viduelle“ was: fonft wirklich. genannt wird, Sinnliches, ift das Nichtſeyn. „Was unter der ‚Sonne geſchieht, was die Region der Materie bewohnt, fällt unter: den Begriff der Eitelkeit“ (Endlichkeit). -„Von’den Ideen ſuͤche das. Feſte der Vorſiellun⸗ gen, wenn Du verſtändig biſt.“ **) „Was. hier. Kontraft und Verſchiedenheit iſt, iſt im Urverſtande Harmonie und. Ein- heit. Verſuche es alſo (tenta igitur), ob Du die empfangenen Bilder identificiren, übereinſtimmend machen und einen könneſt: ſo wirſt Du Deinen Geiſt nicht ermüden, Dein Denten nicht trüben, und das Gedächtniß nicht verwirren.“ ***) Die uUnterſchiede, die hier. fo. gegeben find, find eine; Alles iſt Harmonie, Die zu entwideln hat er alfo verfucht, und die Beſtimmungen, als natürliche in dieſem, ‚entfprechen dann. denen, die im fubjektiven Berftande erfcheinen, „Durch die Idee, welche im Verſtande iſt, wird. etwas. beffen ‚begriffen, als durch -die Form des Naturdings an ſich felbfi, weil die Tegtere materieller. ift: aber am höchſten durch die Idee vom Gegenflande, wie fie im göttlihen Werftand iſt.“ F) Und Bruno’s Kunft befieht nun darin, das allgemeine Schema dyr Form zu beftimmen, weldes Alles unter fi begreift, und zu zeigen, wie feine Momente ſich in den verfchiedenen Sphären des Dafeyns ausdrüden. Ein Hauptbemühen des Bruno war, das AU und Eine nad der

®) Buhls: Gesch, d. neueren Philos. B. II, Abth.2, S. 731; Jordani Bruni De Umbris idearum: De triginta idearum concep- tibus, Conceptus X, p. 319.

##) Buhle, a. a. O. 5. 7390 731; Jordanus Brunus, 1. I. Con- coptus VII, p. 318. “wier). Buhle, a. a..O. 5. 732; Jordanus Brunus, L l. Gonceptus XI, p. 30.

DD Buhle, a. a. O. 8 733 734; Jordanus Brunn I 1. Con- eoptus XXVI p. 3B-M. . ı

Dritter Abſchnitt. Philofophie des Bruno. 2441

lulliſchen Kunft als ein Syſtem von Klaſſen geordneter Beſtim⸗ mungen darzuſtellen.

Da giebt er nun an die drei Sphären: „0) die Urform (drrepovoia), Urheber aller Formen; P) die phyfiſche Welt, welche die Spuren der Idee der Oberflähe der. Diaterie auf- | drüdt, und das Urbild in zahllofen entgegenſtehenden Spiegeln

vervielfältigt; y) die Form der vernünftigen Welt, welde die Schatten der Ideen für die Sinne. numerifh individualifi rt“ (in das Eins bringt), „und für den Verſtand zu allgemeinen Begriffen erhebt. Die Momente der Urform felbft (ürzegovaie) heißen Seyn, Güte” (Natur, Leben) „und Einheit; dieß ha⸗ ben wir ungefähr gefehen bei Proklus. „In der metaphyſiſchen Welt ift ſte Ding, Gutes, Princip der Mehrheit (ante multa); in der phyſtſchen Welt offenbart fie fih in Dingen, Gütern, Individuen; in der vernünftigen Welt” (Erkennen) „entfpringt fie aus Dingen, Gütern und Individuen.“ *) Die Einheit ifl das Zurüdführende, und er hat dann die natürliche und meta⸗ phyſtſche Welt, und er ſucht das Syſtem diefer Beflimmungen aufzuftellen, und zu zeigen, wie dieß auf natürliche Weiſe er⸗ fcheint, was auf andere Weife als Gedachtes ifl.

Indem nun Bruno diefen Zufammenhang näher. zu faſſen ſuchte, „betrachtet er das Denken als eine“ ſubjektive „Kunf der Seele” (Thätigkeit), „im Inneren” (nad feiner Vor⸗ fiellung) „gleihfam durch innere Schrift darzuftellen, - was die Natur äußerlich gleihfam dur äußere Schrift darftellt; und“ das Denken iſt Fähigkeit, „ſowohl diefe ãußere Schrift der Natur in ſich aufzunehmen, als die innere Schrift in der äãußeren abzubilden und zu verwirklichen. Dieſe Kunft des-inneren Dentens und Äußeren Organifirens nad) demſelben und umgekehrt, wie fie die menſchliche Seele Hat, ſett Bruno

%#) Buhle: Gesch. d. neueren Philos. B. II, Abth. 2, S. 745; Jordani Bruni Explicatio ‚triginta sigillorum:. "Sigillus ‚Sigillerum, P. II, S. 11. ER

Geſch. d. Phil. 16

22 Zucher heit, "Philefepsie des Mitelälers. , +

in die innigſte Verbindung mit der Kunft der Natur des Ami: verſums,“ mit der Wirkſamteit „des” abfofuten ,Welt⸗ Prim⸗ eips überhaupt, wodirch Alles geformt und gebildet wird;“ cs if eine Form, die ſich entividelt., „Cs iſt dafielde Welt⸗ Prin⸗ aip/ das in den Metallen, Planzen, Thieren bildet, und das in

dem Menſchen denkt und außer ſich örganifirt, nur daß es ſich ‚in feinen Wirkungen auf eine unendlich verſchiedene Weife än fert,“*) in der ganzen Welt ausdrüdt. Im Inneren und

- Menferen iſt mithin tine und dieſelbe —— eines deſſelben Principss.

Dieſe „verſchiedenen Schriftarten Der Setle, durch welche ſich auch das otganifisende Welt-prineip/ offenbart,“ Hat Briino fofleinatifiren wolfen. Dieſe Schriftarten find es, die er zu be⸗ fünnen fucht. Diefe verſchiedenen Schriftarten datzuftellen, dar- auf geht Bruno’s andere Thatigkeit, feine Ars lulliana; und er „nimmt“ darin „zwölf“ Gtundfehriftarten, Gattungen der Nalurformen „an,“ don denen er ausgeht: „Species, For- ae, Simulacra, Imagines, Spectra, 'Exemplaria, Indicia, Sigua, Notae, Characteres et Sigilli, Einige Schriftarten beziehen ſich auf den äußeren Sinn, wie die äußeren Formen, Bilder und Jdeale (extrinseca forına, imago, exemplar), welde die Malerei und andere bildende Künfte, indem fie die Mutter Natur nahahmen, darftellen. Einige bezichen fi auf den inneren Sinn, wo ſie in Anfehung des Maafes, der Dauer, der Zahl vergrößert in der Zeit ausgedehnt und vervielfältigt werden; dergleichen find die Erzeugniffe der Phantaſie. Einige beziehen ſich auf einen gemeinfchaftlicen Punkt der Gleichheit mehrerer Dinge; einige weichen von der objektiven Befchaffenheit der Dinge fo ab, daf fie ganz erträumt find. Einige endlich fheinen der Kunſt eigenthümlich zu ſeyn, wie die signa, notae,

2) -Boahlee Gef: de neunten Phllf: Band IT, Ah. 2, ©. 734;

ef. Jordan. Brün. De Umbris idearum: Ars Memoriae, I— XL, p. 26 390. f u

m)

J 4

Dritter Abfchnitt. - Philoſophie des Brumo. 243

charäcteres et sigilliy / durch welche die Kunft ſo viel. vers mag, daß fie unabhängig von der Natur, über bie. Natur hin⸗ aus, und, wenn es die Sache mit ſich bringt, ſogar gegen die Ratur handeln zu können ſcheint.“ *)

So weit geht im Ganzen Alles gut; es iſt Die Aucfahrung biffelben Schema's in allen. Bolen. :: Alle Hochachtung verdient diefer Verfuh, das logiſche Syſtem des inneren Künſtlers, des produeirenden Gedantens, fo darzuftellen, daß ihm die Geftal- tungen der äußeren Natur entfpreden. Die Bellimmungen des Denkens. werden: aber zugleich (bei der fonft großen Weiſe des Bruno) dennoch hier oberflächlich, zu todten Typen, wie in nentrem ‘Zeiten die. Schemata der Natur⸗Philoſophie; an jeder Sphäre felbft: abfolut betrachtet, an ihr als foldyer, wurde jemt Dretheit entwickelt. Dann eben die Nähere oder die be⸗ ſtimmteren Momente find von Bruno nur zuſammengelefen; es geht in Verwirrung über, durch Figuren und Klafffitätionen fucht er fie darzuſtellen. Zwölf Formen find. zum Grunde ger legt, weder jede abgeleitet und in Ein Ganzes zufammengesir} oder als cin Syfiem —, noch die fernere Vervielfältigung. . Ders Über bat er mehrere Schriften gefchrieben. (De sigillis); das Erſcheinen der Dinge find Buchflaben, Zeichen, die dann einem Denten entfprecdhen... Und in verfchiedenen Schriften fcheint auch dieſe Darftellung. verfehieden.. Die. Idee if im Allgemeinen. zu oben, gegen die ariftotelifche und ſcholaſtiſche Serftremung, die fede Beſtimmtheit iiberhaupt nur- firirten.. Sber er zählt die Begenfäge,. Momente des Schema’s nur auf. Die Ausführng iſt Theils an die pythagoxäiſchen Zahlen angeknüpft, ſo kunter⸗ bunt und willkürlich, metaphoriſche, allegoriſche Zufammen⸗ ſtellungen und Paarungen, wo man ihm gar nicht ſolxen ann;

| *) Buhle: Geſch. d. neueren ‚Philof, Band u, Abih. 9, & 7 73; Jordanus Brünus De Umbris ideärum : "dis Memortäe, x I, 2:30 331. rer BE FE 2 TENT N Er de Peer? 16 *

24 Zweitet Theil. Philofophie des Mittelalter,

es läuft hier Alles, in diefem Verſuche zu ordnen, aufs Unor⸗ dentlichfte durcheinander. va

Es iſt ein großer Anfang, die Einheit zu denken; und das Andere ift diefer Verfuh, das Univerfum in feiner Entwidelung, im Syſtem feiner Beflimmungen aufzufaſſen, und. zu: zeigen, wie das Aeußerliche ein Zeichen iſt von Ideen, Dieß bar die beiden Seiten, die, von Bruno —— waren.

f h y 4. Banini, >

Ich erwähne nod Julius Cäſar Banini, als hierher gehörig; "fein eigentlicher Vorname war 'Lucilins Er dat viele Aehnlichteit mit Bruno: iſt ebenſo ein Märtyter der Phi⸗ loſophie geworden, wie Bruno: hatte auch das Schidſal, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. ‚Er iſt geboren. 1586 zu Taurozano im Neapolitanifihen. Er ift überall herumge⸗ ſchweift, in Genf, Lyon, wo er ſich durch Flucht nach England dor der Inquiſition rettete. Nach zwei Jahten kehrte er nach alien zurück. In Genus lehrte er die Natur⸗Philoſophie nach Averroes, vertrug ſich nicht, trieb ſich in mancherlei Abentheuern, Disputationen über Philoſophie und Theologie herum. Er wurde immer verdãchtiger, flüchtete von Paris, wurde wegen Gottlofig⸗ keit, nicht. Ketzerei, vor Gericht gefordert. Franconus, fein An⸗ tlãger, beſchwor, daß Vanini gottesläſterliche Dinge geredet. Vanini:betheuerte zwar, der katholiſchen Kircht treu geblieben ‚zu ſehn, ſeinen Glauben an die Dreieinigkeit; und als Antwort uuf die Beſchuldigung bes Atheismus, nahm er vor feinen Rich⸗ tern einen Strohhalm vom Boden auf: und ſagte, daß ſchon dieſer Halm ihn vom Daſehn Gottes überzeugen würde. Aber esn halfmichtsz. er wurde 1619 zu Toulouſe in Frankreich zum Scheiterhaufen verurtheilt, vor Vollziehung des Urtheils ihm aber th) ‚den. Henker die Zunge, ausgeriſſen. Indeſſen

iſt fein Proc nicht klar; er iſt mehr aus perſönlicher Feind⸗ +

%

Dritter Abfchnitt. Lucilius Vanini. 245

(daft, aus Verfolgungewuth der Gernlichen in Zoulouſt bervor- gegangen. *)

Er war vorzüglich durch Cardanus Originalität erregt wor⸗ den.» Zn. ihm ſehen wir. eine Wendung des Bernünftigen, bes Dhilofophirens gegen. die Theologie, während die fdhelafifche Philoſophie der. Theologie gemäß war, und diefe dadurch beſtä⸗ tigt werden follte.. Die. tatholifche Kirche bat fih von der Wife ſenſchaft Iosgefagt, ſich ihr feindlich gegenüber geftellt.. In der atholifchen Kirche. hat fih die Kunſt aufgethan, aber das freie Denten bat ſich davon. gefieden. In Bruno und Banini hat fie fi} dagegen gerät; und das freie Denken ifi infofern voR der katholifchen Kirche gefhieden, und: if ihr fremd. geblieben; - -

‚Sein Philoſophiren geht nit weit; : er. bewundert die Les bendigkeit der Natur. . Tief philoſophiſch waren Vaninis Rai⸗ fonnements eben nicht, fondern mehr leicht durch Einfälle. Er wählte immer Form des Dialogs; und es: wird wicht: fühtbar, welche Behauptung. die feinige ifl. Er schrieb. Kommentarien zu pꝓhyſiſchen Schriften des Ariſtoteles. Mir haben von Vanini noch zwei Werke, die fehr .felten ‚find. Das eine Buch heißt: ‚Amphitheatrum .aeternae. providentiae diving - miagicum, christiano -pbysicum,, nec non astrologo-catholicum, ad- versus veieres philosophas, Atheos, Epicureos, Peripate- ticos et Stoicos. . Auctore Julio Caesare Vanino, Lugd. 1615; eine Widerlegung der Atheiffen, Epikureer u. ſ. f., worin er ihre Dhilofophien, ihre Gründe mit vieler: Beredſam⸗ teit vorträgt: die Art aber, wie er fie widerlegt, fällt ſchwach genug aus. Das .zweite Merk heißt: „Bon den wunderbaren Geheimniffen. der Königin und Göttin der Sterbliden, der Ra um“ (Ejusdem: De admirandis Naturae, reginae Deaeque mortalium- arcanis libr. IV, Lutetiae 1616); cum Ap-

%) Brucker. Hist. crit, phil. T. IV, P.2, p. 6711— 677; Buhl: Gesch. d. neueren Phil, B. II, Abth. 2 3. 866 8609.

246 Zweiter Theil. Philoſophie / des Mittelalters,

probatione/ider Sorbonne gedruckt, die anfangs nichts darin angetroffen, quod religioni catholicae apostolicae et roma- nae repußnaret aut contrarium osset. Und es find Unter⸗ ſuchungen in dialogiſcher Form, doch» ohne daß beſtimmit ange⸗ geben iſt, in welcher Perſon Vanini ſeine Meinungen darlegt; es iſt diet Form · von wiſſenſchafllichen Unterſuchungen üher/ein- ‚sole phyſitaliſche und naturhiſtoriſche Matetien, Er entſcheidet im Dialog nit. Man findet Verſicherungen: Er würde diefe oder jene Lehre ‚glauben, wenn er nicht im Chriſtenthume unter- richtet wäre, Die Tendenz ivarı Naturalismus, zu zeigen, daß die Ratura dit Gottheit ſey/ daß alle! Dinge mechaniſch entftän- den, und das ganze Univerſum in ſeinem Zuſammenhange nur aus miechaniſchen, wirkenden, wicht aus Endurſachen zu erklären; ‚aber es iſt dieß ſo / gehalten, daß RSG ſich nicht ent⸗ wu) —* juli Dee Bene rap dan Bi uab Vamen an Die⸗ —* war ſchon früher! bei Pomponatius, einem Ariſtoteliker, der Fall. Er bewies/ daß aus dem Ariſtoteles Begriff der Sterb⸗ lichteit der Seele abzuleiten wäre: Ariſtoteles ſetzte vegetative und animaliſche Seele als eins." Die Vernunft iſt fo nicht fähig, Anſterblichteit der Setle zu begründen;. er glaube nur. daran, weil; das: Chriftentdum fle-offenbare. Er wurde vor die Inqui= fition gefordert, Karbinäle befhügten ihr aber; und fo wurde Leine Rotiz. davon genommen. **) Banini und Andere ſetzten die Vetnunft wieder!in Gegenfog mit dem Glauben, der Kirche und der Lehre det Kirche. Sie bewieſen zwar dieſe oder jene Dogmata, die: dem chrifflichen Glauben gerade. widerfprechen, burch die Vernunft; ertfärten aber dabei, wit unter den Refor⸗ mirten Baple nachher - immer, daß fle ihre Ueberzeugung Der - 2:0 ei. . . *) Buble: Lehrbuch d. Geſch. d. Phil. Th. VI, Abth. 4, S. 410 415; Brucker. Hist. crit. phil. T. 17, P.2, p. 677—680; Buhle:

Gesch. d. neueren Phil: B. HI, Abth. 2, 5: 870 878. *x) S. Oben, S. 215; Bracker. L 1. P. 4, p. 164.

Dritter Abſchnitt. Lucilius Waninj, . 247

Kirche unterwerfen, —.. dee Chrift. müffe ſich untermerfen, und er unterwerfe fi dem Glauben. Oder fie brachten alle Gründe und Einfälle gegen die theologifhen Dogmen vor, als unaufs löslich für die Vernunft: aber unterwarfen die ebenfalls, das, was. die Vernunft nicht widerlegen könne, dem Glauben der Kirche. So macht er Einwürfe gegen die Verfühnung, bringt Gründe, Raifonnement an dafür, daß die Natur Gott fey. Weil man aber überzeugt war, daß die Vernunft den chriftlichen Dogs | men- nicht. entgegen feyn Tonne, und weil man an der Ehrlich⸗ keit einer ſolchen Unterwerfung zweifelte, das aufzugeben, wovon man fich durch die Vernunft überzeugt hat: mußte Galilei, weil er das Syſtem des Kopernikus vertheidigt, auf den Knien ab⸗ bitten, und Vanini wurde verbrannt. Beide hatten fo vergebens auch die dialogifhe Form für ihre Schriften gewählt. Yerdings bewies Vanini durch die eine Perfon in den Dialogen felbft „aus dem Text der Bibel, dag der Teufel mächtiger. ift als Gott,“ daß Gott nit die Welt regiere. Es find dieß folhe Gründe z3. B.: „Gegen den Willen Gottes ha⸗ ben Mom und Eva gefündigt, und fo das ganze Mienfchenges ſchlecht zur Sünde. gebracht (reluctante. Deo Adamum et Evam tolumgue genus .humanum ad interitum duxit); aud) Chriſtus fen: Jurch die Macht der Finſterniß gefreuzigt (morte turpier sima damnatus).” Utberdieß „wolle ja Gott, daß alle, Men⸗ fen felig würden. Uber der Katholiken feyen fehr wenige gegen die übrige Welt, die Juden ſeyen oft abgefallen; die Tatholifche Religion erfirede fh nur auf Spanien, Frankreich, Italien, Holen und einen Theil von Deutſchland. Wenn man hiervon auch noch die Atheiften, Blasphemiften, Keger, Hurer, Ehe⸗ brecher u. f. f. abziehe: fo würden nod weniger übrig bleis ben.” *) Mithin ſey der Teufel mächtiger als Gott. Die ſeyen Gründe des Verflandes, der Vernunft, fie feyen nicht zu

———

%) Lucilius Vanini: De naturae arcanis, p. 420.

2 Zweiter Theil, Phitofephie des Mittelalters, widerlegen: aber man unterwerfe fi) dem Glauben, und dieß hie 'er. Metkwürdig if, daf man ihm dieß nicht geglaubt‘ Hat. Han glaubte dem Vanini nicht, daf es mit dem, was er Ver⸗ nünftiges vorgebracht, obgleich er es widerlegt (aber ſchwach, Fubjertiv: es Fonnen ſchlechte Gründe überzeugend fehn; oder bei objektiven behält jenes fein Recht) und fich dem Glauben‘ zu "unterwerfen bezeugte, ihm doch nicht Ernft ey. Es liegt dabei zum Grunde, daß, wenn der Verftand fo etwas kingeſehen Hat, was die Vernunft nicht widerlegen Tann, ein folder Menſch nicht anders als diefen Beſtimmungen anhängen Farin, ein’ Ciit- gegengefeßtes nicht glauben Tann; man glaubt nicht, daß wi Glauben in ihm flärker ſeh als diefe Einſicht. Die Kirche verftel in den ſonderbaten Gegenſatz daß ſte Vanini darum verdammte, weil er ihre Kehren nicht der Vers nunft gemäß gefunden), abet ihnen doch fich unterwatf: dag fle "alfo es zu fordern ſchien und mit’ Scheiterhaufen bekräftigte, nicht daß ihre Lehren über die Vernunft erhaben, ſondern ihr gemäß ſeyen Diefe Reizbarkeit der Kirche iſt inkonſcquent; frů⸗ ber war zugegeben, daß die Vernunft das Geoffenbarte nicht erfaßte, und die Einwendungen derfelben aus ihr felbft zu wis berlegen, aufzulöfen, gleichgültig fe. Die Kirche kam in Mir derfpruch. Sie ließ nicht zu, daß diefer Widerſpruch des Glau—⸗ bens und der Vernunft als Ernft genommen werde, ſondern Vanini wurde als Keger verbrannt; darin liegt implicite, daß die Lehte der Kirche det Wernunft nicht widerftreiten Tönne, in⸗ Gem’nran doch die Vernunft der Kirche unterwerfen folle. Vieſe Wendung if’ auch Bei’ Bayle im kritiſchen Dictionnaire herrſchend. Er ’serühet" viel philoſophiſche Vorſtellungen, z. B. im /getttel der Mantdäer. Er ſagt, ſie behaupten, es ſeyen "sioet Principe u. f. w: Bayle fagt, ſoiche Behauptungen fün- nen nicht widerlegt werden, inan müfe fle aber der Kirche un⸗ terwerfen. Unter diefer Wendung brachte man alles Mögliche gegen die Kiride vor.

20 Zweiter Theil. Philoſephie des Mittelalters.

Gecſchichten im alten Teſtamente, ebenſo im neuen, Geſchichten in der Kirche u⸗ ſ. w. Es wird etwa, Glauben an ‚alle, diefe Endlichteit gefordert. Wenn, Einer z. B. nicht an; Gefpenfter ‚glaubte, wurde er für Freigeiſt, Atheiſt gehalten: ebenſo wenn man wicht ‚glaubte, Adam ‚habe sim Paradieſe vom Apfelbaum ‚gegeflen, Beide Theile, werden auf Eine, Stufe geſtellt. Das ‚gehört zum / Verderben ber, Kirche und des Glaubens, daf für Beide Glauben gefordert wirds An die äußerlichen Vorſiellun—⸗ ‚gen haben id) die vornehmlich gewendet, welche ‚als Bekämpfer des Chriſtenthums und als Atheiſten (bis auf Voltaire herunter) verſchtleen worden / ſud. Wenn ſolche äußerlichen Vorſtellun⸗ gen feſtgehalten werden, fo kann es nicht anders ſehn, als daß Widerſprüche aufgezeigt werden un nn

A er

A me. [2 IL EG; wa een Ar he waren, Srifioteliter. u PierredejlnRamde war. ausgezeichnet, lebte, in Paris: ge- boren 4515 zu Bermandois; wo fein. Vater als, ein, Tagelöhner Aebtesv En begab fich früh nach Paris, um feine, Serubegierde zu befriedigen, mußte es ein Paar Mal wieder verlaffen- aus Man⸗ gel an ıMßterheit: dan wurde en Famulus im.Golläge:de Na- ‚vairren cd Sieuntxhielt er ‚Gelegenheit, feine Kenntniſſe zu erwei⸗ æern, beſchãftigtt ſich mit arißoteliſchet Philoſophie ud. Mathe motit und otrmatb· ih eine smußrrordentliche. oxateriſche und dia⸗ ettißche Fertigkeit Er trat zöfſernaltch ‚mit: einer Theſis auf, die Del: Aufſehen mechte: · Alleswas Ariſtotelas gelehrt habe, ſey it hr bel onen Disputation zur Erlgugung der Ma—⸗ iſterwurdej dic Disputatie ſiel zu feiner. Ehre aus. *) si Br sie · Magiſtex, riet die ariſtoteliſche Logik nti. Dialettik⸗ bitter: und. heftin or Die Regierung nahm Moti annqab / Ex:waadr heſchaldigt daß. er durch feine. auti⸗ deeiftetekifihen, Mruinungen DE. Fundamente der. Religion und Al Gaschiche" bh Philor., Band 11; Abth. 2, 18. 10 rar. Kintagieiphä Z. IV, P. 2, p. 568 60.

Dritter Abſchuitt. Petrus. Ramus. 251

Wiſſenſchaft untergrabe; dieſe Befchuldigung . wurde als ein Kriminal: Fall von Ramus’ Feinden vor das Parlament von Maris gebracht. : Da diefes aber Miene machte, rechtlich zu verfahren,.. und den Ramus günflig ſchien: ſo wurde ihm das Erkenntaiß wieder entzogen, und die Sache vor das Konfeil des Königs gebracht. Diefes .entfchied, Ramus follte mit Goveanus;, feinem Gegner, vor einer rigenen Kommiſſion von fünf Richtern (zwei follte Boveanus,. zwei Ramus, und. ber König den Präfldenten wählen) disputiren, und dieſe ein Gut⸗ achten an den König ‚flellen. Die Aufmerkfamteit des Publi⸗ tum’s war höchſt gefpannt. (Es. nahm überhaupt fehr lebhaftes Anterefie an dergleichen Streitigkeiten, Weberhanpt bat es eine Menge Stesitigteiten diefer Art Über dergleihen Schulfragen gegeben. 8.8. die königlichen Nrofefforen professores re- gii an einem College hatten mit den Theologen der Sor⸗ bonne einen Streit, ob man quidam, quisquis, quuniam, oder kidam ausfprechen folle: dafür war ein Proceß vor bem Parla⸗ ment. Die Doktoren hatten einem Geifllihen; der guiequis aus⸗ ſprach, feine Pfründeigenommen; und darüber entfland der Drevefl. Auch ein anderer hartnädiger und hitziger Streit kam an die Obrig⸗ teit, ob ego amat ebenfo richtig fey, als ego amo, und mußte von der Obrigkeit unterdrüdt werben.) Der Streit war böchft pedantifh. Am erfien Tage behauptete Ramus: Die ariſtote⸗ lifhe Logit (Dialektik) ſey unvollkommen, mangelhaft; weil das Organon nicht mit einer Definition anfange. ' Die Kommiffloh entſchied: Ein Disput, eine Differtation bedürfe zwar einer De— finition, bei Dialektik ſey es aber nicht nöthig. Am zweiten Zage warf Ramus der ariftotelifichen Logik den Mangel der Eintheilung vor; diefe fey nöthig:: Die Majorität der Richter wollte die bisherige Unterſuchung annullicen umd auf andere Weiſe zu Werke gehen, weil fie in Berlegenhelt hitrüber war; die Majorität war 3, der Kommiffar des Königs und die Zwei des Gegners Goveanus. Ramus proteflirte, appellirte an den König. Der König wiss ihn ab, entſchied, der Ausſpruch der

252 Zweiter Theil. Philofophie des Mittelalters.

- Richter ſollte als in letter Inſtanz gelten. Sie fpradhen gegen Ramus;ver wurde, verurtheilt; die zwei Anderen nahmen feinen Antheil, fondern zogen ſich zurüd. Das Urtheil wurde ‚öffentlich in allen Strafen: von Paris angefehlagen, «und an alle, Akade⸗ mien / durch ganz ‚Europa verſchickt. Theaterſtüde wurden auf Ramus mit großem Beifall der Ariſtoteliker aufgeführt: “)

Zuletzt kam er doch noch zu einem öffentlichen Lehramt, wurde Profeſſor in Paris: mußte es aber, da er Hugenotte wurde; bei den innerlichen Unruhen mehrmals verlaſſen; einmal reiſte er auch in Deutſchland herum. Endlich in der Bartholo⸗ maãus⸗Nacht fiel auch Ramus 1572, durch Die, Hand feiner Feinde ermordet; einer feiner Kollegen und wüthendſten Feinde, Karpentarius/hattt Banditen dafür beſiellt, von denen er ſchrec⸗ Lid mißhandelt aus dem oberen Fenſter geſtürzt wurde. **) Er erwerkte ein lebhaftes Intereſſe durch feine Angriffe insbeſondere auf die bioherige ariſtoteliſche Dialektit, und trug zur Vereinfachung des Formalismus der dialektiſchen Regeln ſehr viel beis und iſt beſonders dadurch betannt, daß er die ſcholaſtiſche Logik aufs Aeußerſie verfolgt, und im «Gegenfage: die ramiſche Logik aufge» ſtellt hat; ein Gegenſatz, der ſo weit durchgedrungen if, daß ſelbſt. in: Deutſchland's Literatur⸗Geſchichte Die. Partheien der NMamiſten, Intiramißen und Semiramiſten genannt ‚werden. Er „wa beſonders im. Disputiren berühmt. Bi

205 :NRacrwiele-.andeie merkwũrdige Männer fallen in. diefe Zeit,

dieauch / in der. Geſchichte dem Philoſophie aufgeführt: zu werden

lrgemiale Micheel de Montaigne, Eharron,; Mach iavell u.

Ketifen: Dergleichen Mränner: merden genannt; aber fie gehören

aicht / eigentſich·der Philoſayhie, fondern der allgemeinen Bildung

on: Inſofern wird ihr Bemühen, ihre Schriften, dann ber Phir

Aafoppie. heigezählt, als ſolche Männer aus ſich ſelbſt, aus ihrem

Bewubtſchu/ iberx Erfahrung,. Beobachtung, ihrem Leben ger

- 0) Bahles PR X neueren Philor., B. IL, Abth. 2, 5. 672 "676; Brubkör: Bist. erit phil TE IV, P. 2, p. 50 857. 23); Bine = Di BhTEr CR; Brucker.t, . p. 558 562.

*

Zweiter Abſchnitt. Die Reformation. 258

ſchöpft haben. ‚Ein ſolches Raifonnement; Erkennen iſt dem bisherigen fcholaftifchen Erkennen grade entgegengefett. Es fin⸗ den ſich bei ihnen gute, feine, geiftreiche Gedanten über fid, über das menfchlihe Leben, die gefellfchaftlichen Werhältniffe, über das Rechte, Gute; es ift eine LebenssDhilofophie aus dem Kreife der menſchlichen Erfahrung, wie es in der Welt, im Her⸗ zen, im Geifte des Menſchen zugeht. Sole Erfahrungen has ben fie aufgefaßt und mitgetheilt; fle find fo Theils unterhal« tend, Theile lehrreich: und fie find dem Principe nad, woraus fie gefihöpft Haben, ganz abgewichen von den Quellen und Mes tboden der bisherigen Weiſe des Erkennens. Aber indem fie nicht die höchſte frage, die die Philoſophie intereffirt, zum Bes genftand ihrer Unterfuchungen machen, und nicht aus dem Ges danten raifonniren: fo gehören fie nicht eigentlich der Geſchichte der Philoſophie an. Sie haben dazu beigetragen, Daß der Menfh an dem Seinigen, feiner Erfahrung, feinem Bewußt⸗ ſeyn u. f. f. ein größeres Intereſſe gewonnen hat, daß er ein Zutrauen zu fi erhalten hat, daß es ihm werth if. und. gilt; und dieß ift ihr Hauptverdienſt.

Hier iſt nun aber ein Uebergang zu erwähnen ‚ber uns angeht des allgemeinen Princips wegen, das darin höher er⸗ fannt und in feiner Berechtigung erkannt ifl,

C. Die Keformation

Die Haupt · Revolution iſt in der lutheriſchen Reforma⸗ tion eingetreten, als aus der unendlichen Entzweiung und der gräulichen Zucht, worin der hartnäckige germaniſche Charakter geſtanden hatte und welche er hatte durchgehen müſſen, der Geiſt zum Bewußtſeyn der. Verſöhnung feiner ſelbſt kam, und zwas in dieſer Geſtalt, daß fie im Geiſte vollbracht werden müſſe. Aus dem Jenſeitigen wurde fo. der Menſch zur Präſenz des Geiſtes gerufen; und die Erde und, ihre Körper, menſchliche Zus ‚genden und Sittlichkeit,. das eigene Herz und das sigene Ger wiffen fingen :an ‚ihm: Zwas zu ‚gelten. ; Galt ſo in.ıder. Kirche

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dChe il gie uhecvis vaas ſtulicheo, fa gelten del Etſagang wicdWboeldſegkeit höherwkhrend feet Sich Ehe als chi: Gociches rfchiem Anuath. galt für höher: als Beſtz/ und wi Nlacoſen leden fue hoher as vor: feines: Hände Arbeit fich hei er aberrioicd gewußt, da! nilht: Armuth eis goecidas ittikätee IE, Yonbirwnen ſeiner Arbeit leben, bee ori: briugt, froh zu: werden· ‚Ber Yarlewı) :pfübsö, Sie enfchliche Freier vuterdrũckender Oehor⸗ fars war des Seirir durtgenjet wuben yeah ia ** Vet ten Ga re“ and Bee ar Ver: @elte dir eig): ai ab: voa Jeuſeito Dar Mitt und · dae . Wurf werde: als Tun te Fe ugeieia und: baein au dae Gotiuche ee et Relt- gißfe in. ‚Belkiides Menſthew ſelno Wtclie: Hab mung‘; und Wirte der ae Preirſder : Heilsotonung bdurchge⸗ int werden ala: Da aha Deiligunz feine eigene Sache ik, wu ee aa Bun ken Tele: Oe iſſen· uud’ an- mittelbar zu Gott, ohne jene Beimiktilumgibes Prieſter, die bie eigentliche Hellsordnung tw ihren Händen haben: Zwar tft auch noch cine Bermittelung durch Lehre, Einſicht, Beobachtung feiner felbft und feiner Handlungen; aber das ift eine Bermittelung ohne Scheidewand, während dort eine eherne, eiferne Scheide⸗ wand die Laien von det Kirche trennte. Bar Geift Gottes iſt es alſo, der im Degen des Rehm toben, » und dieß in ihm wirken muß. wol. Trabant) EI ot Obgleich nun: fon Si. Arnold von Breſeia aus der ſcholaſtiſchen Philoſophie zum ähnlichen Ziele hervorgegangen waren: fo haben fle doch nicht den Charakter gehabt, einfad) ängefprohen, und ohne gelchrte ſcholaſtiſche Ueberzeugung, nur Yen Geiſt und das Gemüth: nöthig gehabt zu haben. . Exft mit Luther begann die Freiheit des Geiſtes, im .Kemes amd hatte le Form,“ ſichim Kemme::zu:halten.. Die Explikation diefer Freiheit und Das) dendente Erfaſſen Aerſelbenniſt ein Folgen⸗

Syiner YUhlimin. Sir Vriszmanion, tes gewin, iz je em für Merkilhemg der Autfiäee Oriee in fer Kirde Tele ort Ar ringe ie

Sem er Sonim tolen m Ye Se er Rememmiem: ek 5 m wre Set empmrea Es Ni ihre Taler der Wir gun Ticket Frrmrirt bemetüi gemaät weren, et ie Wine, ine Ihrripfrw, irmmt Werder, Weüpet. irmer Nee tromme zu ib: in Def üb der Mei im Ver Shine, Beraus’t, Dibazizlir u I, in trimm Trotafııa beirirtäat, Daf er cinr Xırute bar am Iran erden, u) ice Werde alt etınas Crlssktrs war Berccotigtes berrasırt, werin ır weratiid feine Imereſra (cken darf ur ieh Es if der BSodginn Ber Veriskuung des Mexiden mit Kb jet, die Girrliäleit im feine PRartlicfeit einzrtuktt, die Mürtliäteit unteriect, dert IM nur cat Frimrip.

Dirt Odin des Eukieftieen bat man jetzt einer bite ren Bewahrung und der hochſten Remäbrung bedurſt, um volle tommcen legitimirt zu ſeyn, wmd ſogar zur abielunm Pflicht ya werben; und um dirie Bewäbrung erbalten m Tonnen, dat et aufgefaft werden mũſſen in feiner reinften Geſtalt. Die böchſte Bewährung des Primcips if nun die religieie Bewäbrung: fo da dieß rincip der eigenen Geiſtigkeit, der eigenen Seihfllläne digkeit erfannt wird in der Beziehmg auf Bott und zu Wett: dam iſt es durch die Religion arbeiligt. Die bloße Subjekti⸗ vität, bloße Freiheit des Menſchen, daß er einen Willen Yet, und damit dieß oder jenes treibt, berechtigt noch nicht; der bar⸗ bariſche Mille, der fi) mar mit fahjetiven Zwecken erfüllt, die nicht vor der Vernunft Beftand haben, iſt nicht berechtigt. Aber wenn auch der Wille Zwecke bat und ſolche, die der Form ber Vernũnftigkeit angemeffen find, wie das Recht, weine Freiheit, aber nicht als Freiheit Diefes befonderen Sudjekts, fondern als Freiheit des Menfchen überhaupt, als gefegliches Recht, ats Recht, das dem Anderen ebenfo zukommk, wenn’ au) ber Getbfl- wilte die Fotni ber Allgemeinheit erhält: ſo liegt voch darin nur

36 Zweiter, Theil, Philofopbie des: Mittelalters.

das, Erlaubtfeyn; und. es iſt ſchon⸗ viel, wenn es als erlaubt anerfannt wird und nicht; als an und für ſich Sündiges. Kunft, Induſirie erhalten durch dieß Princip ‚neue Thätigkeit, indem ſie nun auf, gerechte Weife thätig find. So ift aber ‚dich Prin- cip zunächſt auf. beſondere Sphären der , Gegenſtände, feinem Inhalte nad), beſchränkt. Erſt wenn das Princip in Beziehung auf den an und, für ſich ſehenden Gegenſtand, d. h. in. Bezie- hung auf Gott ‚gewuft und erkannt, if, ‚und damit, in. feiner volltommenen Reinheit aufgefaßt wird,, frei von Trieben, end⸗ lichen Zweden; ſo erhält,es dadurch feine, Bewährung, ſo er⸗ hält. die. Gewißheit des Menſchen in fih in Beziehung, auf, Gott iht Gelten.

„Die iſt nun das, was der lutheriſche Slauben iſt, daß der Menſch in Verhältniß zu, Gott. ſtehe, und (darin , er. felbft, als Diefer nur erſcheinen, nur Dafepn haben müffe: d. h. feine Frömmigteit und die Hoffnung, ſeiner Seligkeit und Alles der= gleichen erfordere, daß fein Herz, fein Innerftes dabei fey., Seine Empfindung, fein. Glauben, ſchlechthin das Seinige iſt gefor- dert, feine Subjektivität, die innerſte Gewißheit feiner, felbft; nur diefe kann ‚wahrhaft in Betracht kommen in Beziehung auf Gott. Der Menſch ſelbſt müffe Buße, Reue an, ihın felbft in feinem, Herzen thun, ‚und fein Herz müffe erfüllt ſeyn vom heis ligen Geiſt. So iſt hier das Princip der Subjektivität, der reinen Berichung auf mid, die Freiheit, nicht nur anerkaunt: fondern es iſt ſchlechthin gefordert, daß es uur dgrauf ankomme im ‚Kultus, ‚in der Religion, Dieß ift die höchſte Bewährung des Principg, daß daſſelbe nun vor Gott, gelte,,nur der Glaube des eigenen ‚Derzens, die Ueberwindung des eigenen. Herzens. nö⸗ thig fey; Damit; iſt denn dieß Princip der chriſtlichen Freiheit erſt aufgeftellt, und zum Bewußtſehn, zum. wahrhaften Bewußt⸗ ſeyn gebracht worden. Es iſt damit, ein Ott in das Innerſte dv enfchen, ;gefegt worden, auf. den. es allein. ankommt, in _ dem, er que eh, ſich und bei @ptt iſtz ud. bei Gott if er nur aie felof, in Gemjſen fa, a, Houſte ſezn he ſich. Diet

Housreiht fol. nipt:dusch,.Mudere geſtört werden konnen; es fol Niemand ſich anmaßen, ‚darin zu:gelten. Alle Aeußerlichkeit in Beziehung auf: mich iſt verbannt, ebenſo Die Aeußerlichkeit der Hoſtie: nur. im Genuß und Glauben ſtehe ich in Beziehung azu Gott. Der Unterſchied von Laien und Prieſter iſt damit aufs gehoben, es giebt keine Laien mehr; denn jeder iſt für fi) ane gewiefen, in Rückſicht auf ſich in der Religion zu wien, was fie if. Die Zurechnungsfähigkeit ift nicht zu entfernen; die gu⸗ ten Werke, ohne Wirklichkeit des Geiftes in fih, find nicht mehr, wie das. Herz in fi, für ſich direkt fich zu Gott verhält, ohne Bermittelung, ohne die Jungfrau und ohne die Heiligen. Dieß ift das große Princip, daß alle Aeußerlichkeit in dem Punkte des abfoluten Verhältniſſes zu Gott verſchwindet; mit diefer Aeußerlichkeit, dieſem Entfremdetſeyn feiner ſelbſt iſt alle Kuechtſchaft verſchwunden. Damit ift verbunden, daß das Be⸗ ten in fremder Sprache und das Treiben der Wiſſenſchaften in ſolcher abgefhafft iR. In der Sprache ift der Menſch produ⸗ cirend: es iſt die erſte Aeußerlichkeit, die der Menſch zfich giebt durch die Sprache; es iſt die erſte, einfachſte Form der Produk⸗ tion, des Daſeyns, zu der er kommt im Bewußtſehn: was der Menſch fich vorſtellt, ſtellt er ſich auch innerlich vor als ges fprochen. Diefe erfle Form iſt ein Gebrochenes, Fremdartiges, wenn der Menſch in einer fremden Sprache ſich ausdrücken, oder empfinden ſoll, was ſein höchſtes Intereſſe berührt. Dieſer Bruch mit dem erſten Heraustreten in das Bewußtſeyn iſt ſo aufgehoben; hier bei ſich ſelbſt in ſeinem Eigenthum zu ſeyn, in ſeiner Sprache zu ſprechen, zu denken, gehört ebenſo zur Form der Befreiung. Dieß iſt von unendlicher Wichtigkeit. Luther hätte nicht ſeine Reformation vollendet, ohne die Bibel in's Deutſche zu überfegen; und nicht ohne dieſe Form, in eigener Sprache zu denten, hätte die fubjektive freiheit befichen Tonnen. Es ift alfo jegt das Princin der Subjektivität Dioment der Res ligion felbft geworden; und damit bat es feine abfolute Aner⸗ Geſch. d. Ph. * * | u 17

268 Zweiter Theil, Philoſorhie des Mittelaiters.

kennung erhalten, und iſt im Ganzen in der Korm aufgefaßt, in der es nur Moment der Religion ſeyn Tann. Gott im Geil zu verehren, dieß Wort iſt jegt erfüllt; Geiſt iſt wie unter Die Bedingung der freien Geiftigkeit des Subjekts. Denn nur diek iſt es, die fih zum: Geiſt verhalten kann; ein Subjekt volle Unfreiheit verhält ſich nicht geiftig, verehrt Gott night im Sei Dieß ift das Allgemeine des Trinip.

- Die Princip nun iſt zu erſt aufgefaßt innerhalb der Sie ügion, daburch hat es feine abfolute Berechtigung erhalten, AA aber zunächſt nur in Beziehung auf religiöſe Gegenflände gefrkt erfhienen; es ift noch nicht ausgedehnt auf’ die: weitere Cut widelung des fubjettiven Princips felbf. Dod iſt der Menſqh zum Bewußtfehn gekommen, an fi verföhnt zu feyn, ud in feinem Fürſichfeyn fich verföhnen zu können. Jnſofern bel der Menſch in ſeiner Wirktichreit auch eine andere Geſtalt g wonnen; der ſonſt tüchtige, trãftige Menſch bat auch, inſofem er genießt, bei gutem Gewiſſen ſeyn können; das Leben für fd genießen iſt nicht mehr als zu entſagen angeſehen worden, ſo⸗⸗ dern der mönchiſchen Entfagung iſt entſagt. Aber auf weiteren Fuhalt hat’ fich das Princip zunãchſt noch nicht ausgedehnt.

Zweitens iſt aber der religiöfe Inhalt als konkret nähe aufgefaft, wie er für die Vorſtellung, das Gedächtniß iſt, ober wie er geſchichtliche Geſtalt hat; und damit ift im dieft geiftige Freiheit der Mirfang und die Möglichkeit einer unge gen Weife gekommen. Es ift alfo der alte Glauben der Kirdk; das Credo belafien; diefer Inhalt, fo fpekulatie er’ ſelbſt M; bat eine gefchichtliche Seite. In diefer trodenen Form iſt er aufgenommen und belaffen worden: fo daß er im diefer Forn geglaubt werden fol, vom Subjekt als das Gewiffe angefchen; als das Wahre, als die höchſte Wahrheit betrachtet werden ſoll Damit hängt zufammen, daß denn das fpetulative Erkennen, der dogmatifche Inhalt auf ſpekulative Weife ausgebildet, ganz auf die Seite gefeht worden iſt. Was das Bedürfnif war, if die Viergewifferung des Dienfchen in feinem Inneren von. feiner

Oritter Abſchaitt. Die Refermation. 289

löfung,. feiner Seligkeit, das Verhältni des fubjektiven Geis "zum Abfoluten, die. Form der Gubjektisität als Sehnſucht, ie, Belehrung Dieß neue Prineip iſt als das Ueberwiegende tllt worden, fo daß der Inhalt der Wahrheit ſchlechthin wich⸗ ſey; aber der Lehrbegriff über die Natur, den Proceß Boties aufgefaßt in einer Geſtalt, wie fie zunächſt für die Vorſtel⸗ ng erfheint. Es iſt verworfen werden nicht nur alle dieſe dlichteit, Aeußerlichteit, Entweihung, formalismus der ſcho⸗ Kifhen Philoſophie, und. mit Recht; aber anderer Seits iſt ih die philoſophiſche Entwickelung der Kirchenlehren auf die eite geſtellt worden, und eben in dieſem Zuſammenhange, daß wBubjekt fi in ſich vertieft hat, in ſein Herz, Dieß Ver⸗ ſen, feine Buße, Reue, feine Belehrung, dieß Beſchäftigen bes ubiefts mit ſich ift das Moment gewefen, das zunächſt gegols a'hat. In den Inhalt bat fih das Subjekt nicht vertieft, Dach die frühere Vertiefung des Geiſtes darin iſt auf: bie cite geftellt und. verworfen worden. Noch bis auf diefen Tag den wir in der tatholifchen Kirche und ihrem Dogma .die Hänge und gleihfam die Erbfchaft von der Philoſophie ber nandriniſchen Schule finden; es ift in ihr viel mehr Philoſo⸗ kihes, Spetulatives, als in dem proteftantifchen Lehrbegriff, vgmatib, wenn überhaupt in diefer noch ein Objektives if, u fie nicht ganz Ferr gemadt ift, in der dann der Inhalt ehe gefchichtlich,, in der Form der Geſchichte gehalten ift, wos x die Lehre troden wird. Die Verbindung der Philofophie k der Theologie des Mittelalters ift in der Latholifchen Kirche, t Hauptſache nad, erhalten worden; im: Proteſtantismus Das en. bat ſich das ſubjektiv religiöfe Yrincip von des Philofos ie getrennt, und erft in. ihr ifl es dann auf wahrhafte Weiſe eder auferſtanden.

Es iſt alſo in dieſem Priucipder veligiöfe Inhait der —* en Kirche überhaupt erhalten, fo daß te: feine: Bewährung u da Bear des Seſes erhait, or Die holt inibe

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260 Ziociter Theil, ° Philoſophle des. Mittelakters.

fern für mich. gelten foll, als er in meinem Gewiffen,: meisten Herzen fich geltend macht. Es iſt dieß der Sinn der: Worte „Wenn Ihr meine Gebote haltet, fo werdet Ihr inne werden, dag meine Lehre die mahrhafte ifl.” Das Kriterium der Wahr heit .ift, wie es fih in meinem Herzen bewährt und ergiebt; daf ish richtig urtheile, erfenne, ob das, was ich für wahr hal, die Wahrheit ſey, muß fih an meinem’ Herzen ergeben: Was fie in meinem Geifte if, das ift ſie; und umgekehrt mein Be ift nur dann reiht daran, wenn fie darin if, wenn er in.biefer Weife in diefem Inhalte if. Man kann nit das Eine dr das Andere ifoliren. Dee Inhalt hat fo nicht die Bewährung an ihm felbfl, die er durch die philofophifche Theologie. erhalten bat, durch das fpelulative Denken, dadurch daß die. fpetulatins Idee ſich in ihm felbft geltend macht; er bat auch nicht. die Bewährung, die einem Inhalte, fofern er eine hiſtoriſche Außen⸗ feite hat, biflorifch gegeben wird: fo dag geſchichtliche Zeugniſe abgehört werden, und feine Richtigkeit danach beflimmt wir. Die Lehre hat ſich zu bewähren durch den Zuſtand meines Her⸗ zens, durch die Buße, Bekehrung und Freudigkeit des Gemüth⸗ in Gott. Es wird in der Lehre bei'm äußerlichen Anhalt ange fangen, und fo ift fie nur äuferlih; aber fo genommen ob die Beziehung, wie fi) mein Geift, mein Herz in fich verhält, bat fie eigentlich feinen Sinn. Diefer Anfang ift nun, als ;chrife lihe Zaufe und Erziehung im Chriftenthum, eine Bearbeitung des Gemüths zugleih mit äußerlichem Bekanntwerden. Die Mahrheit des Evangelium’s, der chriſtlichen Lehre exiſtirt ums im wahrhaften Berhalten zu derfelben; diefes ift wefentlich, fo p fagen, ein Gebrauch des Inhalts, ihn erbaulich zu machen. Und dieß if eben das, was gefagt if, daß das Gemüth ſich in ſich felbft rekonſtruirt, ſich in ſich heiligt, geheiligt werde;, und. biefe Heiligung iſt es, für die der Inhalt ein wahrer if. Es ifl tein weiterer Gebrauch vom Inhalte zu machen, als baf das Gemüth erbaut, welt werde zur Zuverſicht, Freudigkeit, Buße, Belehrung, zur Erweckung des Procefies des Gemüths in ſich

Dee Abſchnitt. Die Reformation. 31 sanft; in anderer und unrichtiges Verhalten zu: dem Inhalt 8; denſelben Außertich "zu: nehmen, 3. B. nach dem großen neuen Vrincip der-Eregefe, daß die Schriften des neuen Teſtaͤments behandeit werden ſollen) wie ein griechiſcher oder Lateinifcyer'und wwerer. Schriftſteller, kritiſch, philologiſch, biflorifch. - Das we⸗

ſealliche Verhalten des Geiſtes if nur für den Geiſt. Und es M:xim. verkehrtes Beginnen einer. ſtörriſchen Exegeſe, auf foldhe Üferliche philologiſch⸗· Meife die Wahrheit der chriſtlichen Re Won: ;zuterweifen, : vote: Dieß die Orthodoxie gethan hat; der whell wird fo geiſtlos. Es iſt dieß alſo das erfte Verhal⸗ tem des Geiſtes zu dieſem Inhalte, fo daß dev Inhalt zwär we⸗ min: iſt,: daß aber ebenfo weſentlich tft, baf der heilige ı und Wende Geiſt ſich ya demſelben verhalle. nf. Dieſer: Seiſt iſt Zweitens äber weſentlich auch denkender Ki "Das Denken als ſolches muß ſich auch entwickeln darin, an zwar weſentlich als: dieſe Form der’ innerſten Cinheit des "Gen mit ſich ſelbſt: zur ' Unterfchetdung; "Betrachtung diefes . WMalts’ tommen,:und: übergeben in dieſe Format der reinſten Ein⸗ > des Geiſtes mit fih. Das Denten iſt zunächſt abſtraktes . Beten, "und - zeigt ſich fo; und dieß abſtrakte Denken enthält Mm Verhãltniß zur Theologie, -zur Religton.: Der Inhalt, von | wrdier die Rede iſt, ſofern er auch nur hiſtoriſch, äußerlich uwilgendiamen wird; fall: doch religiös fehn; die Explikation der her Gottes foll.dartn ſeyn. Darin liegt die nähere Forde⸗ nung; daß der Gedanke, für. weldhen die innere Natur Gottes iſt, daß::diefer Gedanke ſich auch in Beziehung auf diefen In⸗ dalt Test. Sofern aber. der Gedanke zunächſt Verſtand und Ver⸗ ſandes⸗Metaphyfik if, wird er aus dem Inhalte die vernünfs üge: Idee wegbringen, und ihn ‘fo leer machen, daß nur äußer⸗ liche Geſchichte bleibt, die ohne Intereſſe iſt.

Das dritte Verhalten iſt dann das des konkreten ſpeku⸗ lativen Dentens. Nach dem angegebenen Standpuntte und wie die Religiofltät und ihre. Form beflimmt iſt, ift aller fpetulative Inhalt als folder und feine Ausführung zunächſt verworfen;

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262 Zweiter Theil, Philoſophie des Mitelalterd.

und wie die cheifllichen Vorſtellungen bereichert find. durch ben Schag der Philofophie. der alten Welt und durch die tiefen Ideen aller früheren orientglifhen Religionen u. f. fe, alles. dieß ift auf. die Seite gefiellt. Der Inhalt hatte Objektivität; aber diefe hatte nur die Bedeutung, daß: der objektive Inhalt der Anfang ſeyn, nicht für ſich beſtehen follte: ‚es follte nur der Ans fang feyn, an dem das Gemüth ſich in ſich geiftig bilden. und heiligen foltte. Alle Bereicherung des Inhalts, wodurch er phi⸗ lofophifch wurde, ift fo verlaſſen; und. nur das Spätere if,-baf der Geiſt fih als denkend wieder in: rs vertieft, ‘um konkret, vernünftig zu ſeyn. |

Das Princiy der Reformation nun iſt geweſen das * ment des Inſtchſeyns des Geiſtes, des. Freiſeyns, des Zußq⸗ felbfitommens; eben die Freiheit heißt, in dem beſtimmten Ja⸗ halt fi zu ſich verhalten, die Lebendigkeit des Geiſtes, in dem, was als: Anderes erfcheint, in fich zurüdgelchrt zu ſeya. Das, was als Anderes im Geifte bleibt, iſt entweder ungſſtui⸗ lirt oder todt; und der Geiſt ift unfrei, indem er es als Freu⸗ des in fich befichen läßt. Alſo die Beflimmung, Daß der Hi weſentlich in ſich ſelbſt frei, ‚bei ſich ſelbſt ſey, dieß abſtrakte Moment macht die Grundbeſtimmung aus. Inſofern nun Mt Geiſt jetzt zum Erkennen fortgeht, zu geiſtigen Beſtimmungen, ſich umſteht, heraustritt in einen Inhalt: fo wird er ſich daris verhalten als in feinem Eigenthum, und wefentli darin be⸗ baupten wollen und haben das Seinige. Indem er fi in dies. fen Inhalte als feinem Eigenthum bewegt, zum Erkennen fort fhreitet: fo wird er fi) als konkret bewegen; denn er ift konkre⸗ tes Seyn. Dieß Eigenthum beftimmt ſich einer Seits als das end» liche, natürliche Weltwefen, anderer Seits aber. als innerkiches Eis genthum, als das mpflifche, göttliche, chriſtliche Weſen und Leben

Diefe Tontrete Geftalt des Erkennens, die aber im Anfang damit noch trübe bleibt, haben wir nun zu betrachten; und es if die dritte Periode unferer Abhandlung, in die wir damit treten.

Der

Geſchichte der Philoſophie

dritter Theil—

KNeuere Philoſophie.

36 Zweiner Sei "ashilotopkie des Miktelttere,

kennung erhäften, und it im Ganzen in der Komm aufgefaßt, fin der es nur Möinent der Rifigion ſeyn Tan." Gott im Geiſt Au verehreit, dich Wort iſt jetzt erfũllt; Geiſt iſt nur meer der Bedingung ber freien Geiftigkeit des · Subjtkis¶ Denn · nur dieſe rs, "bie ſich zum’ Geift /verhalten kannz ein Subfekt voller nufreiheit verhält ſich nicht geiftig, ia * nice im Geiſte Dieg iſt das: Aulgemeite des’ Principe.“ ia Dieh Princip nun ift znerf? eg deine: ige, dadurch hat es feine abfolüte Berechtigung erhalten, iſ aber gunächft air in Beziehung auf Feligtöfe"Gegenflände gefegt erfehienen; es iſt noch nicht ausgedehnt auf die weitere Ent⸗ widelung des ſubjektiven Princips ſtibſt· Doch iſt der Menſch zum. Beiwuftfepn gekommen, "an fich derſöhnt gu feon)’ und ·nut it feinem Fůrſichſehn ich bitſühnen "Hi Komme. Juſoſern· hai det Vtenſch in ſeinet Wirtichten auch eine "andere Geftält'ge onen; der ſonſt tüchtige, kräftige Menſch · hat auch, inſofern genießt, bei gutem Gewiſſen ſehn könnenzdac Lebeno für fich Heriehen if wicht‘ meht als >90 eniſeen angeſehen Kurden; ſon⸗ dlen det Mönthifchen Entfagung iſt entſagtAber auf Weiteren Iſhalt hat ·ſich das Printin zumã chſt noch · aicht· augedehnt.

F Zw tite ns abe der ‚selfgiöfe Inhalt als konkret nüher t / wie er für die / Votſtellung, das Gedächiniß iſt, je er geſchichtuche Geſtalt Hat; und damit iſt in dieſe deifige Fteiheit der Aitfang umd- die Moglichteit einer ungeiſti⸗ den Weife gekommen. Gs ift alſo der alte Glauben der Kirche, dh. Credo belaffen; dieſer Fihakt; fo fpefnldtie ex’ ſelbſt if, Hat eine gefchichtliche Seite.” In diefer trockenen Form iſt er aüfgenommien und belaffen worden: fo daß er“ in diefer Form geglaubt werben fol; vom Subjekt als das Gewiſſe angefehen, a6 das Wahre, als die höchſte Wahrheit betrachtet werden fol. Bamiityängt nzufatamen, daß denn das: fpemfative - Erkennen, der dogmatifäe‘ Inhait auf · ſpekulative Weiſe ausgebildet, ganz auf die Scäte'gefegt worden iſt · Was das Bedürfnif-war,.-ift die Verdewiſtiung des Menſchen in feinem Inneren von. feiner

Dritter Abſchnitt. Die Neferautiva. 200

Erxlöfung ‚. feiner Seligkeit, das Vethältniß des ſubjektiven Gei⸗ ſtes zum Abſoluten, die. Form der Subhjektivität als Sehnſucht, Buße, Bekehrung. Dieß neue Priucip iſt als das Ueberwiegende geſtellt worden, ſo daß der Inhalt der Wahrheit ſchlechthin wich⸗ tig ſey; aber der Lehrbegriff über die Ratur, den Proceß Gottes iſt aufgefaßt in einer Geſtalt, wie ſie zunächſt für die Vorſtel⸗ lang erſcheint. Es iſt verworfen worden nicht nur alle dieſe Endlichkeit, Aeußerlichkeit, Entweihung, Formaliemus der ſcho⸗ laſtiſchen Philoſophie, und. mit Recht; aber anderer Seits iſt auch die philoſophiſche Entwickelung der Kirchenlehren auf die Seite geſtellt worden, und eben in dieſem Zuſammenhange, daß das Dubickt ſich in ſich vertieft hat, in fen Harz Dieß Ver⸗ tiefen, feine Buße, Reue; feine Bekehrung, dieß Beſchäftigen des Subjckts mit fih ift das Moment gewefen, das zumächft gegols ten. hat. In den Inhalt bat ſich das Subjekt nicht vertieft, und auch ‘die frühere Vertiefung des Geifles darin iſt auf: Sie Seite geftellt und. verworfen worden. Noch bis auf diefen Tag werben. wir in der Tatholifchen Kirdye und ihrem Dogmta Die Anklänge und. gleichſam bie Erbſchaft von der Philoſophie ber alerandrinifhen Schule finden; es ift in ihr viel mehr Philoſv⸗ phifches, Spekulatives, als in dem proteflantifhen Lehrbegriff, Dogmatid, wenn überhaupt in diefer noch ein Objektives if, und ſie nicht gang leer gemacht ift, in der dann der Inhatt mehr geſchichtlich, in der Form des Geſchichtée gehalten iſt, wo⸗ durch die Lehre troken wird. Die Verbindung der Philofſophte mit der Theologie dos. Mittelalters iſt in der Tatholifchen Kirche, der Hauptſache nad, erhalten. worden; im Proteſtantismus das gegen hat fly das fubjektio religiöſe Princip von. dev Philoſo⸗ phie getrennt, und erſt in- ihr ift es dann auf wehrte Wein wieder auferſtanden. ©: A Es iſt alſo in dieſem Peiucip der meligidſe Inholt der ir lichen Kirche üderhaupt erhalten, fe vaß te: feine: Bewährung durch dae Sr des enteo erhält, Dub "Wefen: Inen .

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260 Fichten: heil Phllfophle des. Mittelalters,

fern: für mich gelten ſoll, als er in meinem Gewiſſen, meinen Herzen ſich geltend macht. Es iſt dieß der Sinn der · Worten Wenn Ihr meinen Gebote haltet, ſo werdet Ihr inne: werden, daß meine, Lehre die mahrhafte if.“ Das Kriterium der Wahre Heitsift, wie es ſich in meinem Herzen bewährt amd rergichtz; daß ich richtig urtheile, erkenne, ob das,nmas ich für wahr halte, die Wahrheit; ſey muß ſich an meintm Herzen ergtben. Was ſie in meinem Geiſte if; das iſt ſie; und umgekehrt mein Geiſt iſt nur dann recht daran, wenn ſie darin iſt, wenn er in dieſer Weiſe in dieſem Inhalte iſt. Man kann nicht das Eine oder das Andere iſoliren. Der Juhalt hat ſo nicht die Bewährung an ihm ſelbſtdie er durch die philoſophiſche Theologie erhalten hat, durch das ſpekulative Denken, dadurch daß die ſpekulativt Idee ſich in ihm ſelbſt geltend machtz er hat, auch nicht die Bewährung, die einem Inhalte, ſofern et eine hiſtoriſche Außen- ſeite hat, hiſtoriſch gegeben wird: fo dag geſchichtliche Zeugniſſe abgehört werden, und feine Richtigkeit: danach beſtimmt wird. Die Schrei hat ſich zu bewähren durch den Zuſtand meines Herr zens, durch die Buße, Bekehrung und Freudigkeit des Gemüths in Gott. Es wird in der Lehre bei'm äußerlichen Inhalt ange— fangen, und ſo iſt ſie nur äußerlich; aber fo genommen ohne

die Beziehung, wie ſich mein Geiſt, mein Herz in ſich verhält, hatſte eigentlich keinen Sinn. Dieſer Aufang iſt nun, als chriſt⸗ liche Taufe und Erziehung im Chriſtenthum, eine Bearbeitung des Gemüths zugleich mit äußerlichem Bekanntwerden. Die Wahrheit des. Erargelium's, der chriſtlichen ‚Lehre exiſtirt nur im; wahrhaften Verhalten zu derſelben; dieſes iſt weſentlich, ſo zu ſagen, ein, Gebrauch des Inhalts, ihn erbaulich zu machen. Und dieß iſt eben das, was geſagt iſt, daß das Gemüth fidin.fih ſelbſt rekonſtruirt, ſich in fi) heiligt, geheiligt werde; und, dieſt Heiligung iſt es, für die der Inhalt ein wahrer iſt. Es iſt kein weiterer Gebrauch; how Inhalte. zu wiachen, als daß das Gewüth erbaut; eaegt werdo zur Huryrſicht, Freudigkeit, Buße, Belehrung, zur Erwedung des Proceſſes des Gemüths in ſich

ie Abſchmti. REM efbrchätien""". 201 shi Ein: anbekeri nnd vnrichtigrs Werhalten zu: dem Inhalt 1; denſelben Fußerkich Sw nehmen, 5%; nach dern großen iin Mitneip' der-Eregefd, daß: die Schriften: des neuen ’Zefläniente vehandeieiwerden ſollen) wie ein griechiſcher oder Tateinifhertund anderer! Schriftfleller, kritiſch; philologiſch, hifloriſch. Das we⸗ ſeutliche Verhalten des Geiles it: nur für den: Geiſt. Und ts Af:ein: verkehrtes Beginnen einen: flörtifchen Exegeſe, -äuf folkht Adgertiche: phitologifcho Weiſte die Wahrkät dit chriſtlichen Re Igtontizutznveifen;, wirn deß Die Orthobbrie gethau hat;det Inhall wird Wigeiflled.— Ct DB das er ſt ek Verhan⸗ ten des Geiſtes zu dieſem Inhalte, fo daß dev: Inhalt‘ imar wor ichs daß aber ebeuſo woſeuthich iſt, daß der heilige und ujriligende Gef Fey. demſelben verhalie⸗8rt nt Dixſer: Seiſt iſt zweükens aber wifentit auf dentaer Beil. Ws Denkär’ats’folhts muß fl: auch entwickeln darin, ur Mar weſentlich abet diefe Formder nmehften: Einheit des Geiles: inte "Floh ſelbiſt: Jur Unterſchetdung;? Betraͤchtung dibſes Inhalts! tommen/ und: übergehen iin’ dirſe Forure der teinſten· Sir geil! dest Geiſtes mit ih. "Das Denken iſt zunächſt abſtraktes Denken, "und -geigt ſich ſo;: und“ dieß abſtrakte Denken enthält rin Vethältniß zur Theologie, zar Religivn.“ Der Inhalt, von Yet den: die Nede He ſofern er: auch: mer hiſtoriſch, ãußerlich nufgendiamen witd;; fall doch. religiös ſeynz; die Erpiftaten bet Rhtwi:Gotted ſolldaren ſeyn. Darin liegt die nähere Forde⸗ rung; daß der Gedanke, für welchen die innere Natur Gottes iſt, daß dieſer Gedanke fih auch in’ Beziehung auf dieſen In⸗ halt fest: Sofern aber: dev Gedanke zunächſt Verſtand und Ver⸗ ſtandes ⸗Metaphyſik iſt, wird er aus: dem Inhalte die vernünf⸗ tige: Idee wegbringen, and ihn "fo leer machen, daß nur acher- * Geſchichte bleidt, die ohne Intereffe iſſt.

Das dritte Verhulten iſt dann das des konkreten ſpeku⸗ latwen Denkens. Nach dem angegebenen Standpunkte und wie die Religiofltät und: ihre. Form beſtimmt iſt, ift aller ſpekulative Inhalt als folder und feine -Musführung zunächſt verworfen;

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262 Zweiten, Theil. Pbilofophie des Mittelaltert,

amd „mie die chriſtlichen Vorſtellungen bereichert find, durch den Schatz ‚den Philoſophie der alten Welt und durch die tiefen Ideen aller ‚früheren orientaliſchen Religionen a. Erf, alles dieß iſt auf die Seite geſtellt, Der Juhalt hatte Objektivität; aber dieſe hatte nur. die Bedeutung, daß der objektive Inhalt der Anfang ſehn, nicht für fc beſtehen ſollternes ſollte nur der An⸗ fang; ſeyn, an dem das Gemüth ſfich- in ſich geiftig bilden und heiligen ſollte. Alle Bereicherung des Inhalts, wodurch er phi⸗ loſophiſch wurde, iſt ſo berlaffen; md nur‘ das Spätere iſt, daß der Geiſt ſich als denkend wieder in ſich vertieft, um konkret, vernünftig zudem) Int) han Das Princip/ der Reformation nun iſt geweſen das Mo⸗ ment des Infichſeyns des) Beiftes wi des Freiſeyns,des Zufiche felbfitommens; chen die freiheit heit «in dem beflimmten In—⸗ halt fi au ſich verhalten, die Lebendigteit des: @tifles, sim dem / was als Anderes erſcheint, in ſich zurückgekehrt zu ſeyn. Das; was als Anderes im Geiſte bleibt, iſt entwedet unaſſimi⸗ lirt oder todtz amd der Geiſt / iſt unſrei, indem er es als Frem⸗ des in ſich beſtehen läht. Alſo Die Beſtimmung, da) der Geiſt weſentlich in ſich ſelbſt Frei, bei ſich ſelbſt ſey, dieß abſtrakte Momentmacht Die Grundbe ſtimmung aus. Inſofern nun der Gribräent gun; Ertenwen. ſortgeht, zu geiſtigen Beſtimmangen, fich uniſieht, heraustritt in einen: Inhalkı ſo wird er ſich darin verhalten. als in ſeinem Eigenthum, und wefentlich darin ber haupten wollen und. haben das Seinige. ‚Indem er ſich in die⸗ fear Inhalte als ſeinem Eigenthum bewegt, zum Erkennen fort⸗ ſchreitet: ſo wird er fich als konkret bewegen; denn er iſt konkre⸗ tes Styn.Dichß Eigenihum beſtimmt ſich einer Seits als das end» liche/ natũrliche Weltwaſen, anderer Seits aber als innerliches Eis genthum, als das myffiſche, göttliche, chriſtliche Weſen und Leben. Dieſe konkreto Geſtalt des Erkennens, die aber im Anfang damit noch trũbe bleibt haben wir mu zur betrachten; · und es iſt die: dritte Periode unferre: Abhandiuug, in die wir damit treten. EEE Ki ir

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Beer Abſchnitt. Die Reformation. #1 ſelbſtEin anderer ind unrichtiges Verhalten zu- dem Inhalt Rn, denfelben Außerkich zw nehmen, 3. B. nach dem großen neuen Princip der Eregefe, daß die Schriften des neuen Teflämente behandelt werden follen) wie ein griechiſcher oder lateinifher'und wWerer. Schriftſteller, kritiſch, phitologifch, hiflorifch. : Das’ we⸗

fmatliche Verhalten des Geiſtes if nur für den Geiſt. Und es Mein: verkehrtes Beginnen einer flörrifchen Exegeſe, auf ſolche Aſerliche philologifche Weile die Wahrheit: ber chriſtlichen Res Went'zurtrweifen, wie Dieß die Orthodoxie gethan hat; der . Sabait wird fo geiſtlos. Es iſt dieß alfo das erſte Verhal⸗ tm des Geiſtes zu dieſem Inhalte, fo daß dev Inhalt zwar we⸗ Mi: if, daß aber ebeuſo weſentlich iſt, daß der heiltge und iltzende Geiſt fi ya demſelben verhalie. uc Diefer:Beift iſt zweite ns Aber weſentlich auch denkender BR, "Das Denken als ſolches muß ſich auch entwickeln darin, a zart weſentlich als dieſe Form der’ innerſten Einheit des Geies mit ſich ſelbſt: zur Unterſcheidung, Betrachtung dieſes - upalts! kommen, und. übergehen in dieſe Forst der reinſten Ein⸗ hatrdes Geiſtes mit fih. Das Denten if zunächſt abſtraktes Denken, und - zeigt fi fo; und dieß abſtrakte Denten enthält m Vethältniß zur Theologie, zur Religton.: Der Inhalt, von wendier Die Rede iſt, fofern er auch nur hiſtoriſch, äußerlich wefgendtamen’ wird, fall: doch religiös ſeyn; die Explikation ber Mate Gottes ſoll darin feyn. Darin Iiegt die nähere Forde⸗ ung: daß der Gedanke, für welchen die innere Natur Gottes iſt, "daß: diefer Gedanke fih auch in Beziehung auf diefen In⸗ Hal fegt. Sofern aber. der Gedanke zunächſt Verſtand und Ver⸗ ſtandes⸗Metaphyſit if, wird er aus dem Inhalte die vernünfs tige: Idee wegbringen, und ihn fo leer machen, daß nur äufßer« liche Geſchichte bleibt, die ohne Intereſſe iſt.

Das dritte Verhalten: iſt dann das des konkreten ſpeku⸗ lativen Denkens. Nach dem angegebenen Standpunkte und wie die Religiofität und ihre. Form beflimmt: ift, ift aller. ſpekulative Inhalt als foldyer und feine Ausführung zunächſt verworfen;

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362 Zweiter, Theil, Philoſophie des Mittelalters.

und wie die chriſtlichen Vorſtellungen bereichert find. durch ben Schag der Philoſophie der alten Welt und durch bie. tiefen Ideen aller früheren orientaliſchen Religionen u. f. f, . alles. dich ift auf die Seite geficlt. Der Inhalt hatte Objektivität; aber dDiefe hatte nur Die Bedeutung, daß’ der objektive Inhalt der Anfang ſeyn, nieht für fi beſtehen follte: ‚es follte nur der Ans fang fepn, an dem das Gemüth ſich in ſich geiflig bilden und heiligen follte. Alle Bereicherung des Inhalts, wodurd er phi⸗ Iofophifch wurde, ift fo verlaſſen; und nur das Spätere tfl,-Daf der Geiſt fih als denkend wieder in "s vertieft, um tTonker, vernünftig zu ſeyn. |

Das Princip :der Reformation nun r geweſen das ie ment des Inſichſeyns des Geiſtes, des Freiſeyns, des Zufie felbfitommens; eben die freiheit heißt, in Dem befimmten Ja⸗ halt ſich zu ſich verhalten, die Lebendigkeit des Geiſtes, in dem, was als Anderes erſcheint, in ſich zurückgekehrt zu ſeha. Das, was als Anderes im Geiſte bleibt, iſt entweder ungſſtui⸗ lirt oder todt; und der Geift ift unfrei, indem er es als Freu⸗ bes in ſich befichen läßt. Alſo die Bellimmung, daß der Ki weſentlich in fich ſelbſt frei, bei fich ſelbſt ſey, dieß abflrakte Moment. maht die Grundbefiimmung aus. Inſofern nun der Geiſt jet. zum Erkennen fortgeht, zu geifligen Beſtimmungen, fi$ umſieht, beraustritt in einen Inhaltı fo wird er ſich darin verhalten als in feinem Eigenthbum, und wefentlid darin ber baupten wollen und haben das Seinige. Indem er fi in dies. fen Inhalte als feinem Eigenthbum bewegt, zum Erkennen fort freitet: fo wird er fich als konkret bewegen; denn er ift konkre⸗ tes Seyn. Die Eigentbum beftimmt fich einer Seits als das end⸗ liche, natürliche Weltwefen, anderer Seits aber als innerliches Eis genthum, als das mpflifche, göttliche, chriſtliche Weſen und Leben,

Diefe Tontrete Geflalt des Erkennens, die aber im Anfang damit noch trübe bleibt, haben wir num zu betrachten; und es if die dritte Periode unferer Abhandlung, in die wir damit treten.

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or der Reformation: treten wir ſo auch eigentli in die dratte Periode hinüber, ungeachtet: Bruns, Vanini und Ras mus, die -Tpäter lebten, noch zum-Miittelalter gehören. Ein Hunkt der Umkehrung trat: ein. Die chriſtliche Religion hat Ihren abfolwten Inhalt in die Gemüther gelegt; ſo war er ab» gefchloffen, der- Wittelpuntt des Andividunm’s: als göttlicher, überfinnlicher Inhalt war er von deri Welt: gefchieden. Dem refigiöfen Leben gegenüber fand eine äußerliche Welt, als nas türliche Melt, und Welt des Gemüths, der Neigungen, der::Nas ine des Wtenfchen, die Werth Hatte nur infofern ‘fie “überwunden : wurde, Diefe Gleichgültigkeit; Trennung beider Welten if durch das. Mittelalter verarbeitet worden; "cs bat ſich in diefem Ge⸗ genſate herumgeſchlagen, am Ende iſt er von-demfelben: übers winden worin! Mber diefe Meberwindung hatte die Form,’ daß fie als Berderben: der Kirche, als Verendlichung des; Ewigen aufgetreten: if. Indem das Verhältnif des Menſchen zum gött⸗ lichen Leben auf Erden exiſtirt, fo ift dieß dutch die-Neigingen des Menſchen fo verendlicht boorden?(Berderben der Sinnlich⸗ keit). Ebenſo iſt die ewige Wahrheit. in. den trodenen, *formefe. fen Verſtand verfest worden; ſo daß man fagen kann, die Eins: heit des Jenfeits und Dieſſeits iſt an fi bewirkt worden.“ Die: Bereinigung war aber von fo verdorbener Art, daß der beſſere Sinn empört war, und fich dagegen hat wenden müſſen. & trat Reformation als Trennung von der Fatholifchen Kirche und Reformation innerhalb ihrer ſelbſt ein; es iſt Vorurtheil;: daß

266 Deirter Theil,

die Reformation nur Trennung von der katholiſchen Kirche, Luther. hat die katholiſche Kirche ebenſo fehr reformirt, Man fleht das Verderben aus Luthers Schriften, aus den Berichten der Kaifer und des Reichs an den Pabſt; man fehe die Schil⸗ derungen, die katholiſche Bifhöfe, Väter der Koncilien zu Koft- nit, Bafel von dem Zuſtande der katholiſchen Geiſtlichkeit, des römiſchen Hofes machten. R

Das Andere, das au ſich vollbracht wurde, iſt Verföhnung des Dieſſtits und Jenſeits. Die Trennung des Selbfibewußt: ſeyns ik · an ·fich verſchwunden,und darin die Möglichkeit, gez fett, verſohnt ‚zu werden · Das; Princip det inneren Berföhnung des Geifies war / an ſich die: Idee des Chriſtenthums, aber, felbft wieder entfernt, ann äußerlich als Zerriſſenheit, unverſohnt. Mir feben die Langfamteit; des Weltgeifies,,.Diefe« Neußerlichkeit zu überwinden; · Er höhlt: das; Innere aus, myder ‚Schein, die äufere Geſtalt, bleibe noch ;.,aberäulegt- ft fie, eine leere Hülſe, die neue Geſialt bricht hervor. In folden Zeiten erſcheint dann der Geiſt, als ob er, der vorher einen Schuedengang in, fei- uer Entwickelung, Rückſchritte gethan, ſich von ſich entfernt hätte, die Siebenmeilenſtiefel angelegt habe. Der Meuſch hat: Zus taauen zu fich ſelbſt, zu Feinsm Denken als Denken, zu feinem Wahruehmen, zu der ſinulichen Natur. außer und in. ihm ge—⸗ wonnen; er hat Intereſſt, Freude gefunden, Entdedungen zu machen in Künften, Rabazı:; Im weltlihen Wefen. ging der Berfland. auf; der Menſch wurde ſich feines Willens und Voll⸗ bringeng, bewußt, hatte Freude au der Erde, ſeinem Boden, an feinen Befhäftigungen weil: Met und. Verſtand darin. Mit der Erfindung: des: Schiehpalpere. verlor. ſich der einzelne Zora des Kampfs.: Der somansifhri Trich.. der zuföͤlligen Tapferkeit ging auf andere Abentheuer,o nicht des Haſſes, der Eigenrache, der ſogrnannten Rettung deſſen, was man für. Unſchuld und Urrecht hielt; auf harmloſere Abenihtuer, Brkanntihaft mit der Exde, Entdedung des, Lingen nach Obitzdien. Der Menſch

Neuere Philoſophie. 267

bat Amerika entdeckt, feine Schäge und Völker, die Natur, fi ſelbſt; Die. Schiffahrt war. die höhere Romantik des Han⸗ dels, Die vorhandene Welt war wieder vorhanden als des Ins tereſſes des -Beifles würdig; der denkende Geift vermochte wieder etwas. Und dann mußte die. Reformation Luthers eintreten, Berufung, guf den sensus communis flatt Kirdhenväter und Ariftoteles, nicht auf Autorität; fondern es iſt innerer eigener Geift, der beferlende befecligende gegen die Werke. So verlor die Kirche ihre Macht gegen ihn; denn ihr Princip war in ibm felbft, nicht mehr das Mangelhafte. Dem Endlichen, Gegens wärtigen iſt feine Ehre gegeben; das iſt an- fi feyende Ver⸗ führung. des. Selbfibewußtfeyng mit der Gegenwart. Won diefer Ehre gehen. die Beftrebungen der. Wiffenfhaft aus.

Wir ſehen fo, daß das Endliche, dig innere und äußere Gegenwart, ‚aufgefaßt wird mit Erfahrung und, durch den Ver⸗ fland zur Allgemeinheit erhoben; man will die Scleke, Kräfte tennen lernen, d. h. das Einzelne der Wahrnehmungen. in die Form der Yllgemeinheit verwandeln. Das Weltliche will welt lich gerichtet werden; der Richter ifl der dentende Verfland. Die andere Seite iſt, daß das Ewige, was an und. für fi wahr iſt, auch erkannt, aufgefafßt werde durch das reine Herz felbft; der eigene Geiſt macht ſich für fi) das Ewige zu eigen. Das ift dee lutheriſche Blaube ohne anderes Beiwefen (die Werke, wie man es nannte); Alles hat nur Werth als im Herzen aufgefaßt, nicht als Ding. Der Inhalt hört-auf, -ein Gegen ſtändliches zu ſeyn; Gott ift alfo nur im Geiſte, nicht jenfeits, fondern das Eigenfle des Individuum's. Kine: Form des: In⸗ neren iſt auch das reine Denken; es naht ſich auch dem Au⸗ undfürfichfependen, und findet ſich berechtigt, daſſelbe zu faſſen.

Die Philoſophie Der neuen Zeit geht von dem Prin⸗ tip aus, bis zu weldhem die alte gekommen war, dem Stand⸗ punkt des wirklichen Selbſtbewußtſeyns, hat überhaupt den fih gegenwärtigen Geiſt zum Princip; fie bringt den Stand-

266 Drirter Theil. r

nn die Reformation nur Trennung don der katholiſchen Since, Luther hat die katholiſche Kirche ebenſo fehr veformirt, Man fieht das Verderben aus Luther's Schriften, aus den Berichten der Kaifer und des Reichs an den Pabfl; man fche die Shil- derungen, die katholiſche Bifhöfe, Väter. der Koncilien zu Koſi— nitz, Baſel von dem Zuſtande der katholiſchen Geifllijkeit, des zömifhen Hofes machten.

Das Andere, das an ſich vollbracht wurde, iſt Verſöhnung des, Dieſſeits und Jenſeits. Die Trennung Bes, Seltſtbemuft⸗ ſeyns ft: an fi: verſchwunden „und darin die Möglichkeit, gez fest, verſöhnt zu werben Das; Princip der inneren Berföhnung des Geiſtes war an ſich die) Idee des Chriſienthums, aber; ſelbſi wieder entfernt, nur äußerlich⸗ als Zerriſſenheit unperſöͤhnt. Mir fehen die Langſamkeit des, Weltgeiſtes, dieſe- Aeußerlichteit zu überwinden. En, höhlt das Innere, aus, minder Schein, die äußere Geſtalt/ bleibt noch z.aber zulett iſt fie, eine ‚Leere, Hülfe, die neue Geſtalt ‚bricht. heroor In ſolchen «Zeiten erfheint ‚dann der Griſt, als ober, Der vorher; einen Schnedengang in, feis ner Entwickelung, Růͤcſchritte gethan, ſich von; fich entfernt hätte, die Siebenmeilenſtiefel angelegt habe. Der Menſch hat Zus tuauen·zu ſich ſelbſt, zu fein Denken als Denken, zu feinem Wahruehmen, zu: der ſinulichen Natux außer und in ihm ge⸗ wonnen;;er hat Intereſſe, Freude gefunden, Enutdeckungen zu machen in Künſten, Ratuc,n Im weltlichen Weſen ging der Verſtand auf; der Menſch wurde ſich ſeinet, Willens und Boll- briugens/ bewußt, hatte Freude au der Erde, feinem Boden, an feinen Befgäftigungen mei: Met und: Werfland, darin. Mit der Erfindung: des: Schießpalytrs verlor. fich der einzelne Zorn des Kampfs.: Der somansifchni Trich,, der zufälligen Tapferkeit ging auf · andere Abentheuerschiht.;des Haſſes, der Eigenrache, der ſogenamiten Mettung deſſen, was man, für: Unſchuld und Urrecht hielt, auf harmloſere Abentheuer, Brkauntihaft mit ber Exde, ‚Entbrdung: des. Lingen nah, OBindien.. Der Menſch

Neuere Philofophie. 267

bat Amerika entdeckt, feine Schäge und Völker, die Natur, fich ſelbſt; die Schiffahrt war. die höhere Romantik des Hans dels, Die. vorhandene Welt war wieder vorhanden ..als des In⸗ tereſſes des Geiſtes würdig; der dentende Geift vermochte wieder etwas. Und dann mußte die. Reformation Luthers eintreten, Berufung‘, guf..:den sensus qommunis ſtatt Kirchenväter und Ariftoteles, nicht auf Autorität; fondern es ifl innerer eigener Geift, der beſeelende befecligende gegen die Werke. So verlor die Kirche ihre Macht gegen ihn; denn ihr Princip war in ihm felbft, nicht mehr das Mangelhafte. Dem Endlihen, Gegens wärtigen iſt ſeine Ehre gegeben; das. ift an: fi feyende Vers föhnung. des. Selbfibewußtfeyng mit der Gegenwart. Won diefer Ehre gehen die Beftrebungen der Wiſſenſchaft aus. ... Mir fehen fo, daß das Endliche, die äunere und äußere Gegenwart, aufgefaßt wird mit Erfahrung und. durch den Ver⸗ fand zus Allgemeinheit erhoben; man will die Belege, Kräfte kennen lernen/ d. h. das Einzelne der Wahrnehmungen. in bie Form der Allgemeinheit verwandeln: Das Weltliche will welt» lich gerichtet werden; der Richter ift der dentende Verſtand. Die andere Sekte. iſt, daß das Ewige, was an und für ſich wahr iſt, auch erkannt, aufgefaßt werde duch das reine Herz felbfl; der eigene Geiſt macht ſich für fi das Ewige. zu eigen. Das ift der Iutherifhe Blaube ohne. anderes Beiwefen (die Werke, wie- man. es nannte); Alles hat nur Werth als im Herzen anfgefaßt, nit als Ding. Der Inhalt hört auf, ein Gegen, ftändlicheg. zu feyn;- Gott ift alfo nur im Geiſte, nit jenfeits, fondern das Eigenfle :des Individuum's. ‚Eine: Form des. In⸗ neren iſt auch das zeine Denken; es naht:-fih auch dem Au⸗ undfürfichfeyenden, und findet fi berechtigt, daſſelbe zu faflen. :; Die Bhilofophie der neuen Zeit geht von dem Prin- tip aus, bis zu weldem die alte gekommen war, dem Gtand- punkt des wirklichen Selbſtbewußtſeyns, hat überhaupt den fh gegenwärtigen Geiſt zum Princip; fie bringt den Stand-

368 Duner Rein"

punkt des Mittelalters, "die Verſchiedenheit des Gedachten und des ſehenden Univerſume/ in Gegenſatz und Hat eaimit/derMufs loſung deſſelben zu thun · Das · Haupt⸗ Intereſſe if daher nicht ſowohl, die Gegenſtande in ihrer Wahrheit zu denken, als das Denten und Begteifen der Gegenſtände, dieſe Einheit ſelbſt, welche Überhaupt das Bewußtwerden eines vorausgeſetten Ob: jetts if, gi denken.·⸗ sc re Na Ain ariahallinte N Erftens)BierHaben’iwir diefe konkrete Geſtalt/ das Her⸗ vortreten "des Denkens für ſich zu betrachten / dieß tritt weſent⸗ uich auf als ſubfjettives mit · der · Neſſexion des Infichfehns ſo daß es einen Gegenſatz am Sehenden uͤberhaupt hat. Und das Intereſſe iſt dann "gang "allein, dieſen Gegenſatz zu · berſöhnen die Verſöhnung in ihren höchſten Exiſtenz, d. h. im’ den) abſtrak⸗ teten Exttemen · gu begreifen "Diefe höͤchſte Entzweiumg "it der abffrakteſte Gegenfag von De nk en und Sehn; md deren Verjährung “it gi fafen. "glei Philoſophien "won da an Haben das Duereſt dieſer Eihpeit Das Dehten-if-damitfeeie, und ! frvecläfen wie ject ſine Einhein milder Xpeotagie; "es trennt ſtch von“ derfelben, wie es auch beiden Griechen ſich feparict hat von der Mythologie, der Volts⸗Religion und erſt am Ende, zur Zeit der Mlerändriner,' dieſe Formen wieder aufgeſucht und ‚DE mythoiogifchen Votſtellungen erfütlt hat mit der Jotm des Gedankens Das Sand bleibt aber deswegen ſchlechthin an ſich. Denn Theologie ift durchaus nur das, was Phitofophie iſt; denn vieſe iſtneben Denten darüber Es Hilft Bee Thrologier nichts, IE) dagegen’ zuꝰ ſtrüuben, zu ſagen: fle wollt naichts von Philos ſophie wiffeii)’es:figen Philoſopheme, alfo Mufder Seite liegen 3 laſſen. ) Sie Hattiee: immer mit Gedanken zu thun, die fle milbringt; uñd dieſen ihre ſubfektiven Vorſtellungrn, Gedanken, ihte Haus-'und' Privat⸗ Metaphyfit finde dann die Reflexionen, Meinungen uf f. der Zeit. Und es iſt/ ſo Häufig ein ganz uigebildetes Vorſlellen, ein unkritiſches Denken; es iſt zwar mit det beſondereu⸗ ſubjedtiven Ueberzeugng verknüpft; und dieſe ſoll

Neuere Philsfophie. 269

es bewãhren als. eigenthümlich / richtig; aber diefe Gedanken, Bor» flelluugen, :die das Urtheil, Krilerium, das Entfgeidende abge⸗ ben, dieſe allgemeinen Vorſtellungen find nichts, als was. fi anf. der. Heerſtraße findet, was auf der Oberfläche der Zeit ums herfhwimmt. Wenn fo das Denken für ſich auftritt, fo tren⸗ nen wir uns damit von der Theologie; wir werden. jedoch noch eine. Erfeheinung betrachten, wo beide noch in Einheit ſind, es iſt Jakob Böhm.

Der Geiſt bewegt und befindet fich jetzt in feinem Eigen thum; dieß ift Theile die natürliche, endlihe Welt: Theils die innerlihe, und dieſe iſt zunächſt das Chriſtliche. Das Nächſte, was zu betrachten iſt, iſt gleichſam det Geiſt, der Geiſt in ſeiner konkreten Welt als in ſeinem Eigenthum, ſo die konkrete Weiſe des Erkennens.

Hiermit tritt denn eigentlich Philoſophie wieder ein, Wahrheit als Wahrheit, im 16. und 17. Jahrhundert. Uebri⸗ gens dieſer Geiſt nach Auſſen geriſſen hatte ſich in Religion, im weltlichen Leben geltend zu machen, wurde fih in Vorſtel⸗ lungen, popularen Sedanten und popularer fogenannter, Philos fophie bewußt. Das eigentlidje Hervortreten dee Philofophie ifl, frei im Denten fi und die Ratur zu faſſen, und eben damit die Gegenwart der Vernünftigkeit, das Weſen, das allgemeine Geſetz felbft zu denken, zu begreifen. Denn dieß iſt unfer, Sub⸗ jettivität, und fle als dentend unendlich frei, unabhängig, Feine Autorität anerkennend. Die formelle Bildung des logifchen Vers flandes und den ungeheuren Stoff darin abzuſchaffen war nöthig mehr, als ihn zu erweitern. Die fuchende Wiffenfchaft geht in die Breite und in die ſchlechte Unendlichkeit. Das Princip der neueren Philofophie ift daher nicht unbefangenes Denken, ſon⸗ dern hat den Gegenfag des Denkens und der Ratur vor ſich. Geiſt und Ratur, Denken und Schn find die beiden unendlichen Seiten der Idee. Diefe kann erfi wahrhaft hervortreten, wenn ihre Seiten für. ſich im ihrer Abſtraktion und Zotalität gefaßt

0 Dritter Theile \ I

werden. Plato faßte fle als Band, Vegrenzendes und Anende liches, Eins und’ Vieles, Einfaches und Anderes, aber nicht als Denken und Seyn. Diefe find nicht unbefangen, d.h mit dem Bewußtſeyn ihres Gegenſatzes; dieſer iſt denkend zu überwinden —* dieß heißt die Einheit begreifen,‘

Dieß iſt der Standpunkt: des philoſophiſchen —— an aber der Weg, dieſe Einheit hervorzubringen ‚zu denken, zu begreifen, ein gedoppelter. Die Richtungen diefer Periode find: zweierlei; die Erfahrung iſt die erſte: die vom Denken, vom Innern ausgehende: Philofophie die zweite Rich⸗ tung. Die Phitofophie zerfällt daher. in die zwei Hauptformen der Auflöfung) des Gegenfages,' in ein realiſtiſches und in ein idealiſtiſches Philoſophiren: d.h. in ein ſolches, welches die Ob- jettivität und Inhalt des Gedankens aus den Wahrnehmungen entſtehen läft;z und in ein folches, welches für die Wahrheit von der Selbſtſtändigkeit des Denkens ausgeht J— al Philoſophiren hieß jetzt oder hatte zu ſeiner Hauptber ſtimmung Selbſtdenken und das Gegenwärtige annehmen, als worin das Wahre läge, und ſomit erkennbar wäre; alles Spekulative jedesmal wieder verflächen und verplätten, es herun⸗ terbtingen zur Erfahrung. Dieß Gegenwärtige iſt die daſeyende, ãußere Natur: und die geiſtige Thätigkeit, als politiſche Welt und als ſubjektive Thätigkeit, Der Weg zur Wahrheit war, von dieſer Vorausſetzung anzufangen, aber nicht bei ihr ſtehen zw bleiben in ihtet äußerlichen, fich vercinzelnden einig fondern fie zum Allgemeinen zu führen ©:

0. -Die Beobachtung jener erfien Richtung at nun zu⸗ vörderſt auf die phyfiſche Natur, aus deren Beobahtung man das Allgemeine, die Befehe zieht, und auf dieſer Bafls fein Willen gründet. - Diefer Meg der Erfahrung und Beobadtung hieß und Heißt. noch Philoſophie, die Weile der endlihen Wife ſenſchaften durch Veobachtung und Schließen, was noch jetzt #ehenceb.’ eaactes Heißt: Miefem eigenen Verſtand war die

Neuere Philoſophie. 271

Frömmigkeit entgegen, daher auch die Philoſophie infofern Welt weicheit hieß. Hier iſt nun die Idee felbft in ihrer Unendlich keit felbft nicht Gegenſtand, nicht erkannt, fondern beflimmter Anhalt; dieſer ift beraufgehoben in's Allgemeine, Geſetz, das Allgemeine in feiner - verfländigen Beflimmtheit. aufgenommen aus der Beobachtung (Kepler). . Die natürliche Wiſſenſchaft geht nur bis zur Stufe: der Reflexion; und Philofophie wurden Theiks dieſe endlichen Wuſſenſchaften genannt, wie Rewton's Principia pbilosophide nauralis. Alles hieß philosophia nataralis, Veobachten, Erperimentalphyſik. In der fholaftifhen Phi—

lofophie war dagegen dem Menſchen das Auge ausgeſtochen ge⸗

weſen, and--was in jener Seit von der Ratur diaputirt iſt, M von abfirufen Borausfesungen ausgegangen. Be: Man: beöbadhtete zweitens das Geiflige, wie cs in feiner

Srealifirumg eins’geiftige Welt macht, indem es die Staaten bils-

det: um fo- aus der Erfahrung zu erforfchen, was Recht der Individuen gegen. einander und gegen die Fürſten, und der Staaten Recht gegen die Staaten ſey. Früher ſalbten die Päbſte die. Könige, wie. die im alten Zeflamente von Gott eingefegt waren: der Schnte war im alten Teftamente geboten: die vers botenen Grade der Berwandtfchaft bei Ehen nahmen fie aus den moſaiſchen Gefegen: was den Königen recht und erlaubt ſey, zeigten ſie aus Saul’s und David’s Gefchichte, Die Rechte der Driefterfhaft ans Samuel; kurz fo war das alte Zeflament die Quelle aller flaatsrechtlichen Grundfäge, und fo werden noch jest in allen Bullen der Päbſte ihre Verordnungen bekräftigt. Man kann ſich leicht vorflellen, wie viel Galimathias auf diefe Weiſe zufammengebraut feb. Fest ſuchte man das Recht im Renfchen felbft und in feiner Geſchichte, und flellte dar, was im Frieden und im Kriege als Recht gegolten hatte. Auf diefe Weiſe verfäßte man Bücher, die im englifhen Parlamente noch immer häufig citirt werden. Dan: beobachtete ferner die Triebe des Menſchen, denen im Staate die Befriedigung werden -folle,

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272 Drinet Theil.¶

and. wie ſie ihnen werden könne um ſo aus dem Menfhen ſelbſt, dem vergangenen wie dem noch gegenwärtigen, das Recht » wWierkennen ide A ee oe br Die zweite Richtung geht vom Inneren; überhaupt. aus. Dierrerfte iſt Realismus: die; zweite Idealismus, Alles iſt aan, Denken, der Geiſt iſt ſelbſtaller Inhalt Sier aiſt die · Idee ſelbſt zum · Gegenſtande geunccht n das heißt; ſie denken; und von ihr aus anı'das Beftimmiten gehen, «Was dort aus der Erfah rung, wird hier aus dem Denken a⸗priori gefehöpft: oder auch es wird. das Beſtimmte aufgefaßt, Jaber es nicht nut auf das Allgemeine, ſondern auf die Idee zurückgeführt. Beide Rich- tungen begegnen ſich aber, weil auch die Erfahrung aus ihren Beobachtungen allgemeine Geſetze ableiten will: auf, der anderen Seite aber das Denken, von der abſtrakten Allgemeinheit aus gehend, fich Dach. einen. beflinmmten. ‚Inhalt geben; ſoll Ban England iſt die Erfahrung ausgegangen; wie ſie auch noch jegt daſelbſt im höchſten Anſehen ſteht; Deutſchland ging vonder konkreten Jdee, vom konkreten, gemüth- und» geiſtvollen ‚Innern aus; in Frankreich hat ſich mehr die abſtrakte Allgemeinheit; gels

tend gemacht. Zweitens: Fragen der jetzigen Philoſophie, Gegenſätze, Inhalt, der jetzt dieſe neuen Zeiten beſchäftigt. Don au . a. Dazu gehört ein Buntt, den wir ſchon im, Mittelalter berübrten, das Dafeyn, ‚Gottes aus dem Denken, zu deduciren. Wir haben Gott, den reinen Geiſt: auf der anderen Seite fein Seyn; beide Seiten ſollen durch's Denken als an und für ſich ſeyende Einheit · gefaßt werden. Andere Inteseffen beziehen ſich auf diefelben allgemeinen Beftimmungen: nämlich darauf, die Eins heit des Gegenfages zu erkennen, die innere Berföhnung auch in den gegenfländlichen Interefen des Wiſſens hervorzubringen, Der härtefte .Gegenfag ‚wird gefaßt als in’ Eine Einheit gebunden, Die erfie Form des Gegenfages iſt die Idee Gottes und das Seyn. b, Die zweite Form iR das Gute und das Böfe, der

Neuere Philofophie. 273

Gegenſatz des Dofltiven, Allgemeinen, Guten, und des Böfen, “als des Fürſichſeyns des Willens gegen das Allgemeine. Der Urſprung des Böſen fol erfannt werden. Gott ift, allmädhtig, weife, gut. Das Böſe iſt das ſchlechthin Andere, Negative Got⸗ tes als des Heiligen; und zugleich if ex abfolute Macht. Das Böſe widerfpricht fo feiner Heiligkeit, Macht; dieſen Wider⸗ ſpruch zu verſöhnen, wird verſucht.

c. Die dritte Form des Gegenſatzes iſt der von der Frei⸗ heit des Menſchen und Nothwendigkeit. a. Das Individuum ift für ſich berechtigt, beftimmt ſich ſchlechthin aus fich, iſt abſo⸗ Inter Anfang des Beſtimmens. Im Ih, im Selbfi iſt ein ſchlechthin Entfcheidendes; es ift nicht anderswoher, fondern nur in fi) determinirt. Diefes ift im Widerſpruch, daf Gott allein das abfolut Beftimmende if. Das wird als die Präfcienz Got⸗ tes gefaßt, die Vorfehung, wenn das zu Geſchehende auch zus tünftig if. Was Bott weiß, das ift aber auch; fein Wiſſen ift nicht bloß ſubjektiv. Näher ifl die Freiheit im Gegenfag dazu, daß Gott nur überhaupt das abfolut Determinirende ifl. ß. Zweitens ift die menſchliche 7Frefheit mit der Nothwendig- teit als Naturbeflimmtheit im Gegenſatze. y. Objektiv iſt die- fer GSegenfat der der Endurfahen und wirkenden Urſachen, des Wirkens nad Nothwendigkeit und des Wirkens nad) Freiheit.

d. Viertens. Diefer Gegenfag der Freiheit des Dienfchen und der Raturnothiwendigteit (die aufere und innere Natur des Men⸗ ſchen ift feine Nothwendigkeit gegen feine ssreiheit, er ift abhän- gig von der Natur) hat auch die nähere Form der Gemeinfchaft der Seele mit dem Leibe, commercium aniwi cum corpore; fie ift das Einfache, Jdeelle, Freie, jener das Vielfache, Leib> lie, Diaterielle, Nothwendige.

Diefe Diaterien befihäftigen das Interefie der Wiſſenſchaft; diefe find von ganz anderer Art, als die Intereffen der alten Philoſophie. Der Unterjchied iſt diefer, dag bier ein Bewußt⸗ ſeyn ift. über dieſen Gegenfag, der in den wiſſenſchaftlichen Ges

Geſch. d. Pit. * * 18

274 Dritter Theil. '

‚genftänden. der Alten ‚allerdings, auch enthalten, aber nicht zum Bewußtſeyn gekommen war. Dieſes Bewußtſeyn über den Ge— genſatz, Abfall iſt der Haupt-Punkt in der Vorſtellung der chriſtlichen Religion. Dieſe Verſöhnung, die geglaubt wird, auch im Denken hervorzubringen, iſt das ‚allgemeine Intereſſe der Wiſſenſchaft. An ſich iſt ſie geſchehen; denn das Wiſſen hält ſich für befähigt, dieſe Erkennung der Verſöhnung in ſich zu Stande zu bringen. Die philoſophiſchen Spfleme find alſo nichts, Anderes, als Weiſen diefer abfoluten Einigkeit: ſo daf nur dieſe konkrete Einheit diefer Gegenfäge das Wahre fen.

Drittens. ‚Stufen im wiſſenſchaftlichen Fortgange. Die zwei erſten Philofopbien, die wir zw betrachten haben, find Baco undı Zatob- Böhm; das Zweite iſt Descartes und Spinoza, nebſt Malebranche; das Dritte Locke, Leibnig und Wolf: dabei: wer- den wir. von den weiteren Geftaltungen- der ſchottiſchen und eng- liſchen, und von denen der franzöſiſchen Philoſophie reden; end⸗ lich viertens von Kant, Fihte, Jacobi und Schelling. Mit Carteſius fängt ‚eigentlich die, Philofophie der neueren Zeit, das abfirakte Denken erſt an. Wir haben drei Hauptunterfheidungen:

a. Zuerft Ankündigung dieſer Vereinigung, als Verſuche, auf eigenthümliche, noch nicht beftimmte, reine Weife; hier ha= ben wir Baco von Berulam und Jatob Böhm, den deutfchen Theoſophen. Baco geht aus von Erfahrung und Induktion, Böhme von Gott (Pantheismus der Dreieinigkeit).

b. Metaphyſiſche Vereinigung. Hier fängt erſt die eigent- liche Philofophie diefer Zeit an; fie fängt mit Cartefius an. ©. Das iſt der Standpunkt der Metaphyſik. Der dentende Verſtand verfucht, die Vereinigung zu Stande zu bringen; er unterfucht mit feinen reinen Denkbefiimmungen. Spinoza, Locke und Leibnig haben wir zu betrachten; fie machen die Dietaphy= fit aus. Descartes und Spinoza fegen Denken und Seyn: Locke Erfahrung, metaphyfiſche Idee, behandelte den Gegen- ſatz ſelbſt. Leibnigens Monade ift Totalität der Weltanſchauung.

Neuere Philofophie. 275

ß. Zweitens haben wir bei ihnen den Untergang diefer Metäs phufit zu betrachten: Stepticismus gegen die Metaphyſik als folche, und gegen das Allgemeine des Empirismus,

c. Das Dritte iſt diefes, daß diefe Vereinigung felbfl, die veranftaltet werden fol, zum Bewußtſeyn Tommt, und zum Ge⸗ genftand wird. Diefe Vereinigung ifl das einzige Princip, In⸗ tereffe. Als Drincip hat die Vereinigung diefe Geftalt des Ver⸗ hältniffes des Erkennens zum Inhalte. Wie iſt und kann das Denken identiſch ſeyn mit dem Gegenſtändlichen? Das Innere, dieſer Metaphyfit zu Grunde Liegende iſt für fi) herausgehoben und zum Gegenſtande geworden. Das befaßt die kantiſche und neuere Philoſophie in ſich.

Viertens. In Nüdfiht auf das äußerliche Geſchichtliche des Lebens der Philofophen wird uns auffallen, daß auch diefe Lebensumftände von jet an ganz anders ausfehen, als die der Philoſophen in der alten Zeit. Wir fahen dort die Philoſo⸗ phen als felbfifiändige Individualitäten. Man macht die Forte derung, ein Philoſoph folle leben, wie er Ichre, die Melt ver⸗ achten, nicht in ihren Zufammenkang eintreten. Das haben die Alten geleiftet. In diefer Zeit hat die Philofophie den Stand des Individuum's beſtimmt. Es konnte ſeyn, und es iſt häufig gewefen, daß das Individuum aud als Philoſoph gelebt hat, daf der innere Zweck, fein geiftiges Leben auch die äußerlichen Berhältniffe beſtimmt hat; es find fo plaftifche Individualitäten. Der Gegenſtand ihres Erkennens war, das Univerfum dentend zu betrachten. Den äuferlihen Zufammenhang mit der Welt haben fie fo ferner von ſich gehalten, an einem Zuſammenhange nicht Theil genommen, in dem fie Vieles etwa nicht billigten; immer wenigflens ein Zuſammenhang, der für fich fortgeht, für ſich feine eigenen Geſetze, Weifen hat, von denen das Indivi⸗ duum abhängig iſt, und an dem das Individuum zugleich‘ An- theil nimmt, um feine perfönlichen Zwecke zu befriedigen, durch fie Ehre, Wermögen, Anfehen, Vornehmigteit zu erlangen: - Die

18*

276 Dritter Theil,

Gegenwart, Verhältniſſe des äußerlichen Lebens. haben fie nicht

intereffirt ; fie find in der Idee geblieben. Sie liefen ſich nicht

in Dinge ein, die nidt das Intereſſe ihres Denkens waren.

Sie. haben eigenthümliche Lebensart, 'als Privatleute; man- kann

fie mit, den Mönden (vergleichen, fie entfagten zeitlichen Gütern, Sie haben ſich ſelbſtſtändig, verhältnißlos gehalten.

Im Mittelalter ſind es vornehmlich Geiſtliche, Doktoren der. Theologie, welche die Philoſophie treiben. In der Meber- gangs= Periode haben die Philoſophen im Kampf, im inneren Kampf mit fi) und im äuferlihen Kampf mit, den Verhält- niſſen, ſich gezeigt, Haben fi auf wilde, unftäte Weife im Leben herumgetricben.

Anders ift das Verhältniß in der neueren Zeitz wir fehen nicht ‚mehr philoſophiſche Individuen, die Philofophen bilden nicht einen Stand, Wir ſehen hier die Ppilofophen im Ganzen ‚mit dem Zuſammenhange der Welt in irgend einer, Thätigkeit, in einem gemeinfchaftlihen Stande mit Anderen, im Staate; fie find. abhängig und, in Berhältnif. Sie leben in bürgerlichen Berhältniffen, oder im Staatsleben; oder fie find auch wohl Privatperfonen, fo dag der Privatftand fie ebenfo wenig von den anderen Verhältniffen ijolirt. Diefer Unterf&ied liegt über— haupt darin, wie fih die äußerlichen Umftände geftaltet haben. In der neueren Zeit hat fi die äußerliche Melt beruhigt, in Ordnung gebraht; Stände, Lebensweifen haben fi konſtituirt. Wir fehen einen allgemeinen, verftändigen Zufammenhang; und es gehört hierher die Verföhnung des weltlichen Princips mit fich ſelbſt: fo daß die weltlichen Verhältniſſe auf naturgemäße, vernünftige Weife ſich organifirt haben. Mit Erbauung der innerlihen Welt, der Religion, und der Verſöhnung der äufer- lien Welt mit ſich, hat aud die Individualität ein anderes Verhältniß; es if nicht die plaſtiſche Individualität der Alten. Diefer allgemeine, verfländige Zufammenhang if von folder Macht, daß jedes Individuum ihm angehört, und doch zugleich 4

Neuere Philvſophie. 277

eine innere Welt fih erbauen kann. Das Aeußerliche ift fo mit fi) verföhnt worden, daß Innerlihes und Aeußerliches zugleich ſelbſtſtändig und unabhängig fichen Tonnen, und das Indivi⸗ duum in dem Falle ift, feine Auferlihe Seite der äußerlichen Drhmimg überlaffen zu Tonnen, wogegen bei jenen plaftifchen Geſtalten das Aeußerliche nur ganz von dem Inneren beflimmt werden konnte. Hingegen jest, bei der höheren Kraft des In⸗ ‚neren des Individunm’s, kann die das Aeußerliche dem Zufalle überlaffen, wie es die Kleidung dem Zufall der Mode über- läßt, es ift nicht der Drühe werth, feinen Verfland dazu anzu⸗ ſtrengen; es Tann das. Aeußerliche frei laſſen, es beſtimmen laffen durch Anderes, durch die Ordnung, die in dem Kreife flatts findet, in welchem es: fi befindet. Die moderne. Welt ift diefe weſentliche Macht des Zufammenhangs; fie’ enthält diefes, daß es für das Individuum ſchlechthin nothwendig ift, in diefen Zu⸗ | fammenhang der äußerlihen Eriftenz einzutreten. Es iſt nur eine gemeinfchaftliche Meife der Eriftenz in einem, Stande mög⸗ ld; Spinoza macht Ausnahme So war früher die Tapferkeit individuell; die moderne Tapferkeit if, daß Jeder nit nad feiner Weife handelt, fondern daß er fi auf den Zuſammen⸗ bang mit Anderen verläßt, dieſer giebt ihm fein Verdienſt. Der Stand der Dhilofophen ift noch nicht, wie die Mönche, ots ganifirt. Akademiker find fo etwas; und felbft folder Stand die Aufnahme iſt etwas äußerlich Beſtimmtes fintt in bie Sewöhnlichkeit von Standesverhälmifien herab. Das Wefents liche ifl, feinem Swede getreu bleiben.

278 Dritter Theil Neuere Philofophie.

Erfter Abfchnirn" Baco ‚und Siam

vn Bwei volllommen disparate Individuen und ———— Baconiſche Philoſophie heißt im Allgemeinen Philoſophiren, das ſich auf Erfahrung; Beobachtung der ãußerlichen oder gei⸗ ſtigen Natur des Menſchen in’ feinen. Neigungen, Begierden, vernünftigen, rechtlichen Beftimmungen bafict: + Beobachtungen werden zum Grunde gelegt, daraus Schlüſſe gezogen, undı'die allgemeinen Vorftellungen, Geſetze diefes "Gebiets werden auf diefe Weife gefunden: Dieß erfcheintzwerktin-Vaco, aber nicht, fehe ausgebildet, ‚obgleich er eitirt wird als der Chef diefer Art amd ur us der Be der Erfahrungs- Philofophen.:

A

am hd * Barı.

or Die Verlaſſen * ee der. durch feine: Form das. Verdienft feiner Wahrheit verloren, nichts für das: Selbſtbewußtſeyn, die Gewißhett feiner felbft, feiner Wirk lichteit, if, das, was fchon gethan wurde, mit Bewußtſeyn amsge ſprochen, fehen wir: in Lord Baco, Baron von Berulam, Grafen..von St. Alban, diefem Heerführer aller Erfahrungs— Philofaphie, mit · deſſen Sprüchelchen man aud bei uns noch jeet gerne die Werke: ziert. Ex wurde 1561 zu London geboren; werde feine Ahnen, und Berwandten ‘in hohen Staatsämtern fanden, fo hat er, auch felber dazu gebildet,. fi zuerft den Staatsgeſchäften gewidmet und bedeutende Carriere gemacht. Sein Vater war Großflegelbewahrer unter der Königin Elifa- betb. Baco zeigte früh große Talente; im Alter von 19 Jah— ren ſchrieb er ſchon eine Schrift über den Zuftand von Europa (De statu Europae). Baco ſchloß fi in feiner Jugend an den Grafen Effer, den Liebling Elifabeth’s, an, dur den er, der ein jüngerer Sohn des Haufes war (feine älteren Brüder

*

Erfter Abſchnitt. Baco von Verulam. | 279

erhielten das väterlihe Bermögen), unterfügt, bald in beffere Umftände gerieth, höher gehoben wurde. Es wird ihm aber des⸗ wegen die größte Undankbarkeit gegen feinen Befchüger Schuld gegeben; und man wirft ihm vor, er habe fi von den Feinden des Grafen dazu verleiten lafien, ihn nad feinem alle des Hochverraths beim Publitum anzutlagen, durch welche Treulo⸗ figteit ex feinen Ruhm befledte. *)

Unter Yatob 1, dem er ſich durd fein Wert De augmen- is scientiarum empfahl, erhielt er die angefehenfien engliſchen Staatsämter. Er machte reiche Heirath, verſchwendete bald Als les, und erlaubte ſich Intriguen und Ungerechtigkeiten. Er ſchloß ſich an Buckingham an, wurde Großſiegelbewahrer, Großkanzler von England, Baron von Verulam. (Jakob war ſchwacher Menſch, Vater Karl's I, der enthauptet wurde.) Baco ließ ſich aber in dieſer Stellung die gröbſte Beſtechlichkeit zu Schulden kommen. Dadurch zog er ſich den Unwillen des Volks und der Großen zu; ſo daß er angeklagt, und ſein Proceß vor dem Parlamente geführt wurde. Er wurde zu einer Geldbuße von 4000 Pf. Sterl. verurtheilt, ſein Name aus der Liſte der Pairs ausgeſtrichen, und er kam in den Tower. Im Proceſſe und als er im Gefängniſſe war, zeigte er die größte Schwäche des Cha⸗ ratters. Zwar wurde cr aus dem Kerker, zu dem er verurtheilt war, wieder entlafjen, fein Proceß vernichtet: aus dem noch größe⸗ ren Haffe gegen das Minifterium Budingham und den König, unter defien Regierung er jene Aemter bekleidet hatte und als ein Opfer gefallen zu ſeyn ſchien, weil er früher fiel, und von feinem Mitgenoffen Budingham verlaffen und verurtheilt wurde; die ihn flürzten, haben ſich durch Herrfchen ebenfo verhaßt ges macht, dieſer Umſtand mehr, als ſeine Unſchuld, milderten die Verachtung und den Haß gegen Baco etwas. Aber er konnte

#) Buhle: Geschichte d. neueren Philos., Band II, Abth. 2, $. 950 952; Brucker. Hist. erit. phil. T. W, P. 2, p A 8.

280 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

weder bei ſich felbft Selbſtachtung, noch perſönliche Achtung bei Anderen, die er durch fein vorheriges ſchlechtes Betragen verlo⸗ zen hatte, nie mehr wieder gewinnen, Er-privatificte nun, lebte in Armuth, mußte den König um Unterfiügung ‚bitten, befhäf- tigte ſich den Neft feines Lebens nur ‚mit. den. Wiffenfhaften, und, farb 1626, *)

Bei Griechen und Römern lebten die Philofophen. für ſich in ‚einer, Aeußerlichkeit, die ihrer, Wiſſenſchaft angemeſſen und würdig ‚schien; jetzt iſt dieſe Abfonderung weggefallen, die Phi— loſophen find nit Mönche, fondern find, in Yemtern und, ver— flochten sin den, Zuſtand ‚der ‚Gegenwart, in ‚die Welt, und deren, Gang und Verlauf; ſo wird nebenher. philoſophirt, als ein Lurus und Ueberfluß.

Baco wird immer noch als. derjenige geprieſen, der das Erkennen auf ſeine wahre Quelle, auf die Erfahrung gewieſen; er wird an die Spitze des empiriſchen Weges des Wiſſens ge— ſtellt. Und in der That iſt er eigentlich der Anführer und Re— praſentant deſſen, was in England Philoſophie genannt wird, und worüber, die Engländer noch durchaus, nicht hinausgekom— men find., Denn fie feheinen in Europa das Bolt auszumaden, weldes auf ‚den Verſtand der Wirklichkeit beſchränkt, wie der Stand der Krämer und Handwerker im Staate, immer in die Materie verfentt zu leben, und Wirklichkeit zum Gegenftande zu haben, aber nicht die Vernunft, beftimmt if. Baco hat ſich "große Berdienfte erworben, indem er zeigte, wie auf die äußeren und inneren Naturerfcheinungen Acht zu geben fey. Sein Name güt dann mehr, als ihm unmittelbar als Verdienft zugefehrieben werden konnte. Es ift Tendenz der Zeit und des engliichen Raifonnement’s geworden, von Thatfahen auszugehen und das nach zu urtheilen. Indem er die Richtung ausgefproden, fo

#) Buhle: Gesch. d. neueren Philos., B. II, Abth. 2, 5. 952 94; Brucker. Hist, erit. phil T. IV, P. 2, p. B—%. d

Erſter Abfchnitt. Philofophie des Baco. ' 981

wird ihm zugefchrieben, als ob er dem Erkennen diefe Richtung überhaupt gegeben habe. ' Viele gebildete Männer haben über das, was für den Menſchen Interefie hat, Staatsgefhäfte, Gemüth, Herz, äußer⸗ lihe Natur u. f, f. nad) der Erfahrung, nad) einer gebildeten Melttenntniß gefprochen und gedacht. Auch Baco war ebenfo ein Weltmann von Bildung, der in großen Verhältniſſen, in Staatsgefhäften gelebt, praktifh die Wirklichkeit gehandhabt, die Dienfchen, die Umflände, die BVerhältniffe beobachtet und mit ihnen gewirkt hat, wie gebildete, reflektirende, wenn man will, philofophivende Weltleute. Nah dem Schluß feiner Laufbahn im Staate hat er fich jegt ebenfo an wiffenfchaftliche Thätigkeit gewendet, und darum auf diefelbe Weife praktifch nah Nützlichkeit, nah konkreter Erfahrung und Einficht die Wiſſenſchaften betrachtet und behandelt. Es iſt Betrachtung der Gegenwart, und Geltendmaden und Geltenlaffen, wie fie er- ſcheint; das Eriflitende wird fo mit offenen Augen angefehen, und dieß Anfchauen geehrt und anertannt. Es if. Zutrauen der Bernunft zu ſich felbfi und zur Natur, wenn fie ſich den- tend wendet zur Natur, Wahrheit in ihr zu finden, weil fie an fi harmoniſch. Er bat gänzlid bei Seite gelaffen und vers worfen die feholaftifhe Weife, aus ganz entfernt liegenden Abs firattionen zu raifonniren, zu behaupten, zu philofophiren, die Blindheit für das, was vor dem Auge liegt. Es ift die finnlihe Erfheinung, wie fie an den gebildeten Dienfchen kommt, wie diefer darüber reflektirt, die Nützlichkeit u. ſ. f, was den Standpunkt ausmacht; die finnlihe Erſcheinung gelten laſſen und geltend machen ift dem Princip gemäß, das Endliche, MWeltlihe als ein Endlides aufnehmen, d. i. auch in feinem finnlihen Verhalten.

Baco hat fih auf praktiſche Weife an die Wiffenfchaften gewendet, die Erfeheinung reflettirend aufgefangen und darauf, als das Erfte, Rüdfiht genommen. Die Wiflenfchaften hat er

283 Dritter Theil Neuere Philoſophie. zugleich methodifch betrachtet; er Hat nicht bloß Meinungen, Sen: timents vorgebracht, ſich nicht fo bloß über die MWiffenfchaften ausgelaffen, geäußert, wie ein vornehmer Herr abſprechend: fon- derm er iſt in's Genaue gegangen und hat’ eine Methode in NRücfiht des wiſſenſchaftlichen Erkennens aufgeſtellt. Durch dieß Methodiſche der Betrachtung, das er eingeführt hat, allein iſt er merkwürdig, dadurch allein in die Geſchichte der Wiſſen⸗ ſchaften und der Philoſophie aufzunehmen; und durch dieß Prin⸗ cip des methodiſchen Erkennens hat er auch die große Wirkung auft ſein · Zeitalter hervorgebracht, indem er es auf die Mängel der Wiſſenſchaften ſowohl ihrer Methode als ihrem Inhalte nach aufmerkſam machte. Baco gilt als Heerführer der Erfahrungs- Phitofophiez es wird ſich immer auf ihn im dieſem Sinne be— rufen. Er hat die allgemeinen we der Verfahrungsart m diefem Erkennen aufgefteltt,

‚Das Wiſſen aus Erfahrung, das Raiſonniren aus derfel- er ſteht gegenüber dem Wiffen aus dem Begriff, aus dem Spetwlativen;"umd man faßt den Gegenfag wohl gar ſo ſcharf auf, daf das Wiſſen aus dem Begriff ſich ſchäme der Erkennt niß aus der Erfahrung, wie ſich dann diefe auch wieder entge— genftelle dem Erkennen dur den Begriff. Von Baco kann man fagen, mas Cicero von Sokrates fagt: Er habe das Phi- tofophiren in die weltlihen Dinge, in die Häufer der Menfchen heruntergeführt. *) Und infofern Tann das Erkennen aus dem

* Begriff, aus dem Abfoluten, vornehm thun gegen dieß Erken— nen; aber es iſt für die Idee nothwendig, dag die Partitularität des Inhalts amegebildet werde. Eine wefentlihe Seite iſt der Begriff, aber ebenfo wefentlich die Endlichkeit deffelben als fols chen. Der Geift giebt fih Gegenwart, äuferliche Eriftenz; diefe Eriftenz kennen lernen, das Weltwefen, wie es ift, das finnliche Univerfum, ſich als diefen, d. i. mit feiner erfcheinenden, fin

®%) S. Band H, S. 47.

Erfter Abſchnitt. Philoſophie der Baco. 283

lichen Ausbreitung, iſt die Eine Seite. Die andere Seite iſt die Beziehung: auf die Idee. Die Abſtraktion an und für ſich muf ſich befimmen, partitularifircen. Die Idee ift konkret, ber ſtimmt ſich in fih, hat Entwidelung; und das vollkommene Erkennen tft. immer entwidelter. Erkennen hat in Rückſicht auf Die Idee nur den Sinn, daß die Ausbildung der Entwidelung noch nicht: fo weit iſt. Um diefe -Entwidelung iſt es zu thun; und zu dieſer Entwidelung, Befimmnng des Befonderen aus der Idee, dazu daß die Erkenntniß des Univerfum’s, der Natur fih ausbilde, ‚dazu ift die Erkenntnif des Nartitularen noth⸗ wendig. Diefe Partitularität muß für fi ausgebildet werden; man. muß die empiriſche Natur, die phnflfche und die des Men⸗ ſchen, kennen lernen. Und es iſt das Verdienſt neuerer Zeit, dieß befördert oder hervorgebracht zu haben; es ift höchſt unges nügend, wenn die Alten dazu herausgeben. Die Empirie iſt nicht bloßes Beobachten, Hören, Fühlen u. f. f., das Einzelne wahrnehmen: fondern geht wefentlih darauf, Gattungen, Allges meines, Gefege zu finden. - Und indem fie dieſe hervorbringt, fo trifft. fie mit dem Boden des Begriffs zufammen, erzeugt ein Solches, was dem Boden der. Idee, des Begriffs angehört; fie präparirt den empirifhen Stoff für benfelben, , daß dieſer dann ihn ſo zurecht aufnehmen kann.

Die Idee, wenn die Wiſſenſchaft fertig iſt, muß von ſich ausgehen, die Wiſſenſchaft fängt nicht mehr vom Empiriſchen an; aber daß die Wiffenfchaft fertig werde, zur Exiſtenz komme, dazu gehört der Gang vom Einzelnen, vom Befonderen zum Allgemeinen: Thätigkeit als Aktion, Reaktion. auf das Empi⸗ rifche, den gegebenen’ Stoff, denfelben umarbeiten. (Die For⸗ derung des Erkennens a priori, als ob die Idee aus fi kon⸗ firuire, iſt Rekonftruiren, wie die Empfindung in der Religion überhaupt.) Und ohne ‚die Ausbildung der Erfahrungswiflen- fhaften für fi hätte die Philoſophie nicht weiter Tommen kön⸗ nen, als bei den Alten. Das Ganze der Idee in fi iſt die

284 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

vollendete Wiffenfchaft: und das) Andere iſt der Anfang, der Gang ihres: Entſtehens. Dieſer Gang der Entfichung der Wiſ⸗ ſenſchaft iſt verſchieden von ihrem Gang in fich, wenn fie fertig, wie der Gang der Geſchichte der Philofophie und: der Gang der Philoſophie ſelbſt· In jeder Wiffenfhaft wird von: Grundfägen angefangen, diefe find im Anfange Nefultate des Befonderen; iſt die Wiſſenſchaft aber fertig,sfo wird davon angefangen. So iſt· es auch. beider Mhilofophie;' die Ausbildung, der ‚empirifchen Seite ift fo weſentliche Bedingung der Idee geweſen, damit fie zu ihrer Entwidelung, Beſtimmung kommen könne. Z. B. daf die Geſchichte der Philoſophie der neueren Zeit vorhanden ſeyn kann, dazu gehört die Geſchichte der Philoſophie im Allgemei— mei, der Gang der Philoſophie durch fo wiel tauſend Jahre; dieſen langen Weg muß der Geiſt genommen haben, um dieſe Philoſophie zu produciren. Im Bewußtſeyn nimmt fie dann die Stellung an, daß ſie die Brücke hinter ſich abwirftz fie er⸗ ſcheint frei nur in ihrem. Aether ſich zu ergehen, ohne Wider⸗ ſtand in dieſem Medium ſich zu entfalten, ohne Reaktion; aber ein Anderes iſt, dieſen Aether und die Entfaltung in ihm zu gewinnen. Wir dürfen es nicht überfehen, daß die Philofophie ohne diefen Gang nicht zur Exiſtenz getommen wäre; Geift iſt weſentlich Verarbeitung als eines Anderen. Di ift der Geiſt der baconifhen Philofophie.

4. Die. Erfahrung nimmt Baco als. die einzige und wahr- hafte Quelle des Erkennens an, fodann ordnet er das Denken darüber. Baco if durch zwei Werke berühmt geworden. Sein Verdienſt ift namentlich er ſtens, daß er in feiner Schrift De augmentis scientiarum eine ſyſtematiſche Encpklopädie der Wif- fenfchaften aufgeftellt hat, ein Entwurf; der.bei feinen Zeit- ‚genoffen allerdings Aufſehen erregen mußte. Es ift wichtig, ein ſolches geordnetes Gemälde des Ganzen, an das man nicht ge- dacht hatte, vor Augen zu legen: Diefe Enchklopädie trägt eine allgemeine ‚Eintheilung der Wiflenfhaften vor; die Principien

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Erſter Abſchnitt. Philofophie des Baco. 285

der Eintheilung ſind nach den Unterſchieden der geiſtigen Ver⸗ mögen geordnet. Er theilt die Wiſſenſchaften ein nach dem Ge⸗ dächtniß, der Phantaſte und der Vernunft: 1) Sachen des Ges dächtniſſes, 2) der Phantafle, 3) der Vernunft. So hat er dem Gedächiniß die Geſchichte, der Phantaſte die Poeſie (Kunft), und der Vernunft endlich Philofophie zugeordnet. x) Und nad der beliebten Weiſe des Eintheilens werden dann dieſe weiter eingetheilt; darunter bringt er das Uebrige, das iſt unbefriedi⸗ gend. Zur Geſchichte gehören Werke Gottes: heilige, prophe⸗ tiſche, eccleſtaſtiſche Geſchichte; Werke des Menſchen: Geſchichte, Literar⸗ Geſchichte; dann Werke der Natur u. f. f. *) And er geht fie durch nach der Manier feiner Zeit, worin eine Haupts feite if, daß etwas duch Beifpiele, 3. B. aus der Bibel plau⸗ fibel gemacht wird. ***) Wenn von Königen, Päbften u. f. f. die Rede iſt: fo muß Ahab, Salomo u. f. f. herhalten. Wie 3. B. damals in den Gefegen, in den Ehegefegen die jüdifchen Formen galten: fo find auf in der Philofophie dergleichen noch gewefen. Es kommt auch in diefer Schrift Theologie vor, ebenſo Magie. }) Es ift allgemeine Methodik der Erkenntniß und der Wiffenfhaften. |

Die Eintheilung der Wiſſenſchaften iſt das Unbedeutendfle am Werte De augmentis scientiarum. Worin fein Werth gefegt wurde und es Wirkung hervorbrachte, ift die Kritik und Menge lehreeiher Bemerkungen, was Alles damals in den eins zelnen Gattungen von Kenntniffen und Disciplinen vermift wurde, hauptſächlich inwiefern. die bisherige Methode in der Behandlung fehlerhaft und zwedwidrig fen, wo ſcholaſtiſch⸗ ariftotelifche Be⸗— griffe vom Berfland ausgefponnen werden als Realitäten.

#) De augmentis scientiarum II, c. 1 (Lugd. Batavor. 1652. 42), p. 108— 110 (Opera omnia, Lipsiae 1694, p. 43—44) ##) Ibidem, c. 2, p. 111 (Operum p. 44); c.4, p. 123 124 (p. 49); c. 11, p. 145 147 (p. 67 58). WER) S, Unten, 8. 2%. T) S. Unten, $.289.

266 Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

Dieg Eintheilen ift, wie es ſchon bei den Scholaflitern und bei den Neltern gebräuchlich war, noch jest Mode in den Wiſſenſchaf⸗ ten, in welden die Natur des Wiſſens unbekannt iſt. Hier wird der Begriff der Wiſſenſchaft vorausgeſchickt, zu diefem Begriffe dann ein ihm fremdes Prineip als: Eintheilungsgrund herzuge⸗ nommen, wie hier der Unterſchied des Gedächtniſſes, der Phanz tafle und der Vernunft, da die wahre Theilung ift, daß der Ber griff ſich feldft entzweie, aus ſich ſich eintheilt. "Im Wiſſen iſt freilich das Moment des Selbſtbewußtſehyns; und das reale Selbſtbewußtſeyn hat die Momente des Gedäctnifes, der Phan⸗ taſte und der Vernunft an ihm. Aber diefe Eintheilung deſſel⸗ ben eben ift es, die nicht aus dem Begriffe des Selbftbewußt- ſeyns genommen iſt: fondern aus der Erfahrung, daß ſich fin= det, daß es diefe Vermögen habe.

2. Das andere ihn Auszeichnende iſt num chen dich, daß er weitläufig in feiner zweiten Schrift; feinem Organon, eine neue Methode über das Wiffen geltend zu machen fuchte; bier wird fein Name noch häufig mit Ruhm gepriefen. Seine Haupt» beflimmungen find, daß er polemifch gegen die bisherige ſcho— laſtiſche Methode, duch Schliegen zu wiffen, aufgetreten ift, gegen die follogiftifchen Formen. Er nennt diefe Methode anti- cipationes naturae. Man fängt von Vorausfegungen, Defis nitionen, angenommenen Begriffen, von einer Abftraktion, einem ſcholaſtiſchen Abſtraktum an: und raiſonnire weiter daraus, ohne auf das zu ſehen, was in der Wirklichkeit vorhanden iſt. So wurden von Bott, und feiner Wirkungsweife in der Welt, Teu— feln u. f. f. Bibelftellen gebrauht (z. B. „Sonne ftehe fill“), um daraus gewiſſe Säge, metaphyſiſche Säge, zu fhliefen, von . denen aus man dann weiter gegangen iſt. Gegen die aprioris ſche Verfahren ift Baco’s Polemik gerichtet gewefen; gegen diefe Anticipationen der Natur wies er hin auf Erklärung, Auslegung der Natur. *) Das Schließen verwirft er im Allgemeinen. In

\ *) Novum Organon, L. I, Aphor.14— 34 (Operum p.280— 282).

Erfier Abfehmitt. Philoſephie des Baco. 287 der That iſt auch dich ariftstelifche Schliefen weder ein Erken⸗ nen durch ſich felbft, feinem Inhalte nach: es bedarf eines frem⸗ den, zum Grunde gelegten Allgemeinen; Theils iſt eben darum die Bewegung, ihrer Form nad, etwas Zufälliges. Der Inhalt iſt nicht in Einheit mit der Form, diefe Form daher ſelbſt an ihr ſelbſt zufallig, fie, für ſich betrachtet, Fortbewe⸗ gung an einem fremden Inhalt. Der Oberfag ift für fi) ſeyen⸗ der Inhalt: der Unterſatz ebenfo Inhalt nicht durch ſich, geht in’s Unendliche zurüd, d. 5. hat die Form nicht an ihm ſelbſt; die Form iſt nicht der Inhalt. Es läßt fich ebenſo gut im⸗ mer auch das Entgegengeſetzte durch den Schluß hervorbringen;

Henn dieſer Form iſt es gleichgültig, welcher Inhalt zum Grunde gelegt wird. „Die Dialektik Hilft nichts zur Erfindung der Künſte; duch Zufall find viele Künfte erfunden.“ *)

Gegen diefes Schließen nicht eben überhaupt, d. h. nicht den Begriff defielben (denn diefen hatte Baco nicht), fondern gegen das Schliefen, wie es getrieben wurde, eiferte Baco gegen das ſcholaſtiſche Schließen, das einen angenommenen In⸗ halt (Begriff) zum Grunde legte, eiferte Baco: und drang dar⸗ auf, daß der Inhalt der Erfahrung zum Grunde gelegt wurde und nach der Induktion verfahren werde, da er Beobachtungen der Natur und Verſuche als Grundlage forderte, und zeigte die Gegenſtände auf, deren Unterſuchung für das Intereſſe der menſchlichen Geſellſchaft vorzüglich wichtig ſey u. ſ. f. Daraus ergab fih dann das Schließen durch Induktion und Analos gie.**) In der That war es nur diefe Verwechſelung des Inhalts, auf weldhe Baco, ohne es zu wiſſen, in Wahrheit drang; denn wenn er eigentlich das Schließen überhaupt verwarf, und nur den Schluß durch Induktion zulich: fo ohne Bewußtſeyn

#) De augmentis scientiarum V, c. 2, p. 30 321 (p. 122 13). | . #%#) Novum Organon, L. I, Aphor. 105, p. 313; De augmen- dis scientiarum V, c. 2, p. 326 327 (p. 124 135).

288 Deitter Theil, Neuere Philofophie,

machte er Theils ſelbſt Schlüffe. (Die Induktion fest er dem Spllogiemus entgegen; dieſe Entgegenfegung ift aber formell, jede Induktion ift auch ein Schließen, was auch Ariſtoteles be= tannt war. Yus einer Menge Dinge wird ein Allgemeines abs geleitet: Erſter Sag, Dieſe Körper haben diefe Eigenſchaften; Zweiter, Alle diefe Körper gehören zu Einer Klaffe; alfo Drit⸗ tens hat diefe Klaffe diefe Eigenfehaften. Das ift vollftändiger Schluß) Theils alle diefe Erfahrungshelden nach ihm, die das in’s Werk richteten, was er verlangte, und aus Beobachtungen, Verſuchen und Erfahrungen die Sache felbft rein zu erhalten meinen, Tonnten es weder ‚ohne Schlüffe, noch ohne Begriffe machen, und begriffen und ſchloſſen um fo ſchlechter, da fie mein® ten, fie haben nicht mit Begriffen zu thun: nod) traten fie über— haupt aus dem Schliefen heraus zur immanenten, wahren Er— kenntniß.

Es iſt ſchon efinnert, wie wichtig es iſt, auf den Inhalt als Inhalt der Wirklichkeit, der Gegenwart hinzuführen; denn das VBernünftige muf gegenſtändliche Wahrheit haben. Die Verſöhnung des Geiftes mit der Welt, die Verklärung der Nas tur und aller Wirklichkeit muß nicht ein Jenſeits, ein Dereinft ſeyn: fondern jegt und hier fi vollbringen. Die Moment des Jetzt und Hier ift es, das dadurd überhaupt in das Selbfibe- wußtſeyn fommt. Die Erfahrungen, Verſuche, Beobadtungen wiffen aber nit, was fie in Wahrheit thun, nämlid daß das einzige Intereffe, das fle an den Dingen nehmen, eben die in- nere bewußtloſe Gewifheit der Vernunft if, fih in der Wirt- lichkeit feloft zu finden; und die Beobachtungen und Verſuche laufen eben darauf hinaus, wenn fie rihtig angeftellt werden, daß nur der Begriff das Gegenftändlihe if. Den Verſuchen entflieht eben unter den Händen das finnlihe Einzelne, und wird ein Allgemeines; das befanntefte Beifpiel ift die pofitive und negative Elektricität, infofern ſie pofitiv und negativ ifl. Der andere formelle Mangel, den alle Empiriter theilen, if,

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Erſter Abſchnitt. Philoſophie des Baco. 289

daß fie glanben, fie halten fih nur an Erfahrung; es bleibt ihnen unbewußt, dag im Aufnehmen diefer Wahrnehmungen fie metaphyflciren. Der Menſch bleibt nicht bei’m Einzelnen fiehen, und kann es nicht. Er fucht das Allgemeine; Ddiefes find Ges danken, wenn auch nicht Begriffe. Die ausgezeichnetfle Gedans tenform ift fo die Kraft; man hat Kraft der Elektricität, des Magnetismus, der Schwere. Die Kraft iſt Allgemeines, nicht Wuhrnehmbares; ganz unkritiſch, bewußtlos geben fi die Ems piriter alfo ſolchen Beftimmungen hin. Die Induktion hat den Sinn, daß Beobachtungen angeftellt, Verſuche gemacht werden, auf die Erfahrung gefehen und aus Diefem die allgemeine Be⸗ ſtimmung abgeleitet wird.

3. Baco giebt die Gegenſtände an, mit denen ſich vor⸗ nehmlich die Philoſophie beſchäftigen ſolle. Dieſe Gegenſtände kontraſtiren ſehr in Vergleich deſſen, was wir aus Wahrneh⸗ mung und Erfahrung ſchöpfen. „In der allgemeinen Skizze, die Baco von dem giebt, was vornehmlich Gegenſtand der phi⸗ loſophiſchen Unterſuchung ſeyn ſolle, befinden ſich folgende Ge⸗ | genflände, und wir wählen diejenigen heraus, auf welde er in feinen Werken vornehmlich dringt.” Inter diefe Wiſſenſchaften begreift er unter Anderem auch „„die Verlängerung des Lebens, - die Verjüngung in einem gewiflen Grade, die Retardation des Alters, die Veränderung der Statur, die Beränderung der . Züge, die Verwandelung der Körper in andere, das Erzeugen neuer Arten, Gewalt über die Luft und Erregung von Ungewit- tern, größeres Vergnügen der Sinne.” Er fpridt über das Goldmachen. Auch auf folde Gegenftände laßt er ſich ein, und ſucht die Aufmerkſamkeit darauf zu richten, ob es nicht in Be⸗ zug auf fie Mittel geben könne; in folden Mächten fol man es weiter bringen. „Er beſchwert fih, daß dergleichen Unter⸗ ſuchungen verlaffen worden feyen von ſolchen, die er bezeichnet als ignavi regionum exploratores. In feiner Natur = Hiftorie‘ giebt er förmliche Recepte, Gold zu mahen und viele Wunder

Seid. d. Phil. * * 19 -

200 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

zu verrichten,“ *) Baco ſteht noch gar nicht auf dem verſtän⸗ digen Standpunkt der Naturbetrachtung; ſondern er ſteht noch im gröbſten Aberglauben, falſcher Magie u, f. f. Dieß wird im Ganzen in verſtändiger Weiſe vorgetragen; und er bleibt ſo in den Vorſtellungen feiner Zeit. „Verwande—⸗ lung der Metalle iſt eine ſchwer zu glaubende Sache. Doch wer die Natur des Gewichts, der Farbe, Hämmerbarkeit, des Fixen und Volatilen kenne und die erſten Samen der Metalle und ihre Niederſchlagungsmittel, könne wahrſcheinlich Gold nach vieler und ſcharfſinniger Anſtrengung hervorbringen, aber nicht durch ein Paar Tropfen Elixirs. So wer die Natur des Eintrock⸗ nens, der Aſſimilation und des Ernährungs-Proceffes kenne, könne durch Bäder, Diät u, f fi fein Leben verlängern, oder die Kraft der Jugend. in einem, gewiffen Grade wieder herfiellen.“ **) Es iſt nicht fo grell. Unter der Medicin fpricht er von der Mala- cissalio per ‚exterius, ***)) Bei der Cosmelica in Betreff der Schminke fagt er: „Er wundere ſich, daß fo lange auf die böfe Gewohnheit des Schmintens (pravam consuetudinem fucandi) die bürgerlichen und kirchlichen Gefege nicht aufinerffam: gewe- fen; in der Bibel Iefen wir wohl, daß die Jeſabel ſich zwar geſchminkt habe, aber nicht die Eſther und die Judith.” +) Eine

%#) The Quarterly Review, Vol. XVI, April 4817, p. 50—51; Baco: Silva silvarum sive historia naturalis, Cent. IV, Sect. 326 327 (Operum p. 8%2 823).

##) De augmentis scientiarum IT, c. 5, p- 45—246 (p. 95): Ver- sio argenti aut argenti vivi aut alicujus alii metalli in aurum res creditu dura. Attamen longe verisimilius st, ab homine qui ponderis, coloris avi, malleabilis et extensibilis, fixi etiam et volatilis naturas cognitas et Perspectas habuerit, quique similiter prima mineralium sermina et men- strua diligenter introspexit, posse aurum multa et sagaci molitione tan- dem produci: quam quod pauca eliziris grana paueis momentis alia metalla in aurum vertere valeant; . . . qui naturam arefactionis, lationis atque alimentationis. .. notarit, posse per diactas, balnca . tam prolongari aut vigorem juventutis aligua ex parte renovari.

##®) De augmentis scientiarum IV, c. 2, p. 293 (p- 112).

t Ibidem, p. 24 295 (p. 213).

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Erſter Abſchnitt. Philoſophle des Baco. 204

methodifche, wiſſenſchaftliche Betrachtung tft nicht vorhanden, fons dern nur äußerliches Raifonnement eines Weltmannes überhaupt.

Ein Hauptzug bei ihm iſt in Anfehung des Formellen der Betrachtung, daß er fagt, „die Natur-Philoſophie theile ſich in zwei Theile: der erſte beficht in’der Betrachtung ber Urſachen; der zweite in der Hervorbringung der Wirkungen. Bon den Urſachen, die zu unterfuchen find, unterſcheidet er entweder die Endurfahe und die formelle Urfache, oder anders materielle und wirkende Urſache; jene gehören der Metaphyſik, dieſe der Phyfik. Die letztere ſieht er als einen Zweig der Philoſophie an, der in Würde und Wichtigkeit writ unter dem erſten ſteht. Die Unterfuchung der erſteren zu befördern, if Zweck feines Or⸗ ganon. u *)

Eine Hauptbeſtimmung iſt, daß ſich Baco gegen die teleo⸗ logiſche Beirachtung der Ratur, gegen die Betrachtung nach End⸗ urſachen gekehrt hat. Die finale Urſache zu erforſchen, iſt nutz⸗ los, habe kein Intereſſe; **) die Betrachtung durch causae ef- ficientes iſt die Hauptſache. Zur Betrachtung nach Endurſachen gehört z. B., „daß die Urſache, warum wir Haare an den Au⸗ genliedern haben, ſey, daß ſie uns die Augen ſchützen: die Be⸗ trachtung des dicken Felles der Thiere, um Hitze und Kälte ab⸗ zuhalten: der Blätter der Bäume, damit die Früchte von Sonne und Wind nicht leiden:“ ***) der Haare auf dem Kopfe, we⸗ gen der Wärme: daß Donner und Blig Strafe Gottes feyen, oder die Erde fruchtbar machen: Murmelthiere in den Winter-

*) The Quarterly Review, Vol. XVI, April 1817, p. 51 —52; De augmentis scientiarum III, c. 3— 4, p. 0 206 (p. 78 80). Novum Organon, L. II, Aphor. 2: Recte ponitur: Vere scire, esse per causas scire. Etiam non male constituuntur causae quatuor: Materia, forma, efhiciens et finis.

%#%#) Novum Organon, L. II, Aphor. 3: Causa finalis tantum abest ut prosit, ut etiam scientias corrumpat, nisi in hominis actionibus. The Quarterly Review, Vol. XVI, April 1817, p. 52.

###) De augmentis scientiarum III, c. 4, p. 237 (p. 92). 19 *

292 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

ſchlaf fallen, weil fie nichts finden zu freſſen: die Schuede ein Haus hat, um gefichert zu feyn gegen Angriffe: die Biene einen Stachel hat, Nach, ihm find unzählige Ausführungen gemacht. Die negative äußerliche Seite des Gebrauchs wird heraus ge⸗ kehrt; wenn Sonne oder Mond, immer fehienen, könnte die Polizei viel Geld fparen, wofür man ganze Monate effen und teinten könnte. Es iſt richtig, daß ſich Baco ſolcher Betrachtung entgegen ſetzte, weil der Zweck bier äußerlich if. Er verwies dieſe Betrachtung nad Zweden aus der Phyſik, der nur die Betrachtung der Urſachen angehöre. Er ſagt, daß beide Arten von Betrachtung neben einander beſtehen könnten.*) Die Be— trachtung nach Endurſachen bezieht ſich auf äußerliche Zweck⸗ mãßigkeit, wie Kant dieß auch gut unterfchieden hat. Im der That: ift aber der innere, Zwed dagegen ‚der innere Begriff der _ Sache felbit, wie wir dieß ſchon früher: bei Ariftoteles fahen. Das Organiſche ift Zwed, hat innere, Zwetmäfigteit, und fo find die Glieder auch äußerlich zweckmäßig gegen einander, Die Zwecke aber als äuferlihe Zwede find diefem heterogen, haben wicht ihren Zufammenhang mit dem Gegenftand, der betrach— tet wird.

Uber der Begriff der Natur ift nicht an ihr felbft, fo dag der Zwei an ihr felbft ift: fondern der Begriff als Zweckmäßig— teit ift ihr etwas Fremdes. Sie hat den Zweck an ſich felbft nit fo, dag wir fie eben zu refpektiren hätten: wie der einzelne Menſch Zwet an ihm felbft, und deswegen zu refpekticen iſt. Der einzelne Menſch als einzelner iſt nur zu refpektiren für den Einzelnen als folden, nit für's Allgemeine. Wer im Namen des Allgemeinen handelt, des Staats, ein General z. B., braucht den Einzelnen gar nicht zu vefpektiven; fondern diefer, obgleich Zwet an ſich, hört nit auf, relativ zu feyn. Er ift nicht die— fer als ſich ausſchließend, entgegenfegend, fondern Zwed an ſich,

9) De augmentis scientiarum Ill, c. 4, p. 239 (p. R).

Erfter Abſchnitt. Philoſophie des Baco. 293

eben daß ſein Weſen der Begriff, Allgemeinheit iſt. Der Zwee des Thiers an fih als Einzelnen ift feine Selbſterhaltung; aber fein wahrer Zwei an fih iſt die Gattung. Es kommt auch nicht dazu, fi zu erhalten; fondern die Selbfterhaltung feiner Einzelnheit if das Gegentheil, Aufheben feiner felbft, Produk⸗ tion der Gattung. Baco trennt das Allgemeine, Princip, und die wirkende Urfache, verweift jene aus der Phyſik in die

Metaphyſtk: oder er erkennt: den Begriff nicht als Allgemeines

an der Natur, fondern nur als Nothiwendigkeit, d. b. das All»

gemeine, das ſich in dem Begenfase feiner Momente darftellt, '

nicht fle in der Einheit verbunden hat, Begreifen eines Bes flimmten aus einem anderen Beſtimmten in's Unendliche, nicht beide aus ihrem Begriffe.

Das Forſchen nach der wirkenden Urſache hat Baco allge⸗ meiner gemacht, eine Betrachtung, die ſehr viel gewirkt. Und dieſe Anſicht, inſofern fie dem. gedankenloſen Aberglauben⸗ entgegengearbeitet hat, welcher in den germaniſchen Völkern an Fürchterlichteit und Abſurdität den der alten Welt weit hinter fih zurüdgelaffen hat, hat eben das Verdienſt, das wir bei der epitureifhen Philoſophie gegen die abergläubifhhen Stoiker und den Aberglauben überhaupt fahen: der irgend ein vorgeftells tes Weſen zur Urſache macht (ein Jenſeits, das felbft auf eine finnlihe Weife feyn und als Urfache wirken fol), oder and zwei finnlihe Dinge auf einander wirken läßt, die gar feine Beziehung haben. Diefe Polemik Baco's gegen Gefpenfter, Aftrologie, Magie u. f. f. *) kann nun freilih eben nicht für Dpilofophie angefehen werden, als feine anderen Gedanken; aber es ift dieß wenigftens ein Verdienſt für die Bildung.

Auf die formellen Urfahen, die formen der Dinge, foll man feine Aufmerkſamkeit richten. **) „Uber berauszubringen,

%) De augmentis scientiarum I], p. 46 (p. 19); III, c.4, p. 211

2113 (p. 82 83); Novum Organen, L. I, Aphor. 85, p. 34. %#) De augmentis scientiarum III, c.4, p. 31 234 (p. 89 90).

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294 ‚Deitter Theil. Neuere Philofophie.

was er. unter formellen Urſachen verſteht, ift fhwer; was diefe Formen. feyen, darüber, ift Baco fih nicht klar geworden.” *) Man kann meinen, er habe die immanenten Beftimmtheiten der Dinge, die Gefege darunter verftanden. Dieſe allgemeinen Be— ſtimmungen nennt er nun formas, und dringt darauf, daf diefe Formen’ erfunden und erkannt werden; und fie find nichts An— deres, als. die allgemeinen Beſtimmungen, Gattungen, Gefege. **) Er fagt: „Obgleich in der Natur nichts wahrhaft eriftiet als individuelle Körper, welde individuelle Akte von ſich geben: fo geſchieht doch ihre Wirkfamkeit nad einem Gefeg, und es if in der Wiffenfchaft ihr Gefeg und das Erkennen und die Aus⸗ legung des Geſetzes als die Grundlage anzuſehen, ſowohl für das Wiſſen als auch für die Thätigkeit. Die Paragraphen dies ſes Gefeges find es, was. wir unter. den Formen der Dinge ers kennen,“ *2) „Wer die Formen erkennt, umfaßt die Natur in der ungleichartigſt ſcheinenden Materie.” +), Dief geht er weits läufig durch, und führt darüber viele Beifpiele an, 3. B. die Wärme, „Der Geiſt muß von den Unterfdieden zu den Gat—⸗ tungen ſteigen. Sonnenwärme- und Feuerwärme find heterogen (heterogenei). Wir fehen, daß bei der Sonnenwärme Trau—⸗

#) The Quarterly Review, Vol. XVI, April 1817, p. 52. ®®) Novum Organon, L. II, Aphor. 17, p.345— 346. |

%#%) Ibidern, Aphor. 2, p. 325 326 (Tennemann, Bd. X, ©. 35 36): Formae inventio habetur pro desperata. Efliciens vero et ma- teria (quales quaeruntur et recipiuntur, remotae scilicet, absque latenti Pprocessu ad formam) res perfunctoriae sunt et superficiales, et nihili fere ad scientiam veram et activam. Licet in natura nihil vere existat praeter corpora individua, edentia actus puros individuos ex lege: in doctrinis tamen illa ipsa lex ejusque inquisitio et inventio atque esplica- tio pro fundamento est tam ad sciendum quam ad operandum. Eam autem legem ejusque paragraphos formarum nomine intelligimus. Novum Organen: L. I, Aphor. 51, p. 286. Ibidem, L. II, Aphor. 9: .. . Oritur vera divisio philosophiae et scientiarum; . .. videlicet, ut inquisitio formarnm, quae sunt .. . aeternae ct immobiles (d, i. Naturs gejege), constituat Metaphysicam.

+) Ibidem, Aphor. 3, p. 326: Qui formas novit, fs naturae uni-

tatem in materiis dissimillimis complectitur.

Erſter abſchuin. Philoſophie des Baco. 295

ben 1 reifen, Um aber zu fehen, ob die Sonnenwärme fpecififch. fey, beobachten wir auch andere Wärme, und finden, daß auch im warmen Zimmer Trauben reifen; fo ift alfo die Sonnen wärme nicht fpecififch.” *)

„„Die Phyſik leitet (directs) uns durch enge, rauhe Pfade, indem fie die Wege der gewöhnlichen Natur nachahmt. Aber wer eine Form verſteht, Tennt die legte Möglichkeit, diefe Na⸗ tur zu fuperinduciren auf (upon) alle Urten von Gegens ſtänden““: „d. i., wie er es erflärt, die Natur von Gold in die von Silber einzuführen,” d. h. aus Gold Silber zu maden, „und ‘alle diefe Wunder zu verrichten, auf welche die Alchy⸗ miften Anfprüde mahen. Der Irrthum von dieſen beficht nur darin, zu hoffen, auf fabelhafte und phantaftifche Weife dieß zu erlangen;” die wirkliche Weiſe ift, diefe Formen zu ers tennen. „Die formalen Urſachen (formal causes) und die los gifchen Regeln, fie tennen zu lernen, find der Segenftand, der Instauratio magna und des Novum Organon.“ #*) Es find gute Regeln, aber nicht, jenen Zwed zu erreichen. |

Baco ift in großen Lebensverhältniffen gewefen, hat fo die Berdorbenheit der Menſchen, die am Staatsruder waren, durch⸗ gemacht. Bei der Verdorbenheit feines Charakters war er Diann von Geift, klar blidend: hatte aber nicht die Fähigkeit, nad allgemeinen Gedanten, Begriffen zu raifonniren. Weltkenntniß befaß er in hohem Grade: „reihe Jmagination, einen mädhti- gen Mit, und die durchdringende Weisheit, die er zeigt über diefen interefiantefter aller Gegenflände, gewöhnlid genannt Welt. Das Lestere ſcheint uns die charakteriftifche Eigenſchaft Baco's geweſen zu ſeyn. Die Menſchen hatte er viel mehr, als die Sachen ſtudirt: die Irrthümer der Philoſophen viel

*) Novum Organon, L. II, Aphor. 35, p. 366:... ad elevandum

et ’evehendum intellectum a differentiis ad genera etc. ##) The Quarterly Review, Vol. XVI, April 4817, p. 52; De aug- mentis scientiarum III, c. 4, p. 236 (p. N).

. .

Deittet Theil. Neuere Pfilofophie.

Irrthümer ‚der, Philofophie. "Im der That, er traßte Raifonnement nicht;“ abſtraktes Rai—

„was, zum Philoſophiren gehört, findet man ‚am: we=

men vei ihm. „Seine Schriften find jedoch voll der feinften igften Bemerkungen; aber es bedarf ‚gewöhnlich ei⸗

eringen Unſtrengung der Vernunft, ihre Weisheit. zu faf-

Daher wird er oft zum Motto genommen, „Seine Urs

1d“ aber; „meift ex cathedra - gegeben; oder wenn er

»1, fie zu erläutern, ſo iſt es” etwa „durd Gleichniſſe und

9; (illustration) und ſcharfſiunige Beobachtungen mehr,

urch direkte und angemefjene Argumentation. Allges

s Raifonnement- ift eine weſentliche Eigenſchaft zum

en; fein Mangel: ift auffallend in Baco’s philofophi=

’q +) Seine prattifhen Schriften find beſonders

ant; große Blide findet man aber nicht, wie man erwartet.

a bedarf für eine Manier eines Namens, eines Dans

der als Führer, Autorität und. Urheber ‚genannt werde: fo

co's für das erperimentirende Ppiloföphiren, eine allge⸗

Keine Richtung, der Zeit. **)

. Dieß if, was von Baco anzuführen war. Bei Lode fol nod mehr von diefem empirifhen Verfahren der Engländer die Rede feyn.

B. Aahob Böhme

Das andere Extrem ift der theosophus teutonicus ***) Böhm, cr flieht gerade im Entgegengefegten; philosophia teu-

#) The Quarterly Review, Vol. XVI, April 1847, p. 53.

##) De augmentis scientiarum V, c. A, p. 358 (p. 137): Uno co- demgue mentis opere illud, quod quaeritur, ct invenitur et judicatur. Neque enim per medium aliquod res transigitur, scd immediate codem fere modo quo fit in sensu. Quippe sensus in objectis suis primariis simul et objecti speciem arripit et ejas veritati consentit. ( Rirner: Hands buch d. Geſch. d. Phil. Bd. II, ©. 10.)

###) Jakob Böhmens Leben und Schriften (nach seinen Wer- ken, Hamburg, 1715. 4), No. U, $, 2, 8. 54; und das Titelblatt.

Erſter Abſchnict. Jakob Bohme. 297

tonica, fo hieß ſchon früher Myſticismus.) Won diefem englifchen Zordftaatsfanzler, dem Heerführer des äußerlichen, finn> lichen Bhilofophirens, wollen wir zum philosopho teutonico, wie er. genannt wurde, **) zum deutſchen Schufier aus ber Lan⸗ fitz gehen; wir haben uns ſeiner nicht zu ſchämen. Dieſer Jakob Böhme, lange vergeſſen und als ein pietiſtiſcher Schwärmer ver⸗ ſchrien, iſt erſt in neueren Zeiten wieder zu Ehren gekommen; Leibnitz ehrte ihn. Durch die Aufklärung iſt ſein Publikum ſehr beſchränkt worden; in neueren Zeiten iſt ſeine Tiefe wieder an⸗ erkannt worden. Es iſt gewiß, daß er jene Verachtung nicht verdient, aber auch anderer Seits nicht die hohen Ehren, in die er hat erhoben werden ſollen. Ihn als Schwärmer zu qualiſi⸗ eiren, beißt weiter nichts. Denn wenn man will, kann man jeden Philofophen fo qualificiren, felbft den Epitur und Baco; denn fie felbft haben dafür gehalten, daß der Menfh noch in etwas Anderem feine Wahrheit habe, als im Efien und Trins ten, und in dem verfländigen täglichen Leben des Holzhadens, Schneiderns, Handelns, oder fonfliger Stands⸗ und Amtsge⸗ ſchäfte. Was aber die hohen Ehren betrifft, zu denen er ers hoben worden, fo dankt er diefe befonders feiner Form der Uns fhauung und des Gefühls; denn Anfhauung und inneres Füh⸗ len, Beten und Sehnen, und die Bildlichkeit der Gedanken, die Allegorien und dergleichen find zum Theil für die wefentliche Form der Philoſophie gehalten. Aber es iſt nur der Begriff, das Denken, worin die Philofophie ihre Wahrheit haben, worin das Abfolute ausgefprodhen werden Tann, und aud ifl, wie es an fi ifl. Won diefer Seite aber ift er volltommen Barbar;

ein Dann, der bei feiner rohen Darfiellung ein konkretes, tiefes Herz beſitzt. Weil er keine Methode und Ordnung bes figt, fo ifl es ſchwer, eine Vorftellung von feiner Philofophie zu

geben.

x) Jakob Böhmens Leben und Schriften, No. I, $.57, 5.27—28. %#) Ebendaselbst, $. 18, S. 41 12.

Deister Theil, Neuere Philofophie.

Jakob 2 öhmerin Alt» Seidenberg bei Görlig in der Ober ,

laufig 4575 von armen Eltern geboren, war in feiner Jugend eben Bauernjunge, der das Vieh hütete. *) Vor feinen Werken

(in Amfterdam und Hamburg) it Lebensbeſchreibung ent⸗

F Yalten, nach feiner Erzählung von einem Geiftlihen verfaßt, der ihn perfönlich Tannte. Seine Werke find befonders von Hols ländern aufgefucit, und daher die meiften Ausgaben in Holland gemacht, in Hamburg aber nahgedrudt. **) Man findet darin viel erzählt, wie er zu einer tieferen Erkeuntniß gelangt

Lutherthum ift er erzogen, und darin ſtets geblieben.

feinem Leben kommen mehrere Regungen vor, die: er gehabt

Er erzählt von fi, daß er als Hit ſchon wunderbare nungen yatse, Die erie wunderbare Erwetung hatte er Wishhättn;.- hier ſchon hatte er in einem. Geſtrãuch eine

und Bütte Geldes geſchen. Durch dieſen Glanz erſchrocen,

£ Amerlich‘ gewecht worden aus trüber Dumpfheit; er hat

Neenhernach nicht mehr gefunden. **®) Ja der Folge wurde er ., Mm zur einem Gohufler in bie Lehee gegeben, Worzüglih auf dri Wanderſchaft „iR er durch dem Spruch (Euch XI, 13);“ nnDer Bater im Himmel will den heiligen Geift geben denen, die ihn darum bitten,“ „in fi felber erwedet, dag er um die Wahrheit zu erkennen, jedod in Einfalt_feines Geiftes inbrün- fig und unaufhörlich gebetet, gefuchet und angeklopfet, bis er, damals bei feinem Meifler auf der Wanderfhaft, durch den Zug des Vaters in dem Sohne, dem Geifle nad, in den hei— ligen Sabbat und herrlichen Ruhetag der Seelen verfeget und alfo feiner Bitte gewähret worden; alwo er (feiner. eigen Bes käntniß nad) mit göttlihem Lichte umfangen, und ſieben Tage lang in höchſter göttlicher Beſchaulichkeit und Freudenreih ge= fanden.” Sein Meifter hat ihn fortgefhict: er könne „folden

#) Jakob Böhmens Leben und Schriften, No. I, $.2—3, 5.3.

*#) Ebendaselbst, No. VI, $.3—6, S. 81 85. #4#) Ebendaselbst, No. I, $. 4, 5.3—4.

a

Erfier Abſchnitt. Iakob-Böhme, - 299

Hauss Propheten nicht” bei fih haben. In der Folge hat er in Görlit gelebt; 1594 war er Meiſter und verheirathet. Später, „Anno 1600, im 25. Jahre feines Alters,“ ging ihm „zum andernmal” das Licht auf, in einem zweiten Geflcht der Art. Er erzählt nämlid: Er fah ein blankgeſcheuertes zinners nes Geräthe im-Zimmer; und „durd den gählihen Anblid des lieblihen jovialen Scheins“ diefes Metalls ward er (zu einer Beſchauung, und Entrückung feines aftralifhen Geiftes) „in den Mittelpunkt der. geheimen Natur“ und in das Licht des gött⸗ lichen Wefeng „eingeführt. Er ging vor das Thor, um ſich diefe Phantaſie aus dem Hirne zu ſchlagen, in’s Grüne: und“ bat „doch nichts deſto weniger folden empfangenen Blick“ in ſich „ie länger je mehr und Plärer empfunden; alfo daß er, vers mittelft der angebildeten Signaturen oder Figuren, Lineamenten und Farben, allen Gefhöpfen gleihfam in das Herz und in bie innerfte Nalur hineinfehen können (wie aud in feinem Bud De signatura rerum diefer ihm eingedrüdte Grund genugfam vers tläret und enthalten), wodurd er mit großer Freudigkeit übers ſchüttet, Gott gedantet, und ruhig an fein Hauswefen gegans gen.“ *) Er fihrieb dann fpäter mehrere Schriften. In Görs - lig bat er fein Handwerk getrieben, und ift Schuhmacher geblies ben: und ift dafelbfi 1624 als Schuhmadyermeifter geftorben. *)

Seine erſte Schrift ifl die „Aurora“ oder „Morgenröthe im Yufgange,” der dann viele folgten; „Bon den drei Princis pien,“ und eine andere „Vom dreifachen Leben des Menſchen“ find von feinen mertwürdigfien, aufer diefen noch mehrere andere. Welche Schriften er ſonſt gelefen hat, ift nicht befannt. Aber eine Menge Stellen in feinen Schriften beweifen, daß er viel gelefen hat, offenbar befonders myſtiſche, theofophifche und alchymiſtiſche Schriften, zum Theil wohl des Theophraftus Pas

*) Jakob Böhmens Leben und Schriften, No. I, F. 6—7, ©. 5; $. 10 11, &, ’—8, . u) Ebendaselbst, $. 23 29, S. 17— 18.

Deätter Theil. Neuere Philoſophie.

mbaftus von Hohenpeim; eines Philoſophen

N vers, aber eigentlich) verworrener und ohne die

es Gen üths des Böhme. "Die Ausdrüde in feinen Wer-

5 der göttliche Salitter, Markurius n. f. f. fagt

he Weife, Die Bibel hat er immer gelefen. Er

Geiſtlichen vielfältig verfolgt, *) hat jedod in Deutfch-

weniger Yuffehen erregt als in Holland umd in England,

Schriften vielfach aufgelegt worden find. **) Er ift

t worden der philosophus teutohieus; #**) and in der

iſt durch ihn erſt in Deutſchland Philoſophie mit einem

mi Charakter hervorgetreten. Es tft uns wunder⸗

uthe beim Leſen feiner Werke; und man muß mit

I vertraut ſeyn, um in dieſer höchſt verworrenen dahrhafte zu finden.

8 e aift · der erſe·dtutfche hiloſoph; der Inhate

RPhiloſophitens iſt ächt deutſch. Was Böhme aus⸗

Fand merkwürdig mn, it das ſchbn erwähnte proteſtan⸗

incip, die Intellektual Welt in’ das eigene Gemũth

Yereinjulegen, und in feinem Selbſtbewußtſehn Alles anzufchauen und zu wiffen und zu fühlen, was fonft jenfeits war. Die all- gemeine Idee Böhmens zeigt fi einer Ceits tief und gründ- lid; er kommt anderer Seits aber, bei allem Bedürfniß und Ringen nad) Beftimmung und Unterfeidung in der Entwide- lung feiner göttlichen Anfhauungen des Univerfum’s, nicht zur Klarheit und Ordnung. Es ift fein foftematifher Zufammen- bang, die größte Verworrenheit in der Abſcheidung, felbft in feiner Tabelle, F) wo I. II. II. genommen:

#) Jakob Böhmens Leben und Schriften, No. I, $.12—17, S.8— 1. ##) Ebendaselbst, No. VI, $.7—8, 5. 85— 87. ###) Ebendaselbst, No. I, $. 18, 8. 11 12. }) Theosophische Sendbriefe, 47. Brief (Werke, Hamburg 4745. 4.), 5. 3879.

Erſter Abſchnitt. Philofophie des Böhme. 301 |

Was Gott außer Natur und Kreatur fey. I. - CShiedlihfet: -— ., Mysterium . Das I. Principium. Sort in Liebe, magnum, Gott in Zorn. " III.

Gott in Zorn und Liebe.

Es iſt kein’ beſtimmtes Auscinanderhalten, nur ein Ringen; bald ſind dieſe, bald jene Unterſchiede geſetzt: ſie laufen wieder durcheinander, ſo auch abgeriſſen.

Die Art und Weiſe ſeiner Darſtellung muß barbariſch ge⸗ nannt werden. Wie Böhme das Leben, die Bewegung des ab⸗ ſoluten Weſens in's Gemüth legt, ebenſo alle Begriffe ſchaute er in einer Wirklichkeit an; oder er gebraucht die Wirklichkeit als Begriff, ſtatt Begriffsbeſtimmungen gewaltſam natürliche Dinge und ſinnliche Eigenſchaften, um ſeine Ideen darzuſtellen. 3. B. Schwefel, Markurius und dergleichen iſt bei ihm nicht das Ding, das wir ſo heißen, ſondern ſein Weſen; oder der Begriff hat dieſe Form der Wirklichkeit. Er ſteht im tiefſten Intereſſe der Idee, kämpft ſich damit herum. Die ſpekulative Wahrheit, die er vortragen will, bedarf, um ſich ſelbſt zu faſſen, weſentlich des Gedankens und der Form des Gedankens. Nur im Gedanken kann dieſe Einheit, in deren Mittelpunkt ſein Geiſt ſteht, gefaßt werden; und gerade die Form des Gedankens iſt es, die ihm fehlt. Die Formen, die er gebraucht, find keine Sedantenbefiimmungen. Es find finnlihe Beflimmungen einer Seits: fo Qualitäten, Herbe, Süß, Bitter, Grimmig; Empfin- dungen, Zorn, Liebe; Tinktur, Blis, Effenz, Salitter, Marku⸗ ring. Diefe. finnlihen Formen behalten bei ihm nicht eigen- thümliche finnlihe Bedeutung; er gebraucht fie zu Gedankenbe⸗ fiimmungen. Es erhellt dann ſogleich, wie die Darftcllung ge= waltfam erfdheinen muß, indem nur. der Gedanke der Einheit . fühig if. Es ficht alfo kraus aus, wenn man von Bitterkeit

Dritter Theil, Neuere Philofophie,

id, Blig lieſt; man muß die Idee vorher haben, fie freit ch. Das Andere ift dann, daß er als Form der Idee die chriſt⸗ Form gebraucht; die finnliche Weife und die Weiſe der inden Religion, ſinnliche Bilder und Vorftellungen, bringt ineinander. Es ift barbarifch einer Seits, anderer Seits o diefe Gegenwärtigkeit, im Allem aus feiner Wirklichkeit, a Gemüthe zu ſprechen: was im Himmel vorgeht, bei herum im ſich zu haben. Wie Hans Sads in feiner den Herrgott, Chriftus und dem heiligen Geift nicht zu Spiefbürgern feines Gleichen vorgefleift hat, als die And die Erzvãter, nicht als vergangene, hiſtotiſche genom⸗ me.

hat der Geiſt Wahrheit, aber in feiner fehlt das Moment der Gewißheit feiner ſelbſt. Daß land des Chriſtenthums die Wahrheit, der Geiſt iſt,

wir gefehen; fie ift dem Glauben als unmittelbare Wahr hat fie, aber bewußtlos, ohne Wiſſen, ohne fie als Selbfiberuftfegn zu wiflen: und weil im Selbſtbewußtſeyn das Denken, der Begriff weſentlich ifl, die Einheit der Ents gegengefegten bei Bruno, fo fehlt dem Glauben vorzüglich diefe Einheit. Seine Momente fallen als befondere Geftalten auseinander, befonders die höchften Momente: das Gute und das Böfe, oder Gott und der Teufel. Gott ift, und aud der Teufel, Beide für fih. Gott ift das abfolute Weſen. Aber welches abſolute Wefen ift dieß, das alle Wirklichkeit und be— fonders das Böfe nit an ihm hat? Böhme ift eines Theils darauf gerichtet, die Seele des Menſchen zum Leben zu führen, in ihr felbft das göttliche Leben hervorzubringen, den Streit und Kampf in ihr felbft anzuſchauen, und zu ihrer Arbeit und Bes mühen zu maden: und dann eben in Anſehung diefes Inhalts es herauszutriegen, wie das Böfe im Guten, oder den Teufel aus Gott zu begreifen, eine frage der jegigen Zeit. Weil

1

\

Erſter Abſchnitt. Philofophie des Böhme, 93

er aber den Begriff nicht hat, fo ſtellt ſich dieß als fürchterlicher; ſchmerzhafter Kampf vor; man hat das Gefühl des Ningens.

Es ift eine barbarifche Form der Darftellung und des Ausdruds,

ein Kampf feines Gemüths, Bewuftfeyns mit der Sprade;

und, der Inhalt des Kampfes if die tiefſte Idee, die die abfo=

Iuteften Gegenfäge zu vereinigen aufzeigt. (Die Seftalt, die ihm zunächft liegt, iſt Chriflus und die Dreieinigkeit: und dann die chemiſchen Formen von Merkur, GSalitter, Schwefel, Herbes, Saures u. f. f) Wir fehen in ihm das Ringen, diefe Entge⸗

gengefegten in Eins zu bringen und fie zu binden, nicht für

die dentende Vernunft; es ift eine ungeheure wilde und rohe

Anfirengung bes Inneren, bas zufammenzupaden, was durch

feine Geflalt und Form fo weit auseinander liegt. In feinem ftarten Seife bringt er Beides zufammen, und zerbricht darin

alle diefe Bedeutung, die Geftalt der Wirklichkeit, die Beih

des hat. Zugleich aber, weil er diefe Bewegung, dieß Weſen des Geiſtes in ihm felbft, fo im Inneren auffaßt: fe nähert fich die Beftimmung der Momente mehr. der Form ‚des Selbſtbe⸗ wußtfeyns, dem Geftaltlofen, dem Begriffe. Aenn man; es zu:

fammenfafien will, fo hat er gerungen, das Negative, das Böfe,

den Teufel in Gott zu begreifen, zu faffen.

So roh und barbarifch es einer Seits if, und fo fehr. mar es nicht aushalten kann, anhaltend ihn zu lefen und die Ges danken feflzuhalten, (es gebt immer der Kopf herum vom Qua⸗

litäten, Geiftern, Engeln): fo hat dieß derbe Gemüth doch eis

gentlih in der That eine ungeheure barbarifhe Kraft, die Wirk⸗ lichkeit als Begriff zu gebrauchen. Im Hintergrunde iſt der fpefulativfte Gedanke, der aber nicht zu feiner ihm angemeffenen Darfiellung tommt. Dan muß fuftematifhe Darfiellung bei ihm nicht erwarten, noch wahrhafte Herüberführung in’s Ein zelne.. Er bleibt auch nicht bet Einer Form, fondern wirft füch in mehrere Formen herum, weil weder die ſinnliche noch die re⸗ ligiöfe genügen kann. Populare derbe Weife der Vorſtellung,

304 Dritter Theils Neuere Philofophier

vollkommene Parrhefle kommt vor, die uns gemein erſcheint. Mit, dem Teufel Hat er viel zu thunz «er redet ihn oft an, „Komm her,“ fagt er, „Du Schwarzhans. Was willtu? Ich will Die ein Recept verſchreiben.“ *) Wie Profpero bei Shat- fpeare im Sturm **) ı— Ariel droht, eine wurzeltnorrige Eiche zu fpalten und ihn 1000 Jahre‘ darin einzuklemmen: fo iſt Böhme's großer Geift in harte knorrige Eiche des Sinnlichen, in Enorrige, harte Verwachfung der Vorftellung eingefperrt. Er kann nicht zur freien Darfiellung der Idee: kommen. In der, Idee Gottes auch das, Negative zu faflen, ihn als abſolut zu begreifen, dieß ift der Kampf, der fo fürchterlich ausfleht, weil er in ber Gedantenbildung noch fo weit zurück iſt. Die eine Seite ift die ganz rohe und barbarifche Darſtellung, ande⸗ ter Seits erkennt man das deutfche, tiefe Gemüth, das; mit dem

ſten verkehrt, und darin feine Macht, feine, Kraft exercirt.

Ich will die Haupt Ideen Böhme's kurz angeben: „dann einzelne Stellen, und Formen, in die er ſich herumwirft; er wies derholt ſich daher fo häufig. Die Formen der Hauptvorfielluns ‚gen find indeffen wieder fehr verfhhieden sallenthalben; und man würde fi) täuſchen in feiner Arbeit, wenn man es unternehmen wollte, eine tonfequente Darftellung und Entwidelung feiner Borfiellungen zu geben, befonders infofern fie weiter hinaus» gehen. Bon den Gedanten Jakob Böhm’s läßt fi meift nicht viel fpredhen, ohne die Weife feines Ausdruds, die Form deffel- ben anzunchmen; denn anders läßt fih’s nicht ausdrüden, die Form ift wefentlich nicht Begriff mehr. .

Die Grund-Idee bei ihn ift das Streben, Alles in einer abfoluten Einheit zu erhalten, die abfolute göttlihe Einheit, und die Vereinigung aller Gegenfäge in Gott. Sein Hauptz,

#) Trostschrift von vier Complexionen, $. 43— 68, 5. 1602 1607.

#®) Akt I, Scene 2, 8.27 —28 (übersetzt von Schlegel, Ber- lin 1818).

Erſter Abſchnitt. Philoſophie des Böhme, 305.

ja man Tann fagen, fein einziger Gedanke, der durch Alles hin⸗

durchgeht, ift im Allgemeinen, die heilige Dreifaltigkeit, in Allem die göttliche Dreieinigkeit aufzufafen, alle Dinge als

ihre Enthüllung und Darſtellung; fo daß fie das allgemeine

Prineip if, in welchem und durch welches Alles ift: und zwar

fo,.daß alle Dinge nur diefe Dreieinigkeit in fi haben, nicht

als eine Dreieinigkeit der Borfiellung, fondern als reale, die

abfolute Idee. Alles wird als diefe Zrinität erkannt. Alles, . was ift, iſt nur diefe Dreiheit; dieſe Dreiheit ift Alles. *) Die: Darftellung ift bald trüber, bald lichte. Das Weitere ift dann die Explikation der Dreieinigkeit; und die Formen, die er ges braucht, den Unterſchied, der in ihr vortonmt, zu bezeichnen,

ſind verſchieden.

In der Aurora, der „Wurzel oder Mutter der Philoſohie, Aſtrologie und Theologie,” giebt er Eintheilung, flellt diefe Wiſ⸗ fenfchaften neben einander. „1) Durd die Philofophie wird ges handelt von der göttlichen Kraft, was Gott ſey, und wie im Weſen Gottes die Natur, Sternen und Elementa befchaffen find, und woher alle Ding feinen Urfprung hat, wie Himmel und Erde befchaffen find, aud Engel, Dienfhen und Zeufel, darzu Simmel und Höhle, und Ylles, was Treatürlich ift, auch was die beiden Qualitäten in der Natur, aus rechten Grunde in Erfenntniß des Geifles, im Zrieb und Wallen Gottes.“ **)

„2) Durch die Aftrologie wird gehandelt von den Kräften der Ratur, der Sternen und Elementen, wie daraus alle Krea⸗ turen find herkommen, wie Böfes und Gutes durch fle gewirket wird in Dienfchen und” in „Thieren;“ HM) Teine klare Beflimmung, fondern mehr ein Mebergang.

„3) Durd die Theologie wird gehandelt von dem Reiche

*) Von Christi Testament der heiligen Taufe, Buch II,

Kap. 1, $. 4— 5, $. 2653 2654. a KR) Morgenrötbe im Aufgang, Vorrede $. 84,. S. 18.

“RR, Ebendaſelbſt, H. 85.

Seid. d. phil. “· 20

306 Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

Eprifli, wie daffelbe ſey beſchaffen, wie es der Höllen Reid) ſey entgegenigefegt, auch wie es in der Natur mit der Höllen Reich tämpfet.” *) N

Ein Hauptgedante Böhme's if, dag das Univerfum Ein göttliches Leben und Offenbaren Gottes in allen Dingen iſt; näher, daf aus dem Einen Wefen Gottes, dem Inbegriff aller Kräfte und Qualitäten, der Sohn ewig geboren wird, der im jenen Kräften leuchtet: die innere Einheit dieſes Lichts mit der Subflanz der Kräfte ift der Geift,

4. Das Erfte ift Gott der Vater; dieß Erſte iſt zus gleich unterſchieden in ſich, und if die Einheit dieſer Beiden, - „Gott ift Alles,“ fagt er, „er ift Finſterniß und Licht, Liebe und Zorn, Feuer und Licht; aber er nennet ſich alleine einen Gott nach dem Lichte feiner! Liebe. Es ift ein ewiges Con- trarium zwiſchen Finfternif und Licht: Keines ergreifet das An⸗ der, und ift Keines das Ander, und ift dod nur ein einiges Wefen, aber mit der Dual untetſchieden“ (Dual if Quelle, Qualität; mit der Qual iſt das ausgedrüdt, was abfolute Ne— gativität ‚heißt, das ſich auf ſich beziehende Negative, die abſo— lute Affirmation darum), „auch mit dem Willen, und ift doch kein abtrennlih Wefen. Nur Ein Principium ſcheidet das, daß Ei— nes im Andern als ein Richts ifl, und iſt doch: aber nach def= fen Eigenſchaft, darinnen es if, nicht offenbar.“ **) m die⸗ fen Punkt dreht fih nun das ganze Bemühen Böhme’s und die Einheit der abfolut Verſchiedenen. Das Princip des Begriffs iſt in Böhm durchaus lebendig,, nur fann er es nicht in der Form des Gedankens ausfprehen. Jenes Einige, fagt er, if aber unterſchirden durch die Qual; d. h. Qual ift eben die felbft= bewußte, gefühlte Negativität. Es kommt Alles darauf an, das Negative als einfach zu denken, da es zugleich ein Entgegenge-

*) Meorgenröthe im Aufgang, Vorrede $. 88, ©. 18. =) Mon wahrer Gelaffenheit, Rap. 2, $. 9 10, ©. 1673.

Erſter Abſchnitt. Philoſophie des Boͤbine. 307

feßtes if. So die Qual ifl diefe innere Zerriſſenheit; aber ſie

iſt das Einfache. Dave leitet er ab Quellen, ein gutes Wortſpiel; die Qual, dieſe Negativität geht fort in Lebendig- keit, Thätigkeit: und fo feßt er es au mit Qualität, woraus ee Qualität macht, zufammen. % Die abfolyte Jdentität der Unterfchiede iſt durchaus bei ihm vorhanden.

a. So ſtellt nun Böhme Bott nicht als die leere Einheit vor, fondern als diefe ſich felbft theilende Einheit des Entgegen geſetzten. Gott der Vater iſt alfo das Erfle. Uber eine ganz befiimmte Unterfheidung muß man da nit erwarten. Das Erſte, Eine hat zugleich eine fehr natürlide Weiſe, die Weiſe des natürlichen Seyns. So fpriht er von der einfachen Eſſenz; Gott ift einfache Efienz, wie bei Proklus. Diefe einfache Efienz nennt er das Verborgene: befiimmt es darum aud als das Temperamentum, bdiefelbe Einheit Verſchiedener, Alles ift darin temperirt. 4*) Wir ſehen es ihn auch den großen Sa⸗ litteer bald den göttlihen, bald den GSalitter der Natur —, auch Salniter nennen. ***) Menn er, als von etwas Bes kanntemn, von diefem großen Salitter ſchwatzt, fo weiß man nicht

fogleid, was dieß ſeyn fol. Uber es ift eine ſchuſtermäßige

Radebrehung des Worts sal nitri, Salpeter Salniter noch im Oeſtreichiſchen —, d. h. alfo eben noch das neutrale und in Wahrheit allgemeine Weſen. Das ift der gestlihe Pomp: In Gott ift eine herrlidere Natur, Bäume, Gewächſe u. f. f. „In der göttlichen Pomp find fürnemlih zwei Dinge zu betrachten: Der Salitter, oder die göttlichen Kräfte, er gebäret ſich alle

#*) Von den drei Principien göttlichen Mosens, Kap. 10,

6. 42, S. 470. ##) Von der Gnadenwahl, Kap. 1, $. 3— 10, S. 2408 2410; Kap. 2, $. 9, S. 2418; $. 19— %, S. 240; Schlüssel der vornehm- sten Puncten und VÜörter, $. 2, S. 3668; $. 145 146, S. 3696

3697.

WR) Morgenröthe, Kap. 4, .9—11, 5.499 —50; Kap. 11, $. 47, $. 16 127, u. s. f. | 20 *

308 " Sritter Theil, Neuere Philofophie.

Frucht; und der Markurius oder Shall,“ *) die Qualität, Site, Ton, "Diefer große Salitter iſt nun das’ verborgene, nicht

geoffenbarte Weſen, wie die neuplatoniſche Einheit ohne * von ihr ſelbſt, ebenfo verborgen, unerkannt,

"PB. Dieſe Subſtanz iſt nun Gott der Water, dieſe erſte Einheit; fie enthält alle Kräfte, Qualitäten als mod) nicht geſchieden. Dieſer Salitter erfipeint dann auch als der'Leib Gottes, der alle Qualitäten, Kräfte in ſich faßt. „So man das ganze Curriculum oder den gatizen Umcirt der Sternen Betracheet, fo findet fich’8 bald, "dag daſſelbe feh die Mutter aller Dinge oder die Natur, daraus alle Dinge worden find, und darinnen alle Dinge fliehen und leben, und dadurch ſich "Alles beweget; und ale Dinge find aus denfelben Kräften gemacht und bleiben darinne ewiglich.“ **) So ſagt man, Gott iſt die Realität aller Realitäten. Er fagt: „Du müßt aber Deinen Sinn allpie im Geift erheben und betrachten, wie die ganze Nas fir mit allen Kräften, die in der Natur find, darzu die Meite, Tiefe, Höhe, Himmel, Erde und Alles," was’ darinnen ff, und über dem Himmel, feh der Leib Gottes; md die Kräfte der Sternen find die Quelladern in dem natürlichen Leibe Got— tes in diefer Welt.“ ***)

„Nicht must Du denken, daf in dem Corpus der Ster- nen ſey die ganze®riumphirende heilige Dreifaltigkeit, Gott Va— ter, Sohn und heiliger Geift. Uber dieß ift nicht alfo zu ver- fiehen, daß Er gar nicht ſey in dem ‚Corpus der Sternen und in diefer Welt.” 7) Diefes Ganze iſt die allgemeine Kraft überhaupt; fle exiſtirt als Eine Einheit als Gott Vater, krea⸗ tũrlich exiſtirt fle als Totalität der Sterne. Es iſt der ganze Gott, der fih in fo viel Wefen Ereatürlich gemacht hat; im

%) Morgenröthe, Kap. 4, $.12— 4, 8.50 51. =) Ebendaſelbſt, Kap. 2, $. 15, ©. 30, - wer) Ehendafelbft, $. 16, ©. 30 31. ) Ebendaſelbſt, $. 17 18, ©. 31.

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Erſter Abſchnitt. Philoſophie des Böhme, HR

Vater, als dem Refervoir, find die Kräfte in Einem. „Allhier ift nun die Frage, woher denn der Himmel foldhe Kraft hat oder nimmt, daß er foldhe Beweglichkeit in der Natur madet? - Hie mußtu nun fehen über und aufer die Natur in die Licht- hei⸗ | ige, triumphirende, göttliche Kraft, in die unveränderliche, hei⸗ lige Dreifaltigkeit, die ift ein triumphirend, quallend, beweglich Weſen; und find alle Kräfte darinnen, wie in der Natur, davon Himmel, Erden, Sternen, Elementa, Teufel, Engel, Menſchen, Thier und Alles. worden ift, und darinnen Alles fies bet. So man. nennet Himmel und Erden, Sternen und Elemente, und Alles, was darinnen ift, und Alles, was über alien Himmel iſt: fo nennet man hiemit den ganzen Gott, der ſich in diefen oberzehlten,“ unzählbaren „Wefen in feiner Kraft, die von ihm ausgehet, alfo treatürlih gemacht hat.“ *, „Die bittere Qualität iſt auch in Gott, aber nicht auf Art und Weiſe, wie im Menſchen die Galle, ſondern iſt eine ewig⸗ währende Kraft, ein erheblicher, triumphirender Freuden⸗ Dual.” **) J— | „Bon Gott, dem Vater. Wenn man nun betrachtet die ganze Natur und ihre Eigenfchaft, fo fihet man den Bater; - wenn man anſchauet den Himmel und die Sternen, fo fihet man feine ewige Kraft und Weisheit. Alſo viel Sternen unter dem Himmel ſtehen unzählih —: alfo viel- und man⸗ herlei ift -Sottes des Vaters Kraft und Weisheit. Es hat je= der Stern feine eigene Qualität. Nicht mufts denten, daß jede Kraft, die im Vater ift, an einem befondern Theil und Drt in dem Bater fiche, wie die Sternen am Himmel. Nein! Sondern der Geift zeigt, daß alle Kräfte in dem Water in ein⸗ ander find, wie Eine Kraft.” Er fagt: „Nicht muflu‘ aber „denken, dag Gott im Himmel und über dem Himmel etwan

x) Morgenröthe, Kay. 2, 8. 31-33, S. 3— A. #) Ehndafelbf, 5. 8 40, ©, 4 35,

316 Driter Teil: Meere Pbilofophie,

ſtehe und walle, wie eine Kraft und Qualität, welche keine Vers nunft und Wiſſenſchaft in ſich habe, wie” 5. B. „die Sonne, die in ihrem Eirkel herumläuft und ſchüttet von ſich die Wärme und, das Licht, es bringe gleich der Erde oder den Kreaturen Schaden oder Frommen. Nein! So if” Gott, „der Vater nicht; fondern” er „it ein allmächtiger, allweifer, allwiſſender, allfehender, allhörender, allriechender, allſchmeckender Gott, der da iſt in ſich fanftig, Freundlich, Tieblih, barmherzig und freu denteich, ja die Freude ſelbſt.“ ) Es. ift alfo Trennung in verſchiedene Qualitäten, Dieſe Qualitäten will er nun beſtim⸗ men; das iſt trübe Darflellung.

"e Ein Hauptbegriff it die Qualität. Böhme fängt in der Aurora, „Morgenröthe im Aufgang,“ von den Qualitäten an. Die erfle Befimmung Böhmes, die der Qualität, iſt In— qualiren, Qual, Duelle. In der Aurora fägt er: „Qualität iſt die Beweglichteit, Quallen“ (Duellen) „oder Treiben eines Dinges“ was er nachher aud) mit der Dual zufammen- bringt #*) ; „als da iſt die Site, die brennet, verzehret und treibet Alles, das in fle kommt, das nicht ihrer Eigenfchaft iſt. Hinwiederum erleuchtet und märrpet fie Alles, was da ift kalt, naf und finfter, und machet das Weihe hart. Sie hat aber noch zwei Species in fl: als nemlid das Licht und die Grimmigteit. Das Liht, das Herze der Hige, ift ein lieb⸗ lich, freudenreicher Anblid, eine Kraft des Lebens, ein Stück oder Quell der himmlifhen Freudenreih; denn es madet in diefer Welt Alles lebendig und beweglich: alles Fleiſch, ſowohl Bäume, Laub und Gras wächſet in diefer Welt in Kraft des Lichts, und hat fein Leben darinnen, als in dem Guten. Hin— wiederum hat fle die Grimmigkeit“ (Negativität), „daß fie bren⸗ net, verzehret und verderbet; diefelbe Grimmigkeit quellet, treis

*) Morgenröthe, Rap. 3, $. 2, 8-41, ©. 36— 38. (Rixner: Handbuch d. Gesch. d, Phil. B. II, Anhang, S. 106, $. 6.) ##) S. Oben, S. 306— 307.

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Erſter Abſchnitt. Philofophie des Böhme, 311

bet und erhebet. ſich in dem Lichte und machet das Licht beweg⸗ li: ringet und kämpfet miteinander in feinem zweifachen Quell. Das Licht befichet in Gott ohne Hitze, aber in der Natur beſte⸗ het es nicht; denn in der Natur ſind alle Qualitäten in einan⸗ der, nach Art und Weiſe, wie Gott Alles iſt. Gott“ (der Bar

ter) „iR das Herz” das andere Dial ifl der Sohn das Herz - Gottes; *) auch wieder der Geift heißt das Herz **8) „oder Duellbrunn der Natur; aus ihm rühret her Alles. Nun herr⸗

ſchet die Hige in allen Kräften der Natur, und erwärmet Alles, und if ein Quell in Allen. Das Licht aber in der Hige giebt allen Qualitäten die Kraft, daß Alles lieblich und wonnereich iſt.“ er)

Der Qualitäten zählt er eine Reihe auf: die kalte, higige, bittere, füße, grimmige, berbe, harte, derbe, "weiche Qualität,

Shall u. f. w. 7) ‚Aus diefen Qualitäten find alle Kreaturen

gemacht und kommen daher, und leben darinnen als in ihrer

Mutter.” +4) „Die Kräfte der Sternen find die Natur. Alles zührt in diefer Welt von den Sternen ber. Das will ich

Dir beweifen, fo Du aber nicht ein Klog bift, und ein wenig Bernunft haft.“ FF)

Er nennt den Vater auch alle Kräfte alle Kräfte find . in ihm „in einander, wie Eine Kraft” —: ') und unterſcheidet |

diefe wieder als die ficben erſten QDuellgeifter. ?) Aber

es iR da Verwirrung, kein beſtimmter Unterſchied, weshalb es

gerade ſieben ſind, keine Gedankenbeſtimmung; dergleichen Feſtes findet man nicht bei ihm. Dieſo fieben Qualitäten find auch

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*) Vom dreifachen Leben des Menschen, Kap.4, $. 08, © 8.88,

*x*) Morgenröthe, Kap. 2, $. 13, ©. 29. RR) Chendafelbft, Kap. 1, F. 3— 7,9, ©. 3 2. ) Ebendaselbst $. 10 - 24, S. 4A 27. tr) Ebendafelbft, Kay. 2, 8.1, ©. 8. TrH Ebendaſelbſt, F. 14, ©. 305 $. 8, ©. 29. ) Ebendaselbst, Kap. 4, $.5—6, S. 48. 2) Ebendaselbst, Kap. 8, $.15, 5.78— Kap. 4 $. 46, S. 106:

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312 Dritter Theil. "Neuere Philoſophie.

die ſteben Planeten, die im großen Salitter Gottes arbeiten; die fieben Planeten bedeuten die fieben Geifter Gottes oder die Fürften der Engel“ *)ı Aber fie find Eine Einheit; und diefe Einheit ift ein Quellen und Gähren in fih. „In Gott trium— phiren alle Geifter, wie Ein Geift, und ein Geift fünftiget und Hiebet immer) den anderen; und ift nichts, denn eitel Freude und Wonne.“**) In Gott find die Unterfehiede vereint. „Es ſteht nicht Ein Geiſt neben dem anderen, wie Sterne am Himmel; ſondern alle ſieben find ineinander, wie Ein Geift.“ ***) „Je—⸗ der Geiſt in den ſieben Geiſtern Gottes ift aller ſieben Geifter ‚Gottes ſchwanger; alle find ineinander, wie Ein Geiſt,“ je— der ift fo in Gott felbft Totalität. „Einer gebäret den anderen im und durch ſich elber;“ F) dieſes ift das Aufbligen des Lebens ‚aller Qualitäten. FF) Er ſuchte nun, da Gott Alles if, das

* Böfe im Guten, den Teufel in Gott zu faffen; und diefer Kampf iſt der ganze Charakter feiner Schriften, und die Qual feines Geiſtes. 8*

2. Wie das Erſte das Quellen und Keimen: aller Kräfte amd Qualitäten war, fo iſt das Aufgehen das Zweite. Ein Hauptbegriff, welcher bei ihm unter ſehr vielen Geſtaltungen und Formen erfheint, ift das zweite Princip, das Wort, der Separator, die Dual, die Offenbarung, überhaupt die Ich— heit, der Duell aller Scheidung, des Willens und Inſichſeyns, das in den Kräften der natürlichen Dinge ift, und indem das Licht darin aufgeht, zur Ruhe zurüdgeführt wird.

a. Gott als das einfahe abfolute Weſen ift nicht Gott ab⸗ font; in ihm ift nichts zu erkennen. Was wir ertennen, iſt etwas Anderes; eben dieß Andere ift in Gott felbft enthal=

%) Morgenröthe, Kap. 3, $. 18, S. 40. ==) Chendafelbft, Rap. 40, $. 54, ©. 115. w#) Ebendaselbst, $. 40, F. 112. ) Ebendaselbst, $. 39. +1) -Ebendaselbst, Kap. 14, $.7—12, 8. 149 190.

Erſter Abſchnitt. Phlofophie des Vöhme, 313

ten, als Gottes Anfchauen und Erkennen. Von dem weiten fagt ex, eine Separation habe geſchehen müffen in diefem Tem- perament. Böhme fagt eben fo: Denn „tein Ding Tann ohne Widerwärtigkeit ihme offenbar werden; denn fo es nichts bat, das ihme widerftehet, fo gehet’s immerdar für ſich aus, und gehet nicht wieder in fih ein. So es aber nicht wieder in ſich eingehet, als in das, daraus es iſt urfprünglich gegangen, fo weiß es nichts von feinem Urfland.“ Urftand gebraucht er für Subflanz; und es ift Schade, daß wir diefen und fo manden anderen treffenden Ausdrud nicht gebrauchen: dürfen. „Ohne die Miderwärtigkeit hätte das Leben keine Empfindlichkeit, noch Wollen, Wirken, weder Verſtand noch Wiſſenſchaft. Hätte der verborgene Gott, welder ein Einig Weſen und Wille ifl, nicht mit feinem Willen aus fid, aus der ewigen Wiſſenſchaft im Temperamento ſich in Schiedlichkeit des Willens aus⸗ geführet, und dieſelbe Schiedlichkeit in eine Infaßlichkeit“ (Identität) „zu einem natürlichen und kreatürlichen Leben ein⸗ geführet, und daß dieſelbe Schiedlichkeit im Leben ‚nicht im Streit flünde: wie wollte ihme der Wille Gottes, der nur Einer ift, offenbar feyn? Wie mag in einem Einigen Willen eine Ertenntniß feiner ſelbſt ſeyn?“ *) Wir fehen, Böhme ift uns endlih erhaben über das leere Abftraktum des höchſten We⸗ fens u. f. f.

b. Er fagt: „Der Anfang aller Wefen ift das Wort, als das Aushauchen Gottes, und Gott iſt das ewige Ein von Ewig- Feit gewefen und bleibe’ auch in Ewigkeit. Das Wort iſt der ewige Anfang und bleibet's“ auch „ewig; denn es ift die Of- fenbarung des ewigen Einen, damit und dadurd die göttlidhe Kraft in Eine Wiffenfchaft des Etwas gebracht wird. Mit dem Morte verfichen wir den offenbaren Willen Gottes; mit dem Wort Eott” aber „den verborgenen Gott, daraus das Wort

*) Don göttlicher Befchaulichkeit, Kap. 1, S. 8 10, S. 1739,

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314 Dritter Theile Meere Philoſophit.

ewig entfpringet., Das Wort” (dee Sohn) „ift ‚der Ausfluf des göttlihen Ein, und doch“ ift es „Gott felber als feine Offenbarung.“ Aöyog ift beftimmter als Wort. Es iſt ſchöne Zweideutigkeit des griechiſchen Worts, Vernunft und zugleich Sprade. Denn Sprache ift die reine Eriftenz des Geiftes; es iſt ein Ding, vernommen im ſich zurüdgekehrt.) „Das Ausge- oſſene if Weisheit aller Kräfte, Farben, Tugend und Ei— genſchaften Anfang und Utſach.“ *) x Das Weltall ift nichts Anderes, als eben die kreatürlich gemachte Weſenheit Gottes. **) „Wenn Du“ daher „anfichft die Tiefe” des Himmels, „die Sterne, die Elemente, die Erde“ und ihre Erzeugungen: „fo begreifft Du mit Deinen Augen“ freilich „wicht die heile und klare Gottheit, ob fie wohl“ aud) „darinnen iſtz“ Du fichft nur ihre treatürliche Darftellung. „So Du aber Deine Gedanken erhebeft, und denkeſt . . an den Gott, welcher in Heiligkeit in diefem All regieret: fo brichſtu durch den Himmel aller Himmel, und ergreifeft Gott bei feinem heiligen Herzen.“ #**) „Der Himmel Kräfte arbeiten flets im Bildnifen, Gewächſen und Farben, zu offenbaren dem heili— gen Gott, auf daß er erkannt werde in allen Dingen.” F) ©. Das ift dee Sohn. Er fagt: „Der Sohn iſt“ vom . Vater und „im Vater, des Vaters Herz oder Lit; und der Vater gebäret ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar.” Dem nad „if der Sohn“ zwar „eine andere Perfon als der Vater, ‚ober tein anderer,“ fondern derfelbe „Gott als der Vater,“

®) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 4, $. 1-3, 8. 1755 1756.

##) Rixner: Handbuch d. Gesch. d. Philos. B. II, Anhang, 5. 108, $. 5 (nach Böhme’s Morgenröthe, Kap. 2, $. 16, 5. 30 —31: 8. 33, 8. 34).

###) Morgenröthe, Kap. 23, $. 11—12, S. 307 308 (Rixner: Handb. d. Gesch. d. Philos. B. II, Anhang, S. 108, $. 5). ) Theoſophiſche Sendbriefe I, $. 5, ©. 3710.

Erſter Abſchnitt. Philefophie des Böhme. . 315

defien Abglanz er if.) „Der Sohn iſt das Herz,” das Puls firende, „im Vater. Alle Kräfte, die im Vater find, find des Vaters. Eigenthbum. Der Sohn ift das‘ Herz oder der Kern in allen Kräften; er ift aber die-Mrfache der quellenden Freuden in allen. Kräften in dem ganzen Vater.” (Das Erfte ifl der Salitter, das Neutrale.) „Es fleiget von ihm auf die ewige bimmlifhe Freude und quillet in allen Kräften des Vaters,” %*) „wie die Sonne das Herz der Sternen ifl. Sie bedeutet recht den Sohn; fie erleuchtet den Himmel, die Sternen, und die Tiefe über der Erden, und wirket in allen Dingen, was in diefer Welt if. (Der Sternen Zirk bedeltten des Waters mancherlei Kräfte) Sie giebt allen Sternen Licht und Kraft, und temperict ihre Kraft. (Unter den fieben Geiftern ift Lutis fer einer gewefen.) Der Sohn Gottes wird von allen Kräften feines Vaters von Ewigkeit, wie die Sonne aus den Sternen geboren ift, immer geboren und nicht gemacht, und iſt das Herz und Glanz aus allen Kräften. Er leuchtet in allen Kräften des Vaters, und feine Kraft iſt die bewegliche, quällende Freude in allen Kräften des Vaters; und er leuchtet in dem ganzen Va⸗ ter, wie die Sonne in der ganzen Welt. Denn ſo der Sohn nicht in dem Vater leuchtete, ſo wäre der Vater ein finſter Thal; denn des Vaters Kraft ſtiege nicht auf von Ewigkeit zu Ewigkeit, und könnte das göttliche Weſen nicht beſtehen.“ **8*8) Dieſe Lebendigkeit des Sohns iſt Hauptpunkt. Ueber dieſes Aufgehen und Manifeſtiren hat er denn auch äußerſt wichtige Beſtimmungen beigebracht.

| d. „Aus folder Offenbarung der Kräfte, darinnen fi) der Mille des ewigen Ein befchauet, fließt der Verſtand und bie Wiſſenſchaft des Ichts, da ſich der ewige Wille im Ichts

#*) Morgenröthe, Kap. 3, $. 3-35, S. 44 (Rixner: Hand- buch d. Gesch. d. Philos. B. II, Anhang, S. 106, $. 7). ##) Morgenröthe, Kap. 3, $. 15, S. 39. RM) Ebendaselbst, $. 18 22, S. 40— 41.

316 Dritter Theil, Neuere Philofophie.

ſchauet“ ( Wortſpiel von’ Nichts, denn. es iſt eben das Negative; aber zugleich Gegentheil von Nichts, und das Ich des Selbft- bewußtſeyns liegt darin). Der Sohn," das Etwas, ift fo Ich, Bewußtfeyn, Selbftbewußtfeyn; das abſtrakte Neutrale ift Gott, das Sichſammeln zum Punkt des Fůrſichſeyns iſt Gott. Das Andere iſt nun das Cbenbild Gottes. „Dieß Ebenbildniß iſt das“ große Myſterium, „Mysterium magnun, als der Schöp⸗ fer aller Weſen und Kreaturen; denn es iſt der Separator“ - (des. Ganzen) „in dem Ausflug des Willens, welcher den Wil- len des ewigen Ein ſchiedlich machet, "die Sciedlichteit im Willen, daraus Kräfte und Eigenſchaften urfländen.“ *) Dieſer Separator ift „zum Amtmann der Natur geordnet, mit wel dem der ewige Wille alle Dinge regiret, madet, formet und bildet.“ **) Der Separator)ift das Bethätigende, fich Unterſchei⸗ dende; und er nennt ihn dieß Ichts num auch den Lu— eifer, den erfigebornen Sohn’ Gottes, den kreatürlich erft> gebornen Engel. ***)) Aber diefer Lucifer iſt abgefallen, en Chriſtus an feine Stelle getommen. FF) 1

Das: ift der Zufammenhang des Teufels mit Gott; das

iſt Andersſeyn, und dann Fürfihfegn, Für- Eines-Seyn, daß das Andere für Eines feh. Und dieß iſt der Urfprung des Bö— fen in Gott und aus Gott. So iſt dieß die höchſte Tiefe der Gedanten des Jakob Böhme. Diefer Lucifer ift abgefallen. Denn das Ichts das Sichfelbftwiffen, Ichheit Cein Wort, das bei ihm vortommt) ift das Sichinſichhineinbilden, das

*) Don göttliher Befchaulichkeit, Kap. 1, 5. 4—5, ©. 1756. *#) Ebendaſelbſt, $. 12, S. 1758.

###) Morgenröthe, Kap.12, $.104— 107, 8.149— 450; Kap.13, 5.92— 104, S.166— 168; Yon den drei Principien göttlichen We- sens, Kap. 4, $. 69, . 406.

+) Morgenröthe, Kap. 12, 8.100, 8.149; Kap.13, 8.31 51, 8.157— 160; Von den drei Principien göttlichen PVesens, Kap.15, 8.5, 5.513 544.

+7) Morgenröthe, Kap. 12, $.99, 8.149; Kap. 13, 5.52, 5.1605 Kap. 44, $. 36, S. 178.

Erſter Abfchnitt. Philoſophie des Böhme. 317

Sichinfichhineinimaginiren das Fürfichſeyn, das Feuer, das Al⸗ les in ſich hineinzehrt. Dieß iſt das Negative im Separator, die Qual, oder es iſt der Zorn Gottes; dieſer Zorn Gottes iſt | die Hölle und der Teufel, der durch ſich felbft ſich in ſich hinein imaginirt. Das ift fehr kühn und fpekulativ; fo fucht Böhme aus Gott felbft: den Zorn Gottes. zu faffen. Der Wille, das Ichts iſt auch die Selbheit; es iſt das Uebergehen des Ichts (Ichheit) in Nichts, daß das Ich ſich in. fich hinein imaginirt.*) Er ſagt: „Himmel und Hölle find fo fern von einander, wie Tag und Naht, wie Ichts und Nichts.” **) In der That ift hier Böhme in die ganze Tiefe des göttlichen Wefens hinein⸗ gefliegen; das Böfe, die Materie, oder wie es genannt worden ift, ift das Ih Ih, das für ſich Seyn, dief ift die wahr hafte Negativität. zyrüher war es das nonens, das felbft poſi⸗ tiv ift, Finſterniß; die wahre Negativität ift Ih. Es iſt nicht etwas Schlechtes, weil es das Böfe genannt wird; im Geift allein ift das Böſe, wie es an fi if, begriffen. Böhme nennt es denn auch die Selbheit. So fagt er z. B.: „Wo Gots tes Wille in einem Dinge will, da ift Gott offenbar; in ſolcher Offenbarung wohnen auch die Engel. Und wo Gott in einem Dinge nicht mit des Dinges Willen will, ſo iſt Gott alda ihm“ (ſelbſt) „nicht offenbar: ſondern“ (er) „wohnet“ (da). „nur in ſich ſelber, ohne Mitwirkung deſſelben Dings;“ alsdann „ift in dem Dinge eigener Wille, und wohnet der Teufel, und Al⸗ les, was außer Gott iſt.“ *4*) 0

e. Die nähere Form diefes Aufgehens trägt er nad) feiner

#) Morgenröthe, Kap. 13, 8. 53 64, ñS. 160 162; Vierzig Fragen von der Seele, XII, $. 4, S. 1201; Von sechs theosophi- schen Puncten, V, 7, $. 3, S. 1537; Von wahrer Gelassenheit, Kap. 1, S. 1—7, S. 1661 1663; Yon göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 1, $. 23—26, S. 1142 1743; Von der Geburt und Bezeich- nung aller Wesen, Kap. 16, $. 49, S. 2391.

*#) Vom übersinnlichen Leben, $. 42, S. 16%. RW) Ebendaselbst, $. 41, S. 1696.

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. 318 Dritter Theil. Neuere Philofophie;

Weife bildlich vor: Diefer- „Separator“ nun „führet Eigen- ſchaften aus fi ‚aus, davon die unendliche Vielheit entfichet, und dadurch ſich das ewige Ein empfindlich machet“ (fo daf cs für Andere ſey), „nicht nach der Einheit, fondern nad) dem Aus— fluf der Einheit.“ Eben Infihfeyn und Vielheit find, abfolut entgegengefegt durch dem Begriff, den Böhme nicht hat: Fürfich- feyn, Fürsein-Underes-Seyn, und Rüdnahme, als die au— dere Seite. Er geht hin und her in ſcheinbaren Widerſprüchen, "weiß fi nicht recht zw helfen. „Allein der Ausflug führet ſich fo weit bis in die größeſte Schärfe, bis in die feurende Art“ das dunkle Feuer ohne Licht, die Finſterniß, das Verſchloſ⸗ fene, die Seibpeit —:*) „in welder feurenden Art“ aber, in⸗ denm dieſes Feuer fid erhebt und zufpist, „das ewige Ein mar jeſtãtiſch und. ein Licht wird.” Da bricht das Licht aus; und dieſes Licht iſt die Form, in die ‚das. andere Princip ausgeht, Das ift Rüdkehr zum Einen. „Dadurch“ (durch Feuer) „wird „die ewige. Kraft begierlic und wirkend, und“ (das Feuer) „ift der Urſtand“ (Eſſenz) „des empfindlichen“ (empfindenden) „Les bens, da in dem Wort der Kräfte ein ewig, empfindlich Leben urfländet. Denn fo das Leben Feine Empfindlichkeit hätte, fo hätte es fein Wollen noch Wirken; aber das Peinen” Ang, Dual „machet es“ (alles Leben) erſt „wirkend und wollend. Und das Licht ſolcher Anzündung durch's Feuer machet es freudenreich; denn es iſt eine Salbung der Peinlichkeit.“ **) Die wirft er in viele Formen herum, um das Ichts zu faſſen, den Separator, wie er aus dem Bater ſich „empörc.” ***) Die Qualitäten fleigen im großen Salitter auf, bewegen, erhe— ben, „rügen” fi. Er hat da im Vater die Qualität der Her=

#*) Von der Menschwerdung Jesu Christi, Th. I, Kap. 5, 5.14, 5.1323; Von den drei Prineipien göttlichen Wasens, -Kap. 40, $. 43, 8. 470. *#) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 3, $. 14, S. 1757. we) S. Unten, S. 323,

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Erfter Abſchnitt. Philofophie des Böhme. 319 bigkeit; und ftellt dann das Hervorgehen des Ichts vor als ein Scharfwerden, Zufammenziehen, als einen Blitz. Dieß Licht ift der Lucifer. Das Fürſichſeyn, Sichvernehmen nennt Böhm Zufammenziehen in Einen Punkt. Das if: Herbigkeit, Schärfe, Durddringung, Grimmigkeit; dahin gehört der Zorn Gottes. Darin liegt das Böſe; bier faßt er das Andere Gottes in Gott felbfl. „Dieſer Quell kann angezündet werden durch die große Rügung und Erhebung. Durch die Zuſam⸗ menziehung wird geformt das Treatürlide Wefen, daß ein himm- lifhes Corpus” faßlich „gebildet wird. So fie” tie Hers bigteit „aber durch Erhebung angezündet wird (welches al- lein die Kreaturen, die aus dem Salitter gefhaffen find, thun tönnen): fo ift es eine brennende Quellader des Zorns Gots tes.“ *) Es ift hier der Blig, der hervorbricht. „Der Blig iſt des Lichtes Mutter, denn der Blig gebäret das Licht von ſich: und ift der Grimmigkeit Vater; denn die Grimmigkeit bleibet im Blige als ein Saame im Vater. Und derfelbe Blitz gebäret auch den Ton oder Shall; **5) Blig iſt überhaupt das abfolut Gebärende. Der Blig iſt noch mit Schmerz verbunden; das Licht ift das fih Verſtändigende. Die göttliche Gehurt ***) ift das Aufgehen des Bliges, des Lebens aller Qualitäten. ) Diefes ift Alles aus der Aurora.

f. In den Quaestionibus theosophicis gebraucht er dann beſonders auch für den Separator, für dieſen Gegenſatz, die Form von Ja und Nein. Er ſagt: „Der Leſer ſoll wiſſen, daß in Ja und Nein alle Dinge beſtehen, es ſey göttlich, teuf⸗ liſch, irdiſch, oder was genannt mag werden. Das Eine, als das Ja, iſt eitel Kraft und Leben: und iſt die Wahrheit Got⸗ tes, oder Gott ſelber. Dieſer wäre in ſich ſelber unerkenntlich,

#) Morgenröthe, Kap. 8, $. 15 20, S. 78— 79. %#) Ebendaselbst, Kap. 10, 8. 38, S. 112. ur) Ebendaſelbſt, Rap. 13 (8. 69 91, S. 162 166), 7) Ebendaselbst, Kap. 11, $. 5 —13, S. 119 120.

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320 Dritter Teil, Neuere Philofophie.

und wäre barinnen Leine Freude oder Erheblichteit noch Em- pfindlichkeit Leben „ohne das Nein. Das Nein ift ein Gegenwurf des Ja oder der Wahrheit” (diefe Negativität ift das, Prineip alles, Wiffens, Verfieyens): „auf dag die Wahr- heit offenbar, und Etwas fey, dariunen ein Contrarium ſey, darinnen die ewige Liebe wirkende, empfindlich, wollende, und das zu lieben fey. Und können dod) nicht fagen, daf das Ja vom Nein abgefondert und zwei Ding neben einander find: ſon⸗ dern fie find nur Ein Ding, ſcheiden ſich aber felber in zwei Anfänge, und machen zwei Centra, da ein jedes in ſich felber wirket und will, Außer diefen beiden, welche doch in ſtetem Streite ſtehen, wären alle Dinge ein-Nichts, und fünden ſtill ohne Bewegnif. Wenn der ewige Wille nicht ſelber aus ſich ausflöſſe und führte ſich in Annehmlichkeit ein: fo wäre fein Geftältnif noch Unterfchiedlihkeit, fondern es wären alle Kräfte“ dann ‚nur Eine Kraft. So möchte aud Fein Verſtändniß feyn; denn die Verſtändniß urſtändet“ (hat ihre Subftanz) „in der unterſchiedlichteit der Vielheit, da eine Eigenfhaft die andere fihet, ‘probiret und will, Der ausgefloffene Wille will die Ungleichheit, auf daß er von der Gleichheit unterfchieden und fein eigen Etwas fey: auf daß etwas fey, das das ewige Schen fehe und empfinde. Und aus dem eigenen Willen entfichet das Rein; denn er führet fi in Eigenheit, als in Annehmlichkeit feiner felber. Er will Etwas feyn, und gleichet fih nicht mit der Einheit; denn die Einheit ift ein ausfliegend Ja, weldes ewig alfo im Hauchen feiner felber fiehet, und ift eine Unem= pfindlichteit: denn fie hat nichts, darinnen fie fih möge em=- pfinden, als nur in der Annehmlichkeit des abgewichenen Wil- lens, als in dem Nein, welches ein Gegenwurf ift des Ja, dar= innen das Ja offenbar wird, und darinnen es etwas hat, das es wollen kann.“ *)

*) 4177 ragen von görtlicher Offenbarung, IIT, F. 2—5, ©. 3591

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322 Dritter Theil. Meuere Philofophie.

3. Das Dritte endlich. find die Formen: der Dreifaltigkeit, die Einheit des Lichts, des Separator und der Kraft; dieß iſt nun der Geifl. Das Dritte, der Geift, liegt ſchon zum Theil im Vorhergehenden.ı „Alle, Sterne bedeuten die Kraftıdes Vaters, aus ihnen it die Sonne” (fie machen fi Gegenwurf der Einheit)., „Rum gehet ans ‚allen Sternen aus die“ Kraft, die im jedem Sterne iftz nun gehet der Sonne Kraft, Hige und Schein auch in die Tiefe, zu den Sternen zurück, in die Kraft.‘ „Im der Tiefe iſt aller Sternen Kraft mit der, Sonne Schein und Hige Ein Ding“ (das Lit \if die Salbung, Freude

Lieblichteit des Peinlichen); es iſt „eine bewegende Wallung,

gleich eines ‚Beiftes; Nun iſt in deriganzen Tiefe des Bas ters außer dem Sohne nichts, denn Die vielerlei und unermes⸗ küche Kraft des Vaters und das Licht des Sohnes; das if in der Tiefe des Vaters ein lebendiger, allkräftiger, allwiffender, allhörender, allfehender, allriechender, allſchmedender, allfühlen- der Geiſt/ in dem alle Kraft und Glanz und Weisheit if, wie im dem | Bater amd) Sohne.“ ) Das if die Liebe, das Bes fänftigen ‚aller Kräfte durch das Licht, den Sohn. Wir ſe— hen, daß das Sinnliche fo dazu gehört.

Er hat wefentlih bie Vorſtellung: „Gottes Wefen“ (aus der ewigen Tiefe als Welt herausgegangen) „ift alfo nicht et- was Fernes, das eine fonderlihe Stätte oder Drt befäße; denn“ das Weſen, „der Abgrund. der Natur und Kreatur iſt Gott felr ber.“**) „Du mußt nicht denten, daß. im Himmel etwan ein Corpus ſcy“ die fieben Quellgeifter gebären dieß Cor- pus, Herze ***) —, „den man für alles Andere Gott heiße.

„Rein, fondern die ganze göttliche Kraft, die felber Himmel und aller Himmel Himmel ift, wird alfo geboren, und heift Gott der Vater, aus dem alle Engel Gottes, auch ige Menfchengeift

%*) Mergenröthe, Kap. 8, $.29— 3, 5. 43. ##) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 3, $. 13, S. 1758. ###) Mörgenröche, Kap. 14, $. 4, S. 118.

Erfter Abſchnitt. Philoſorphie des Böhme, 33.

ewig geboren werden. Du kannſt Feinen Ort weder im Him⸗ mel noch in diefer Welt ernennen, da die göttliche Geburt nicht fey. Die Geburt der heiligen Dreifaltigkeit gefchicht auch in Deinem Herzen; es werden alle drei Merfonen in Deinem Her⸗ zen geboren, Gott Vater, Sohn,” und „Heiliger Geiſt. In der göttlichen Kraft, überall if der Quellbrunn göttlicher Geburt; da find ſchon alle fieben Quellgeiſter Bottes, als wenn Du einen räumliden, kreatürlichen Cirkel ſchlöſſeſt, und hätteſt die Gottheit darinnen.” *) In jedem Geifte find alle enthalten.

Diefe Dreiheit ift ihm das allgemeine Leben, das ganz alls gemeine Leben in Jedem, und jedem Einzelnen; cs ift die abs folute Subſtanz. Er fagt: „Alle Ding in diefer Welt ift nad dem Gleichniß diefer Dreiheit worden. Ihr blinden Juden, Türs ken und Heiden, thut die Augen des Gemüths auf; ih muß Euch an Eurem Leibe und an allen natürlichen Dingen. zeigen, an Menſchen, Thieren, Vögeln und Würmern, ſowohl an Holz, Steine, Kraut, Laub und Gras das Gleichniß der heiligen Dreis heit in Gott. Ihr faget, es fey ein einig Wefen in Gott, Gott babe keinen Sohn. Run thue die Augen auf, und fihe Did felber an; ein Meuſch ift nach dem Gleichniß und aus der Kraft Gottes in feiner Dreibeit gemacht. Schaue Deinen inwendigen Menſchen an, fo wirflu das hell und rein ſehen, fo Du nicht ein Narr und unvernünftig Thier bil. So merke: In Deinem Herzen, Adern und Hirne haſtu Deinen Geift; alle die Kraft, die fih in Deinem Herzen, Adern und Birne beweget, darinne Dein Leben ſtehet, bedeut Gott den Vater. Aus der Kraft em⸗ pöret (gebärer) ſich Dein Licht, daß Du in derfelben Kraft fir beft, verficheft und weift, was Du thun fol: denn daflelbe Licht fdimmert in Deinem ganzen Leibe, und beweget fh der ganze Leib in Kraft und Erkenntniß; das ift der Sohn, der in Dir geboren wird.” Dieß Licht, dieß Sehen, Verſtehen ift die

*) Morgenröthe, Kap. 10, $. 55, 60, 58, ©. 145, 116 21* 8

394 Dritter Tpeil. Neuere Philoſobhie.

zweite Beſtimmung; es ift das Verhältniß zw ſich felbft. „is Deinem Lichte gehet aus in diefelbe Kraft Vernunft, Verſtand, Kunft und Weisheit, den ganzen Leib zu regiren, und auch Al- les, was aufer dem Leibe if, zu unterſcheiden. Und dieſes Bei⸗ des iſt in Deinem Regiment des Gemũths ein Ding, dein Geift; und das bedeut Gott, den”heiligen Geift. Und der! Heiz lige Geift aus Gott herrſchet auch in dieſem Geiſte it Dir, biſt Dit ein Kind des Lichts und nicht der Finfternig.” *) Mun merke: In einem Holze, Steine und Kraut find drei Dinge, und kann nichts geboren werden oder wachen, fo unter den dreien follte in ‚einem Dinge’ nur eins auſſen bleiben. Erſtlich iſt die Kraft, daraus’ ein Leib wird, es ſey gleich Holz oder Stein oder Kraut: hernach ift im demfelben“ Ding „ein Saft, das ift das Herze eines Dings: zum Dritten iſt darinnen eine ‚quellende Kraft, Gerud oder Geſchmack, das iſt der Geift eines Dinges; davon es wächft und zunimmt; ſo nun unter den Dreien eins fehlt, fo kann kein Ding beſtehen.“ **)) Er —— alſo Alles als dieſe Dreieinigkeit.

Wenn er in's Einzelne kommt, ſieht man, daß er frübe wird, Aus der befonderen Expoſition ift nicht viel zu ſchöpfen. Zur Darftellung 3. B. gehört (als Probe feiner Manier, natür= liche Dinge zu begreifen) noch diefes, daß er, bei der weiteren Verfolgung des Seyns der Natur als eines Gegenwurfs der göttlihen Wiſſenſchaft, ***) das, was wir Dinge nennen, als Begriffe gebraucht. Z. B. das Kreatürliche hat „dreierlei Kräfte oder Spiritus in unterfhiedenen Centris, aber in einem Cor- pore. «) Der erfle und äußerliche Spiritus ift der grobe Schwefel, Salz und Mercurius, der if cin Weſen der vier Elemente” (Feuer, Waffer, Erde, Luft) „oder des Geſtirnes.

*) Morgenröthe, Kap. 3, $. 35— 38, ©. 4—45. **) Ehendafelbft, $. 47, ©. 46, ###) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap.4, $. 33, S. 1745; Kap. 2, $.29, 5.1754; Kap. 3, $. 15, 5. 1758.

%

Erſter Abſchnitt. Philoſophie des Böhme, 3235

Er bildet das ſichtbare Corpus nad) der Konftellation, der Sters nen oder Eigenfchaft der Planeten und jest entzündeten Ele⸗ mente, der größten Kraft des Spiritus ımundi.. Der Sepa- rator macht die Signatur oder Bezeichnung,” GSelbheit. Das Salz, der Salitter, ift ungefähr das Neutrale: Dierk (auch Mark) das Wirkende, die Unruhe gegen die Ernährung: der grobe Schwefel die negative Einheit. P) „Der ander Spiritus liegt im Oele des Schwefels, die fünfte Eſſenz, als eine Wur- zel. der vier Elemente. Das ift die Sänftigung und Freude des groben, peinlichen Schwefels und Salzgeiftes: die rechte Ur⸗ ſach des wachſenden Lebens, eine Freude der Natur, wie die Sonne in den Elementen iſt,“ *) das unmittelbare Lebens Princip. „In dem inwendigen Grunde jenes groben fleht man ein ſchön Klar Corpus, darinnen das eingebildete Licht der Ra⸗ tue vom göttlichen Ausfluß ſcheinet. **) Das Aufgenom⸗ mene ſignirt der äußere Separator mit der Bildung und Fotm der Pflanze, die diefe grobe Nahrung in ſich nimmt. **) ) „Das Dritte iſt die Tinktur, ein geiſtliches Feuer und Licht: der höchſte Grund, daraus die erſte Schiedlichkeit der Eis genfhaften im Weſen diefer Welt urfländet,“ Fiat ift das Wort eines jeden Dings, F) „und gehöret nach ihrer Selbſt⸗ sigenfhaft zur Ewigkeit. Ihr Urſtand ift die heilige Kraft Got⸗ tes.” TI) „Dee Ruh“ (Geruch) „ift die Empfindlichkeit diefer Tinktur.“ FL) „Die Elemente find nur ein Gehäuſe und Gegenwurf der inneren Kraft, eine Urfache” der Bewegniß

*) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 3, $. 18 24, 5.1759 1760. ##) Ebendaselbst, $. 27, S. 1761. WW) Ebendaselbst, $. 24, S. 1760 1761. 7) Von den drei Principien göttlichen VVesens, Kap.8,$.b, S. 433; Mysterium magnum, oder Erklärung des ersten Buchs Mosis, Kap. 19, $. 28, S. 2830 2831. tr) Yon göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 3, 6.272 —23, $. 1760. Trr) Ebendaselbst, $. 29, S. 1761.

3% Dritter Teil. Neuere Philofophie.

der Tinkiur.“) Die finntihen Dinge verlieren ganz die Kraft diefes ſinnlichen Wegriffs, aber nicht als ſolche: das Harte und Barbariſche der Böhme ſchen Darfiellung, aber zugleich diefe Einheit mit der Wirklichteit, Gegenwart des unendlichen Weſens. a

Wenn nun die Natur der anfängliche Ausfluß des Sepa- ratoris ift, {0 find aber im Gegenwurf göttlichen Wefens zweiers let Leben zu verflehen: außer jenem zeitlichen ein ewiges, dem das göttliche Verſtãändniß gegeben iſt; es ſteht im Grunde der ewigen geiftlihen Welt, iin Mysterio magno göttligen Gegen- wurfs (Ichheit), ein Gehäufe göttlichen Willens, dadurch er ſich offenbart, und zu Feiner Eigenpeit eigenen Willens offenbart wird. Der Menſch eben in diefem Centrum hat beide Leben an fih, er iſt aus Zeit und Ewigkeit: **) @) im „ewigen Verſtand des einigen guten Willens, der ein Temperament” Allgemeines „iſt; 8) der anfängliche Wille der Natur als der Infaflichteit der Centrorum, da fih ein’ jedes Centrum in der Schitdlichteit im cine Stätte zur Ichheit und Selbwol- lens als ein eigen Mysterium oder Gemüth einfchlicht. a) Je⸗ nes begehret nur einen Gegenwurf feiner Gleichheit: 8) dieſes der felberborne, natürlihe Wille in der Stätte der Selbheit der finftern Impreffion auch eine Gleichheit, als einen Ges genwurf durch feine eigene Infaßlichkeit; durch weldes Infaffen er nichts begehret, als nur feiner Kosporalität, als eines natürs lichen Grundes.“ **n) Die Ih, das Finftere, die Qual, das Feuer, der Zorn Gottes, das Inſichſeyn, Infihfaflen, Harte iſt cs nun, das in der Wiedergeburt aufgebrochen wird; das

®) Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 3, $. 27, S. A761. ##) Ebendaselbst, Kap. 1, $.8—31, 5. 1743— 1744; $. 23, 8.1742; Kap 2, $.1—3, 8.1147 1748; 154, 5. 1751 1752; $.28—29, 5. 1754. we) Ebendaselbst, Kap. 1, $. 3 —27, 5. 1743,

Erſter Abfchnitt. Pbilofophie des Böhme, 8327

Ich wird zerbröchen, die Peinlichkeit wird in die wahre Ruhe gebracht, wie das finflere Feuer in Licht ausbricht. *)

Dieß find nun die Hauptgedanten des Böhm. Böhmes tiefe Gedanken find: cc) das Erzeugtwerden des Lichts, Sohns Gottes aus den Qualitäten, lebendigfte Dialektit; A) die Diremtion feiner felbfl. Die Barbarei in der Ausführung if nicht zu verkennen, und fie gebraucht, um dem Gedanken, Worte zu geben, gewaltfam ſinnliche Vorſtellungen, wie Salitter, Tink⸗ tur, Eſſenz, Qual, Schrack u. f. f. Aber ebenſo wenig ifl zu verfennen die größte Tiefe, die ſich mit der Bereinigung der abfoluteften Begenfäge herumgeworfen bat; er faßt die Gegen füge auf das Härtefle, Rohſte: aber er läßt ſich dur ihre Sprödigkeit. nicht abhalten, die Einheit zu ſetzen. Diefe Tiefe, roh und barbariſch, ift ohne Begriff: eine Gegenwart, ein aus ſich felbft Sprechen, Alles in fi felbft haben und wiffen. Zu erwähnen if noch fein frommes Wefen, das Erbauliche, i der Weg der Seele in feinen Schriften. Dieß iſt im höchſten Grade tief und innig; und wenn man mit ſeinen Formen vertraut if, fo wird man diefe Ziefe und Innigkeit- finden. Uber es ift eine Form, mit der man fi nicht verfühnen kann, und die . keine beflimmte Borfielung über das Detail zuläßt. Man wird nicht verkennen, weldes tiefe Bedürfnif des Spekulativen in diefem Dienfchen gelegen hat. Ä

- #): Von göttlicher Beschaulichkeit, Kap. 1, $. 24, Ss. 1742;

8.32 —39, 8. 174 1746; Kap. 2, 64-13, S. 1748 1756; 8.22 3%, S. 1752 1754.

3238 Dritter Theil. Neuere -Philofophie-

Zweiter Abfchnitr. Periode des benkenden Derftanbeg,

Wir kommen eigentlich jegt erft zur Philofophie der neuen Welt, und fangen dieſe mit Cartefius an. Mit ihm treten wir eigentlid in eine ſelbſtſitändige Philofophie ein, welche weiß, dag fie ſelbſtſtändig aus der Vernunft tommt, und daf das Selbſt⸗ bewußtſeyn wefentliches Moment des Wahren iſt. Hier, können wir fagen, find wir zu Haufe, und tönnen, wie der Schiffer nad) langer Umherfahrt auf der ungeftümen See „Land“ rufen; Carteſtus ift einer von den Menſchen, die wieder mit Allem don vorn angefangen haben; und mit ihm hebt die Bildung, das Denten der neueren Zeit an. (Es geht lange fort, auf dem vorigen Wege zu gehen. Der Deutſche, je knechtiſcher auf der Einen Seite, defto zügellofer ift er auf der anderen ; Beſchränkt⸗

heit und Maaflofes, Originalität, ift der Satansengel, der uns mit Fäuften Thlägt.)

In diefer neuen Periode if das Princip das Denken, das von fih ausgehende Denken, diefe Innerlichkeit, die übers haupt in Rückſicht auf das Chriſtenthum aufgezeigt, und die das proteftantifche Princip iſt. Das allgemeine Princip ift jegt, die Innerlichkeit als ſolche feſtzuhalten, die todte Aeußerlichkeit, Yuktorität zurüdzufegen, für ungehörig anzufehen. Nach diefem Prineip der Innerlichkeit it nun das Denken, das Denken für ſich, die reinſte Spige des Innerfien, diefe Innerlichkeit das, was fi für ſich jegt, aufftellt; und dieß Princip fängt mit Descartes an. Es if das Denken frei für fih, was gelten fol, was anertannt werden foll; die kann es nur durch mein freies Denken in mir, nur dadurch kann es mir bewährt werden, Dieß hat zugleich den Sinn, daf dieß Denken allgemeines Ge— ſchäft, Princip für die Welt und die Individuen if: das, was gelten, was feſtgeſetzt ſeyn foll in der Welt, muß der Menſch

Zweiter Abfchnitt. Verſtandes⸗ Meiarboſit. | 309

durch feine Gedanken einfehen; was für etwas Feſtes gelten fol, muß fich bewähren durch das Denken.

Wir treten damit erfi in eigentliche Philoſophie feit der neuplatonifchen Schyle und was damit zufammenhangt; es ift Wiederanfang der Philoſophie. So findet man aud in älteren : Geſchichten der Bhilofophie aus dem 17. Jahrhundert nur die Philoſophie der Griechen und Römer, und das. Chriſtenthum macht den Beſchluß: ſo daß in demſelben und von da an keine Philoſophie mehr vorhanden geweſen ſey, weil fie nicht mehr nöthig, 3. B. bei Stanley. Die philofophifche Theologie des Mittelalters hatte nicht zum Princip das freie, von fi) ausges bende Denken; die iſt aber nun das Princip. Dabei müffen wir aber nicht erwarten, zu finden ein philofophifches Princip, das aus dem Gedanken ſich methodifch entwidch. Das Denten ift das Princip; was gelten foll, gilt nur durd das Denken. Das alte Vorurtheil iſt vorausgeſetzt, daͤß der Menſch nur Wahr⸗ heit erlangt durch das Nachdenken; dieß ift fchlechthin die Grund» lage. Aber es ift noch nit aus dem Denken das Viele, die Weltanfhauung, zu entwideln, die Beflimmung von Gott, Beflimmung der erfcheinenden Welt als aus dem Denken noth⸗ wendig bervorgehend aufzuzeigen: fondern wir haben nur Den ten, Denken von einem Inhalte, der durch die Vorſtellung, Beo⸗ bachtung, Erfahrung gegeben wird.

Einer Seits iſt es eine Metaphyſik, anderer Seits die beſonderen Wiſſenſchaften: einer Seits das abſtrakte Denken als ſolches, anderer Seits der Inhalt deſſelben aus der Erfah⸗ rung; zwei Linien ſtehen abſtrakt gegeneinander, theilen ſich aber nicht fo ſcharf. Wir werden zwar auf den Gegenſatz kom⸗ men: von apriorifhem Denken, daß die Beflimmungen, die dem Denten gelten follen, aus dem Denken felbfl genommen feyn follen; und der Beflimmung, daß wir aus der Erfahrung anfangen, aus der Erfahrung fließen müflen, denken müffen u. ſ. fe Es ift der Gegenfag von Rationalismus und Empiris-

‚Deitter Theile "Neuere Philoſephie.

8 Hein untergeordnteter, weil auch das Philofophiz ae den immanenten Gedanken gelten laffen will, nicht ditkeltes aus der Nothwendigkeit des Denkens

yern auch feinen Inhalt nimmt aus der Erfahrung,

‚even ober äußeren; die metaphyſiſche Seite verführt tpirif).. Die Form der Philofophie, welche durch das unächſt erzeugt wird, iſt die der Metaphufit, die yes dentenden Verfiandes; die zweite iſt der ismus und Kritieismus gegen den- denkenden

m die Metaphyſik als ſolche und gegen das Nil

8 Empirismus, Die erſte Periode, die der Metas

als Hauptperfonen Eartefius, Spinoza, Lode,

die franzöſiſchen Materialiſten. Das Andere

ation diefer Metaphyſik, und der Verſuch, das

für ſich ſelbſt zu betrachten, daß die Beflimmungen

Erkennen felbft abgeleitet werden, betrachtet wird, immungen fi aus ihm entwickeln.

Erſtes Kapitel. J Periode der Metaphöſin

In der Metaphyſik ſelbſt haben wir den Gegenſatz von Subflaritialität und Individualität. Das Erfte ift die unbefan- » gme, aber auch unkritifche Metaphyſik, die ideae innatae des Descartes; Konjequenz, Methode iſt die Hauptfarhe. Das ‚Zweite ift der Urſprung der Gedanken, bei Lode, ihre Berechti— gung, noch nicht die Frage, ob fie an und für fih wahr. Die GSubſtanz ift Naturalismus, Spinozismus; die ſpinoziſtiſche Sub- Kanz und der franzöfifche Materialismus find parallel. Hier er= scheint diefe Kategorie als Refultat der vom Empirismus aus- gehenden Abfttaktion des Verflandes; wir haben fie, finden fie bei Spinoza. Ebenfo And parallel franzöſiſche Metaphyſik und

Zureiter Abſchnitt. Nens Descaties. 331

deutſche wolfiſche Metaphyſik. Ueberhaupt iſt gemeinſchaftlich, vermiſcht Aprioriſches und Apoſterioriſches; dieſes wird durch Nachdenken in Abſtraktion gebracht. Die Metäphufit iſt die Tendenz zur Subſtanz; Ein Denken, Eine Einheit wird feftgehalten gegen den Dualismus, wie bei den Alten das Seyn. Die Philsſophie auf eigenem, eigenthümlichem Boden verläßt gänzli) die Theologie dem Principe nah. Die Philoſophie behauptet das Drincip des Denkens als Princip der Welt: in der Welt fey Alles reguliert dur Denten. Das proteftantifehe Princip if, daß im Chriſtenthum die Innerlichkeit allgemein als Denken zum Bewußtſeyn komme, als worauf jeder Anſpruch habe; ja das Denken iſt eines Jeden Pflicht, Alles darauf ba⸗ ſtrt. Die Philofophie iſt fo allgemeine Angelegenheit, über die jeder zu urtheilen wife; dentend ifl jeder von Haufe aus:

A. Erfte Abtheilung. 1. Descartes.

Rene Descartes ift in der That der wahrhafte Anfän- ger der modernen Philoſophie, infofern fle das Denten zum Princip macht. Das Denten für ſich ift hier von der philoſo⸗ phirenden Theologie verfhhieden, die es auf die andere Seite ftellt; es if ein neuer Boden. Die Wirkung diefes Dienfchen auf fein Zeitalter und die neue Seit kann nicht ausgebreitet genug vorgeftellt werden. Er iſt fo ein Heros, der die Sache wieder einmal ganz von vorne angefangen, und den Boden der Nhilofophie erft von Neuem konſtituirt hat, auf den fle nun erfl nach dem Verlauf von taufend Jahren zurüdgekehrt if. Die große Wirkung, die Cartefius auf fein Zeitalter und die Bil- dung der Philofophie überhaupt gehabt hat, liegt vornehmlich darin, auf eine freie und einfache, zugleich populare Weiſe mit Sintanfegung aller VBorausfegung von dem popularen Gedanken ſelhſt und ganz einfahen Sägen angefangen, und den Inhalt

332 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

auf Gedanken und Ausdehnung oder Seyn geführt, dem Ger danken gleichſam diefen feinen Gegenfag hingeſtellt zu haben. Mit Hintanfegung aller Vorausfegung hat er vom Denken sans gefangen, und zwar in Form des beſtimmten, tlaren Berftan- des;idiefes Denken kann man nicht ſpekulatives Denken, ſpeku⸗ lative Vernunft nennen. Es find fefte Beflimmungen, aber nur des: Gedantens, dom denen er anfängt und fortgeht; diefes ift die Weife feiner Zeit. Was die Franzofen exakte Wiffenfhaf- tem nannten, Wiſſenſchaften des. beflimmten Verflandes, haben mit diefer Zeit angefangen. Philoſophie und exakte Wiffenfhaft iſt nicht: getrennt ‚gewefen; erſt fpäter trat Trennung Beider ein.

Sein Leben: Er iſt 4596 geboren zu La Haye in Tous raine aus einem alt adlichen Geſchlecht. Er genof die gewöhn- liche Erziehung in einer Jeſuitenſchulez er machte große Fort ſchritte, war von einem lebhaften, unruhigen Geift, griff mit einem unerfättlichen Eifer nad allen Seiten hin, und trieb ſich in allen Spftemen und Formen herum, fiudirte aufer der alten Riteratur befonders Philofophie, Mathematit, Chemie, Phyſit, Aſtronomie u, ſ. f. Aber feine Jugend-Studien in der Jeſui— terſchule und fein ferner fortgefegtes Studium hatten, nachdem er ſich mit Anſirengung in ihnen herumgetrieben hatte, ihm eine flarte Abneigung gegen das Studium aus Büchern gegeben; er verließ diefe Anſtalt. Er wurde verwirrt, erhielt unbefriedigte Sehnſucht; aber fein Eifer zur Wiſſenſchaft wurde nur defto reger gemacht. *)

Er ging als ein junger Mann, 18 Jahre alt, nach Paris, und lebte dann in der großen Welt. Als er aber aud hier teine Befriedigung fand, verließ er bald die Gefellfhaft, und tehrte zu den Studien zurüd. Er retirirte ſich incognito in eine Vorſtadt von Paris, und lebte da entfernt im Studium

#) Brucker. Hist. erit. phil. T. IV, P. 2, p. 208 - 207; Car-

tesius de Methodo, I (Amstelod. 4672, 4), p. 2—6 (Oenvres com- plötes de Descartes publides par Victor Cowin, T. I, p.125—130).

Zweiter Abfchnitt. Mens Descartes. 333

der Mathematik insbefondere, allen feinen vorigen Bekannten

ganz verborgen, bis er nach zwei Jahren endlich von ſeinen al⸗ ten Freunden hier: entdeckt, hervorgezogen und wieder in: bie große Welt eingeführt wurde Er entfagte jebt wieder. ganz dem Bücher⸗Studium, und warf ſich In die Welt, in: die Wirklich feit. Er ging hierauf nad) Holland und nahm Militair⸗Dienſto und bald nachher 1619, in dem erſten Jahre des dreifigjährigen Krieges, nahm er als Freiwilliger unter den bairifchen Truppen Kriegsdienke, "und machte mehrere Feldzüge unter Tilly mit, Manchen haben die Wiſſenſchaften nicht befriedigt, und er ift Soldat geworden, aber nit, weil ihm die Wiſſenſchaften zu wenig, ſondern weil fle ihm zu viel, zu hoch waren.) Hier in den Winter» Quartieren fludirte er fleißig, und machte 3. B. in Ulm Bekanntſchaft mit einem ‚Bürger, der ſehr in die Ma⸗ thematit: eingeweiht war. Dieß mas noch mehr in:den Winterw Duartieren zu Neuburg an der Donau der Fall, wo in ihm abermals erſt recht tief der Trieb erwachte, fi eine neue Bahn in der Philofophie zu machen, die Philofophie umzuſchaffen; er gelobte der. Mutter Gottes eine Walffahrt nad Loretto, wenn fie ihm dieß Vorhaben gelingen laffen würde, wenn er ruhig nun endlich zu fich ſelbſt käme. So war er aud in der Schlacht bei Prag, worin Friedrich von der Pfalz die böhmiſche Krone verlor. Noch weniger tonnte ihn der Anblid diefer wilden Sce⸗ nen befriedigen; 1621 verließ er die. Kriegsdienfte‘,: und machie noch mehrere Reifen durch das übrige Deutfhland, dann Pos Ien, Preußen, die Schweiz, Italien, Frankreich. *) '

Er 308 ſich dann wegen der größeren Freiheit nad Holland zurüd, um bier fein Vorhaben auszuführen; er lebte hier im Ruhe, von 1629 bis 1644, eine Periode, | worin er feine

%) Brucker. Hist. crit. phil. T. IV, P. 2, p. 7 217; Can- tesius de Methodo, I— II, p.6—7 . 430 133); Notes sur l’eloge de Descartes par Thoınas (Oeuvres de Descartes publices par Cousin, T. I), p. 83, et suiv.

334 Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

meiften Schriften ſchrieb und herausgab, umd fle aud) gegen die . mannigfaltigen Angriffe wertheidigte, die fie: befonders von der Geiſtlichteit erlitten. - Die-Königin Chriſtine von Schweden be— rief ihn endlich an ihren Hof nach Stodholm, das der Sam- melplag der berühmteften «Gelehrten der damaligen Zeit: war; und. dort flarb er 1650. *)

Descartes hat der Mathematik ebenfo ein neues Empor- fireben gegeben, als der Philoſophie. Mehrere Haupt -Metho— den find feine Entdedungen, worauf nachher die glänzendften Refultate der höheren Mathematik gebaut worden find. Seine Methode macht mod heute ‚eine wefentlihe Grundlage. der Ma- thematik aus; Carteſius ih der, Erfinder der analytiſchen Geo- metrie, und fomit derjenige, der auch. hierin der modernen Ma- Ahematit ihre Bahn angewiefen. hat. Auch het er Phyſik, Op- sit, Aſtronomie Aultivirt, und darin die größten Entdedungen gemacht. Doch diefe Seiten gehört nicht hierher. n

4. In der Philofophie hat er eine ganz neue Wen- dung genommen: mit Descartes beginnt die neue Epoche der Philoſophie, wodurch dee Bildung das Princip ihres höheren Seiſtes in Gedanken zu faſſen, im der Form der Allgemeinheit, vergönnt war, wie Böhme es in Unfhauungen, ſinnlichen For⸗ men faßte. Unter feinen philoſophiſchen Schriften haben befon= ders diejenigen, welde die Grundlage enthalten, in ihrer Dar- ſtellung etwas fehr Populares und Naives, was fle beim Bes ginne des Studium’s fehr empfehlenswerth macht; er geht ganz einfad und kindlich dabei zu Werte, es if Erzäglen feiner Gedanken nacheinander. Er ging davon aus, jede Borausfegung

müffe bintangefegt werden, der Gedanke müfle von ſich felbft anfangen; alles bisherige Philofophiren, befonders das von der * Autorität der Kirche ausging, murde hintangeftellt. Da das Den- ten bier fi aber eigentlich nur als abſtrakter Verſtand gefaßt

%) Tennemann, Band X, S. 210 216.

*

Zweiter Abſchnitt. Phüefophie Des Descartes. 335

hat, fo wurden die beſtimuten Vorſtellungen, der Juhoelt, nicht aus dem Verßande abgeleitet, ſondern empiriſcher Weiſe aufge⸗ nommen. Bei feiner Philoſophie iſt zu unterſcheiden, was allgemeines Intreefie für uns hat und was nit. Die Anwen⸗ dung der Metaphyſik auf kirchliche Angelegenheiten, Unterſuchun⸗ gen u. f. f. bat kein Intesefle. Auch in feiner Philoſophie if zu unterſcheiden der Bang feiner Gedanken ſelbſt, usd. dann dir Weiſe, wie ex Diefe Gedanken abgeleitet,. bewiefes hat: Alm fris neu Gedanken Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen, il es nöthig, daß wir für uns befoust, vertraut find mit der Nothwendigkeit Diefer Erſcheinungg. Was nun Die Methode anbetrifft, wie er die Gedanfen geſtelt, wie er fie ‚abgeleitet hat, fo hat dieß kein befouderos tenehie für une, Es iſt im Seren wenig von feiner Phaͤoſophie zu fogen. |

a. Er hat. Don vorn angefangen, vom Denken als ſolchen; und dieß iſt ein abſoluter Anfang. Und dag pur vom Denten angefangen werden müffe, Drüdt ex fo aus, daß mau au Allem . zweifeln müſſe. Zum erſten Exfortyrniß. der Philoſophie wacht Descartes, daß man an Allem zweifeln, d. db. qlle Vorauss fegungen aufgeben müſſe. De omnibus dubitandum ‚est, mer der erfie Say des Carteſius, dieß Verſenken aller. Varaus⸗ fegungen und Beflimmungen ſelbſt. Es hat jedoch micht den Sinn des Sktepticismus, der fi Fein anderes. Ziel ſetzt, als das Zweifeln ſelbſt, daß man fichen bleiben foH bei dieſer Une entfhiedenheit des Geifles, der darin feine Freiheit hatz fondern es bat vielmehr ;den Siem, man müſſe jedem Borurtpeil entſa⸗ gen, d. h. allen Vorausſetzungen, die ebenfo unmuttelbar ale wahr angenommen, und vom Denten anfangen, um erſt nom Denken aus auf etwas Feſtes zu kommen, einen reinen Anfang zu gewinnen. Dieß ift bei den Skeptikern nicht der Fall; da iſt der Zweifel das Refultat.*) Descartes’ Zweifeln,

#) Spinoza: Principia philosophiae Cartesianae (Benedicii de Spi- - nora Opera, ed. Paulas. Jenae 1802, T. 1), p. 2.

336 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

keine Voransfegung- Machen, weil nichts Feſtes, Sicheres ift, geſchieht nicht im Intereffe der Freiheit felbft als folder, daß nichts, gelte außerhalb: der Freiheit, nihts fey in Qualität, Weife einer: Vorausfegung, eines äußerlich Objektiven, Unfeſt ift Us les, inſofern ich" davon abſtrahiren Tann, d. i. denken; eben reis nes Denken ift Abſtrahiren von Allem. Der Trieb der Freiheit liegt in dern That zu Grunde, vaber überwiegend oder im Bes wußtſeyn iſt der Zweck, zu etwas Feſtem, Objektivem zu kom—⸗ men/— das Moment des Objektiven, nicht das Moment des Subjettiven, daß es vom mir geſetzt, erkannt, erwieſen feh; aber dieß Intereſſe fällt darein, denn von meinem Denken aus will ich dahin Lommen., Wir müſſen nicht den Gang des Des—⸗ rates für) bonfequent der Methode nad) bewiefen halten; es iſt tiefer, innerer Fortgang, naiv erfheinend. Der Geiftifeiner Phi⸗ loſophie iſt Wiffen, Gedanken, Einheit des Denkens und Seyns.

"Das Erfte iſt alfo, man müſſe feine Vorausfegung machen; und dieß iſt ein großes, höchſt wichtiges Princip. Descartes giebt in feiner Weiſe den Grund davon an; in dieſen Sägen, die ser ausſpricht, hat er naives, empirifhes Raifonnement.- Nämlich: hl

„Weil wir als Kinder geboren find, und von den finnlichen Dingen vielerlei Urtheile vorher gefällt haben, che wir den volls tommenen - Gebrauch unferer Vernunft hatten: fo werden wir durch viele Worurtheile von der Kenntnig des Wahren abges flogen. Bon diefen feinen wir uns nicht anders befreien zu tönnen,. als wenn wir einmal im Leben an dem zu zweifeln fireben, worin wir nur den geringfien Verdacht einer Ungewiß— heit haben.“ .

„Ja, es wird fogar nützlich ſeyn, alles das, woran wir zweifeln, für falſch zu halten, damit wir defto klarer das finden, was das Gewiffefte und Ertennbarfte fey.”

„Doch ift die Zweifeln auf die Betrachtung der Wahr heit einzufcränten. Denn was den usus vitae beträfe, weil

Zweiter Abfchnitt. Philoſophie des Descartes. 337

oft die Gelegenheit zum Handeln vorüberginge, ehe wir uns. unfere Zweifel löfen könnten, find wir. genöthigt, das Wahr⸗ ſcheinliche zu wählen.“ ° |

„Bier “aber, wo es nur um das Suchen der Wobrheit zu thun iſt, ſo werden wir vornehmlich zweifeln, ob irgend das Sinnliche und Vorſtellbare exiſtire: Erſtens weil wir finden, daß die Sinne uns oft täuſchen und es der Klugheit gemäß iſt, dem nicht zu vertrauen, was uns nur einmal getäuſcht hat; alsdann weil wir täglich im Traume Unzähliges zu fühlen oder uns vorzuſtellen meinen, was niemals iſt, und dem Zweifelnden keine ſolche Zeichen erſcheinen, an denen er den Schlaf vom Wachen ficher unterſcheide.“

„Wir werden hiermit auch an allem Andern zweifeln, felbſt an den mathematifhen Sägen: Theils weil wir geſehen, daß Einige ſich auch in dem irren, was ung für das. Gewiffefte gilt, und gelten laſſen, was uns falſch ſcheint; dann weil wir gehört haben, daß ein Gott iſt, der uns geſchaffen, der Ales kann, alſo vielleicht uns ſo geſchaffen, daß wir irren follen, Wenn wir uns einbilden, nicht von Gott, fondern von irgend etwas Anderem, aus ung felbft, . zu eriftiven: fo ifl es um fo wahrs fcheinliyer, daß wir fo unvolllommen find, zu irren.“

„So viel erfahren wir aber, die Freiheit in ung zu baden, daß wir uns immer. defien enthalten eönnen, was nicht völlig gewiß und ergründet if.” *)

Das Bedürfniß, was bei diefen. Gründen des Descartes zum Grunde liegt, iſt, daß das Denken von ſich anfangen ſoll; denn das Vorausgeſetzte iſt nicht durch das Denken geſetzt, iſt ein Anderes des Denkens: das Denken iſt nicht darin bei ſich. Die ſogenannte unmittelbare Anſchauung, innere Offenbarung

x) Principia philosophiae, P. I, $.1—6 (Amstelod. 1672, 4), p. 1—2 (Oeuvres, T. 111, p. 63—66); cf. Meditationes de prima philosophia, I.(Amstelod. 1685, 4), p.5—8 (Oeuvres, T. I, p. 235 U5); De Methodo, IV, p. W (p. 156 158).

Sch. d. Ppit. * * 22

338 Dritter Theil, Neuere Philofophie.

der neueren Zeit gehört auch hierher; dom Denken foll ausge⸗ gängen werden. Cs iſt das Interefe der Freiheit, was zum Grunde liegt; was als wahr anerkannt wird, ſoll die Stellung Haben, dag unfere Freiheit darin erhalten ift, dag wir denken, Bier in der Carteftanifchen ori ift das Princip der‘ Freiheit als ſoiches nicht herausgehoben, ſondern es find mehr populare Gründe: weil man irren könnte u. f. f., darum Ar man keine Vorausſehung machen.

b. Das Gewiffe. Carteſtus ſuchte etwas an ſich ſelbſt Gewiſſes und Mahtes, das weder mir wahr wäre, wie der Ge denfland des Glaubens ohne Wiſſen, noch die finntiche, auch ſteptiſche Gewißheit, die ohne Wahrheit if. Das ganze Philo- fophiren mar dainit behaftet, etwas als wahr vorduszufegen, Teils, wie die heuplatoniſche Phitofoppie, die Form der Wiſ⸗ fenfehaft nicht ihrem Mefen zu geben, oder die Momente deffel- Be nit auseinahder zu fegen. Richts ift wahr, was nicht in⸗ inere Evidenz im Bewußtſeyn hat, oder was die Vermunft nicht⸗ fo deutlich und bündig erkennt, daß ein Zweifel daran ſchlecht⸗ hin unmöglich. Ich bat die Bedeutung als Denken, hit Ein- zelnheit des Selbſtbewußtſeyns. Der zweite Sag feiner Phi— loſophie ift daher die ünmittelbare Gewißheit des Denkens. Wir müffen fuchen, was gewiß iſt; und das Gewiſſe ift die Gewiß- heit, das Wiffen als ſolches in feiner reinen Form als ſich auf

ſich beziehend. Dieß ift das Denken; fo geht dann der unbe

holfene Verftand weiter fort zum Bedürfnig des Denkens. Hier- mit ift auf einmal die Philofophie in ein ganz anderes feld, ganz anderen Standpunkt verfegt, nämlih in die Sphäre der Subjektivität, das Gewiffe. Es wird aufgegeben Vorausgefig- tes der Religion, nur das Beweiſen geſucht, nicht der Inhalt. Es ift unendliche abſtrakte Subjektivität; der abfolute Inhalt verſchwindet. Es ift ebenfo dich Gährende, aus großem Gefühl, Anſchauung zu fprechen: wie Bruno und fo viele Andere, jeder

340 Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

trennlich, d. 5. fe machen seine Identität ans; was unzerfrenne lich ift, iſt dennoch verſchieden: aber die Identität wird dürch dieſe Verſchiedenheit nicht gefährdet, fe find Einheit. Indeſſen iſt dieſer Ausſpruch der reinen’ abſtrakten Gewißheit, die allges meine Totalitãt, in der Alles an ſich, nicht bewieſen; *) "Man muß dieſe Propoſition nicht in einen Schluß verwandeln wollen, es iſt ganz und gar kein Schluß. Denn dazıt müßte der Ober⸗ ſat ſeyn: Alles, was denkt, exiſtirt,“ und dazu die Sub⸗ ſumtion im Unterſatze? Nun aber bin td." Damit würde eben die Unmittelbarkeit aufgehoben,“ die‘ darin Tiegt. 'Mber "jener Dberfag” wird gar nicht aufgeſtellt, ſondern iſt vielmehr erſt ein abgeleitefer' von dem erften: Ich denke, alſo "bin id. **) Zus einem Schluffe gehören drei Glieder, "hier ein Drittes, wo- durch Denken und Sehn vermittelt wäre; fo ift es aber nicht, nicht Ich denke, Alfo fo bin ich. Die Alſo iſt hier nicht das Alſo des Schluſſes; es if nur der Zuſammenhang geſeht don Seyn und Denken. Alle anderen Säge find fpäter. Aber das Denken als Subjekt iſt das Dentende, und das iſt⸗Ich; das Denten if das innere Beimirſehn, die Unmittelbarkeit bei mir, es ift das einfahe Wiſſen ſelbſt. Diefe Unmittelbars keit ift aber eben daffelbe, als was Seyn heift. Carteſtus hat es num zwar nicht fo nachgewieſen, fondern ſich einzig und als lein auf das Bewußtſeyn berufen. Auch Fichte hat fpäter mit derfelben abfoluten Gepifheit, mit dem Ich, wieder- angefangen, ift aber dazu fortgegangeit, aus diefer Spige dann alle Beftim- mungen zu entwideln. Alſo diefe Gewißheit ift das prius Wir denken zwar diefes und jenes, aber von diefem und jenem kön— nen wir abflrahiren, nicht fo von dem Ih. Wir denken dieß

#) De Methodo, IV, p. 21 (p. 159); Epistol. T. I, ep. 118 (Amstelod. 1682, 4), p. 379 (Oeuvres, T. IX, p. 442 443). *#) Respons. ad sec. objestiones, adjunctae Meditationibus de prima philosophia, p. 74 (p. 427); Spinoza: Principia philo- sophiae Cartes, p. A—5.

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Descartes. 341

und jenes, defwegen ſey es, ifl die gewöhnliche altkluge Inſtanz der Unfähigkeit, das aufzufaffen, wovon die Rede iſt; daß be— flimmter Inhalt fey, ift eben das, woran zu zweifeln iſt, - 16 giebt nichts Feſtes. |

„Dieß ift der befie Weg, die Natur des Geiſtes und feine |

Verfchiedenheit vom Körper zu-ertennen. Denn wenn wir un⸗ terfuchen, wer wir find, die wir Alles, was von uns verfehieden ift, als unwahr fegen konnen: fo fehen wir deutlich, dag feine Ausdehnung, noch Figur, noch Ortsbewegung, noch etwas der⸗ gleichen, das dem Körper zuzuſchreiben iſt, unfere Natur 'angehe, fondern das Denken allein; dieſe wird alfo früher (prius): und gewiffer, als irgend cine körperliche Sade, erkannt.“ *)_

Es find dagegen auch andere Säge aufgeftellt. Gaſſendi **) macht den Einwand Ludificor, ergo sum: Ich werde von meis nem Bewußtſeyn zum Beften gehabt, Alſo exiflire id; eis gentlih, Alfo werde ich zum Beften gehabt. Daß etwas. an ‚diefem Einwurf daran ift, hat Descartes felbft gewußt. Aber Descartes widerlegt diefen Einwand hier felbft, indem nur das Ich nicht der ſonſtige Inhalt feſtzuhalten iſt. Das Seyn nur

iſt identiſch mit dem reinen Denken, der Inhalt mag ſeyn,

welcher er will; Ich iſt gleich Denken. Er ſagt: „Unter dem Denken begreife ich aber das Alles, was mit unſerem Bewußt⸗ ſeyn in und vorgeht, inſofern wir uns deſſen bewußt find; alſo auch Wollen, Einbilden (Vorſtellen), auch Empfinden ift dafs felbe was Denten,” alles dieß ift auch darin enthalten „Denn wenn id) fage: Ich fche, oder Ich gebe fpazieren, Alfo bin id, und dieß von dem Schen, Gehen verfiche, das mit dem Körper vollbracht wird: fo ift der Schluß nicht abfolut gewiß“ (info= fern ich das konkrete Ich meine), „weil, wie im Traum oft geſchieht, ich meinen kann zu fehen, zu. gehen, ob ich gleich die

%#) Principia philosophiae, P, I, $. 8, p. 2 (p. 67).

#*#) Appendix ad Meditationes, continens objectiones quint.,

p. 4 (Oeuvres, T. II, p. R®— 3).

342 Dritrer Theil. Neuere Philoferhie,

Augen nicht aufmadhe, und mich nicht von der Stelle bewege, und vielleicht au, wenn ic feinen Körper hätte. Aber wenn ich es von der” (fubjektiven) „Empfindung oder Bewußtſeyn des Schens oder Gchens felbft verfiche, weil fie" (Empfindung und Bewußtſehn) „alsdann auf den Geiſt (mentem) bezogen wird, der allein empfindet oder dent, er fehe oder gebe: fo iſt diefer Schluß alsdann ganz gewiß.” *)

„Im Traume“ ift Weife des empirifchen Raifonnements; es muß nicht bloß heißen, „weil Ich abfrahiren kann,“ fonderm „eben Iq die Einfache, mit ſich Identifche iR.“ Ich fche, Ich gebew. ff, da ift Ich in der Beflimmung des Schens, Gehens; aber ich bin darin auch dentend. Das Denken iſt nun zwar auch im Wollen, Sehen, Hören u. f. w.; es ift abfurd, zu meinen, die Seele habe das Denken in einer befonderen Taſche, und. ander wärts das Schen, Wollen u. f. f. Aber wenn id fage, Ih fehe, Ich gehe fpazieren: fo ift darin einer Seits mein Bewußt⸗ fehn, Ih, und fomit Denken; aber anderer Seits iſt auch Wollen, Sehen, Hören, Gehen darin, alfo noch eine weitere Modifikation des Inhalts. (Das Denken ift das prius, das ganz Allgemeine; Denten ift das Ih, Denken als Dentendes iſt Ih: es iſt das Allgemeine, was aud im Wollen, Fühlen, Gehen u. f. f. if.) Und wegen diefer Modifitation Tann ich nicht fagen: Ih gehe, Alfo bin ih; denn von der Modifikation Tann ich ja abfirahiren, es ift nicht mehr das allgemeine Den» Ten. Man muß alfo bloß auf das reine, in diefem Kontreten enthaltene Bewußtfenn fehen. Nur wenn ich heraushebe, daß id darin als dentend bin: fo liegt das reine Seyn darin; und nur mit dem Allgemeinen if das Seyn verbunden. Es ift ganz leicht, diefe Identität einzufehen. Denten ift das ganz Allge- meine, nicht das Befondere; in allem Befonderen ift aud das Allgemeine. Das Denken ift die Beziehung auf ſich ſelbſt, if

®) Principia philosophiae, P. I, $. 9, p. 2—3 (p. 67— 68).

IN

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Descartet. 343

das Yllgemeine, das reine ſich Beziehen auf ſich felbfl, das reine Eingfeyn mit fih. Die Frage iſt nun: Was ift das Scan? Da muß man fi aber nicht das Seyn eines konkreten Ins halts vorftellen. Seyn ift dann nichts als die einfache Unmits telbarkeit, die reine Beziehung, Fdentität mit fi; fo. iſt es die Unmittelbarkeit, die auch das Denken iſt. Das Denken iſt die⸗ ſelbe Unmittelbarkeit, zugleich aber auch die Vermittelung mit ſich ſelbſt, die ſich ebenſo auch negirt, alſo auch Unmittelbarkeit. Unmittelbarkeit iſt eine einſeitige Beſtimmung; das Denken ent⸗ hält ſie, aber ſie nicht allein, ſondern auch die Beſtimmung, fich mit ſich ſelbſt zu vermitteln: und dadurch, daß das Vermitteln zugleich Aufheben der Vermittelung iſt, iſt es Unmittelbarkeit. Im Denten iſt fo Seyn; Seyn iſt eine arme Beſtimmung, iſt das Abſtraktum von dem Konkreten des Denkens.

„Daß das Denken Gnens),“ ſagt Carteſtus, „mir gewiſſer iſt, als der Körper, liegt darin. Daß ich urtheile, die Erde exiſtire, daraus, daß ich fie berübre oder ſehe, daraus muß ich ja noch viel mehr urtheilen, dag mein Denten (mens) exiſtirt. Denn es Tann vielleicht ebenfo gut feyn, daß id) urtheile, die Erde exiſtire, ob fle glei nicht exiſtirt: nicht aber, daß ich dieß urtheile, und mein Geiſt (mens), der dieß urtheilt, nicht ſey. “*8) D. i. Alles, das für mich iſt, kann ich ſetzen als nichtſeyend; indem ich mic als nichtſeyend ſetze, ſetze ich ſelbſt, oder es iſt mein Urtheil. Denn daß ich urtheile, das kann ich nicht weg⸗ laſſen, wenn ich auch von dem abſtrahiren kann, worüber ich urtheile. Damit hat nun aber die Philoſophie ihren eigentlichen Boden wiedergewonnen, daß das Denken vom Denken ausgeht, als einem in ſich Gewiſſen, nicht von etwas Aeußerem, nicht von etwas Gegebenem, nicht von einer Autorität, ſondern ſchlechthin von dieſer Freiheit, die darin iſt: „Ich denke.“

An allem Anderen kann ich zweifeln, an dem Daſeyn kör⸗

#) Principia philosophiae, P. I, $. 11, p. 3 (p. 69 70).

34 ä Dritter Theil, Neuere Philoſophle.

Perlicher Dinge, an meinem Mörper felbft; oder dieſe Gewißheit Hat; nicht die Unmmittelbarkeit in ſich. Denn Ich iſt eben die Gwiſheit feloh, an allem Anderen if fie Präditat; mein Kör⸗ "per if mir geiiß, er iſt nicht diefe Gewißheit ſelbſi % Gegen ie ‚Gewifheit, einen Körper zu haben, führt Carteſtus die em- puiſche Erſcheinung an, daß oft die Vorſtellung vorhanden iſt, "man fühle Schmerzen in einem Gliede, das man ſchon fange ehl mehr hat. **) Mas wurlich ift, if eine Subflanz, Seele die dentende Subflanz; **) fie if für fih, von allen änferen materiellen Dingen verſchieden und unabhängig. +) Daß fe denkend ift, ift für ſich tvident; fie würde denken und exiſti⸗ ren, wenn auch Peine materiellen Dinge vorhanden wären, Die Seele kann ſich deßwegen leichter erkennen, als ihren Körper. FF)

Alles Weitere, was wir für wahr halten Fönnen, beruht auf diefer Gewißheit; zum Fürwahrhalten gehört Evidenz. Nichts fr wahr, was nicht innere Evidenz im Bewuhtſehyn hat. „Die "Evidenz von Allem beruht nun darauf, daß wir es ebenfo Mar "und deutlich einfehen, als jene Gewißheit felbft, und daß es fo von diefem Prineip abhängt und mit ihm übereinftimmt, daf, wenn wir daran zweifeln wollten, wir auch an diefem Principe“ (an unferem Ih) „zweifeln müßten.“ *44)

c. Das Dritte iſt der Mebergang diefer Gewißheit zur Wahrheit, zu Beſtimmtem; diefen Mebergang macht Earteflus

®) Respons. ad sec. object.: Rationes more geometr. dispos, 'Postulata, p. 86 (p. 451— 455); Spinoza: Principia philosophiae Cartes., p. 13.

*®) Prineip. philos, P. IV, $.196, p. 415—216 (p.507—509): Meditation., VI, p. 38 (p. 329— 330); Spinoza: Principia philos. Cartes, p.2—8.

###) Respons. ad sec. object: Hat. more geom. dispos., Axio- mata V— VI, p. 86 (p. 453). +) Ibidem, Propositio IV, p. 9 (p. 464 465). +1) Meditationes, I, p. 9—44 (p. 2416 262). +t}) De Methodo, IP, p. 21 (p. 158— 159); Spinoza: Prin- eipia philosoph. Cartes., p. 14.

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Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Descartes. 345

auf naive Weife. Diefes Wiffen ift für fih nun die volltom- mene Evidenz, Gewißheit, aber es ift noch nicht die Wahrheit; oder wenn wir jenes Schn als Wahrheit nehmen, fo.ift dieß ein leerer Anhalt, und um den Inhalt ift es zu tbun.. Die nächſte Betrachtung ift nun die dee Metaphyſik des Descar- tes. Die Einheit des Seyns und des Denkens ift dabei das Erfte, und das Denken wird dabei genommen als das reine Dens ten; Descartes hat diefen Sag aber nicht bewieſen. Es find verfchiedene Beflimmungen, Denten und Seyn, und nur ihre Verfchiedenheit muß aufgezeigt werden; daß fie identifch find, diefen Beweis hat Descartes nicht geführt. Es ſteht einftmeilen voran, es ift die intereffantefte Jdee der neueren Seit überhaupt; er hat fie zuerft anfgeftellt. Das Bewußtfeyn ift feiner ſelbſt gewiß; Ich denke, damit ifl-gefegt das Seyn. Der Fortgang ift hier, daß ein Intereſſe entſteht für weitere Vorftellungen von der abftratten Einheit; da geht er nun äußerlich veflektirend zu Werte. „Das Bewußtfehn, das nur ſich felbft gewiß weiß, fucht nun aber feine Kenntniß zu erweitern, und findet, daß es Vor⸗ flellungen von vielen Dingen bat, in welchen Vorſtellungen es fi nicht tãuſcht, fo lange es nicht behauptet oder negirt, daß ihnen etwas Aehnliches außer ihm. entfpredhe.” Die Täufchung bei den Borftellungen bat erſt Sinn in Beziehung auf äußerliche Eriftenz. „Es findet auch allgemeine Begriffe, und macht: dars aus Beweife, die evident find: 3. B. der geometrifche Satz, daß die drei Winkel im Dreied zufammen zweien Rechten gleich feyen, iſt eine Vorſtellung, die an ſich unwiderfichli aus ans deren folgt. Uber bei der Reflexion, ob es foldhe Dinge wirk⸗ lich gebe, zweifelt es daran,“ *) es ift ja das Dreied gar nicht gewiß.

Die Ausdehnung ift nicht in der unmittelbaren Gewißheit

#) Principia philosophiae, P. I, $. 13, p. 3—4 (p. 1 2).

346 Dritter Theil. Neuere Philofophic.

meiner felbft ‚enthalten, *) Die Seele kann feyn ohne das Kör⸗ » perliche, und diefes ohne ſie; fie, find realiter verſchieden, eins denkbar. ohne ‚das andere, **) Die Seele ‚denkt. und erkennt nicht das Andere. ebenfo deutlich, als die Gewißheit ihrer felbft. ***) Die Wahrheit diefes Wiſſens beruht auf dem Beweife vom Da- ſeyn Gottes, Die, Seele, ift eine unvolltommene Subflanz, hat aber die, Idee von Vollkommenheit in fh, eines. abfolut vollkommenen Wefens; diefe Idee ift nicht, in ihr ſelbſt erzeugt, weil fie unvollfommene Subflanz iſt, alfo angeboren, 7) Das Bewußtſeyn hierüber drüctfic bei Descartes fo aus, daf, fo ‚lange Gottes, Daſeyn nicht bewieſen und eingeſehen iſt, die Möglichkeit bleibt, dag wir uns täufcen, weil man. nicht wiffen ‚kann, ob wir. nicht eine zum Irren eingerichtete Natur haben. FF) Die Form ift etwas schief, drüdt nur, überhaupt den Gegenfag aus, den das Selbfibewußtfegn ‚gegen das: Bewußtſeyn von An derem hat, von Gegenftändlichem; und es iſt um die Einheit von Beiden zu thun, ob das, was im Denken iſt, auch die Gegenftändlichkeit habe, Diefe Einheit liegt nun in Gott, oder iſt Gott ſelbſt.

Ich trage dieß in der Weiſe des Carteſtus vor: „Unter den verfchiedenen Vorftellungen nun, die wir haben, ift aud die Vorſtellung eines. höchft intelligenten, höchſt mächtigen und ab« folut volltommenen Weſens; und dieß iſt die vorzüglichfte aller Vorftellungen,” die allbefaffende, allgemeine Vorſtellung. a) Es finden fi) Vorſtellungen; es iſt ungewiß, ob fie find. PB) Eine ift ausgezeichnet; bei ihr findet diefe Ungewißheit nicht

®) Cf. Respons. ad sec. object: Ratlones more geoın. dispos., Def. I, p. 85 (p. 451 452). %#) Ibidem, Proposit. IV, p. 9 (p. 464 465). #%##) Meditationes, II, p. 15— 17 (p. 263 268). #) Principia philos., P. 1, $.20, p.6 (p.76— 77); Meditatio- nes, II, p. 11— 25 (p. 268— 292); De Methodo, IV, p. 1— 22 @. 159 162). H Spinoza: Principia philos. Cartes., 10; vergl, Oben, 5.337.

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Descartes. 347

Statt. Sie hat das Eigenthümliche, daß „wir darin die Exiſtenz nicht als eine bloß mögliche und zufällige erkennen, wie in den Vorſtellungen anderer Dinge, die wir deutlich wahrnehmen, ſon⸗ dern als eine ſchlechthin nothwendige und ewige Beſtimmung. Wie der Geiſt z. B. wahrnimmt, daß im Begriffe des Dreiecks enthalten, die drei Winkel ſeyen gleich zweien Rechten, alſo habe das Dreieck fie: fo daraus, daß er percipirt, daß die Exiſtenz nothwendig und ewig in dem, Begriffe des vollkommenſten We⸗ fens enthalten ifl, muß er fließen, daß das volltommenfte We⸗ fen exiflire.“ *) “Denn zur Vollkommenheit gehört auch Die Beflimmung der Eriftenz; denn die Vorftellung von einem Nicht- eriflicenden ift weniger vollkommen. Da ift alfo die Einheit des Dentens und Seyns, und der ontologifche Beweis vom Da⸗ ſeyn Gottes; dieß fahen wir nun ſchon früher bei'm Anſelm. **) Es wird gefagt: Das Allgemeine, was wir Bott nennen, ifl das Volltommenfte. Und es entfieht nun die frage: If es auh in der Exiſtenz? Die Vorftellung des Bolltommenften enthält au die Beſtimmung der Eriflenz; fonft wäre es nicht das Vollkommenſte. | | Descartes geht dazu fo fort. Descartes bat fo Axiom: a) „Es giebt verfihiedene Grade der Realität oder Entität; denn die Subſtanz hat mehr Realität als das Accidenz oder der Modus, die unendlihe Subftanz mehr als die endliche.“ *—**) Dieg iſt ein Ariom bei Garteflus, eine unmittelbare Gewißheit; aber diefe Interfchiede find, nicht in „Ih denke,“ es if nad) der Weife eines Erfahrungsfages aufgeftellt. 6) „In dem Begriff eines Dings ift die Exiſtenz enthals ten, entweder die nur mögliche oder die nothwendige,“ FT) *) Principia philos, P. 1, $. 14, p. 4 (p. 72 73). AM) S. Oben, S. 164 fig. AMS) Hesp. ad sec. object.: Rat. more geom. disp., Axiom. VI, p. 88 (p. 459).

P) Spinoza: Princ, phil, Cart., Ax. VI, p. 16; cf. Cartesii Resp. ad sec. oba: Rat. more geom. disp., Ax. X, p. 89 (p. 460),

348 Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

die unmittelbare Gewißheit eines Andersfeyns, des Gegenſatzes; es iſt dem Ich ein Nichtich entgegengefegt,, im Ich denke (Be— griff) das Seyn enthalten.

N Kein Ding oder Feine Volltommenheit eines Dings, die wirklich · aetu eriftirt, Tann zur Urſache ihrer Eriftenz das , Nichts haben.“ *) Dick iſt ebenſo evident, als Id denke, ‚Denn wenn von Nichts etwas prädieirt werden könnte, fo könnte ebenfo gut das Denken von ihm prädieiet werden: und. ich würde alſo fagen, ich fey nichts, indem ich denke.“ **) Das unmittelbare Wiſſen, die ſinnliche Gewißheit Hat Feine Nothwendigkeit. Hier geht Descartes in eine Trennung, in ein Verhältniß über, "das nicht erkannt iſtz es kommt der Begriff von Urfache hinzu, der wohl ein Denken iſt, aber ein beftimmtes Denken, Spinoza in feiner Erläuterung fügt, „daß die: Vorfiellungem mehr oder weniger Realität enthalten, und jene‘ Momente ebenſo viel Edi- denz haben als das Denken felbft, weil fie nicht nur ſagen, daß wie denken, fondern wie wir denken.“ ***) Aber diefe beſtimm⸗ tem Weifen eben als Unterfehiede, in der Einfachheit des Den: tens wären zu erweiſen. Spinoza fest noch zu dieſem Meber- gange hinzu, daß „die Grade der Realität, welche wir in den Ideen wahrnehmen, nicht in den Ideen find, fofern fie nur als Arten des Denkens betrachtet werden: fondern fofern die eine eine Subftanz, eine andere nur einen Modus der Subſtanz vor= " Helft, oder mit einem Worte, infofern fie als Vorſtellungen von Dingen betrachtet werden.” +)

I) „Die objektive Realität der Begriffe” (d. h. die Enti— tät des Vorgeftellten, infofern es in dem Begriffe iſt) „erfordert eine Urſache“ (Sache an fih), „worin diefelbe Realität nicht

#) Resp. ad sec. object, Rat. more geom, dispos., Ax. III, p. 88 (p. 458). %%) Spinoza: „Principia philos. Cartes., p. 45, ###) Ibidem, 14. H Ibidem, p. 17.

Zweiter Abfchnitt. Philofophie des Descartes. | 349.

nur objektiv” (d. h. im Begriffe),” fondern. formell oder auch. eminenter enthalten iſt,“ „formell, d. h. ebenfo volllommen: eminenter, volltommener. Denn es muf wenigfiens ſo viel in der Urſache ſehn, als in der Wirkung.“ *) | . 8) „Die Eriftenz ‚Gottes wird unmittelbar“ a priori „aus der Betradhtung feiner Natur ertannt Daß etwas in der Natur oder in dem Begriffe eines Dings enthalten iſt, ift fo viel als fagen, daß es wahr ift: die Exiſtenz iſt unmittelbar in dem Begriff Gottes enthalten, es iſt alfo wahr, von ihm zu ſagen, daß. eine nothwendige Eriflenz in ihm iſt.“**) „In dem Begriffe jedes Dings iſt entweder seine mögliche oder. eine nothwendige Exiſtenz enthalten: eine nothwendige im Begriffe Gottes, d. 5; des abfolut volllommenen Wefens; : denn. font würde tr. als unvollkommen begriffen.” ***) Descartes nimmt auch diefe Wendung: „Propofition VI. A pösteriori aus dem blößen Begriffe in uns die Exiſtenz Gots tes zu: beweifen. Die objektive Realität. eines. Begriffes erfor⸗ dert -eine Urſache, im welcher diefelbe Realität nicht bloß objek⸗ tiv” (als im Endlihen), „fondern formalitee” (frei, rein. für fich felbft, außer uns) „oder eminenter” (und als urfprünglich) „enthalten if.“ (Ur. VIII: „In der Urſache als folder if die Realität formell oder eminenter.”) „Wir haben aber. einen Begriff von Gott, feine objektive Realität ift aber in ung weder formell nod) eminenter enthalten, ‚und kann alſo nur in Gott

on ſeyn. +) | U

*) Rosp. ad sec. obj.: Rat. more geom. disp. Ax. VW v, p. 88 (p. 458 459); Spinoza: Princ. phil, Cart., Ax. VIIIA 1X, p. 16.

##) Resp! ad sec: obj.: Rat. more geom. disp, Propos I, p- 8 (p. 460 - 461).

RR) Spinoza, Princip. philos, Cart., Ax. VI, p. 16: In omnis rei idea sive conceptu continetur existentia vel possibilis, vel necessaria: ne- cessaria in Dei, sive entis summe perfecti conceptu; nam alias coneipe- retur imperfectum.-

7) Spinora: Princip. philos. Cart, Propos. VI, p. %, et Ax, vor,

1

350 Dritter Theil. Neuere Philo ſophie.

Wir fehen dann, daß diefe Idee eine, Vorausfegung ift, Wir finden in uns diefe Idee, würde man jetzt fagen; daf dies ſes iſt, das iſt die höchſte Idee. Es iſt alfo ſo voransgefegt; und wenn wir fragen, ob dieſe Idee exiſtire, fo ſoll gerade dieh die Idee feyn, dag damit auch die Erifienz geſetzt iſt. Sagt

‚man nämlich, es iſt nur eine Vorftellung: fo widerfpricht es

dem. Inhalte der Vorftellung. Aber es befriedigt hier nicht, da die Vorftellung ſo eingeführt wird: Wir: Haben diefe Vorſtel⸗ lung, daß fle mithin fo als ein Vorausgefegtes erſcheint. Sodann- ift nicht von diefem Inhalt an ihm ſelbſt gezeigt, dag er ſich zw diefer Einheit des Denkens und Seyus beftimmt. «Es iſt hier in der Form von Gott Feine andere, Vorftellung (gegeben, als: die. in’ Cogito, ‚ergo sum, Seyn und) Denken. ungers trennlich verbunden; hier haben wir die Geſtalt einer- Vorſtel⸗ lung, die ich in mir habe. Der ganze Inhalt dieſer Vorſtel⸗ lung, der Allmãchtige, Allweiſe 1.,f:. ſind Prädikate, die ſich erſt fpäter ergeben; der Inhalt ſelbſt iſt der Inhalt der. Idee, mit der Exiſtenz / mit der Wirklichkeit verbunden. So ſehen wir dieſe Beſtimmungen auf einander folgen auf eine Weiſe, die empiriſch iſt, die alfo nicht philofophifh beweifend iſt, in der apriorifchen Metaphyſik überhaupt Borausfegungen von Vorſtel⸗ kungen und fle denken, wie in der Empirie Verſuche, Beobach⸗ tungen, Erfahrungen.

Eartefius fagt dann: „Und dieß glaubt der Geift um fo mehr,” ift um fo fefler von diefer Einheit überzeugt, „wenn er bemerkt, daß er die Vorftellung von keinem anderen Dinge bei fi findet, worin die Eriftenz als nothiwendig enthalten fey. Daraus wird er einfehen, daß jene Pee des höchſten Weſens nicht von ihm erdichtet, noch etwas Chimärifches, fondern eine wahrhafte und unveränderlihe Natur, die nicht anders als exiſti—

p 16; Cartesii Resp. ad sec. obj.: Rat. more geom. dispos., Pro-

pos. II, p. 89 (p. 461 462), et Ax. V, p. 88 (p. 458).

Zweiter Abfchnitt. Philofophie des Descartes. 351

ren kann, da bie nothwendige Eriftenz in ihr enthalten ifl. Unfere Borurtheile hindern uns daran, dieß leicht feflzuhalten, da wir gewohnt find, bei allem Anderen die Eſſenz“ (Weſen, Begriff) „von der Eriftenz zu: unterfcheiden.“ *%) Darüber, dag das Denken nicht untrennbar ſey von der Eriftenz, ifl das: ges wöhnliche Gerede: „Wenn das wäre, was man ſich denkt, fq würde es anders’ fliehen.” Aber man berüdfichtigt hierbei nicht, daß das immer ein beſonderer Inhalt iſt, und daß darin gerade das Weſen der Endlichkeit der Dinge beftcht,. daß Begriff und Seyn trennbar find. Wie fann man aber von endlihen Din- gen auf das Unendlihe ſchließen?

„Ferner diefer Begriff,“ fährt Gartefius fort, „ift nicht von uns gemacht.” Wir finden in uns diefe Vorftellung; es ift eine ewige Vorftellung, eine ewige Wahrheit, daſſelbe, was jest gefagt wird, daß es in uns geoffenbart if. „Mir finden in uns die Perfektionen nicht, die in dieſer Worftellung. Alfo find wir gewiß, daß eine Urſache, worin alle Perfektion, Gott als real exiſtirend, ſie uns gegeben; denn es ift uns ge- wiß, daß ans Nichts Nichts entfiche” (nah Böhme hat Gott die Materie der Welt aus fi felbft genommen), „und was volltommen, nicht die Wirkung von etwas Unvollkommenem feyn könne.“ %*) Der Beweis der Eriftenz Gottes aus feiner Idee ift: In diefem Begriff ift das Dafeyn enthalten; -alfo iſt es wahr. „Bon ihm müffen wir in der wahrhaften Wiffenfchaft alle erfhaffenen Dinge ableiten.” ***)

Mit dem Ermweife des Dafeyns Gottes wird zugleich die Evidenz aller Wahrheit in ihrem Urſprunge und in ihrer Gül- . tigkeit begründet. Gott als Urſache ifl das Fürſichſeyn, Die Realität, die nicht die Entität, Exiſtenz im Denken if. Eine ſolche Eriftenz, die Urſache (nicht Sache überhaupt), liegt im %#) Principia philosophiae, P. I, 6. 15—46, p. 4—5 (p. 73—74).

#%#) Ibidem, 6. 18, p. 5 (p. 74 75). #RR) Ibidem, $. 24, p. 7 (p. 78 79).

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352 > Deitter, Theil, Neuere Philoſophie.

Begriff des Nicht⸗Ich, nicht jedes beftimmten Begriffs, denn. dieſe als: beftimmte find Negationen, fondern nur der reinem Eriftenz, oder. der vollfommenen Urſache. Sie if Urſache der. Wahrheit, der Ideen; denn fie. eben ift die Seite, des. Seyns derfelben. " de Das Vierte iſt nun, daß -Cartefius ſagt: „Was ung von Gott geoffenbart iſt, müſſen wir glauben, ob wir es gleich nicht begreifen. Es iſt nicht zu verwundern, da, wir, endlich, daß in Gottes Natur als unbegreiflich Unendliches iſt, das über uns ſere Faſſung geht.” Das iſt denn ein Hereinfallen einer ger wöhnlichen Vorſtellung. „Deswegen müſſen wir uns nicht mit unterſuchungen über das Unendliche ermüden ;. denn, da, wir end⸗ lich, iſt es ungereimt, etwas darüber zu beſtimmen.“ *),, So 3: B. die Freiheit des Willens und die göttliche Präſcienz, Beides iſt uns gewiß; er iſt nicht verlegen, wie ſich dieß wereinz bare, #*), Das aber laſſen wir jetzt. Das Myſterium der Dreieinigkeit wird immer im uns geboren, fagt Böhme, ***) „Das erfte Attribut Gottes,“ in dem diefe Einheit; ift, „iſt nun, daß er wahrhaftig ift, und, der. Geber alles Lichts;, es iſt feiner Natur alfo ganz zuwider, daß er uns täufht. Daher das Licht der Natur oder das Erkenntnifvermögen, von Gott uns gegeben, kann kein Objekt berühren, das nicht wahr wäre, ins . fofern es von ihm“ (dem Erkenntnifvermögen) „berührt würde, d. i. deutlich und klar eingefehen wird.” Gott fehreiben wir Wahr: haftigkeit zu. Daraus folgert er alfo das Band zwiſchen dem Erkennen und der Wahrhaftigkeit, Objektivität deffen, was wir erkennen. Das Erkennen hat Gegenftände, hat einen Ins halt, der erkannt wird; diefen Zufammenhang heißen wir dann Wahrheit. Die Wahrhaftigkeit Gottes iſt gerade diefes, die Einheit des Gedachten und des Seyenden. „Dadurd wird nun #*) Principia philosophiac, P. I, $. 24— 26, p. 7 (p. 79 80).

#®) Ibidem, $.39— 41, p. 10—11 (p. 86— 88). wm) S. Oben, $. 328.

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354 Dritter Theile Meere Philofophie.

Was gedacht wird richtig und klar, das iſt ſo. Es ift alfo ausgeſprochen, daß der Menſch durch das Denken erfahre, was in der That an den Dingen iſt. Die Quellen der Jrrthümet liegen in. der Endlichteit unſerer Natur. *) In der weiteren Ausführung liegt bei Carteſius das zu Grunde, was überhaupt gedacht, und nur sinfofern es ein Gedachtes, Allgemeines iſt, Wahrheit Habe. Hiermit iſt Gottes: Wahrhaftigkeit zum ‚abfo- luten Bande, zwifchen dem abfoluten Erkennen und der Wirk⸗ lichkeit deſſen, was fo erfannt wird, geſetzt. Daß dieſes erſte Attribut Gottes das Band iſt zwiſchen dem ſubjektiven klaren und deutlichen Denken und der, Objektivität, hat ein Carteſia⸗ ner, wenn man ihn anders ſo nennen darf, Malebranche, den man hier gleich erwähnen könnte, **) in feiner Recherche ‚de la verite, wie wir fehen werden, noch beſtimmter ausgedrückt, noch enget zuſammengezogen. Wir) haben. hier dieſen Gegenſatz ſubjektives Erkennen (und die Wirklichkeit. Das Eine Mal iſt geſagt, ſie ſind beide unzertrennlich verbunden; Denken iſt Seyn Das andere Mal werden fe verſchieden betrachtet; da tritt nun das Bedürfnif ein, ſie zw vermitteln.‘ Auf dem Vermitteln be⸗ ruht der Beweis dieſer Einheit. Hier iſt nun unſer Erkennen vorgeſtellt, und auf der anderen Seite die Wirklichkeit; als das Vermittelnde wird die Wahrhaftigkeit Gottes geſetzt. Dieſe Wahr: haftigteit oder die Wahrheit Gottes ift, daß feine Idee unmit⸗ telbar die Wirklichkeit in ſich enthält; Begriff und feine Realität nennen wir Wahrheit: Dieß find fo die Grundbeftimmungen. Dieß iſt die Idee, die in diefer Metaphufit zu Grunde liegt: @) Bon der Gewißheit feiner felbft zur Wahrheit zu kom⸗ men, im Begriffe des Denkens das Seyn zu erkennen. In je— nem Denten „Ih. denke“ bin ich Einzelner; das Denten als

*) Prineipia philosophiae, P. I, $.35—36, 38, p. 9—10 (p. 84— 85, 86); Medirationes, IV, p. B—% (p. 295 37).

*#) In den Vorlesungen von 483% ist die Philosophie des Malebranche gleich. hier eingeschoben.

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Descartes. 355

ein ſubjektives ſchwebt vor: nicht im Begriff des Denkens ſelbſt

wird das Seyn aufgezeigt, zur Trennung überhaupt fortgegan⸗ gen. 6) Das Negative des Seyns ſür das. Selbſtbewußtſeyn ſchwebt ebenſo vor; und dieß Negative, vereinigt mit dem poſi⸗

tiven Ich, iſt als an ſich vereinigt in einem Dritten, in Gott

geſetzt. In ihm. iſt Denken und Seyn daſſelbe; eben im Ne⸗ gativen, im Begriffe, Gedachtſeyn deſſelben iſt das Seyn.

ce): Ein Eimpurf iſt ſchon alt, auch kantiſch, daß aus dem |

Begriffe des: vollkommenſten Weſens mehr nicht folgt, als daß im. Gedanken Daſeyn und vollkommenſtes Wefen ‚verknüpft .find, nicht aber: :aufer: Dem Gedanken. Allein eben der Begriff des Daſeyns ift dieß Negative des Selbſtbewußtſeyns, nicht außer dem Gedanken; fondern Gedanke von dem Außerdem Denken. PB) Gott vorher. Moglichkeit, Fein Widerſpruch bat ges genftändliche. / Form für. das Selbſtbewußtſeyn, iſt alle Realität, infofern ſie pofitin, d. H. eben Seyn, Einheit des Denkens und Seyns, volllommenfes Wefen. Seyn nimmt er nun in dem ganz poſitiven Sinne, und hat nicht den. Begriff davon, daf es eben das Regative. des Selbſtbewußtſeyns iſt.

2. Das einfache Seyn als Negatives des Selbſtbewußtſeyns geſetzt, iſt es die Ausdehnung; und Descartes negirt alſo von Gott die Ausdehnung, *) bleibt bei dieſer Trennung ſtehen, ver⸗ knüpft das Univerſum, die Materie, fo mit Gott, daß cr Schöp⸗ fer, Urſache deffelben fey, **) und hat den richtigen Gedanken, dag die Erhaltung eine fortgefeste Schöpfung ift, ***) fofern die Schöpfung als Zhätigkeit getrennt gefegt wird: aber führt eben‘ die Ausdehnung nicht auf wahrhafte Weife zurüd in das. Denten.

®) Principia philos., P. I, $. 23, p. 6—7 (p. 78); Spinoza: Princip. philos. Cart., Prop. XV1, p. 36— 37; Prop. XXI, p. 38.

%##) Princip. philos., P. I, $. 22, p. 6 (p. 77— 78); Spinoza, l. 1. Corollar. II, p. 30 31. ®RH) Recponsiones quartae, p. 13 (p. 70); Spinoza, 1. I. Co-

roll. 1, p. 3. 23 *

356 Dritter Theil. Neuere Philofophie-

Gott iſt die Urſache des Univerfum’s. Die Materie ausgedehnte Subftanzen fleht ‘den dentenden Subflanzen ges genüber, die einfach find. Sofern das Univerſum von Gott erſchaffen iſt, konnte es nicht ſo vollkommen ſeyn als feine Ur⸗ ſache. (Die Wirkung iſt unvolltommener als die Urſache, iſt Geſetztſeyn, wenn beim Verſtandesbegriffe der Urſache ſtehen ge— blieben wird; Ausdehnung iſt ſchon das Unvolltommenere, aber nicht deducirt) Als unvollkommen können fie nicht durch ſich ſelbſt oder ihren Begriff exiſtiren und beſtehen; ſie bedürfen alſo jeden Moment der Aſſiſtenz Gottes zu ihrer Erhaltung, “ohne diefe würden: fe augenblicklich in Nichts zurüdfinten. Ethal-⸗ tung: ift unaufhörliche Wiederhervorbringung. *)

Descartes geht nun zu weiteren Beftimmungen fort, und fagt Folgendes: „Das, was unter unſer Bewußtſeyn fällt, bes trachten wir entweder als Dinge ‚oder deren Eigenſchaften, oder als. ewige Wahrheiten, die feine Eriftenz aufer unferem Denten haben,” **) die nicht diefer ober jener Zeit, diefem ober jenem‘ Orte angehören. Die legten nennt er nun ung eingebo⸗ zen, die nicht von uns gemacht find, nicht empfunden, ***) und der ewige Begriff des Geiſtes felbft, und die ewigen Beftims mungen feiner Freiheit, feiner felbft als feiner, find. Bon hier geht die Vorftellung aus, ob die Jdeen angeboren find (inna- tae ideae). So fagt Cicero, die Natur habe fle in uns ges pflanzt. Diefer Ausdrud, ewige Wahrheit, ift bis auf die neues fin Zeiten ganz gebräudlih. Ewige Wahrheiten find allge meine, ganz allgemeine Befliimmungen, ganz allgemeiner Zus fammenhang; und von diefen ift hier vorgeftellt, daß fie uns angeboren find. Angeboren ift ein ſchlechter Ausdrud, weil dieß eine natürliche Weife bezeichnet; er paßt nicht für den Geiſt,

#) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band III, Abth. 4, 5.17 18. #%#) Prineipia philosophiae, P. 1, $. 48,.p. 12 (p. 92). ###) Meditationes, Ill, p. 17 (p. 48 269).

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Descartes, 357

wegen der phofifchen Geburt. Wir würden fagen, es liege die in der Natur, im Weſen unferes Geifls begründet. Der Geift ift.thätig, und verhält ſich in feiner Thätigkeit auf eine beftimmte Weiſe; diefe hat aber. keinen anderen Grund, als feine Freiheit. Daß dieß aber fo ſey, dazu gehört mehr, als es nur zu fagen; es müßte abgeleitet werden als nothwendiges Produciren unſeres Geiftes. Diefe ewigen Wahrheiten find für ſich. Solche lo⸗ gifche Befege find 3. B.: „Aus Nichts wird Nichts;“ „Etwas kann nicht zugleich ſeyn und nicht ſeyn.“ *) Das find Fakta des Bewußtſeyns; ebenfo moralifche Grundfäge. Carteſius ver⸗ Läßt diefe bald wieder; fie find nur im Denken als fubjettivem, er bat noch nicht nad ihrem Inhalt gefragt.

Was num die Dinge betrifft, zu deren Betrachtung Carte⸗ fius übergeht, das Andere zu diefen ewigen Wahrheiten: fo find die allgemeinen Beflimmungen der Dinge Subflanz, Dauer, Drönung.w. f. f.**) Bon diefen giebt er dann Definitionen. Er legt zum Grunde, man müſſe feine Borausfegungen machen; und die Vorftellungen, zu denen er dann übergeht, diefe nimmt er als ein Gefundenes auf in unferem Bewußtfeyn. Er definirt fie; die allgemeinen Gedanken, Kategorien, wie Ariftoteles, fucht ee auf. Er definiert nun die Subſtanz fo: „Unter Subflanz verfiche ich nichts Anderes als eine Sache (rem), die keines anderen Etwas zum Erifliren bedarf; und als eine folde Sub» flanz, die keiner anderen Sache bedarf, kann nur eine einzige angefehen werden, nämli Gott.” Das if, was Spinoza fagt; man kann fagen, es ſey auch die wahrhafte Definition, die Ein- heit der Idee und der Realität. Solche Subftanz ift nun Gott; die anderen, die wir Subflanzen nennen, exiſtiren nicht für fich, haben ihre Eriftenz nit im Begriff felbf. „Alle anderen“ (Dinge) „können nur vermöge eines concursus” (einer Aſſtſtenz)

%#) Principia phılosophiae, P. I, 6. 49, p. 13 (p. 93). *#) Ibidem, $. 48, p. 12 (p. 92). '

358 Dritter Theile ‚Neuere Philoſophie.

„Dei erifiiren.“ Das Zuſammenkommen von Seele und Leib bewirke ſo Gott; das nannte man Syſtem der Affiftenz. "Gott iſt das abfolut Werknüpfende von Begriff und Wirklichkeit; die Anderen, die Endfichen, die eine Grenze haben, in Abhängigkeit fehen, bedürfen eines Anderen; die allgemeine Verknüpfung ift min) Gott. „Helfen wir daher auch andere Dinge Subflangen, | fo kommt ihnen und Gott diefer Ausdruck nicht, wie man in den Schulen fagt, univoce zuz 'd. h. es kann Feine befiimmte Bedeutung diefes Worts angegeben werden, die Gott und den Kreaturen gemeinſchaftlich wäre.“ *)

Ich⸗ anerkenne aber nicht mehr als zweierlei Gattungen der Dinge: nämlich die eine iſt die Gattung der denkenden, und die andere die Gattung der Dinge, die fich auf das Ausgedehnte beziehen. “*#) Da haben wir 'diefen Unterſchied dom Denten und vom Yusgedehnten, Räumlichen, Außereinander) Das Denz ten, Begriff, Geifliges, Selbſtbewußtes iſt das, was bei ſich iſt, und hat den Gegenſatz des Nichtbeiſichſelbſtſeyenden, Ausgedehn⸗ ten, Unfreien. Dieß iſt der reale Unterſchied (distinctio realis) der Subſtanzen: „Die Eine kann deutlich und beſtimmt gefaßt werden (intelligi) ohne die andere.” ***) „Die körperliche und die dentende erfhaffene Subftanz können aber darum unter dies fen gemeinfhaftlihen Begriff. gefaßt werden, weil fie Dinge find, die allein Gottes concursus zum Exiſtiren bedürfen.” F) Sie find allgemeiner; die anderen endliden Dinge bedürfen anderer Dinge, Bedingungen zu ihrer Exiſtenz. Aber die ausgedehnte Subftanz, das Reich der Natur, und die geifiige Subftanz be— dürfen einander nicht. FF) Man kann fie Subflanzen nennen, weil Jedes diefer ganze Amfang, eine Totalität für ſich ift;

%) Principia philosophiäe, P. 1, $. 51, p. 14 (p. 95). #6) Ibidem, $. 48, p. 12 13 (p. 92). #3) Ibidem, $. 60, p- 16 (p. 101). #) Ibidem, $. 52, p. 14 (p. 95). +) ' Ration. more geometr. dispos., Definit. X, p. 86 (p. 451).

Zweiter. Abſchnitt. Philoſophie des. Descartes. 359

Jedes der Beiden, das Ganze jeder Seite, kann ohne das Ans dere gefaßt werden. Diefe bedürfen nur der Konkurrenz Got⸗ tes; d. b. das Reich des Denkens ift eine Totalität in- fi, und die Ratur iſt ebenfo ein totales Syſtem. Darum find fie alfo auch (ſchloß nun Spinoza) an. fi identifh, abſolut identiſch als Gott, die abſolute Subſtanz; für den denkenden Geiſt iſt dieſes Anſich Gott, oder ihre Unterſchiede find ideelle. Cats tefius geht vom Begriff Gottes zum Erſchaffenen, Denten und Ausdehnung, und von da in’s Beſondere.

: „Die Subftanzen haben nun mehrere Autribute, ohne 1 die fie nicht gedadht werden können,” ihre‘ Beflimmtheitz „jede hat aber.ein foldhes eigenthümliches, das ihre Natur und Effenz - ausmacht,” einfache, allgemeine Beftimmtheit, „und worauf fi. die anderen alle beziehen. So macht das Denten das ab» jolnte Attribut des Geiſtes aus,” Denken if feine Qualität; „Ausdehnung iſt“ die wefentliche Beftimmung der Körperlichkeit, und nur dieß iſt „die wahrhafte Natur des Körpers. Alles Ans dere tft nur .ein Modus, wie Figur, Bewegung im Ausgedehn⸗ ten:. Einbildungstraft, Empfindung, Wille im Dentenden.” *) „Gott ift die. unerfchaffene, dentende Subflanz.“ **)

‚Hier geht nun. Eartefius zum Einzelnen; an der Ausdeh⸗ nung find wieder zwei Beflimmungen, Materie und Bewegung. Er verfolgt das. YAusgedehnte, kommt auf Diaterie, Ruhe, Bes wegung.. Lin Hanptgedante Descartes' ift nun Über die Materie; cr faßt das Mefen des Körpers nur als Ausdeh⸗ nung. Rach Descartes tft die Natur des. Körpers vollendet. durch fein Ausgedehntſeyn; Körper ift er, infofern er ausgedehnt ift, nicht infofern er andere Qualitäten hat. Alles Andere, was wir als: Qualitäten der Körper gelten laffen, find nur fetundäre Qualitäten, Modi u. f. f; ſie können wrggenommen und weg⸗

%) . Principia philosaphiae, B. I, $: 53, p. 14 (p. 96 5) *#) Ibidem, $. 54, p. M (. IM)... -.

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360 nn BDeitter Theil, Neuere Philoſophie.

gedacht werben: Wir ſagen: Der Körper‘ leiſtet auch Wider⸗ ſtand, hat Geruch, Geſchmack, Farbe; ohne ſolche iſt kein Kör⸗ per, Materie, Korperlichteit, Ausdehnung iſt für den Gedanken ‚nach, Carteſtus) ganz daſſelbe. Die körperliche Welt ſoll ge⸗ dacht werden, es ſoll alſo nur dieß von ihr aufgenommen wer⸗ den; das iſt das Weſentliche derſelben, was für den Gedanken iſt. Die weiteren Beſtimmungen des Ausgedehnten halten ſich innerhalb» dieſer Sphãre: Quantum: von: Ausdehnuug, Ruhe, Bewegung, Trägheit. Dieſe anderen Eigenſchaften der Körper ſind etwas blofSinnfiches,; und das weiſt Eartefins nad, wie es ſchon längfi von den Skeptikern gezeigt worden ift.*)

Jenes iſt allerdings, der abftrakte Begriff, oder, das reine Weſen; aber eben’ zum Körper oder in das reine Weſen gehört nothwendig Negativität, Verſchiedenheit. Daß dief das Wefen des, Körpers iſt, zeigt er dadurch, daß alle Beftimmungen deffels ben: ausgelöſcht, keine abfolut prädicirt werden kann (aufer Aus- dehnung): Farbe, Durchfichtigkeit, Härte u: f. f.; Materie und Ausdehnung find identisch. Er unterflügte dieß durch folgen den» Grund. Yufıdie Solidität, Härte, (Fürfichfegn) der Mate tie fehliegen wir duch den Widerftand, den ein Körper unferer Berührung entgegenfegt, und vermöge der er feinen Ort zu bes haupten ſucht. Nun nehme man an, daf die Materie, fo wie wir fie berühren, immer zurüdwide, wie der Raum, fo hätten wir feinen Grund, ihr Solidität beizumeffen. Geruh, Farbe, Geſchmack find nur finnlihe Eigenfhaften; wahr ift nur, was wir deutlich einfehen. Wenn ein Körper in Eleine Theile zer— rieben wird, fo weicht er auch, und verliert doch feine Natur nicht; Widerſtand ift alfo nicht weſentlich.**) Diefes Nichts fürſichſeyn ift aber nur quantitativ geringerer Widerfland; die- fer bleibt immer. Carteſtus will aber nur denken; Widerfland,

*) Prineip. philos., P. I, $.66— 74, p.19—22 (p. 107-417). ##) Ibidem, P. II, $. 4, 3 (p. 123 14).

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362 vr Dritter Theil Neuere Philoſophie.

denn die) mechaniſche Weiſe, die Natur zu betrachten, oder daf dieRatur-Philofophie des Descartes rein mechaniſch ift;*) for daß er alle Verhältniffe auf Ruhe und Bewegung zurück⸗ führt, alte materielle Verſchie denheit / Farbe, Geſchmack auf Mes chanit/ Bewegung von Partitehn Das Verändern der Materie iſt daher «allein die Bewegung; auf den Mechanismus müſſen daher alle körperlichen Eigenschaften und animaliſchen Erſchei⸗ nungen zurüdgeführt werden. Im Lebendigen ſind Verdauung u. ſefolche mechaniſche Effekte, deren Principe Ruhe und Bes wegung find. "Wir )fehen hier alſo den Grund, den Urfprung der mechaniſchen Philoſophie; die Mechanik: iſt von Eattefius ausgebildet worden, "ES iſt aber eine weitere Einficht; daß dieß unbeftiedigend iſt, Materie" und‘ Bewegung nicht hinreicht, um das Lebendige zu erklären. Es iſt aber: das Große darin, daß das Denten im feinen Beſtimmungen fortgeht, und daß es dieſe Gedankenbeftimmungen zu denn Wahrhaften der Natur macht.

Von da geht Descartes zur Mech anik über; Welt-Syftem, Bewegung der himmliſchen Körper betrachtet er. Er kommt nun auf Bewegung und Ruhe, Erde) Sonne u. ſ. f.7**) von da aus auf feine Worftellung der in ſich zurüdgehenden Bewegung der Himmelskörper in der Form von Wirbeln, auf Reflexionen, metaphyſiſche Sypotheſen vom Aus- und Einftrömen, Durchge⸗ ben, Sih-Begegnen u. f. w. kleiner Partikelchen in Poren, *) zulegt aud auf Salpeter und Schiefpulver. F) Zuerft follen die. allgemeinen Gedanken das Intereffe haben; das Andere, was bei der Ausführung in’s Befondere zu bemerken ift, ift dieſes. Das Weitere ift ein Uebergang zum Beflimmten; und dieß Be⸗ fimmte, Phyſikaliſche wird errichtet in’ einer Phyſik, die das

#) Gf. Principia philos, P. II, $. 64, p. 49 (p. 178 179).

##) Ibidem, P. III, $.5—42, p. 51 —63 (p. 183 208). ###) Ibidem, $. 46 s99:, p. 65 599. (p 210 et suiv.); P. IV,

5.1 599, p. 137 599. (p. 30 et suiv.).

D Ibidem, P. 1V,-$. 69, 49145, p. 166, 178—180 (p.388, MIN. J

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des. Descartes: 363 -

Refultat von Brobachtungen und Erfahrungen ifl.. In der weis teren Ausführung geht er ganz auf verfländige Weife fort. Des⸗ cartes hat fo viele Beobachtungen mit einer foldhen Metaphyſik vermiſcht; und dieß iſt für uns daher etwas Trübes. Pro⸗ feſſor Couſin in Paris hat Descartes’ Werke neu herausgege⸗ ben, 11 Bände in Oktav; der größte Theil een in Briefen über phyſikaliſche Gegenſtände.

Bei dieſer Philoſophie iſt die denkende Behandlung des Empirifchen vorherifhend; auf eben diefe Weiſe zeigen:fich die Dhilofophien von diefer Zeit an. Die Philofophie: hatte bei Descartes und Anderen noch die unbeflimmtere Bedeutung, durch's Denken, Nachdenken, Raifonniren zu erkennen. Das. fpekulative _ Erkennen, Ableiten aus dem Begriffe, freie ſelbſtſtändige Ent⸗ widelung des Begriffs. ift erft durch Fichte eingeführt: Es ift fomit das, was jest philofophifihes Erkennen, und. was fonfl wiffenfchaftliches Erkennen: heißt, nicht gefchieden: Es rechnete ſich alfo damals alle menſchliche Wiſſenſchaft zum Philoſophi⸗ ren; und bei Descartes’ Metaphyſik fahen wir das: ganz empi⸗ rifhe Raifonniren aus Gründen, aus Erfahrungen, Thatſachen, Erfcheinungen, ‚auf die naivſte Weife eintreten. Das: Wiffene. fhaftliche dabei: befland überhaupt näher, flrenger in des Mies thode des‘ Beweifens, wie fie in der Geometrie Tängft gebraucht worden, und in der "gewöhnliähen Weiſe des ſornell logiſchen Sartebens, BE on udn kn iR

Daher gefchicht es denn auch, daß das Philoſoptiren, das ein Ganges don: Wiffenfhaften ausmachen ſoll, ‚anfängt von Logik und Metaphyſik; dann der weitere. Theil ift eine gewöhn⸗ liche Phyſik, Mathematik, freilich mit metaphyſtfchen Spekula⸗ tionen vermiſcht; und der dritte, die Ethik, betrifft die Natur des Menſchen, feine Pflichten, Staat, den. Bürger. So Dess cartes. Der erfle Theil der Principia philosophiae handelt De principiis coguitionis humanae, der zweite De principiis

364 ‚Dritter Tpeil. Neuere Philoſophie.

rerum "materialium. *) Dieſe Philofophie über die Ausdeh⸗ nung (die Natur⸗Philoſophie) iſt jedoch nichts Anderes, als was damals eine ganz gewöhnliche Phyſik, Mehanit ſeyn konnte, und noch ganz hypothetiſch· Wir unterfheiden genau empirifche Phyſit und Natur Philoſophie, die erſte iſt auch dentend: die Nat Philoſophie heißt fo immer bei den Engländern —* als was wir Phyſik nennen (Newton).

3: Das Andere iſt Philofophie des Geiftes, zum Theil metaphyſiſch, hernach aber auch empiriſch; Carteſtus hat beſonders die Phyſik ausgebildet: Zu dem dritten Theil, dem ethiſchen, ift er nicht gekommen; Ethit machte er nicht bekannt,

„mie seinen Traftat De passionihus. Spinoza's philoſophiſches Sauptwerk dagegen iſt die Ethik. Bei ihm iſt der erſte Theil auch allgemeine Metaphyſttz den zweiten, die Natur=Philofo- phie, hatıer gar nicht behandelt, fondern nur eine Ethik, Phi— loſophie des Geiftes. And das, was das Erkennen betrifft, den intelligenten Geiſt, das kommt im erfien Theil, in den Princis pien der menſchlichen Erkenntniß vor. So handelt auch Hobbes zuerſt von der Logik, dann von einer ganz gewöhnlichen Phyſik: Sectio I, De corpore: Pars I, Logica s. Computatio; Pars II, Philosophia prima, Ontologie, Metaphyſik; P. II,

Mechanit, Phyſit, menfhlihe Organe. Sectio II follte von der Ratur des Menfchen handeln, Ethik; das Geiftige hat er nicht vollftändig ausgebildet, nur De cive gefährieben. In Descartes’ Metaphyſik ift einem ganz naiv, gar nicht fpekulativ zu Muth. Bei Earteflus war ferner zwar das Princip Denken, aber diefes Denten ift noch abfiratt und einfach; das Konkrete ſteht noch drüben auf der anderen Seite, und konkreteren Inhalt er hielt diefes Denken erſt aus der Erfahrung. Das Bedürfniß, das Beftimmte aus dem Denken zu entwideln, war noch nicht vorhanden.

®) CE. indicem princip. philosophiac.

In

366 netter Theil. Neuere Philoſophie · diget Gedanke, der: weiter ‚von Feiner Ethtblichteit. Wer dem ſcharfen Gegenſate des Denkens und der Ausdehnung iſt jenes mühe: betrachtet als Empfindung, fo daß- dieſe ſich iſollren kann. Das Organiſche/ als Körper, muß ſich anf Ausdehnung redu⸗ riren⸗ Das Weitere iſt ee von den Ber fimmungen) vu mil

BI Die-angeborenen‘ Ideen nennt er die ten; Locke und Leibnitz ſtritten darüber. Es iſt kraſſer Ausdrud, nicht das Allgemeine, wie bei Plato und Späteren, ſondern das, was Evidenz, unmittelbare Gewißheit hat; eine Vielheit des Dentens, mannigfaltige Begriffe in der Form eines Seyns, na= türlich feft, wie Gefühle in's Herz gepflanzt, unmittelbare Vielheit/ die im Denken felbft gegründet if, r

NZ) Das Verhältniß zwiſchen Seele und Körper (fich ſelbſt im Andern, der Materie, ſetzen) iſt nunmehr eine Hauptfrage, eben jene Rückkehr des Gegenſtandes in ſich⸗ In der Meta— phyſit finden ſich viele Syſteme darüber. Das Eine iſt das des influxus physieus, daß der Geiſt ſich auf körperliche Weiſe verhalte, daß der Gegenſtand auf den Geiſt ein Verhältniß hätte, wie die Körper gegeneinander; eine ſolche Vorſtellung iſt ſehr roh. Wie faft Cartefius die Einheit von Seele und Leib? Die erfte gehört dem Denken, der andere der Ausdehnung an: Beide find Subflanz, Keines bedarf des Begriffs des Anderen; alfo ift Seele und Leib unabhängig von einander. Cie können teinen direkten Einfluß auf einander haben. Die Ecele hat nur Einfluß, Wirkfamteit, infofern die Seele des Körpers bes darf, und umgekehrt: d. h. infofern fie wefentlihe Beziehung auf einander haben. Da. aber jedes Totalität ift, fo hat Keines Bedürfniß des Anderen, und ebenfo wenig reale Beziehung dar⸗ auf. Den phyſiſchen Einfluß Beider hat Cartefius alfo konſe⸗ quenter Weife geläugnet; das ift mechaniſches Verhältnig Bei— der. Descartes hat das Spirituelle, Intellektuelle feftgefegt. Im feinem cogito bin ich mir felbft zunächft nur gewiß, ich kaun

368 Dritter Theil Neuere Philofophies

—X 2 His Philoſophie hat ſehr viele unſpekulative Fr dungen genommen; am ihn fließt fi unmittelbar an Spis noza, der zur ganzen Konfequenz durdgedrungen. Er hat vor⸗ nehmlich die sarteflanifdhe Philofophie ſtudirt, in feiner Termi⸗ nologie gefprochen; ‘die erſte Schrift des Spinoza find: „Grund⸗ füge des WEartefius. Die fpinozififje Philo ſophie "verhält: fh zur) Philoſophie des Descartes ·nur als eine konſequente Aus⸗ führung, Durchführung dieſes Princips. Ihm hören Seele und Leib, Denten und" Senn, auf, Beſondere, jedes ein für ſich ſehendes Ding, zu ſeyn. Den Dualismus, der im carteſiſchen Syſtem vorhanden iſt, hob Benediet Spinoza vollends: auf, als rin Jude. Diefe tiefe Einheit feiner Philoſophie, wie fle - im Europa: ſich ausgeſprochen, der Geiſt, Unendlidyes und End» liches: identifd in Gott, nicht als einem Dritten, ift ein Nach⸗ Hang des Miorgenlandes. Die; morgenländifche: Anſchauung der abfoluten Identität ft der europäifchen Denkweife, und näher dem europãiſchen,carteſtaniſchen Philoſophiren unmittelbar nã⸗ her gebracht, darein eingeführt worden.

Zunähft find jedoh die Lebensumftände des Spinoza zu betrachten. Er ift aus einer portwgiefifch- jüdifhen Familie, im Jahre 1632. zu Amſterdam geboren: und hieß mit Vornamen Baruch, den er jedoch in Benedict verwandelte. Er erhielt in feiner Jugend Unterriht von den Rabbinen. Früh jedoch bes tam er ſchon Händel mit den Rabbinen der Synagoge, zu der er gehörte; fie wurden erbittert, weil er fich gegen die talmudi— ſtiſchen Träumereien erklärte. Er blieb bei Zeiten aus der Sy⸗ nagoge hinweg. Die Rabbiner fürdteten, fein Beifpiel werde böfe Folgen haben; fie boten ihm 1000 Gulden zum Jahrges halt, wenn er ihr beiwohnen und ruhig bleiben wollte. Er flug es aus. Ihre Verfolgungen gingen fpäterhin fo weit, daß fie ihn durch Meuchelmord aus dem Wege zu räumen bedacht was

Zweiter Abſchnitt. Benedict Epine. 369

ven; und kaum entging er dem auf ihn gezüdten Dolche. Er verließ fodann die jüdifche Gemeinde förmlich, ohne jedoch zur chriſtlichen Kirche überzutreten. Er legte ſich nun beſonders auf die lateiniſche Sprache, ſtudirte Carteſtus und gab auch eine Darſtellung von deſſen Syſtem, „erwieſen nach geometriſcher Methode,“ heraus, die unter ſeinen Werken iſt. Später ſchrieb er ſeinen tractatus theologico-politicus; dadurch erwarb er ſich eine große Celebrität. *) Es iſt darin die Lehre von der Inſpiration, eine tritifhe Behandlung der moſaiſchen Bücher und dergleichen, befonders aus dem Geſichtspunkte, daß dieſe Ge⸗ fege fi auf die Juden beſchränken. Was fpätere chriſtlicht Theo⸗ logen hierüber Kritifches geſchrieben haben, wodurch gewöhnlich ge⸗ zeigt werden ſoll, daß dieſe Bücher erſt ſpäter redigirt worden und zum Theil jünger ſind als die babyloniſche Gefangenſchaft, ein Haupt⸗Kapitel für die proteſtantiſchen Theologen, womit die neueren- fh vor den älteren auszeichnen und viel Prunk getries ben haben, dieß Alles findet fib fhon in diefer Schrift Spinoza's. | Diefer ging fpäter nad) Rynsburg bei Leyden, und lebte fehr geachtet von vielen Freunden, aber ruhig, von 1664 an, zuerfi in Voorburg, einem Dorfe bei’m Haag, dann im Haag felber, fort, und ernährte ſich felbft durch Verfertigung optiſcher Gläſer; das Licht befchäftigte ihn. Er lebte dürftig: er hatte freunde, auch mächtige Nrotektoren; er ſchlug mehrere große Geſchente, die ihm reiche Freunde (auch Feldherren) anboten, an. Er verbat es fih, als ihn Simon von Bries zum Erben einfesen wollte, nahm ein Zahrgehalt von 300 Fl. von ihm an: ließ fein väterlihes Erbtheil feinen Schweilern Vom Chur- fürften von der Pfalz, Karl Ludwig, der höchſt edel und frei von den Vorurtheilen feiner Zeit, wurde er auch zur Profeſſur

%*) Collectanea de vita B. de Spinoza (addita Operibus, ed. Paulus," Jenas 1802 1803, T. ID), p. 593 604, 632 640.

Geſch. d. Ppil, * * | 24

370 Deister Theil, Neuere Philofephie,

nad Heidelberg (gerufen, wobei, er die Freiheit haben ſolle zu lehren und zu ſchreiben, indem, „der Fürſt ‚glaube, daß er ſie nicht mißbrauchen werde, die öffentlich feſtgeſette Neligion zu beunruhigen.“ Spinoza (in: feinen gedructen Briefen) lehnte dieſes Anerbieten aber mit gutem Vorbedacht ab, weil „er nicht wiſſe, in welche Grenze jene philoſophiſche Freiheit eingeſchloſſen werden müſſe, daf er nicht ſcheine, die Öffentlich, feſtgeſetzte Re— ligion zu verunruhigen“ *) Er, blieb in Holland, einem für die allgemeine Bildung höchſt intereffanten Lande, das zuerſt in Eu— topa.das Beifpieh einer allgemeinen Duldung gab, und vielen Individuen einen Zufluchtsort der Denkfreipeit gewährte ſo ger häffig auch die ‚dortigen. Thrologen, 3. B. gegen Better, *a) Voetius ‚gegen ‚die carteflanifhe Philoſophie wüthete, ***), Hatte dieß doch wicht. die Konſequenz, die es in einem anderen Lande würde gehabt: haben.

Er ſtarb den A. Februar 1677, im 44, Jahre‘ feines AL ters, an der Schwindfucht, an ber er feit lange gelitten, +) übereinflimmend mit feinem Syſteme, in dem auch alle: Befon- derheit und Einzelnheit im der Einen Subflanz verfhwindet. Sein Hauptwerk, die Ethik, kam erſt nach feinem Tode heraus durch Ludwig Mayer, einen Arzt, den vertrauteften Freund des Spinoza. Sie beflcht aus fünf Theilen: der erfie handelt von Gott (De Deo); der zweite von der Natur und dem Urfprunge des Geiftes (De natura et origine mentis). Er behandelt fo nicht die Natur, Ausdehnung und Bewegung: fondern geht von Gott gleih zum Geifle über, zur ethifhen Seite. Das dritte Bud handelt von den Affekten und Leidenfhaften (De origine et natura affectuum); das vierte von den Kräften

#) Collectanea de vita B. de Spinoza, p. 612 628; Spinozae Epistol. LIII et LIV (Oper. ed. Paulus, T. 3), p. 638 640. ##) Bruckeri: Histor. crit. philos. T. IV, P. 2, p. 7119 720. #6) Of. Cartesii Meditationes: Appendix, Epistola ad Gi-

sbertum Voätium (T. XI, p. 3 suiv.). }) Colleetauca de vita B. de Spinoza, p. 668.

Zweiter Abſchnitt. Beuedict Spinoza. 371

derſelben oder der menſchlichen Knechtſchaft (De servitute hu- mana s. de affectuum viribus); endlich das fünfte von der Macht des Berflandes, dem Denken, oder son der menfchlichen freiheit (De potentia intellectus s. de libertate humana), *) Kirchenrath Brofeffor Paulus gab feine Werke in Jena heraus; ih habe auch Antheil an, diefer Ausgabe durch Vtirgleichung von franzöftfcden Leberfegungen. So größen Haß ſich Spinoza bei feinen Rabbinen zugezogen, fo noch größeren bei den chriſt⸗ lichen, beſonders proteſtantiſchen Theologen, zunächſt durch feine Schrift tractatus theologico-peliticus, am meiften aber durch feine Philoſophie, Die wir nun näher zu betrachten haben. Ein proteftantifcher Geiſtlicher, Eolerus, gab eine Lebensbefchreibung Spinoza’s heraus; er eifert zwar ſtark gegen ihn, giebt aber recht genaue und gutmüthige Nachrichten von feinen Verhält⸗ niffen: wie er nur.an-200 Thaler hinterlaffen, was für Schul⸗ den er gehabt habe u. f. w. Beim Imentarium fordert der Barbier no rudfländige Bezahlung vom ‚„mwohlfeeligen” Herrn Spinoza. Der Prediger ftandalifiet ſich darüber, macht zu die- fer Rechnung die Anmerkung: „Hätte. er gewußt, was es für eine Frucht war, er würde ihn wohl nicht wohlfeelig genannt haben.“ **) inter Spinoza's Portrait fest er: Signum re- probationis in vultu :gerens; **#) .. der düſtre Zug eines tiefen Denters, ſonſt mild und wohlwollend: reprobationis als lerdings, aber niit einer pafflven, fondern aktiven Mißbil⸗ ligung der Meinungen, der Irrthümer und der gedantenlofen Leidenſchaften der Dienfiben. '

Bas fein. Syſtem ambettifft, fo ift es fehr einfach, und im Ganzen leicht zu fallen. Eine Schwierigkeit dabei liegt zum

*) Spinozae Opera, T. II, p. 1, 3 not., 33; Collectanea de vita B. de Spinoza, %. 640 641. #%#) Collectanea de vita B. de Spinosa, p. 642 665. u) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band III, Abth. 2, S. 515, Anınerk (ef. Spinozae Opera ed. Paulus, T. I, Praef, p. XV1):

24%

1372 Dritter Theil, "Neuere Philofophie,

Theil in der Methode, in der verſchränkten Methode, in der er ‚feine Gedanken vorträgt, und in dem Beſchränkten der Anficht, wodurd er über Hauptgeſichtspunkte, Hauptfragen unbefriedigend worübergeht. u .

Spinoge's Phils ſophie if die Objettivirung der) ſianiſchen, im der Form der abfoluten Wahrheit. Der einfache ‚Gedanke des ſpinoziſtiſchen Idealismus ift: Was’ wahr iſt, if ſchlechthin nur die Eine Subſtanz, deren Attribute Denten und Ausdehnung (Natur) find; und nur dieſe abſolute Einheit iſt wirklich, iſt die Wirklichteit, nur fie iſt Gott. Es iſt, wie bei Descartes, die Einheit des Denkens und Seyns, oder das; was den Begriff feiner Eriftenz in ſich ſelbſt enthält. Carteſtus Subflanz, Idee, hat wohl das Seyn felbft in ihrem: Begriffe; ‚aber es ift nur das Seyn als abſtraktes Seyn, nicht Seyn als reales Schn oder als Ausdehnung, fondern Körperlichkeiten, An- deres als die Subflanz, Fein Modus derfelben. Ebenſo ift Ich, das Dentende, für ſich, and ein felbfiftändiges MWefen. Diefe Selbſtſtändigkeit der beiden Extreme hebt ſich im Spinozismus anf, und fie werden zu Momenten des Einen abſoluten Wefens. Wir fehm, daß es in diefem Ausdrude darauf ankommt, das Seyn als die Einheit von Gegenfägen zu faſſen. Es if Haupt Intereffe, nicht den Gegenfag wegzulaſſen; er foll nicht mehr auf die Seite geftellt werden, dic NWermittelung, die Auflöfung des Gegenfages ift die Hauptfahe. Der Gegenfag iſt nicht in der Abſtraktion von Endlihem und Unendlichem, Grenze und Unbegrenztem gefegt, fondern Denken und Ausdeh⸗ nung. Wir fagen nit „Seyn;“ denn es if Abſtraktion, die nur im Denken iſt. Denken ift Rückehr in fid, einfaches Gleich ſeyn mit ſich felbft; das ift aber das Seyn überhaupt, ihre Einheit aufzuzeigen, ift alfo nicht ſchwierig. Seyn, beſtimmter - genommen, ift Ausdehnung.

Beurtheilung der ſpinoziſtiſchen Philofophie. a) Man wirft dem Spinozismus vor, er fe Atheismus: Gott und Natur

) nn

Zweiter Abschnitt. Philoſophie des Spinoza. 373

(Welt) ift Eins, Beide: find ‚nicht: geſchteden; er made die Natur zum’ wirklichen Gott oder:;@ott Zus -Ratur, fo dag Gott vers ſchwinde, und nur Natur: gefest: werde. Vielmehr ſttzt Spinoza nit Gott und Natur einander. gegenüber; fondern Denken und Ausdehnung; und Gott ift die Einheit, : die: abfolute Subflanz,

- in welcher vielmehr die Welt, die Ratur untergegangen, vers:

ſchwunden iſt. Die Gegner des Spinoza thun, als ob fle fich Gott :angelegen feyn liefen, als ob es ‚ihnen um ihn zu than. wäre. Den Leuten, die gegen Spinoza ſprechen, ift es aber nicht: um Gott, fondern vielmehr um Endlicyes zu thun, um fich ſelbſt Bon Gott-und vom Endlihen (Wir) giebt es dreierlei Verhält⸗ niffe: 4) Das Endliche iſt und ebenfo nur wir find, und Gott iſt nicht; das iſt Atheismus. So if das Endliche abſolut ge⸗ nommen, es iſt das Subflantielle; Gott iſt dann nicht. 2) Es if nur Gott, das! Endliche iſt wahrhaft nicht, nur Phänomen, Schein. : 3) Gott iſt, und wir find auch; das: if fehlechte, ſyn⸗ thetifhe Bereinigung, das iſt Bergleih der Billigkeit. Jede Seite iſt ſo Fabftantiell als die andere, das ift die Weiſe ber Vorſtellung: Bott hat. Ehre, ift drüben; und ebenfo haben die endlichen Dinge Seyn. Die Vernunft kann bei ſolchem Auch, folder Gleichgültigkeit nicht fliehen bleiben. Das philofophifche Bedürfniß ift daher, die Einheit dieſer Unterſchiede zur faſſen, ſo daß der Unterſchied nicht weggeluffen werde, fondern daf er ewig aus Fr Subflanz Hervorgehe, aber nicht zum Dualismus wer- fleinert werde. Spinoza iſt über diefen Dualismus erhaben; ebenfo iſt es die Religion, wenn wir die Vorftellungen in Ges danken umfegen. Bon den beiden erfien Berhältniffen ift das erfte Atheismus, wenn die Dienfchen die Willkür des Willens, ihre Eitelkeit, die endlichen Naturdinge als das Letzte fegen. Diefes ift nicht Spinoza’s Standpunkt: Gott iſt nur die Eine Subflanz; die Natur, die Welt ift nah einem Yusdrud des Spinoza nur Affektion, Modus der Subftanz, nicht Subflans tielles. Der Spinozismus ift alfo Akosmismus. Das Welt:

3 en Dritten Theil. Meuere Philoſophie ·

wefen; das endiiche Wefen, "das Univerſum, die Endlichteit in nicht das Subſtantielle, vielmehr nur Gott. Das Gegentheil von ‚allem dem iſt waͤht, was die behaupten, die ihm Atheismus Schuld, geben; bei ihm iſt zu viel Goit Iſt Gott die Iden⸗ titãt des Geiſtes und der Natur, ſon iſt zalſo die Ratur, das menſchliche Individuum Gott.“ Ganz richtigl Sie vergeſſen aber, daß⸗ ſie eben: datin aufgehoben «finde können nicht vergef⸗ fenydaf fie: nichts: ſind. Die, welche Spinoza fo verſchwärzen, wollen; alfo nicht Gott, fondern das Endliche, die Welt; erhal⸗ ten haben; ofle nehmen es übel, daß dieſes nicht als) Subflan- tielles gelten; darf, ihten Untergang: nehmen ſie übel.

6)Bweitens Demonftrative Methode. Sie gehört. der Weiſe des; verſtändigen Etkennens ‚an. Esift die geometriſche Methode: Axiome, ‚Erklärungen, Theoreme, Definitionen, Lois, men. vor.) In neueren Zeiten Jacobi) ſtellte mon auf, daß alle Demonſtration, wiſſenſchaftliches Crkennen auf Spinozismus führe, er ſey allein, die konſequente Weiſe des. Dentens;..es müſſe dar bin führen, Defiwegen tauge es. überhaupt nicht, nun das unmit- telbare Wiſſen. Jacobi nimmt Spinogismus auch als Atbeis- mus; weil er darauf ficht, daß: Gott nicht von der Welt unter ſchieden iR.) Aber fagt man dieß, fo bleibt. die Melt im der Vorſtellung perennirend; bei Spinoza .perennirt aber die Welt nicht. Man kann zugeben, daß Demonftration auf Spinozismus führe, wenn: darunter nur die Weiſe des. verfländigen Erkennens verflanden wird. Spinoza ift Hauptpuuft der modernen Philos fophie: entweder Spinozismus oder feine. Philofophie. Spinoza hat: den großen Sag: Ale Beſtimmung ift eine Negation. **) Das Beftimmte if das Endliche: nun kann von Allem, auch vom Denken (im Gegenfag zur Ausdehnung) gezeigt werden, daß es ein Beſtimmtes ift, alſo Negation in ſich ſchließt; ſein

®) Jacobi's Werke: Band IV, Abth. 1, S. 55, 9, 16— 223: ##) Spinozae Epistol. L (T. 1), p. 631.

% Sweher Abſchnitt. Philofophig des Spincozja. 375

Wefentliches beruht. auf Negation. Weil Gott nur das Pofi— tive, Affirmative ifl, fo iſt alles Andere nur Modifikation, nicht an und für fih Seyendes; fo ifl nur ‚Gott die Subſtanz. So hat Jacobi Hecht. Die einfache Determination, Beſtimmung (Regation gehört zur Form) iſt ein Anderes gegen die abfolute Beflimmthelt,. Regativität, . Form. Die wahrbafte Affirmation iſt die Negation der Form; das ift die abfolute Form. Der Gang Spinoza’s iſt richtig; doch iſt der einzelne: Satz falfıh, indem. er nur Eine Eecite der Negation ausbrüdt. Rad der anderen Seite ift die. Regation Regation der Negation, und da⸗ durch Affirmation.

-: 9) Das Princip der Subjektivität, Individualität, Perſön⸗ lichkeit findet ſich dann nicht im Spinozismus, weil die Nega⸗ tion nur ſo einfeitig: aufgefaßt wurde Das Bewußtfeyn, die Religion empört ſich dagegen. Das leibnigifche Princip der Individuation (im den Dionaden) integrirte Spinoza. Der Vers fand hat Beftimmungen, die ſich nicht widerfprehen. Die Nes gation iſt einfache Beſtimmtheit. Die Negation der Negation iſt Widerſpruch, fie negirt die Negation; fo iſt ſie Afftrmation, ebenſo iſt fie aber auch Negation überhaupt. Dieſen Wider⸗ ſpruch kann der Verſtand nicht aushalten; er iſt das Vernünf⸗ tige. Dieſer Punkt fehlt dem Spinoza; und das iſt ſein Man⸗ gel. Spinoza's Syſtem iſt der in den Gedanken erhobene ab- ſolute Pantheismus und Monotheismus. Die abſolute Sub⸗ ſtanz des Spinoza iſt nichts Endliches, natürliche Welt. Dieſer Gedanke, dieſe Anſchauung iſt der letzte Grund, die Identität von Ausdehnung und Gedanke. Wir haben vor uns zwei Be⸗ ſtimmungen, das Allgemeine, das an und für fi) Seyende, und zweitens die Beflimmung des Befonderen und Einzelnen, die Individualität. Run iſt von dem Befonderen, dem Einzelnen nicht ſchwer aufzuzeigen, daß es ein Beſchränktes überhaupt ifl, daß fein Begriff überhaupt von einem Anderen abhängt, daß es abhängig ift, nicht wahrhaft für fich felbft exiſtirend, fo nicht

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376 Dritter Theile Menerc-Philofephie.*

wahrhaft wirtli. In Rücſicht des Beſtimmten hat Spinoza fo den Say aufgeftellt: Omnis determinatio \est/negatioz alfo iſt nur das Nichtbefonderte, das Allgemeine wahrhaft wirklich, iſt nur ſubſtantiell. Die Seele; der Geiſt iſt ein einzelnes Ding; iſt als ſolches beſchränkt; das, wonach er ein einzelnes Ding iſt, iſt eine Negation, und er hat ſo nicht wahrhafte Wirklichkeit. Die einfache Einheit des Denkens bei / ſich felbt ſyrach er nãm⸗ id) ‚als die abfolute Subſtanz aus. m

Dieß iſt im Ganzen die ſpinoziſtiſche Idee. Es iſt ** was bei den Eleaten das 8. *) Es iſt die morgenländiſche Anſchauung, die ſich mit Spinoza zuerſt im Abendlande ausge⸗ ſprochen hat Im Allgemeinen iſt darüber zu bemerken, daß das Denten ſich auf den Standpunkt des Spinozismus geſtellt ha⸗ ben muß; das iſt der weſentliche Anfang alles Philoſophirens.**) Wenn man anfängt zw philoſophiren, ſo muß man zuerſt Spi—⸗ noziſt ſeyn. Die Seele muß ſich baden in dieſem Aether der einen Subſtanz, inıder Alles, was man für wahr gehalten hat, untergegangen if. Es iſt dieſe Negation alles Beſonderen, zu der jeder Philoſoph gekommen ſeyn muß; es iſt die Befreiung des Geiſtes und ſeine abſolute Grundlage. Der Unterſchied von der eleatiſchen Philoſophie iſt nur dieſet, daß durch das Chriſten⸗ thum in der modernen Welt im Geiſte durchaus die konkrete Individualität vorhanden iſt. Bei dieſer unendlichen Forderung des ganz Konkreten iſt nun aber die Subſtanz nicht beſtimmt als konkret in ſich. Da das Konkrete ſo nicht im Inhalt der Subſtanz iſt, fo fällt es hiermit nur in das reflektirende Den⸗ ten; und erſt aus den unendlichen Gegenfägen des letzteren te= fultirt eben jene Einheit. Von der Subftanz als folder ift nichts mehr anzugeben; es kann nur von dem Philofophiren über fie und den in ihr aufgehobenen Gegenfägen geſprochen werden.

#) Vergl. Oben, Band I, S. 2% und 305. 4%) Vergl, Oben, Band I, S. 165.

Zweiter Abſchnitt. Philoſephie des Spinoza. 377

Das Unterſcheidende fällt nur darein, von welcher Art die Ge⸗ genſätze ſeyen, die in ihr aufgehoben werden. Bewieſen bat Spinoza die bei Weitem nicht fo fehr, als es die Alten zu thun bemüht gewefen find.

: Diefe ſpinoziſtiſche Idee it als wahrhaft, als begründet zuzugeben: . Die abfolute Eubftanz ift das Wahre, aber fie ifl no nicht das ganze Wahre; fie muß aud) als in fi thätig, lebendig gedacht werden, und eben dadurch ſich als Geiſt beſtim⸗ men. Die fpinoziftifhde Subftanz iſt die allgemeine, und fo die abftratte Beſtimmung; man kann fagen, es ift die Grundlage des Geiftes, aber nicht als der abfolut unten feftbleibende Grund, fondern als die abflratte Einheit, die der Geift in fi felbft ifl. Mird nun bei diefer Subftanz fichen geblieben, fo kommt es zu feiner Entwidelung, zu Feines Geiftigkeit, Thätigkeit. Seine Philoſophie ift nur flarre Subflanz, noch nicht Geiſt; man if nicht bei ſich. Gott ift hier nicht Eeift, weil er nicht der drei⸗ einige if. Die Subflanz bleibt in der Starrheit, Verfleinerung, ohne Böhme'ſches Quellen. Die einzelnen Beftimmungen in Form von Verfiandesbeflimmungen find Feine Böhm'ſchen Quellgeiſter, die in einander arbeiten und aufgehen. *) In die Eine Sub⸗ ftanz gehen alle Unterfiede und Bellimmungen der Dinge und des Bewußtfeyns nur zurüd; fo, kann man fagen, wird im fpis noziſtiſchen Syſtem Alles nur in diefen Abgrund der Vernichtung hineingeworfen. Aber es kommt nichts heraus; und das Befons dere, wovon er fpridht, wird nur vorgefunden, aufgenommen aus der Borftellung, ohne daß es gerechtfertigt wäre. Sollte es ges rechtfertigt feyn, fo müßte Spinoza es deduciren, ableiten aus feiner Subſtanz; fle ſchließt fi nicht auf, das wäre die Leben digkeit, Geiftigkeit. Was diefem Befonderen nun widerfährt, ifl, daß es nur Modifikation der abfoluten Subflanz ift, nichts Wirkliches an ihm felbfi fey; die Operation an ihm iſt nur

#*) Voerzl. Oben, S. 310 312.

38 ‚Deitter Theil Neuere Philoſophie.

die, es von feinen Beflimmung, ı Befonderung zu entkleiden „es in die Eine abſolute Subſtanz zurüczuwerfen. Dieß ift das Unbefriedigende bei Spinoza. Der Unterſchied iſt äußerlich wors handen, bleibt. äußerli), man begreift nichts davon.) Bei Leib⸗ nig werden wir, das. Entgegengefegte, die Individualität zum Prineipı gemacht irben; . fo daß das ſpinoziſtiſche Spiiem fo ãußerlich integrirt: iſt durch Leibnig. Es ift das. Großartige der Denkungsart des Spinoza, auf alles Beftimmte, Befondere ver⸗ sichten zu können, und ſich nut zu verhalten zu dem Einen, nur dieß achten zu können; es iſt ein grofartiger, Gedanke, der aber nur die Grundlage alter, wahrhaften Anſicht feyn muß. Denn es iſt flarre Bewegungslofigkeit, deren einzige Thätigkeit iſt, Als les im den Abgrund der, Subſtanz zu werfen, in dem Alles nur dahinſchwindet, alles «Leben im ſich felbft vertommt; Spinoza if ſelbſt an der Schwindſucht geſiorben. Dieß iſt das Allgemeine:

Einige nähere) Beſtimmungen find noch zu erwähnen. Die Methode, welche Spinoza zur Darſtellung feiner. Philoſophie ges braucht, iſt, wie. bei Eartefius, die geometrische, die des Euklides, die man am der mathematiſchen Evidenz willen: für die vorzüge lichſte hält, die aber, für fpetulativen Inhalt unbrauhbar, nur bei, endlichen Verflandeswiflenfhaften an ihrem Orte if. Es ſcheint nur Mangel der äußerlichen Form, ift aber Grundman- gel. Spinoza geht in feiner mathematiſch demonfrativen Me- thode von Definitionen aus; diefe betreffen allgemeine Beftim- mungen. And diefe find geradezu aufgenommen, vorausgefegt, nit abgeleitet; er weiß nit, wie er dazu kommt. Die we= fentlihen Momente des Syſtems find in dem Vorausgeſchickten der Definitionen ſchon vollendet enthalten, auf die alle ferneren Beweiſe nur zurüdzuführen find. Aber woher diefe Kategorien, welche hier, als Definitionen auftreten? Die finden wir in ung, in der wiſſenſchaftlichen Bildung. Es wird alio nicht aus der unendlihen Subſtanz entwidelt, daß es Verſtand, Willen, Aus— dehnung giebt; fondern es wird geradezu in diefen Beſtimmun—

Zweiten Abſchnitt. Philoſophie des Spinoza. 379

gen geſprochen. Und das ganz natürlich; denn: cs iſt ja das Eine, wohinein Alles geht, um darin zu verſchwinden, aus dem aber nichts herauskommt.

1. Spinoza fängt mit Definitionen an; es m daraus Folgendes zu. nehmen. |

a Die erfie Definition: Spinne ift die urfade ſe i⸗ ner ſelbſt. Er ſagt: „Unter Urſache feiner ſelbſt (cansam sui) verſtehe ich des, deſſen Weſen“ (oder Begriff) „die Exiſtenz in: ſich ſchließt, oder was nicht auders gedacht werden kann, denn als exiſtinend.“ ) Die Einheit des Gedankens und der Exiſtenz iſt ſogleich von vorn herein aufgeſtellt (das Weſen iſt das All⸗ gemeine, der Gedanke); um dieſe Einheit wird es ſich ewig han⸗ deln. Causa aui iſt ein wichtiger Ausdruck. Wirkung wird der Urſach entgegengeſetzt. Die Urſach ſeiner ſelbſt iſt die Urſach, die wirkt, eia Anderes ſeparirt; was ſie aber hervorbringt, iſt fie ſelbſt. Im Hervorbringen hebt fie den Unterſchied zugleich auf; das Segen ihrer als eines Anderen iſt der Abfall, und zu⸗ gleich die Negation dieſes Verluſteg. Es iſt dieß ein ganz ſpe⸗ kulativer Begriff. Wir ſtellen uns vor, die Urſache bewirkt et⸗ was, und die Wirkung iſt etwas Anderes, als die Urſache. Hier hingegen iſt das Herausgehen der Urſache unmittelbar aufgehg⸗ ben, die Urſache feiner ſelbſt producirt nur ſich ſelbſt; es iſt dieß ein Grundbegriff in allem Spekulativen. Das iſt die unend⸗ liche Urſache, in der die Urſache mit der Wirkung identiſch iſt. Hätte Spinoza näher entwickelt, was in der causa sui liegt, ſo wäre ſeine Subſtanz nicht das Starre.

b. Die zweite Definition iſt die des Endlichen. „End⸗ lich iſt dasjenige, was durch ein Anderes feiner Art begrenzt wird.” Denn es hat daran ein Ende, iſt da nicht; was da ifl,. ift ein Anderes. Die Undere muß aber gleicher Art feyn. Denn die, welche ſich begrenzen wollen, um fi begrenzen zu konnen,

#) Eihices P. I, Definit. I (T. IT), p. 39.

380 Diiuer Tpeile Meuere Philofophier · · müſſen eine Grenze, mithin Berührung, Beiehimg auf · einander haben: · d. hu von Einer Art fehn; "auf gleidem Boden⸗ ſtehen, eine gemeinſchaftliche Sphäre haben. Das indie) afflemative Seite der Grenze.) „Der Gedanke, wird ſomit“ ni /durch ei⸗ nen anderen Gedanken, der Körper durch einen anderen Körper begrenzt+ aber der Gedanke nicht” etwa , durch den. Körper, noch⸗/ umgekehrt „der Körpewdiirdh "den Gedanken.” #) Das ſahen wir bei Carteſius · Der Gedanke if für ſich Totalitãt amd ebenſo die Ausdehnung, fie haben nichts mit einander zu thunz fie begrenzen einander nicht, jedes ift das in ich" ·eſchloſſene Begiehung auf Anderes iſt Grenze nl mn mm Ahlen re Die dritte Deſinition iſt die der Subftanz. Sub⸗ ſtanz beißt, was ·in ſich iR, unde durch fid begriffen wird, oder deſſen Begriff nicht des Begriffs eines anderen Dinges bedarf, von dem es gefaßt wird (a quo” formari debeat),“ ty nicht sein Anderes ’nöthig hat; fohft wäre es endlich, accidentell,; Was ·eines Anderen bedarf / um begriffen zu werden, iſt nicht: ſelbſiſtandig / ſondern von-diefem Anderen abhängig." "1"

> Vierte Definition, Das Zweite der Subſtanz find die Attribute; diefe gehören dazu. „Unter Wttribut verſtehe ich das, was der Verftand vonder Subftanz erfaßt als ihr Weſen ausmachend;“ ***) und nur dieß ift wahr bei Spinsza. Das iſt große Beſtimmung; das Attribut iſt zwar Beſtimmtheit, aber Totalität. Er hat mir zwei, Denken und Ausdehnung. Der Verftand fast fir als das Weſen der Subſtanz; das Weſen ift nicht höher als die Subftanz, fondern fie iſt nur Mefen in der Betrachtung des Verftandes. Diefe Betrachtung ift außerhalb der Subftanz; fie kann in zwei Weifen betrachtet werden, als Ausdehnung und Denken. Jedes ift Totalität, der ganze Ins halt der Subftanz, aber nur in Einer Form; chen darum find

*) Eihices P. I, Definit. II, p. 35. %##) Ibidem, Definit. III. ###) Ibidem, Definit, IV,

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Zweiter Abfihnitt. Philoſophie des Spinoza. 381

beide Seiten an ſich identiſch, unendlich. Dieß ift die wahrhafte Bollendung. Im Attribute faßt der Verſtand die ganze Subflanz. Aber wo die Subflanz zum Attribut übergeht, iſt nicht gefagt.

e. Fünfte Definition. Das Dritte ift der Modus. „Uns ter Modus verfiche ich die Affektionen der Subſtanz, oder das jenige, was in einem Anderen ift, durch das es auch begriffen wird.“ #) Alſo Subftanz iſt durch fid) begriffen; Atteibut iſt nicht das durch ſich felbft Formirte, fondern hat eine Bezichung auf den begräifenden Verſtand, aber infofern er das Wefen bes . greift; Modus. endli, was nicht als das Weſen begriffen wird, fondern durch und in etwas Anders. Diefe drei Momente hätte Spinoza nicht nur fo als Begriffe Hinftellen, fondern fie deduciren müffen. Die drei legten Beſtimmungen find vor⸗ züglich wichtig; fle entfpredhen dem, was. wir beftimmter als All⸗ gemeines, Befonderes und Einzelnes unterfcheiden. Uber man muß fie nicht als formell nehmen, fondern in ihrem konkreten wahrhaften Sinne. Das konkrete Allgemeine ift die Subflanz; das. konkrete. Befondere ift die konkrete Gattung. Water und Sohn find fo Befondere, deren jedes aber die ganze Natur Gots tes (nur unter einer beſonderen Form) enthält. Der Modus ift das Einzelne, das Endliche als foldhes, welches in den äußer⸗ lichen Zufammenhang mit Anderem tritt. Spinoza bat fo ein -Herabfteigen; der Modus ift das Verkümmerte. Der Mangel des Spinoza iſt, daß er das Dritte nur als Modus faht, als ſchlechte Einzelnheit. Die wahrhafte Einzelnheit, Individualität, wahrhafte Subjektivität if nicht nur Entfernung vom Allgemeis nen, das ſchlechthin Beflimmte; fondern es ift, als fchlechthin beflimmt, das Fürſichſeyende, nur ſich felbft Beflimmende. Das Subjettive ift fo ebenfo die Rückkehr zum Allgemeinen; das Einzelne iſt das bei fich felbft Seyende, und fo das: Allgemeine. Die Rückkehr befteht darin, daß es an ihm felbft -das Allge⸗

#) Ethices P. I, Definit. V, p. 35.

3” Dritter Theil, Neuere Philofephie- - meine iſtz gu diefer Nüdtehrräf: Spinoza nicht: fortgegangen. Die ſiarre Subftantialität iſt· das Lege bei Spitze," nicht· die unendliche Form; dieſe kannte er nicht. Es = ea Roi Denten, dem die Beſtimmtheit verſchwindet. * 6/Schflens, dit Definition des mod) wichtig: Das Unendiiche hat die Zweideutigkeit, ob es als unendlich Viele oder als an und für fch Unendliches genommen wird. „Bon dem in ſeiner Art Unendlichen (in suo genere infinitum) tönnen- unendliche, Attribute negirt: werden. Das abſolut Unendliche ift, zu deſſen Eſſenz Alles gehört, was eine Eſſenz ausdrüct und keine Negation enthält.“ *) Gott iſt das abſolut unendliche Mefen; das Unendliche nn Affirmation feiner felbfl. ⸗⸗⸗ Ferner unterſcheidet Spinoza das meii der Imagina- tion (infinitum imaginationis) von dem Unendlichen des Benz tens (infinitum intellectus," infinitum act); ' Die meiften Menſchen kommen nur zum erflenz dich iſt Das ſchlechte Unend⸗ liche, wenn man fagt, „undıfo fort in's Unendliche:“ . B. die Unendlichteit des Raums von Stern zu Stern, die Menſchen wollen erhaben ſeyn, ebenfo in der Zeit. Die unendlichen Reis ben in der Mathematit, der Zahl, find daffelde, Ein Bruch wird als Decimal⸗Bruch dargeftellt, das ift ſchlecht; + ifk das wahrhaft Unendlihe, nicht mangelhaft. Die unendlihe Reihe iſt unvolltommen; der Inhalt ift zwar immer befchräntt. Dieß ift aber die Unendlichkeit, die man gewöhnlich vor ſich hat, wen von Unendlichkeit gefprochen wird; und mag man es auch als erhaben anfehen, fo. ift fie michts Gegenwärtiges, geht immer hinaus ins Negative, ifb nicht actu, Die philoſophiſche Unend⸗ lichteit, das, was actu unendlich ift, if die Afficmation feiner felbft; das Unendliche des Intellerts nennt Spinoza die abfolute Affirmation. Ganz richtig! Nur hätte es beffer ausgedrüdt wer

*) Eihices P. I, Definit. VI, Explicat: p. 36.

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Epinog. . 383

deu können: „Es ift die Negation der Regation.” Spinoza bringt: hier auch zur Erläuterung geometrifche Beifpiele an für den Begriff der Unendlichkeit; . in feinen operibus postumis tommt er z. B. auf eine Figur, als Bild. diefer Kinendlichkeit (auch vor feiner Ethik). Er hat zwei Kreife, ‚die in einander liegen, aber. nicht Toncentrifch find. Die Ebene zwifchen beiden _ Kreifen Tann nicht. angegeben werden, if nicht durch ein beſtimm⸗ tes Verhältniß ausdrüdbar, nicht tommenfurabel; will ich fie determiniren, fo muß ich in's Unendliche fortgehen, eine un- endliche Reihe. Das ift das Hinaus, es ifl immer mangelhaft, mit der Negation behaftet; und doch iſt diefes ſchlechte Unend⸗ liche fertig, beſchränkt, affirmativ, in jener Ebene gegenwär- tig. Das Affirmative iſt ſo Negation der Negation; duplex negatio affırmat, nady der bekannten grammatifchen Regel Der Raum zwifchen: beiden Kreifen ift ein wollendeter Raum, er iſt wirtlih, nicht ein einfeitiger; und doc läßt fih in Zahlen die Befiimmung des. Raums nicht genau angeben. Das Beſtimmen erichöpft nicht den Raum felbfl; und doc iſt er gegenwärtig. - Oder eine Linie, eine befſchränkte Linie beſteht aus unendlich vid⸗ len Punkten: und ift doc, gegenwärtig, ift beflimmt.*) Das Unendliche fol als wirklich gegenwärtig vorgeftellt werden. Der Begriff Urſach feiner felbft ift fo wahrhafte Unendlichkeit. So⸗ bald die Urſach ein Anderes gegenüber hat, die Wirkung, fo ifl Endlichkeit vorhanden; aber hier iſt dieß Andere zugleich aufge- hoben, es ift wieder fic felbft.

g Siebente Definition „Gott if” alfa „das abfolut unendlihe Weſen oder die Subſtanz, die aus unendlichen Attri⸗ buten beficht, deren jedes eine ewige und unendliche Weſenheit (essentiam) ausdrädt.” *#) Das Unendlide if das‘. Unbe⸗ ſtimmte, unendlich, unbefiimmt Viele; nachher tommen bei Sri⸗ noza nur zwei Attribute vor.

#) Ethices pag. 1; Epistol. XXIX, p. 526 532. ##) Eihices P. 1, Definit. VI, p. 35.

384 Drirter Theil. Neuere Philoſophie.

Die ganze fbinopitifche Philoſophie if in dieſen Definitio- nen enthalten; dieß find aber allgemeine Beflimmungen, und fo im Ganzen formell, Das Mangelhafte ift, daß er fo mit Definitionen anfängt, In der Mathematik läft man es gelten, die Definitionen find Voransfegungen; Punkt, "Linle werden vorausgefegt, In der Philofophie foll der Inhalt als das an und für Ad Wahre‘ ertannt werden. Einmal kann 'man die Nichtigkeit der Nominaldefinition zugeben, fo daß das Mort »Subftang“ diefer Vorſtellung entſpreche, welde die Definition angiebt. Ein Anderes ift es, ob diefer Inhalt an und für ſich wahr ſey. Solde Frage macht man bei geometrifchen Sägen gar nicht. Bei philoſophiſcher Betrachtung ift dieß aber die Hauptfache. Das hat Spinoza nicht gethan, Er hat Definte tionen aufgeftellt, welde diefe einfachen Gedanken erklären, als Kontretes darfiellen. Aber das Erforderliche wäre gewefen, zu anterfuchen, ob diefer Inhalt wahrhaftig wäre. Scheinbar iſt nur die Wortertlärung angegeben; aber der Inhalt’ der darin iſt, gilt, Aller andere Inhalt wird nur darauf zurüdgeführt; fo tft diefer erwiefen, Aber von dem erfien Inhalt ift aller an⸗ dere abhängig (2öjornrar bei Ariftoteles). „Das Attribut iſt das, was der Verfland von Gott denkt.” Mo kommt der Vers fland her (außer Gott), der ſolche Betrachtung macht? So geht Alles nur hinein, nicht heraus; die Belgimmungen find aus der Subftanz nit entwidelt, fie entſchließt fih nicht zu diefen At⸗ tributen.

2. Der weitere Fortgang, nad diefen Definitionen, find nun Theoreme, Säge. Er beweift vielerlei. Die Hauptſache ift nun, daß Spinoza aus diefen Begriffen erweift, daß nur Eine Subftanz, Gott if. Es ift einfacher Gang, ſehr formelles Beweifen.

a. „Fünfte Propofition: Es kann nicht zwei oder meh— rere Subflanzen derfelben Natur oder defielben Attributs geben.” Dieß liegt ſchon in den Definitionen. Der Beweis ift

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Spinoza. 385

mũhſelige, unnũtze Quãlerei. „Wenn es mehrere” (Subſtanzen deſſelben Attributs). ‚, gäbe, .fo müßten fie von einander unter⸗ ſchieden ſeyn, entweder aus: der Verſchiedenheit ihrer Attribute oder der. Berfhichenheit ihrer Affeltionen” (Dioden). - Denn a) eben die Attribute find es, was der Verfiand als das Mer fen begreift;.. der Begriff dieſes Attributs iſt eben ein Weſen. „Sind fie: durch ihre Attribute unterſchieden, num fo wäre ja der. Sag unmittelbar. zugegeben, daß nur Cine Subflanz defiels ben Attributs if.” . Denn eben die Subſtanz iſt das Weſen, Begriff diefes Attributs, in. ſich, nicht durch ‚Anderes. beſtimmt P) „Wären. fie abes durd ‚ihre Moden unterfhieben, da die Subflanz ihrer Natur nad früher iſt (prior est. natura) als ihre Affektionen: . fo kann ſie, wenn von ihren Affektionen gbs firahirt wird (depositis ergo affectionibus), und ſie nun in ſich, d. i. wahr betrachtet wird (in sg, h. e..vere.cnnsiderata), darnach nicht für unterfhieden betrachtet werden. (hom eiern sonepi ab alia distingui).“ #)

b. „Achte Propofition: Jede. (omnis) Subſtanz i nötße wendig unendlid. Denn fonft müßte fie von einer andes ren ihrer Urt begrenzt werden; alfo gäbe es zwei. Subflangen befielben Uttributs, was gegen die fünfte Propofition.“ **)

„Jedes Attribut muß für ſich begriffen werden,’ die Beflimmtheit, in fi reflektirt. „Denn Attribut. if, was der Verſtand von der Subſtanz faßt als ihr Weſen ausmachend; alſo muß es durch fich gefaßt werden.“ Denn die Subſtanz iſt, was durch fich ſelbſt begriffen wird (ſtehe dritte Definition), „Deswegen dürfen wir nicht aus Mehrheit von Attributen auf Mehrheit der Subſtanzen fließen; denn jedes: ift für fi) be» griffen, ohne Uebergang zu einem anderen,” *##) nicht dur) ein anderes begrenzt.

%#) Eihices P. I, ‚Propos. V, p. 37 38. “%#) Ibidem, Propos. VIII, p. 38— 39. wi) Ibidem, “Propos. X, et Schol. p. 41 —42.

Geſch. d. Phil * * 25

ei; Die Subſtanz iſt untheilden I.) Wenn die Theile die-Ratur: der Subſtanz beibehielten, (fo: 'würde/es) alſo mehrere Subſtanzen derfelben Natur 'geben; was gegen die fünfte Propoſition. 8), Wenn nicht, for hört die unendliche Sübftan auf zu ſeynz was ungereimt.t *. © Ib 28 and de

jaır bitte Pröpofktion: Außer, eskeint Subſtanz · geben/ noch gedacht werden. Da Gott das abſolut unendliche Weſen iſt, von dem kein Attribut, welches die Eſſenz der Subſtanz ausdrückt, negirt werden kann, und da er noth⸗ wendig: exiſtirt; wenn es eine Subſtanz außer Gott gãbeſo müßte, ſie durch ein Attribut, Gottes erklärt“ (begriffen) wer⸗ den.“ Bolglid) hãtte die Subſtanz nicht ihre eigene Weſenheit, ſondern die Gottes; folglich wäre es keine Subſtanz Oder wenn fie doch Subſtauz ſehn ſollte, H, ſo müßte es zwei Sub: fangen deſſelben Attributs geben können; was nach Propoſition V ungereimtäft.) ⸗Daraus folgt denn, daß die ausgedehnte Sache Ges extensa) und die denkende Sache (res cogitähis)“ nicht Sub ſtanzen, ſondern „entweder Attribute Gottes find, oder Af- fettionen feiner Attribute,“ *X) Miit dieſen und dergleichen Beweiſen iſt nicht viel anzufangen.

„Funfzehnte Propoſition: Was iſt, iſt in Gott; und kann nicht ohne Gott ſeyn oder begriffen werden.“ ***)

„Sechzehute Propoſition: Aus der Nothwendigkeit der gött⸗ lichen Natur muß Unendliches auf unendliche Weiſe folgen, d. ü. Alles, was unter den unendlichen Verſtand fallen ann. Gott iſt alfo die Urſache von Allem.” *) Alles diefes iſt ſchon in den Definitionen enthalten. IR diefes zu Grunde gelegt, fo folgt alles Jenes nothwendig. Das Schwierigfte bei'm Spinoza ift, im den Unterfcheidungen, zu denen er kommt, in dem Ber

*) Ethices P. I, Propos. XII, p. 45. %##) Ibidem, Propos. XIV, et Coroll. II, p. 46. ###) Ibidem, Propos. XV, p. 46. +) Ibidem, Propos. XV, et Coroll. 1, p. 51.

Zweiter Abfchnitt. Philoſophie des Spinoza. 387

flimmten, die Beziehung von diefem Beftimmten auf Gott zu faffen, fo daß es noch erhalten würde. *)

Die Hauptfache ift diefe, daß er fagt, Gott, die Subflamz beſtehe aus unendlichen Attributen. Was nun dieſe Methode betrifft, ſo könnte man die unendlichen Attribute Gottes zunächſt als unendlich viele verſtehen. Das iſt aber nicht; Spinoza er⸗ kennt und ſpricht vielmehr nur von zwei Attributen. „Abſolut unendlich,“ d. h. poſitiv nach Spinoza, wie ein Kreis vollen⸗ dete gegenwärtige Unendlichkeit in ſich iſt. Denken und Aus⸗ dehnung find nun dieſe beiden Attribute, die er Gott beilegt: | „Bott ift eine dentende Sache (res cogitans), weil alle einzelne Gedanken Modi find, die Gottes Natur auf eine gewiffe und beftimmte Weife ausdrüden. Gott kommt alfo ein Attribut zu, defien Begriff alle einzelne Gedanken in ſich fließen, durch welches fie begriffen. werden. Gott iſt eine ausgedehnte Sache (res extensa) aus denſelben Gründen.“ *#)

Wie dieſe zwei aus der Einen Subſtanz hervorgehen, zeigt aber Spinoza nicht auf: beweiſt auch nicht, warum es nur zwei feyn können. Dieſe find nun, wie bei Carteſius, das Denken und die Ausdehnung. Und er ftellt fie fo vor, daß jedes für fi die ganze Zotalität ift: fo daß Beide daffelbe enthalten, nur einmal in der Korm des Denkens, das andere Mal in der Form der Ausdehnung. Der Berftand nun faßt diefe Attribute auf, faßt fie als Zotalitäten; fie find die formen, unter denen der Verſtand Gott begreift. Ausdehnung und Denken find nun aber nicht in der Wahrheit, fondern nur äußerlicher Weiſe uns terf&hieden; denn fie find Ganze. Das Attribut ift nämlich das, was der Verſtand faßt von der Efienz der Subflanz; den Ver⸗ fland aber rechnet Spinoza nur zu den Affektionen. ***) Beide Ausdrüde befafien ſchon an fih die ganze Effenz; ihr Unterfchied

#) Siehe Unten, S. 391 flg. A) Ethices P. II, Propos. I— II, p. 78—79. ###) Ibidem, P. I, Propos. XXX], Demonstr., p. 62. -

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388 Driter Theil, Neuere Philofophie,

füllt nur in den Verftand, der als Modus teine Wahrheit hat. Daf aber nur Eine Subftanz if, liegt ſchon in der Defini- tion von Subftanz; die Beweife find nur formelle Quälereien, die nur das Verfiehen Spinoza’s zu erſchweren dienen.

Ueber’s Verhältniß von Denten und Seyn ſagt er: Es ifl derfelbe Inhalt, der das Eine Mal unter der Form des Den- tens, und dann des Sehne Äfl. Jedes drüdt daſſelbe Weſen

"aus, nur in der Form, die der Verſtand mit hineinbringt, die

ihm zutommt; das Weſen iſt Gott, beide find dieſelbe Totalität. Nämlich diefelbe Subftanz, unter dem Attribut des Denkens, ift die intelligible Welt unter dem Attribut der Ausdehnung aber, Natur; Natur und Denkeit, beide drüden dafelbe Weſen Gottes aus. Der, wie er fügt, „die Ordnung, das Syſlem der na⸗ türlihen Dinge (ordo rerum) if} daffelbe als die Ordnung der Gedanken (idearum);“*) fie beſtimmen ſich nicht, find un endlich: das Körperliche nicht, den Gedanken, noch umgekehrt. Die dentende und die ausgedehnte Subſtanz find. nur diefelbe Subftanz, welche jegt unter diefem, jegt unter jenem Präditate begriffen wird; es ift ein und daffelbe Syſtem. „So 3. B. der Eirkel, der in der Natur eriftirt, und die Idee des exiſtirenden Cirkels, die auch in Gott if, iſt ein und dieſelbe Sache“ (es ift ein und derfelbe Inhalt), „die“ nur „durch verfchiedene At⸗ tribute erlärt wird (explicatur), Wenn wir daher die Natur entweder unter dem Attribut der Ausdehnung oder des Denkens, oder fonft welches es fey, betrachten: fo werden wir einen und denfelben Zufammenhang der Urfahen, d. b. diefelbe Folge der Dinge finden. Das formale Seyn der Idee des Cirkels kann begriffen werden nur dur den Modus des Denkens, als bie nãchſte Urfache,- und diefer wieder durch einen anderen, u. ſ. f. in's Unendlihe; fo daß wir die Ordnung der ganzen Natur, oder den Zufammenhang der Urſachen, durch das Attribut des

®) Eihices P. II, Propos. VII, p. 82.

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weiter Abfchnitt. Dhilofophie des Spinoja. u 389

Gedankens allen erklären müffen: und wenn fle unter dem At⸗ tribust der Ausdehnung gedacht werden, auch nur unter dem At⸗ - tribut der Ausdehnung gedacht werden müflen, und dieß gilt auch von anderen Urfachen.” *H Es ift Eine abfolute Entwides lung der Subflanz, die das Eine Mal als Natur, dann. in der. Form des Denkens erfcheint.

Dieg iſt nun in diefer Redensweife aufgewärmt worden: An fi if die dentende Welt und die körperliche Welt dafs felbe, nur in verichiedenen Formen. Aber es ift hier die Frage: Wie kommt der Verſtand herbeigelaufen, daß er diefe Formen auf die abfolute- Subftanz anwendet? Und wo kommen diefe beiden formen ber? Es iſt alfo hier gefegt die Einheit des Seyns und des Denkens, und die des Seyns und der Ausdeh⸗ nung; fo daß das dentende Univerfum an fich if die ganze abs folute,. göttliche Totalität, und das Förperliche Univerfum ebenfo. diefelbe Totalität if. Wir haben fo zwei Totalitäten; an ſich find fle daſſelbe und die Unterſchiede find nur Attribute oder Beflimmungen des Verflandes. Die ift die allgemeine Vorftels lung; bie Attribute find eben nichts an fi, keine Unterfchiede an fi. Höher fagen wir, daß die Natur und der Geift vers nünftig ifl; Vernunft ift nicht leeres Wort, fondern fi in ſich entwickelnde Zotalität. | |

An diefer nur Einen Subftanz find Denken und Ausdeh⸗ nung nur Attribute. Daß nun Denken und Seyn an ſich iden⸗ tifh find, daraus hat man fogleich Atheismus ableiten wollen, indem das Geiftige nicht vom Körperlichen verfähieden, Gott alfo zur Ratur berabgefegt fey. Aber Spinoza fest gar nicht Gott mit der Natur identifch, fondern das Denken. Gott aber ifl eben die Einheit des Dentens und Seyns; Gott ift die Einheit felbft, nit Eins von Beiden. Und in diefer Einheit iſt die Beſchränktheit der Subjetivität des Denkens und der Ratür⸗

#) Ethices P. II, Propos. VII, Schol. p. 2 - 83

‚Dritter Theil, Neuere Philoſophie.

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‚gangen; nur Gott ift, alle Weltlihkeit hat Leine

Ran würde alſo fein Syſtem beſſer Atosmismus tönnen. k Pr

tt kann aljo nichts feyn. Von Gott fagt Spi—⸗

und Nothwendigkeit aus: „Gott: ift- die abſolut

in die durch nichts Anderes determinirt iſt; denn er

tallein aus der Nothwendigkeit feiner Natur. Est giebt

Urſache, die ihm äußerlich oder innerlich, aufer der Volle

menpeit feiner Natur, zum Handeln antriebe. Seine Wirt-

iſt aus den Gefegen feiner Natur nothwendig und ewig;

aus feiner abfoluten Natur, aus feinen Attributen folgt, iſt

aus der Natur des Dreicds von Ewigkeit und in

folgt, daß feine drei Winkel gleich zweien reiten find.“

iſt feine abfolnte Macht; actu und potentia, Den-

d Seyn, ift Eins. Gott habe nicht-andere Gedanken, die

j habe erfchaffen können. „Seine Effenz und feine Exiſtenz

Ibe, die Wahrheit” Es bleibt aber ‚bei diefem Alle

nen, Gott wird nicht durch Ziwete beftimmt; befondere

Zwecke, Gedanken dor dem Seyn und dergleichen werden. aufs

gehoben. *) „Wille ift feine freie Urſache, fondern nur eine

nothwendige, nur ein Modus; alfo wird er determinirt von eis

nem anderen.“ **) „Gott handelt nad feinen Endurfaden

(sub ratione boni). Die es behaupten, feinen außer Gott

etwas zu fegen, das von Gott nicht abhängt, auf das Gott in

feinem Wirken ficht, gleihfam als einen Zwed. Wird dieß fo

gefaßt, fo ift Gott nicht freie Urfadhe, fondern dem Fatum uns

terworfen. Ebenfo unftatthaft ift es, Alles der Willkür, einem

gleihgültigen Willen Gottes zu unterwerfen.“ ***) Er wird

nur durd feine Natur determinirt. Die Wirkfamteit Gottes

*) Ethices P. I, Propos. XVII, Coroll. ISII, et Schol,, p. 51 —54; Propos. XX, et Coroll. I, p. 55—56; Propos. XXI, p. 56 57. %®) Ibidem, Propos. XXXII, p. 63. *##) Ibidem, Propos. XXXIli, Schol, II, p. 67 68.

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Sphnoza. 391

iſt fo feine Macht Kpotentia), und' das: iſt die Nothwendigkeit. Er ift dann abfolute Macht im Gegenfage der Weisheit, welche beflimmte Zwede, und fomit Beſchränkungen fegt. Das iſt näm- lich .als befonders eigenthümlich zu merken, daß Spinoza fagt, jede Beflimmung fey eine Negation. So ift es auch etwas End⸗ liches, wenn Bott die Urſache der Welt ifl; denn: die Welt wird bier: als ein Anderes. neben Bott gefekt.

- „Gott iſt die immanente, nicht die vorübergehende (tran-. siens) Urſache,“*) d. i. äuferlihe. „Eine Sache, die zum. Handeln beſtimmt ift, iſt, da Gott die Urfache, nothwendig fo von Gott dazu beflimmt; und die fo beflimmt, Tann fi nicht unbeſtimmt machen.” *) „In der Ratur giebt es’ nichts Zufälliges.” *##) -

. e. Mebergang des Spinoza zu den einzelnen Dingen, befonders zum GSelbfibewußtfenn, zreiheit des Ich. Er giebt feinen Beweis aus dem Begriff der abfoluten Subſtanz. Spi« noza drüdt ſich übers Einzelne fo aus, daß es Zurüdführen aller Dinge, Beſchränktheiten auf die Subflanz iſt, mehr als Fefthalten des Einzelnen, alfo Regativität. Die Attribute: find nicht fire ſich, fondern nur. wie der Verfland die Subflanz in ihren Unterfhieden faßt. Das Dritte find die Modi oder die AUffektionen. Aller Unterfhied der Dinge fällt allein in die Modos. Bon diefen fagt Spinoza: In jedem Attribute find zwei Modi; Ruhe und Bewegung in der Ausdehnung, in dem Denten Verſtand und Wille (intellectus et voluntas). F) Das Einzelne als foldes fält in diefe Modos; fie find es, wodurd fi) das, was einzeln genannt wird, unterfcheidet. Es find bloß Modifikationen; was fi auf diefen Unterfihied bes zieht und dadurch befonders gefest wird, ift nichts an ſich. Jede

%) Ethices P. I, Propos. XVIII, p. 54. *%) Ibidem, Propos. XXVI et XXVU, p. 59, #3) Ibidem, Propos. XXIX, p. 61. +) Ibidem, Propos. XXXII, Demonstr. et Coroll. II, p. 8.

382 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

meine iſt; zu diefer Rückkehr iſt Spinoza nicht fortgegangen. Die flarre Subftantialität iſt das Letzte bei Spinoza, nit die unendliche Form; diefe kannte er nit. Es iſt immer diefes Denten, dem die Beflimmtbeit verfchwindet.

f. Sechſtens, die Definition des Unendlichen if au nod wichtig. Das Unendlihe hat die Zweidentigkeit, ob es als unendlich Viele oder als an und für ſich Unendliches genommen wird. „Won dem in feiner Art Unendlidhen (in suo genere infinitum) können unendliche. Attribute negirt werden. Das

abfolut Unendliche ift, zu deſſen Effenz Alles gehört, was eue

Effenz ausdrüdt und Feine Negation enthält.“ *) Gott ift das

abfolut unendlihe Weſen; das Unendliche ift die Affiematim

feiner felbft.

Ferner unterfcheidet Spinoza das Unendliche der Imagin⸗ tion (infinitum imaginationis) von dem Unendlichen des Der tens (infinitum intellectus, infinitum actu). Die mein Menſchen kommen nur zum erſten; dieß ift Das fehlechte Unend⸗ liche, wenn man fagt, „und fo fort in’s Unendliche:“ 3. B. die Unendlichkeit des Raums von Stern zu Stern, die Menſchen wollen erhaben feyn, ebenfo in der Zeit. Die unendlichen Res

. 8 Jam

ben in der Mathematik, der Zahl, find daſſelbe. Ein Bruh

wird als Decimal⸗Bruch dargeftellt, - das ift ſchlecht; + if das wahrhaft Unendlihe, nicht mangelhaft. Die unendliche Rebe ift unvolltommen; der Inhalt iſt zwar immer beſchränkt. Di ift aber die Unendlichkeit, die man gewöhnlich vor ſich bat, wens von Unendlichkeit gefprodhen wird; und mag man es aud als erhaben anfehen, fo ift fie nichts Gegenmwärtiges, geht immer hinaus in's Negative, iſt nicht actu. Die philoſophiſche Unend⸗ lichteit, das, was actu unendlich if, ift die Affirmation feiner felbft; das Unendliche des AIntellefts nennt Spinoza die abfolute Affirmation. Ganz richtig! Nur hätte es beffer ausgedrüdt wer

%) Ethices P. I, Definit. VI, Explicat. p. 36.

Zweiter Abfchnitt. Philoſophie des Epinoza. 383

deu können: „Es ift Die Negation der Regation.” Gpinoza bringt bier auch zur Erläuterung geometrifche Beifpiele an für den Begriff der Unendlichkeit; in feinen operibus postumis temmt er 3 DB. auf eine Figur, als Bild Ddiefer Anendlichkeit (ash vor feiner Ethik). Er hat zwei Kreife, die in einander liegen, aber wicht Foncentrifch find. Die Ebene zwifchen beiden _ Kreifen kann nicht angegeben werden, iſt nicht durch ein beſtimm⸗ tes Verhãltniß ausdrüdbar, nicht kommenſurabel; will ich fie determiniren, fo muß ich in's Unendliche fortgehen, eine un⸗ endliche Reihe. Das ift das Hinaus, es iſt immer mangelhaft, mit der Negation behaftet; und doch iſt diefes ſchlechte Unend⸗ Kihe fertig, befchräntt, affirmativ, in jener Ebene gegenwär- üg Das Affirmative iſt ſo Negation der Negation,; duplex negatio affırmat, nady der befannten grammatifchen Regel. Der Raum zwifchen. beiden Kreifen ift ein vollendeter Raum, er ifl virklich, nicht ein einfeitiger; und doch läßt fi in Zahlen bie Seftimmung des Raums nicht genau angeben. Das Beſtimmen wihöpft nicht den Raum felbft; und doch iſt er gegenwärtig. Dder eine Linie, eine befchräntte Linie beftcht aus unendlich vie⸗ Im Punkten: und iſt doc gegenwärtig, ift beftimmt. *) Das Unendliche foll als wirklich gegenwärtig vorgeftellt werden. Der Begriff Urſach feiner ſelbſt ift fo wahrhafte Unendlichkeit. So⸗ hald die Urſach ein Anderes gegenüber hat, die Wirkung, fo ift Endlichkeit vorhanden; aber bier ift dieß Andere zugleich aufge- hoben, es ift wieder fie felbft.

g Siebente Definition „Bott iſt“ alfo „das abfolut sendlihe Weſen oder die Subflanz, die aus unendlichen Attri- sten beficht, deren jedes eine ewige und unendliche Weſenheit sssentiam) ausdrädt.” **) Das Unendliche ift das Unbe⸗ mmte, unendlid, unbeftimmt Wiele; nachher kommen bei Spi⸗ za nur zwei Attribute vor.

%#) Ethices pag. 1; Epistol. XXIX, p. 526 532. u*x) Eıhices P. l, Definit. VI, p. 35.

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3834 Dritter Theil. Neuere Philofophie. Die ganze fpinoziftifche Philoſophie ift in diefen Definitiss

nen enthalten; dieß find aber allgemeine Beſtimmungen, und -

fo im Ganzen formel. Das Mangelhafte iſt, dag er fo mit Definitionen anfängt. In der Mathematik läßt man es gelten, die Definitionen find Vorausfegungen; Punkt, Linie werden vorausgefest. In der Philoſophie fol der Inhalt als das an und für ih Wahre erfannt werden. Einmal tann man die Nichtigkeit der Nominaldefinition zugeben, fo daß das Wert

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„Subſtanz“ diefer Vorftellung entfpredhe, welche die Definitin

angiebt. Ein Anderes ift es, ob diefer Inhalt an und für fid

wahr ſey. Solde frage macht man bei geometrifhen Säten

gar nit. Bei philofophifcher Betrachtung iſt dieß aber bie Hauptfahe. Das hat Spinoza nit gethan. Er hat Tefinis tionen aufgeftellt, welche diefe einfachen Gedanten erklären, als Kontretes darfiellen. Aber das Erforderlide wäre geweſen, zu unterfuchen, ob diefer Inhalt wahrhaftig wäre. Scheinbar If nur die Worterklärung angegeben; aber der Inhalt, der darin ift, gilt. Allee andere Inhalt wird nur darauf zurüdgefühtt; fo iſt diefer erwiefen. Aber von dem erſten Inhalt ift aller an dere abhängig (Eönornrar bei Ariſtoteles). „Das Attribut iſ das, was der Verſtand von Gott denkt.” Wo kommt der Ber ftand her (außer Gott), der ſolche Betrachtung macht? So geht Alles nur hinein, nicht heraus; die Beſtimmungen find aus de Subflanz nicht entwidelt, fie entschließt fich nicht zu dieſen Ib tributen.

2. Der weitere Fortgang, nad diefen Definitionen, find nun Theoreme, Säge. Er beweift vielerlei. Die Hauptfaht

ift nun, daß Spinoza aus diefen Begriffen erweiſt, dag mw

Eine Subftanz, Gott if. Es ift einfacher Bang, fehr formelle |

Beweifen.

a. „Fünfte Bropofition: Es kann nicht zwei oder meh rere Subflanzen derfelben Natur oder defielben Attributs geben.” Dieß liegt ſchon in den Definitionen. Der Beweis ifl

Zwyweifer Abſchnitt. Phllofophie des Spinoza. 385

mühfelige, unnüge Quälerei. „Wenn es mehrere” (Subflanzen defielben Attributs). „gäbe, fo müßten fle von einander unter⸗ ſchieden feyn, entweder aus der Verfchiedenheit ihrer Attribute oder der. Verſchiedenheit ihrer Affektionen“ (Moden), Denn e) eben die Attribute find es, was der Verſtand als das We⸗ fen begreift; der Begriff dieſes Attributs iſt eben. ein Weſen. „Sind fie durch ihre Attribute unterfhieden, num fo wäre ja ve Sag unmittelbar zugegeben, dag nur Cine Subftanz deſſel⸗ : in Attributs if.“ Denn eben die Subflanz ift das Weſen, Begriff dieſes Attributs, in ſich, nicht durch Anderes beſtimmt. A) „Wären fie aber durch ihre Moden unterſchieden, da bie Lebſtanz ihrer Natur nach früher iſt (prior est natura) als Me Affektionen: fo Tann fie, wenn von ihren Affektionen gbs kapiert wird (depositis ergo affectionibus), und fie nun in fh, d. t. wahr betrachtet wird (in se, h. e..vere considerata), > mad) nicht für unterfhieden betrachtet werben (non poterit | neh ab alia distingus).“ #) b. „Achte Propofition: Jede. (omnis) Subftanz if note ' wendig unendlid. Denn fonft müßte fie von. einer andes tr ihrer Art begrenzt werden; alfo gäbe es zwei Subſtanzen beſelben Attributs, was gegen die fünfte Propofition.“ **) „Jedes Attribut muß für fi begriffen werden,” bie Veſtimmtheit, in fich reflettirt. „Denn Attribut. ift, was der ”-Beefland von der Subftanz faßt als ihr Weſen ausmachend; -dfo muß es durch fich gefaßt werden.” Denu die Subſtanz ift, wos durch fich felbfi begriffen wird (fiehe dritte Definition). ' „Deswegen dürfen wir nicht aus Michrheit von Attributen auf Mehrheit der Subflanzen: fchliefen; denn jedes ift für ſich ber griffen, ohne Ilebergang zu einem anderen,‘ **#) nicht durch ein anderes begrenzt.

#) Eihices P. I, Propos. V, p. 37 38. “%#) Ibidem, Propos. VIII, p. 38 39. ‚W#i#) Ibidem, Propos. X, et Schol. p. 441 —42.

Geſch. d. Phil. ** 25

2386 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

c. „Die Subflanz iſt untheilbar. a) Wenn de Theile die Natur der Subflanz beibehielten,. fo würde es alſo mehrere. Subftanzen derfelden Ratur geben; was gegen die fünfte Propoſition. 8) Wenn nicht, fo hört die unendliche Subflen auf zu feyn; was ungereimt.“ *)

d. „Bierzehnte Propofltion: Außer Gott kann es tem Subflanz geben, noch gedacht werden. Da Gott das abfolt . unendliche Wefen ift, von dem kein Attribut, welches die Efiem der Subflanz ausdrüdt, negirt werden kann, und da er not wendig eriflirt: wenn es. eine Subflanz außer Gott gäbe, f müßte fle dur ein Attribut Gottes erklärt“ (begriffen) „wer den.” Folglich hätte die Subſtanz nicht ihre eigene Weſenheit, fondern die Gottes; folglid wäre es keine Subſtanz. Odet wenn fie doch Subſtanz ſeyn follte, „ſo müßte es zwei Sub ftanzen deſſelben Attributs geben können; was nad) Propofition V ungereimt if. Daraus folgt denn, daß die ausgedehnte Sade (res extensa) und die dentende Sache (res cogitans)“ nit Subflanzen, fondern „entweder Attribute Gottes find, oder Af⸗ fettionen feiner Attribute.” %) Mit diefen und dergleichen Beweifen ift nicht viel anzufangen.

„Funfzehnte Propoſition: Was ift, ift in Gott; und kann nicht ohne Bott feyn oder begriffen werden.” ***)

„Sechzehnte Propofition: Aus der Nothwendigteit der gött⸗ lichen Natur muß Unendlidhes auf unendliche Weiſe folgen, d. Alles, was unter den uncndlichen Verſtand fallen kann. tt ift alfo die Arfache von Allem.” +) Alles dieſes ift ſchon in den Definitionen enthalten. If diefes zu Grunde gelegt, fo folgt alles Jenes nothwendig, Das Schwierigfte bei'm Spinoza if, in den Interfcheidungen, zu denen er kommt, in dem Be

*) Ethices P. I, Propos. XIII, p. 45. %#%) Ibidem, Propos. XIV, et Coroll. II, p. 46. #367) Ihidem, Propos. XV, p. 46. +) Ibidem, Propos. XV], et Coreoll. I, p. 51.

Zweiter Abſchnitt. Phllofophie des Spinoja. 387

fimmten, die Beziehung von dieſem Beftimmten auf Gott zu faffen, fo daß es noch erhalten würde. *)

Die Hauptſache iſt diefe, daß er fagt, Bott, bie Subflanz, beſtehe aus unendlihen Xttributen. Was nun diefe Methode betrifft,. fo konnte man die unendlichen Attribute Gottes zunächſt ds unendlich viele verfichen. Das ift aber nicht; Spinoza er⸗ mat und fpricht vielmehr nur von zwei Attributen. „Abſolut

mendlich,“ d. h. poſitiv nad Spinoza, wie ein Kreis vollen ete gegenwärtige Unendlichkeit in fi if. Denten und Aus⸗ bchnung find nun dieſe beiden Attribute, die er Gott beilegt: "Bett ift eine dentende Sache (res cogitans), weil alle einzelne ! harten Modi find, die Gottes Natur auf eine gewiffe und Kfimmte Weife ausdrüden. Bott kommt alfo ein Attribut zu, befien Begriff alle einzelne Gedanten in fih fließen, durch velches fie begriffen werden. Gott iſt eine ausgedehnte Sache : (res extensn) aus denfelben Gründen.” **)

Wie Diefe zwei aus der Einen Eubflanz hervorgehen, zeigt aber Spinoza nicht auf: beweift auch nicht, warum es nur zwei ſeyn können. Diefe find nun, wie bei Cartefius, das Denten md die Ausdehnung. And er ſtellt fie fo vor, daß jedes für die ganze Zotalität iſt: fo daß Beide daffelbe enthalten, nur eamal in der Korm des Denkens, das andere Dial in der Form Mr Ausdehnung. Der Verſtand nun faßt diefe Attribute auf, feßt fie als Zotalitäten; fle find die Formen, unter denen der Berfland Gott begreift. Ausdehnung und Denken find nun ber nicht in der Wahrheit, fondern nur äußerlicher Weiſe uns urfhieden; denn fie find Ganze. Das Attribut ift nämlich das, was der Verſtand faßt von der Effenz der Subflanz; den Ver⸗ fand aber rechnet Spinoza nur zu den Affektionen. ***) Beide Ausdrücke befaffen ſchon an ſich die ganze Eſſenz; ihr Unterſchied

#) Siehe Unten, S. 391 fig. ##) Ethices P. II, Propos. I- II, p. 78— 79. #9) Ibidem, P. I, Propos. XXXI, Demonstr., p. 62. 25 *

N)

388 Dritter Theil. Reuere Philoſophie.

fällt nur in den Verſtand, der als Modus keine Wahrheii Daß aber nur Eine Subflanz ift, liegt fhon in der D tion von Subflanz; die Beweife find nur formelle Quäle die nur das Verſtehen Spinoza’s zu erfchweren dienen. Ueber's Berhältnig von Denten und Seyn fagt er: derfelbe Inhalt, der das Eine Mal unter der form des: tens, und dann des Seyns ifl. Jedes drüdt daflelbe % aus, nur in der Korm, die der Verfiand mit bineinbringt ihm zutommt; das Weſen iſt Gott, beide find dieſelbe Tot Nämlich diefelbe Subftanz, unter dem Attribut des Denken die intelligible Welt: unter dem Attribut der Ausdehnung Rotur; Natur und Denten, beide drüden dafielbe Wefen aus. Dder, wie er fagt, „die Ordnung, das Syſtem de türliden Dinge (ordo rerum) ift daffelbe als die Ordnun Gedanken (idearum);“ *) fie beſtimmen ſich nicht, fin! endlich: das Körperliche nicht den Gedanken, noch umgt Die denkende und die ausgedehnte Subſtanz find nur di Subſtanz, welche jest unter diefem, jest unter jenem Prä begriffen wird; es ift ein und daffelbe Syſtem. „So 3. X Cirkel, der in der Natur eriftiet, und die Idee des exiſtir Cirtels, die auch in Gott ift, if ein und diefelbe Sache iſt ein und derfelbe Inhalt), „die“ nur „durch verſchieden tribute erflärt wird (explicatur), Wenn wir daher die $ entweder unter dem Attribut der Ausdehnung oder des Der oder fonft welches es fey, betrachten: fo werden wir einen denfelben Zufammenhang der Urſachen, d. h. diefelbe Tfolg Dinge finden. Das formale Senn der Idee des Eirkels begriffen werden nur durch den Modus des Denkens, alı nächſte Urſache, und diefer wieder durch einen anderen, u. in’s Unendlihe; fo daß wir die Ordnung der ganzen R oder den Zufammenhang der Urſachen, durch das Attribut

#) Ethices P. II, Propos. VII, p. 82.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Spinoza. 389

dankens allein erklären müflen: und wenn fle unter dem At⸗ but der Ausdehnung gedacht werden, auch nur unter dem Ats but der Ausdehnung gedacht werden müſſen, und dieß gilt & von anderen Urfahen.” % Es ift Eine abfolute Entwides ng der Subflanz, die das Eine Mal als Natur, dann in der nm des Denkens erfcheint.

Dieß ift nun in dieſer Redensweife aufgewärmt worden: w ſich iſt die dentende Welt und die körperliche Welt dafs be, nur in verichiedenen Formen. Aber es ift hier die Frage: zie kommt der Verſtand herbeigelaufen, daß er diefe Formen f die abfolute. Subftanz anwendet? Und wo kommen dieſe den Formen ber? Es ift alfo hier gefegt die Einheit des ons und des Denkens, ımd die des Seyns und der Ausdeh⸗ mg; fo daß das dentende Iniverfum an ſich ift die ganze abs inte, göttliche Totalität, und das körperliche Univerſum ebenſo elbe Zotalität if. Wir haben fo zwei Totalitäten; an ſich id fle daſſelbe, und die Unterfchiede find nur Attribute oder fimmungen des Verftandes. Dieß ift die allgemeine Vorſtel⸗ ag; die Attribute find eben nichts an ſich, Feine Unterfchiede ſich. Höher fagen wir, daß die Natur und der Geift ver» nftig if; Vernunft ift nicht Iceres Wort, fondern ſich in ſich tictelnde Totalitãt. |

An diefer nur Einen Subftanz find Denken und Ausdeh⸗ ng nur Attribute. Daß nun Denten und Seyn an ſich iden⸗ % find, daraus hat man ſogleich Atheismus ableiten wollen, dem das Seiftige nicht vom Körperlichen verfdhieden, Gott alfo R Ratur herabgefest fen. Aber Spinoza ſetzt gar nicht Gott der Ratur identifch, fondern das Denten. Gott aber ift den die Einheit des Denkens und Seyns; Bott iſt die Einheit Koh, nit Eins von Beiden. Und in diefer Einheit ift die Sihränttpeit der Subjektivität des Denkens und der Ratür-

un

#) Eihices P. II, Propos. VII, Schol. p. 82 —- 83.

390 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

lichkeit untergegangen; nur Gott iſt, alle Meltlichfeit hat keine Wahrheit. Man würde alfo fein Syſtem befier Akosmismus haben nennen konnen.

Dhne Gott kann alfo nichts feyn. Won Gott fagt Spis noza Freiheit und Nothwendigkeit aus: „Gott iſt die abſolut freie Urſache, die durch nichts Anderes determinirt ifl; denn er eriftirt allein aus der Nothwendigkeit feiner Natur. Es gieht feine Urfache, die ihn äußerlich oder innerlih, außer der Vol tommenheit feiner Natur, zum Handeln antriebe. Seine Wirt famteit ift aus den Gefegen feiner Natur nothwendig und ewig; was aus feiner abfoluten Natur, aus feinen Attributen folgt, iſ ewig, wie aus der Natur des Dreicds von Ewigkeit und im Ewigkeit folgt, daß feine drei Winkel glei zweien rechten find.” Sein Wefen tft feine abfolute Macht; actu und potentia, Dens

|

ten und Seyn, iſt Eins. Gott habe nicht andere Gedanken, die er nicht habe erfchaffen können. „Seine Effenz und feine Exiſten

find daffelbe, die Wahrheit.” Es bleibt aber bei diefem Al⸗

gemeinen, Gott wird nicht durch Zwecke beſtimmt; beſondert

Zwecke, Gedanken vor dem Seyn und dergleichen werden aufs

gehoben. %) „Wille ift keine freie Urſache, ſondern nur eint

nothwendige, nur ein Modus; alfo wird er determinirt von dis

nem anderen.” „Gott handelt nach feinen Endurfahen

(sub ratione boni). Die es behaupten, feheinen außer Bett etwas zu fegen, das von Gott nicht abhängt, auf das Bolt im feinem Wirken ficht, gleihfam als einen Zwed. Wird dieß fo

terworfen. Ebenfo unftatthaft ift es, Alles der Willkür, einem gleichgültigen Willen Gottes zu unterwerfen.“ #4) Er wid nur durd feine Natur determinirt. Die Wirkſamkeit Gottes

*) Eihices P. I, Propos. XVII, Coroll. 1I—II, et Schol,, p. 51 —54; Propos. XX, et Coroll. I, p. 55—56; Propos. XXL p. 56 —57. #3) Ibidem, Propos. XXXIl, p. 63. ##%) Ibidem, Propos. XXXIII, Schol, I, p: 67 68.

gefaßt, fo ift Gott nicht freie Urfache, fondern dem Fatum um,

Zweiter Abſchnitt. Philofophie. des Spinoza. 391

2 fo feine Macht. {potentia), und' das iſt die Rothwendigkeit. Fr iſt dann abfolute Macht im Gegenfage der Weisheit, welde eſtimmte Zwede, und fomit Beſchränkungen fest. Das ifl näm⸗ ich als befonders eigenthümlich zu merken, daß Spinoza fagt, de Beflimmung feh eine Regation. So iſt es au etwas End⸗ liches, wenn Bott die Urſache der Welt ifl; denn die Welt wird fer als ein Anderes neben Bott gefekt.

>", „&ott iſt die immanente, nicht die vorübergehende (tran-. sens) Urſache,“*) d. i. äuferlihe. „Eine Sache, die zum Hardeln beftimmt ift, iſt, da Gott die Urſache, nothwendig fo we Sott dazu befiimmt; und die fo beflimmt, kann ſich ht unbeſtimmt machen.“**) „In der Natur giebt es nichts Yafälliges.“

-e, Uebergang des Spinoza zu den einzelnen Dingen, Monders zum Selbfibewußtfenn, Freiheit des Ich. Er giebt Winsen Beweis aus dem Begriff der abfoluten Subſtanz. Spi« ya drüdt fi) übers Einzelne fo aus, daß es Zurückführen der Dinge, Beſchränktheiten auf die Subflanz ift, mehr als Feſthalten des Einzelnen, alfo Negativität. Die Attribute Med nicht für ſich, fondern nur wie der Verſtand die Subſtanz in ihren Unterfchieden faft. Das Dritte find die Modi oder Ve Afektionen. Aller Unterfhied der Dinge fällt allein in WModos. Bon diefen fagt Spinoza: In jedem Attribute find mi Modi; Ruhe und Bewegung in der Ausdehnung, in dem Denken Berfiand und Wille (intellectus et voluntas). F) Das Einzelne als ſolches fallt in diefe Modos; fie find es, woburch ſich das, was einzeln genannt wird, unterſcheidet. Es (ad bloß Modifikationen; was fih auf diefen Unterfchied bes seht und dadurch befonders gefegt wird, iſt nichts an fih. Jede

%) Ethices P. J, Propos. XVII, p. 54. #%) Ibidem, Propos. XXVI et XXVII, p. 59. #33%) Ibidem, Propos. XXIX, p. 61. +) Ibidem, Propos. XXXII, Demonstr. et Coroll. II, p. 6.

Deitter Tell. Neuere Philofophie, t nur für uns, außer Gott; ſie if nicht an und

jtere, die Modos, Affektionen, faft Spinoza un⸗ ı ('maturafagufammen. „Die natura naturaus [1 freie Urſache betrachtet, infofern er in fich iſt und | bft begriffen wird: oder folde Attribute dee Sub⸗ welde die ewige und unendliche Wefenheit (essentiam) drüden. ‚Unter natura naturata verfiche ich’ alles das, was Nothwendigteit der göttlichen Natur oder aus jedem der e Gottes folgt, alle Modi der göttlichen Attribute, infos fie betrachtet werden als Dinge, die in Gott find, und die tt weder ſeyn, noch begriffen werden können.“ *) Es [ aus Gott, fondern alle Dinge gehen nur dahin zu⸗ n von ihnen angefangen wird. J nun die allgemeinen Formen die en Einige) beftimmtere Formen find noch zu erwähe Nominaldefinitionen der Moden, des VBerftands, #r) der Affekte, er). Freude, Traurigkeit. }) Näher Fsden wie die Betrachtung des Bewußtfeyns. Sein Fort gang ift nun höchſt einfach, oder vielmehr gar keiner; er fängt geradezu vom mens an.

Die Effenz des Menſchen beficht (essentia hominis con- stituitur) aus Modifitationen der Attribute Gottes.“ Diefe Mo- difitationen find nur etwas in Beziehung auf unferen Verſtand. „Wenn wir alfo fagen, der menſchliche Geift percipirt diefes ober jenes: fo heißt es nichts Anderes, als daf Gott, nicht ins fofern er unendlich if, fondern fofern er duch die Idee des menſchlichen Geiftes erplieirt wird, dieſe oder jene Idee hat. Und wenn wir fagen, Gott.hat diefe oder jene Idee, nicht nur

%) Ethices P. I, Prop. XXIX, Schol, p. 6L— 62. ##) Ibidem, Propos. XXX XXKI, p. 62— 63. #6) Ibidem, P. III, Defin. III, p. 132.

$) Ibidem, Prop. XI, Schol, p. 14.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Srinon. 393

infofern er die Idee des menſchlichen Geiſtes konſtituirt, fondern infofern er zuglei mit dem menſchlichen Geift die Jdee eines anderen Dinges bat: dann fagen wir, daß der menſchliche Geift die Sache zum Theil oder inadäquat perripire.” *%) Die Wahr⸗ heit tft das Adäquate. **) Wird der Inhalt in der Form des menſchlichen Geiftes gefest, fo iſt dieß Perception des Menſchen, weiche Modifikation Gottes iſt; Alles, was wir als ſehend un⸗ terſcheiden, tft fo nur Modus. Alles Beſondere iſt ein Auffaſſen durch den äußerlichen Verſtand. Bayle macht dieß lächerlich, folgert daraus, daß Bott als Türken modificirt, und als Oeſt⸗ reicher Krieg mit einander führen. **)

„Was im Dbjekt der Idee, die den menfchlichen Geift aus⸗ macht, ſich befindet (contingit), dieß muß vom menfchlichen Geiſte percipirt. werden: oder von dieſer Sache muf es im Geifl nothwendig eine dee geben. D. i. wenn das Objekt der dee, die den menfchlifchen Geiſt ausmacht, der Körper ift: fo kann es im Körper nichts geben, was nicht vom Geiſte percipirt wird.” $)

Die Beziehung nun von Denken und Ausdehnung betrach⸗ tet er im menſchlichen Bewußtfeyn fo: „Das Objekt“ beffer das Objektive „der Idee, weldhe den menſchlichen Beift aus- macht, iſt der Körper oder eine befondere exiſtirende Weife (cer- tus modus) der Ausdehnung Sonft wären die Ydeen von den Affettionen des Körpers nicht in Gott, infofern er unferen Geift konſtituirt, ſondern die Idee einer anderen Sade; fo wä⸗ sen biermit die Ideen der Affektionen unferes Körpers auch nicht in unferem,Geifle.” TI) Das Verwirrende, Spinoza’s Syſiem aufzufaſſen, iſt: @) die abſolute Identität des Denkens und

) Ethices P. II, Propos. XI, Demonstr. et Coroll., p. 86 87. ##) Ibidem, Defin. IV, p. 77 78. WR) Dictionnaire historique et critique (edition de 1740, T. IV), Article Spinosa, p. 261, Note N, No. IV.

T) Ethices P. II, Propos. XII, p. 87 88, +r) Ibidem, Propos, XII, p. 88.

)

z i Seyns; A) ihre abſolute Gleicögültigkeit gegen einander, weil jedes. die ganze Eſſenz Gottes explicirt. Die Einheit des Kör- vers und des Bewußtſeyns iſt dieſe, daß fie Eine Subflanz find; als Einzelner, ein befonderer Modus der Eriflenz. Die Sub⸗ ſtanz iſt die abfolute Subflanz:der Einzelne ein Modus derfel- ben, der als Bewußtſeyn das Vorſtellen der Determinationen: des Körpers iſt, oder wie der Körper don äuferen: Dingen-affis citt wird. *) „Der Geiftierkennt ſich ſelbſt nur, inſofern er die Ideen der Wffektionen des Körpers percipirt,“ *#) hat nur die Idee der Affektionen feines Körpers; diefe Idee iſt die Zur fammenfegung, wie wir fogleih ſehen werden.) „Die Ideen, es ſey der Attribute Gottes: oder einzelner Dinge, erkennen nicht das Vorgefielite felbft oder die Dinge für ihre wirtende Urſache, fondern Gott ſelbſt, infofern. er ein Denkendes iſt“ **) „Mit der Ausdehnung ift Denken unzertrennlich ‚verknüpft; fo muß Alles, was in der Ausdehnung vorgeht, aud im Bewußtſeyn vorgehen.) Hier fehen wir ein Auseinandertreten; die blohe Identität, dag im Abfoluten nichts unterfchieden, ift nicht bes friedigend nn" r Das Individilum, die Einzelnheit felbft, beſtimmt Spi⸗ noza ſo, daß das Individuum darin beſtehe: „Wenn einige Körper” Determinationen find Negationen —, „derſelben oder verſchiedener Größe, ſo eingeſchränkt“ (oder bemeiſtert) „werden, daß ſie einander aufliegen (invicem incumbant), oder wenn fle mit demfelben oder mit verfciedenen Graden der Geſchwindig— teit bewegt werden, daß fie ihre Bewegungen ſich gegenfeitig auf irgend eine Weife mittheilen: fo fagen wir, daf jene Kör- per mit einander vereint ‚find, und alle zufammen Einen Körper *) Ethices P. 11, Prop. XIH, Schol., p.89; et Prop. XIV, p.95. *#*) Ibidem, Propos. XXUJ, p. 102: Mens sc ipsam non cognoscit, nisi quatenus corporis affectionum ideas pereipit. ###) ]bidem, Propos. V, p. 80 81.

T Buhle: Geschichte der neueren Philos, Band III, Abth.2, $. 54.

“IN

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Epinoza. 395

oder Individuum ausmachen, das ſich von den übrigen durch diefe Union von Körpern unterfcheidet.” *)

Hier find wir an der Grenze des fpinoziftifchen Syſtems; hier erfheint uns fein Drange. Die Individuation, das Eins ift eine bloße Zufammenfegung, das Gegentheil des Ichts (Selb⸗ heit) des Böhme: **) nur Allgemeinheit, Denken, nicht Selbſt⸗ bewußtfegn. Nehmen wir die, che wir es in Bezug aufs Ganze betrachten, von der anderen Seite, nämlich dem Ders flande, fo fallt das Unterfcheiden überhaupt in ihn, ifl nicht des duciet, findet fi eben fo. So „gehört,“ wie wir ſchon fahen, ‚der wirkliche Verſtand (intellectus actu), wie Wille, Begierde, Liebe, zu der natura naturata, nicht zur naturante. Denn unter dem Verſtand, wie für ſich bekannt iſt, verſtehen wir nicht das abſolute Denken, ſondern nur eine beſtimmte Weiſe des Denkens: einen Modus, der von anderen Modis, als der Be⸗ gierde, Liebe u. ſ. f. unterſchieden iſt, und deswegen durch das abſolute Denken begriffen werden muß, nämlich durch ein At⸗ tribut Gottes, das eine ewige und unendliche Weſenheit (essen- tiam) des Denkens ausdrüdt; fo dag er für ſich nicht feyn, nod begriffen werden Tann, wie aud die übrigen Modi des Denkens,“ ***) Wille, Begierde u. f. fe Spinoza tennt nicht eine Unendlichkeit der form, die eine andere als die der ſtarren Subflanz wäre. Es ift das Bedürfnif, Gott als das Weſen der Wefen, als allgemeine Subflanz, Identität zu er⸗ tennen, und doch die Unterfchiede zu erhalten. Ä

Alſo der Verfiand iſt ein Modus. Ferner fagt er: „Was das wirkliche (actuale) Seyn des menſchlichen Geiſtes .(mentis humanae) ?tonftituirt, ift nichts Anderes, als die Idee eines eins zelnen” (individuellen) „Dinges, das actu exiſtirt;“ 7) nicht

%#) Ethices P. II, Definit, p. 92. ##) Vergl. Oben, S. 315 317. 3) Etlices P. I, Propos. XXXI, p. 62 68, 7) Ibidem, P. II, Propos. X], p. 86.

4

396 Dritter Theil. Netere Pilfophie

eines unendlichen. „Die Eſſenz des Menſchen fließt keine noth⸗ wendige Eriftenz im ſich; d. i. nad) der Ordnung der Natur Tann ein Menſch ebenfo gut fegn, als nicht ſeyn.“ *) Das menſchliche Bewußtſeyn ift ein Modus, nicht Attribut, gehört nicht zum Wefen, und zwar ein Modus des Attributs des Denkens.) Diefer Modus, von der Seite der Ausdehnung angefehen, ift ein einzelner ‚Körper, als individuell, d. h. als zus ſammengeſetzt aus vielen, Beides ift Eine Identität. Aber weder der Körper iſt Urſache für das Bewußtſeyn, noch diefes für den ‚Körper, fondern die endliche Urfache Hier ift nur die Beziehung von Gleichen auf Gleiches; Körper wird vom Körper, Vorſtel⸗ lung von Vorſtellung »beftimmt. ***) Alles, was im Bewußt⸗ ſeyn it, iſt auch in der Ausdehnung (Körper): was in der Aus- dehnung, auch im Bewuftfeyn. „Weder kann, der Körper den Geift zum Denken, noch der Geift den Körper zur Bewegung, noch Ruhe, noch zu etwas Anderem determiniren, Denn alle Modi des Denkens haben Gott, infofern er eine res cogitans, und nicht infofern er durch ein anderes Attribut erpliciet wird, zur Urſache. Was alfo den Geift zum Denten determinirt, ift ein Modus des Denkens und nit der Ausdehnung. Bewegung und Ruhe des Körpers müffen von einem anderen Körper her⸗ kommen.” +)

Buhle legt dem Spinoza beſchränkte Vorelungen unter: nDie Seele empfindet im Leibe alles Andere, was fie als außer ihrem Leibe gewahr wird; und fie wird es nicht gewahr, als mittelft der Begriffe von den Befchaffenheiten, welche der Leib davon annimmt. Wovon alfo der Leib keine Befchaffens heiten annehmen kann, das Tann auch die Seele nicht gewahr werden. Hingegen Tann auch die Seele ihren Leib nicht gewahr

%#) Eihices P. II, Axiom. I, p. 78. %#) Ibidem, Prop. XI, Demonstr., p. 86— 87; Prop. X, p. &. *ax) Ibidem, Propos. VI, p. 81. +) Ibidem, P. II, Propos. II, p. 133 434.

ze

Zweiter Abfehnitt. Philoſophie des Spinoja. 397 werden; fie weiß nicht, daß er da ft, und erkennt auch ſich ſelbſt nicht anders; als mittelft der Beſchaffenheiten, welche der Leib von Dingen, die fich außer ihm befinden, annimmt, und mittelft der Begriffe von denſelben. Denn der Leib iſt ein auf gewiffe Weiſe beſtimmtes einzelnes Ding, das nur nad und nad), mit und unter anderen einzelnen Dingen zum Dafeyn gelangen, nur nach, mit und unter ihnen im Dafeyn fich erhalten kann,“ in der Unendlichkeit: Bann nicht aus ſich begriffen: werden... ©

"Der Secle Bewußtſeyn drückt eine gewiſſe beſtimmte Forın“ -

(modus) „eines Begriffes“ (ideae) „aus, wie der Begriff ſelbſt eine ‚beflümmte Form eines einzelnen Dinges ausdrüdt. I Das einzelne Ding aber, fein Begeiff und. der Begriff von dieſem Begriff find ganz und gar Ein und daſſelbe ens, —— unter verſchiedenen Attributen betrachtet wird ·/· J

„Da die Seele nichts Anderes, als ——— griff des Leibes und mit dieſem ein und daſſelbe Ding iſt fo kann die Vortrefflichteit der Seele auch nie. eine andere ſehn, als die Vortrefflichteit des Leibes, Die Fähigkeiten des Vers ſtandes find nichts: als: die Fähigkeiten des Körpers: nach der Vorfiellung des Körpers, und. die Entfihlüffe Beſtimmungen des Körpers.“ e A

„Die einzelnen Dinge: entfpringen äus-Bofkiaifr eiie ewige und unendliche“ Weife zugleich und einmal —, „nicht auf eine vorübergehende endliche und vergängliche Weiſe. Sie ent⸗ - fpringen bloß) auseinander, indem fle ſich gegenfeitig erzeugen und zerflören: und in ihrem ewigen Daſeyn nen verharren.“

„Alle einzelnen Dinge ſetzen ſich voraus, * kann ohne das andere nicht gedacht werden: d. i. ſie machen zuſammen ein ungertrennliches Ganzes aus; fie find in Einem ſchlechterdings untheilbaren, unendlichen Dinge, und. auf keine andere Weife da und beifammen.“ )

®) Buhle: Geſch. d; neueren Philof, B, II, Abıh.2, &.525— 28.

BEN bs ke]

398 Dritter Theil, Neuere Philoſophie ·

ESpinoza ſteigt von dem Allgemeinen der Subſtanz heruntet durch das Beſondere, Denken und Ausdehnung, zum: Einzelnen (modificatio).. Er hat · alle drei Momente, oder fie find ihm, weſentlich Aber den Modus, wohin die Einzelnheit fällt, er kennt er nicht für das Weſentliche, oder nicht als Moment des Weſens ſelbſt im Wefen; ſondern im Wefen verſchwindet er, oder er iſt nicht zum Begriffe erhoben. Denken hat nur die Bedeutung des. Allgemeinen, nicht des Selbſtbewußtſeyns. Die⸗ fer Mangel, die Vertilgung des Moments des Selbſtbewußt⸗ ſeyns im Wefen, iſt 08; was von Einer Seite fo fehr-gegen das ſpinoziſtiſche Syſtem empört, weil es das Fürſichſeyn des mienſchlichen Bewußtſehns, die fogenannte Freiheit, d. d. eben die leere Abſtraktion des Fürſichſeyns, anfhob, und dadurch Bott, don der Natur und dem menſchlichen Bewußtſeyn unterſchieden, nämlid an ſich, im’ Abſoluten: anderen Theils aber das philo⸗ ſophiſch Unbefriedigende hat, daß eben das Negative nicht an ſich erkannt if Das Denten ift das abſolut Abftrakte, eben dadurch ift+es das abfolut Negative; es ift jo in Wahrheit, aber ſo iſt es nicht gefegt als das abſolut Negative.

Das Unterfceiden fällt aufer dem abfoluten Wefen, auch in neuen Zeiten. „Das Abſolute,“ fagt man, „fo angefehen, von diefer Seite;“ die Seiten fallen alfo außer ihm. Auch ift es Standpunkt der Reflerion, nur Seiten, nichts an fi zu betrachten. Diefer Mangel erfcheint num fo, daß das Negative die Nothwendigkeit ift, in Anfehung der Unterfhiedenen; der Begriff, an ſich negativ, ift das Negative feiner Einheit, feine Entzweiung. So wird aus dem einfachen Allgemeinen das Reale, Entzweite, Entgegengefegte felbft ertannt; eben diefe Nothwen- digkeit fintet ſich nicht bei Spinoza. Abfolute Subftanz, Attribut und Modus, dieß läft Spinoza als Definitionen auf einander folgen, nimmt fie als vorhandene auf, ohne daß die Attribute aus der Subftanz, die Modi aus den Attributen hervorgingen. Beſonders iſt dann in Anfehung. der Attribute Leine Nothwens

\\

Zweiter Abfchnitt. Philoſophie bes Spinon. 399

digkeit vorhanden, daß es. gerade Denten und Ausdehnung find. Spinoza nimmt fe ‘als vorgefundene auf, wie angeführt; die Subſtanz habe unendliche Attribute. Unendlich viele? „Die Idee des Körpers ſchließe nur dieſe Beiden in fih, noch drücke fie andere aus. Ihr vorgeftellter Körper wird unter dem Attri⸗ but dee Ausdehnung betrachtet; die Idee ſelbſt iſt modus cogi- tandi.“*) Wir ſehen Beides. vorgefunden.

Spinoza hat in dem Unendlichen näher den Begriff des Begriffes bezeichnet, als ſonſt wo. Das Unendliche iſt ihm nicht dieß Setzen und dieß Hinausgehen über das Setzen, bie finn⸗ liche Unendlichkeit, ſondern die abſolute Unendlichkeit, das Po⸗ ſitive, das eine abſolute Vielheit, hier, gegenwärtig in ſich voll⸗ endet hat, 8. B. die. Linie beſteht aus unendlich vielen Punk⸗ ten; fie if unendlich, fie, eine begrenzte Linie ift, poſitiv, bier, obne.Yenfeits gegenwärtig. . Das Ienfeits der unendlich vielen Punkte, die nicht vollendet find,. ift in ihr vollendet; es ift zurüdigerufen in :die Einheit. Ebenfo haben auch feine Des finitionen das Anendliche an ihnen, 3. B. „die Urſache feiner ſelbſt,“ ats „das, deſſen Begriff die Exiſtenz in ſich ſchließt.“ Begriff und Eriflenz find Eins das Jenſeits des Anderen; aber Urfache feiner felbft,. die Einfchließen, ift eben die Zurücknahme diefes Jenſeits in die Einheit. Oder: „Die. Subflanz.ift, was in fi if, und aus fich begriffen wird; das ift daſſelbe. Bes griff und Eriftenz find in Einheit; es ift in fi, hat auch feis nen Begriff in ſich felbft: fein Begriff ift fein Seyn, und fein Seyn fein Begriff. Dieß iſt die wahrhafte Unendlichkeit; fie iſt fo vorhanden. Aber Spinoza hat Fein Bewußtſeyn darüber, hat diefen Begriff nicht erfannt als: abfoluten Begriff, nicht fo als Moment des Wefens felbft ausgefprochen; fondern er fällt außers halb. des Weſens, in das Denten vom Weſen.

Co ift diefer Begriff als das Erkennen vom Mefen vor⸗

#) Epistol. LXVI, p. 673.

400 Deitter Theil, Neuere Philoſophie.

handen; er fällt in das philoſophiſche Subjekt; und. dieß ſlellt ſich als die eigenthümliche Methode der ſpinoziſiiſchen Philoſo⸗ phie dar. Sie iſt nämlich die demonftrative;. ſchon Descartes, ging davon aus, daß die philoſophiſchen Säge fo mathematiſch behandelt und bewwiefen werden müſſen, eben ſolche Enidenz haben müffen, wie das -Mathematifche, Es iſt natürlich, daf das felbftfländige wiederaufwachende Wiffen zuerſt auf diefe Form ‚gefallen, an der fie ein ſo glänzendes: Beifpiel ſahz allein, darin iſt die Natur diefes Wiſſens und der Gegenftand deffelben völlig „verkannt, mathematiſches Erkennen und. Methode: ift- bloß for⸗ melles Erkennen ‚und ı ganz und gar, unpaffend ‚für, Philofophie. Das mathematifche Erkennen ſiellt den Beweis-an dem ſehenden Gegenftande als ſolchem dar, gar nicht als begriffenemzes fehlt ihm durchaus der Begriff, der. Inhalt der Philoſophie iſt aber der Begriff und das Begriffene. Von diefer demonftrativen Manier ‚haben wie ſchon Beiſpiele gefehen: -«) Er fängt mit einer Reihe von Definitionen. an, Urſache feiner felbft, Endliches, Subftanz, Attribut, Modus u. ſ. f, wie in der. Mathematik, 3- B: in der Geometrie mit Linie, Dreieck u. ſ. f., ohne bie Nothwendigkeit diefer einzelnen Beftimmungen zu erweifen; 5 fer ner mit Ariomen, „Was ifl, ift entweder in fi, oder in einem „Anderen.“ *%) cc) Die Beftimmungen „in ſich“ oder „in eis nem Anderen“ find nit in ihrer Nothwendigkeit aufgezeigt: ER) diefe Disjunttion eben fo nicht, fondern angenommen u. ſ. fe N Die Propofitionen haben, als Säge, ein Subjekt und Prädikat, die ungleiche. Wenn das Prädikat vom Subjekt er- wiefen, ihm nothwendig verknüpft ift: fo bleibt die Ungleichheit, daß Eins Ih als Allgemeines zum Anderen als Befonderen ver⸗ hält; alfo wenn auch die Beziehung, Verknüpfung erwiefen, fo iſt zugleich auch Nebenbeziehung vorhanden. Die Mathematik, in ihren wahrhaften Propofitionen von einem Ganzen, hilft ſich

®) Eihices P. I, Axiom. I, p. 36.

42 "Dritter Theil, Neuere Ppiloföphie. °

Allgemeines: ſo iſt ihre Beziehung das Mefentliche, der Grund, worin ſie Eins find. Der Beweis hat ch die ſchiefe Stellung, als ob jenes Subjekt an ſich wäre. Sie feibft find im Grunde aufgelöft, Moment: im Urtheil Gott ift Einer iſt das Sub jekt ſelbſt allgemein, jenes Subfert löſt ſich in der Einheit auf, P) Es liegt die ſchiefe Stellung zum Grunde, daß der Beweis anderswoher gehölt, wie in der Mathematik ans einem vorher⸗ gehenden Sage, der Sat nicht durch ſich felbft begriffen wird; er iſt gleichſam Nebenſacht. Das Reſultat als Sag Toll die Wahrheit ſehn, iſt aber tur das Erkennen. ) Die, Bewegung des Erkennens, als Beweis, fällt aufer dem Sage, der die Wahr⸗ heit ſeyn foll. B ve

Dieß negative ſelbſibewußte Moment iſt es, die Bender gung des Erkennens, bie ſich an diefem Gedachten verläuft, das dieſem Inhalte fehlt, und äußerlich an ihm iſt, in das Selbfl- bewußtſehn fäut. "Oder der Inhalt find Gedanken, aber nicht ſelbſtbewußte Gedanken, Begriffe; der Inhalt hat die Bedeutung des Denteng, als reines abſtraktes Selbſtbewußtſeyn, abet verminft- loſes Wiffen, auher dem das Einzelne ifl, nicht die Bedeutung von Ih. Daher if es, wie in der Mathematik; bewiefen ift es wohl, man muß überzeugt ſeyn, aber man begreift die Sache nit. Es ift eine flarre Rothwendigkeit des Beweifes, der das Moment des Selbſtbewußtſehns fehlt; das Ich vers ſchwindet, giebt fi ganz darin auf, zchrt fi auf, wie Spinoza felbft fih darin aufgezehrt hat und an der Schwindfudt ge ſtorben ift.

3. Wir haben nun noch von der Moral Spinoza’s zu ſprechen; eine Hauptſache ift das Faſſen des Ethifhen. Sein Hauptwerk heißt Ethik; ein Theil handelt von der Sittlichkeit, Moralität. (Er fängt von Sägen über Gott an; dann behan- delt er nit die Natur, wie Cartefius, fondern geht gleich zum Menſchen und zum Ethifhen über.) Das Princip derfelben iſt kein anderes, als daf der endliche Geift darin feine Wahrheit

Zweiter Ahſchnitt. Phllofophie des Spinoza. 403

habe, alfo moralifch ſeh, ſofern er fein. Erkennen und Rollen anf Gott richtet, fofern ex die wahrbafte Idee hat: und diefe iſt allein die Erkenntniß Gottes, Man kann fo fagen, es giebt keine exrhabenere Moral, indem fie allein dieß fordert, eine klare Joe: von Gott. zu haben.

Er ſpricht von. dm Affekten. Vallaud aud Wille find modi, endliche, ‚Die: Dreinung von der freiheit beruht dar⸗ auf, daß die Menſchen die Urſachen ihrer Handlungen nicht ken⸗ en, non dene fie determinist werden.) „Willensbeſtimmung (volitio). und. Ider iſt ein und daſſelbe.“ *#). „Jedes Ding firebt,. fein Dafehn zu Erhalten. . Dieß Streben iſt die Eriflenz ſelbſt; ea drückt nur ‘eine unbeftimmte Seit aus.“ ##) „Dieſes Beſtreben, anf Geift und: Körper zugleih bezogen, iſt appeti- tus." 4) .— - „Der Afftkt :ift eine verworrene Idee; der Affekt ift daher um fo mehr in unferer Bewalt, je genauer wir ihn . tennen: FF) Der Einfluß der Affekte, als‘ verworrener und beſchränkter (inadäquater) Ideen, auf das menschliche Handeln macht bie menſchliche Knechtſchaft aus; FFF) der leidenfchafts lichen Affekte find die hauptfächlichften Freude und Traurigs teit. ?y° Im Leiden und in der unfreiheit find wir, inſofern wir uns als Theil. verhalten. ?) |

„Unfere Slädfeligteit und Freiheit beſteht in einer beflämigen and ‚ewigen: Liebe zu Gott;“ 2) : „fle folgt aus der

*) Ethices P. I, Appendix, P- 69; P. an, Propositio II, Schol., p. 190. %%#) Ibidem, P. II, Propos. XLIX, Coroll, p. 123. #%##). Ibidem, P. III, Propos. V. I— yın, p. 439 140. +) Ibidem, Pröpos. IX, Schol., p. 140. . +r) Ibidem, P.V, Propos. III, et Coroll., p.272—273; Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band III, Abth. 2, 8.553. ++r) Ethices P. III, Propos: I, p. 132; Propos IT, p. 138; P. IV, Praef., p. 19. 1) Ibidem, P. III, Propos. XI, Schöl., p. 141 142. 2) Ibidem, P. IV, ‚Propos. I, P- 205; P. III, Propos. III, Schol., p. 138. 2) Ibidem, P. V, Propos. —* Sehok, p. 203 26 *

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20 Dritter Theil, Neuere Phlloſobhie . Ratur des Geiſtes, inſoſern dieſe als ewige Wahrheit durch die Natur Gottes betrachtet wird." *) „Je mehr der Menſch Gottes Weſen erkennt und Gott liebt, deſto weniger leidet er von böſen Affekten und deſto geringer iſt feine Furcht vor dem Tode *) Spinoza fordert dazu die wahrhafte Erkenntniß⸗ weife, Alles sub speeie aeterni zu denken, in abfolut abägqua- ten Begriffen, d. i. in Gott. Der Menſch foll Alles auf Bott zurücführen, Gott ift’Cines in Allem; fo iſt der Spinoziems Yeosmismus) Es giebt Teine reinere und erhabenere Droral, als Spinoze’s; nur, die ewige Wahrheit hat der Menſch in ſei⸗ nem Handeln zum Zwece. „Der Geiſt kann machen, daß er alle Affektionen des Körpers oder Vorftellungen von Dingen auf ‚Gott zurüdführt;” ***) denn „was. ift, iſt in Gott, undı nichts Tann ohne Gott feyn oder gefaßt werden.“ ) „Inſofern der Geift alle Dinge als nothwendig betrachtet, eine defto-gröfere Macht hat er über feine Affekte,“ FF) die willkürlich und zus fällig. Dieß ift die Rüdtehr des Geiſtes zu Gott; md dieß iſt die menſchliche Freiheit. „Ale Ideen, ſofern ſte auf Gott bezogen werden, ſind wahr.“ FrF)

Es giebt dreierlei Erkenutuißweiſen: „i) aus Ein zelnem durch die Sinne, verflümmelt und ohne Ordnung, dann aus Zeichen, Vorſtellungen, Erinnerungen, Meinung und Imagination; 2) allgemeine Begriffe und adäquate Ideen der Eigenſchaften der Dinge; 3) scientia intuitiva kommt von der adäquaten Idee des formalen Wefens einiger Attribute Gottes zur adäquaten Erkenntniß des Wefens der Dinge“ 1) „Die Natur der Vernunft ift, die Dinge nicht als zufällig, fondern

®) Ethices P. V, Propos. XXXVII, Demonstr., p. 294. ##) Ibidem, Propos. XXXVIIL, et Schol., p. 294 295. #3) Ibidem, Propos. XIV, p- 280. H) Ibidem, P. I, Propos. XV, p. 46. + Ibidem, P. V, Propos. VI, p. 275. +HH) Ibidem, P. II, Propos. XXXI, p. 107. ?) Ibidem, Propos. XL, Schol. U, p. 443 114.

406 Dritter Theil. Neuere Philoſophie · verſchwunden · Spinoza fagt: „Ich ſtatuire, daß Gott abfolnt uud wahrhaft“ (als Urſache feiner felbh) „die Urſacht von Al⸗ em iſt, was eine) Effenz“ C. he poſttive Nealitãth in th ſchließt, affirmativ ft, „es mag ſeyn, was es wolle. Wenn Du mit mm wirft beweiſen können, dag das Böſe, der Irrthum, das Lafler m. ſ. f. etwas ſeh, was eine Eſſenz ausdrückt: ſo will ich Die gänzlid) zugeben, daß Gott Urheber der Lafter, Des Bir fen, des Jertpums uf Frey.’ Aber ich habe ſouſt hinreichend gezeigt, daß die Form des Böſen nicht invehwag, was eine Eſ⸗ fenz ausdrückt, beſtehen / und daher nicht geſagt werden könne, daß Gott‘ deffen Urfache ſey.“ Das Böfe iſt nur Negation, peivation, Veſchrãntung, Endlichteit, Modus, nichts an fie) wahrhaft Neales. „Nero's Muttermotd, infofetwier etwas Po⸗ ſitives enthielt, war kein Verbrechen, Denn Oreſt hat / dieſelbt ãaußerliche Handlung getan) ind zugleich dieſelbe Abſicht, die Mütter zu tödten, gehabt: und wird doch micht angeklagt“ u. ff. Das Affirmative iſt WILL," Worflellungy Handlung "Nero. Worin beſteht alſo des Nero Laſterthat? In nichts Anderem, als daß er ſich undankbar, unbarmherzig und ungehorſam be⸗ wie ſen Es if Aber gewiß, daß alles dieß Feine Eſſenz ausdrücke, und alſo Gott nicht Urſache, obgleich die Urſache der Handlung und der Abficht Nero's war.“ *) Das iſt Poſitives, aber das macht nicht das Verbrechen als ſolches; das Negative (Unbarm⸗ herzigkeit u. ſ. w.) macht die Handlung zum Verbrechen.

Böfes und dergleichen ift nur Privatives. „Wir wiflen, was ifl, in fich felbft betragptet, ohne Rückficht auf etwas An- deres, fhliegt eine Vollkommenheit ein, die fih in einer Sade fo weit ausdehnt, als ſich die Effenz der Sache ausdehnt; denn die Effenz ift nichts Anderes.” **) „Weil nun Gott die Sachen nicht abſtrakt betrachtet, noch allgemeine Definitionen“ (was die

*) Epistol, XXXVI, p. 681 582. ##) Epistol, XXXII, p. 541.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Spinoza. 407

Sache ſeyn fol!) „formirt, und den. Dingen nit ‚mehr Rea⸗ lität zutommt, als. ihnen der göttliche Verſtand und Macht ges geben und wirklich ertheilt: fo folgt offenbar,. daß: eine ſolche Priyatiau ganz allein nur in Rückſicht (respectu) auf uuferen . Verſtand, nicht aber in. Rüdfiht Gottes flatt findetz” *) denn Gott iR ſchlechthin real. Dieß iſt wohl ‚gut gefagt, ‚aber nicht befriedigend. Alſo Bott und die Rückſicht auf unferen. Berfiand find. verſchieden. Wo ift ihre Einheit? Wie diefe zu fallen? GSegen die ſpinoziſtiſche allgemeine Subflanz empört ſich die Borftellung der Freiheit des Subjelts; denn daß ih Subjekt, Geiſt bie m. ſ. f, das Beſtimmte iſt nach Spinoza alles nur Modifikation. Dieß iſt das Empörende, wag das ſpinoziſtiſche Spſtem in ſich hat, and was den Unwillen gegen daſſelbe her⸗ porbringt; denn der Menſch hat das Bewußtſeyn der Freiheit, des Geißligen, was das Negatipe des. Körperlichen iſt, und daß er erſt in dem Entgegengeſetzten des Körperlichen iſt, was er wahrhaft:ift;.. Daran hat die Theologie amd der gefunde Meur ſcheyfinn feſtgehalten; und dieſe Form des Gegenſatzes, iſt zur nächſt die, daß man ſagt, das Freie iſt wirklich, das Vöſe exiſtirt. Aber als Wodififation ifl es nicht erklärt; denn das Moment - der Negativifät if das, was in diefer Einen ſtarren Subflans tialität fehlt und mangelt. Die Art: des Gegenfages, ift. aljo die, Daß man ſagt, der Geiſt als fi unterfcheidend vom. Kör⸗ perlichen if ſubſtantiell, wirklich, iſt, iſt nit bloß Negation: ebenſo ‚die Freiheit, ſie iſt nicht bloß Privatives. Dieſe Wirk⸗ lichkeit hält man nun dem Spinozismus gegenüber; dieß iſt im formellen Gedanken richtig. Dieſe Wirklichkeit beruht nun ei⸗ ner Seits auf dem Gefühl; aber das Weitere iſt, daß die Idee in ihr weſentlich Bewegung, Lebendigkeit enthält, das Princip der Freiheit, und fo das Princip der Geiſtigkeit in fi hat. Einer Seits iſt der Mangel des Spinozismus aufgefaßt als der

#) Epistol. XXXII, p. 548.

208 Dritter Theil. Neuere Philofophies Wirklichkeit nicht entſprechend; anderer Seits iſt er aber auf Höhere Weife'zu faffen, und zwar fo, daß die ſpinoziſtiſche Sut fang nite die Idee ganz abftratt iſt, nicht in ihrer Lebendigkeit, Ich Fönnte noch viele befondere Säge aus’ Spinoza anfüh⸗ ven; fle find aber ſehr formell, und immer die Wiederholung Eines und deffelben. Es fehlt die unendliche Form, die Geiftige teit, Freipeit Schon früher *) habe ih angeführt, daß! Lullus und Bruno verſucht haben, ein Syſtem der Form aufzuftellen, Die Au Ani in» orten Eine Eniang fen hierauf · hat Spinoza verzichtet. Bde Man fagt, der Spinozismus iſt Atheismus. Di iſt in einer Rücfiht richtig, indem Spinoza Gott von der Welt, von der Natur nicht unterſcheidet, indem cr fagt, Gott iſt die N ur, die Welt, der menſchliche Geiſt, das Individuum if Gott explicitt · in befonderer Weiſe. Man Tann alfo'fagen, es iſt Atheismus; und man ſagt dieß, inſofern er Gott nicht un⸗ terſcheidet von dem Endlichen. Es iſt ſchon bemerkt, daß aller⸗ dings die ſpinoziſtiſche Subſtanz den Begriff von Gott nicht er⸗ füllt ‚indem er zu faſſen ift als der Geiſt. Will man ihn aber Atheismus nennen, nur deshalb, weil er Gott nicht von der Welt unterſcheidet, fo ift dieß ungefhidt; man könnte ihn viel- mehr ebenfo gut einen Akosmiſten nennen. Spinoza behauptet, was man eine Welt heißt, giebt es gar nicht; es iſt nur eine Form Gottes, nichts an umd für ſich. Die Welt hat keine wahr hafte Wirklichkeit, fondern alles dieß ift in den Abgrund der Einen Identität geworfen. Es ift alfo nichts in endliher Wirk⸗ lichkeit, diefe hat eine Wahrheit; nad) Spinoza ifl, was ifl, al- lein Gott. Der Spinozismus iſt ſo weit davon entfernt, Atheis⸗ mus im gewöhnlichen Sinne zu ſeyn; aber in dem Sinne, daf Gott nit als Geift gefaßt wird, ift er es. Uber fo find auch viele Theologen Atheiſten, die Gott nur das allmächtige, höchſte

®) Oben, 9. 197198; 25 244.

40 ‚Detter Theil. Neuere Philofophiss

auch nur auf, und bedueist fie nicht aus der Subflanz.. Das Regative,ifti:a) als Nichts vorhanden, (um Abfoluten. iſt kein Modus); die Philoſophie betrachtet: es sub specie aeternitatis de h. wahr, in ze, in der Gubflang; d. h. da iſt es gar nicht, nur fein Yuflöfen, nur feine Rügkehr, nicht eine Bewegung, Werden und Seyn. 6) Das Negative iſt eben: als verſchwin⸗ dendes Moment, nicht an ſich, nur als einzelnes, Selbſibewußl ſeyn aufgefaßt, nicht als der Böhmedſche Separater.. *), ‚Das Selb ſibewußtſeyn iſt nur. aus, diefem, Ocean ‚geboren, teiefend von dieſem Waſſer, d.h. nie ‚zur abſoluten Selbſtheit kommend; das Herz; das Fürſichſeyn iſt durchbohrt, es Fehlt; das eur, (Das reine, Denten Spinoze’s iſt nicht das unbefangene Allge- _ meine: Plato's- fondern: Das; ‚zugleich mit dem ahſoluten Gegen⸗ ſage des Begriffs, und Seyns bekannt Äh) nt Dieſer Mangel sift zu erſetzen/ er iſt das Moment des Selbfi- bemußtiepnsi.a) als Bewußtſeyn, für, welches etwas Anderes if, - Wirtlicpkeitz, P)ıSürfihfenne, Erihat dieſe zwei, Seiten: ) die gegenſtändliche, dah das abſolute Weſen an ihm, die Weiſe seines Gegenſtands für das Vewußtſeyn erhält, oder, ‚das Seyende ‚als, ſolches, was Spinoza unter. den Modis begriff, zur gegenſtandlichen Wirklichteit als abſolutes Moment des Abſolu⸗ ten ſelbſt erhoben wird; 4) das Selbſtbewußtſeyn, Einzelnheit, Fürſichſeyu. Wie vorher fält jenes. dem Engländer, dieß dem Deutſchen, ‚Leibnig, zu, jenem nicht als Moment, Leibnig nit als: abfoluter Begriff; jener Engländer iſt John Lode. Diefes Befondere ſehen wir bei Lode und Leibnig hervortreten und geltend. gemacht. Wie nun Spinoza diefe Vorftellungen aur betrachtet, und ihr Höchſtes if, daß fie in der Einen Sub- ſtanz untergehen, fo unterfuht nun Locke die Entſtehung diefer Vorſtellungen. Leibnig dagegen flellt dem Spinoza die unend- liche Vielheit der Individuen gegenüber, wenn gleich alle jene

%#) Vorgl. Oben, S. 315 317.

r

Zweiter Abſhnitt. Nicolas Malekvandhe, 411

Monaden Cine Monade zu ihren Grundweſen haben. Beide find alfo im Gegenfage zw den, genannten Einſerikriten Spi⸗ noas pervoree rengen.

*

3 Molchrange. u

Spimniemus if Vollenbung des Eorteflanismus. Eine Form, diesdem Spinozismus an. der Seite fieht und aud eine vollendete Entwidelung der carteflanifchen Philoſophie if, ift Die Form, in der Maleb ranche dieſe Philafophie vorgeflellt hat; es iſt Spinvzismus inñ anderer, frommer; thealagiſcher Form. Um dieſer Form willen bat ſaine Philoſophie nithtl den Wider⸗ ſpruch ‚gefunden; den Spinoza fand; und dem. Malebrande if darum aud nicht: der: Vorwurf. des Atheismus ‚gemacht. worden.

Nicolas Malebranche ift 4638 zu Paris gebmren. . Cr: war kränklich, hatte einen übelgewachſenen Körper, umd wurde daher mit großer: Zärtlichktit erzogen. Er war ſchüchtern, und: liebte

die Einſamteit; in feinem 22. Jahte trat er in die congrega-

tion de d'oratoire, eine Art geiſtlicher Orden, «in, und widmete ſich den Wiffenfhaften. Zufüllig befam er, heim Vorbeigehen vor einem Buchladen, Carteflus Wert De hkomine zu fehen; er las:26, und es intereſſirte ihn fo, daß er Herzklopfen beim Lefen bekam, und fortzulefen aufhören mußte. Dieß entſchied; es erwarte in ihm die entſchiedenſte Neigung. zur Philoſophie. Er war: ein Mann vom edelſten, fanfteflen Charakter, und der zeinften, unwandelbasften Frömmigkeit. Er ſtarb zu Paris 1715, im 77. Jahre feines Alters. *) Ä

. Sein Hauptwerk hat den Zitel: De la recherche de Ia verite. Ein Theil davon ift ganz metaphyſiſch, der größere Theil jedod ganz empirifch; er handelt 4. B. logiſch, pſycholo⸗ gifh von den Irrthũmexn im Sehen, Bon in der Einbildungs⸗

#) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band II, Abth. 2, 5. 430 431.

412 Deitter Theil, Neuere Philofophies

kraft, dem Verſtande *) Das Wichtigſte von dem Urſprung unſerer Erkenntniß nn

Er fagte: „Das Wefen der Seele ifhim Daten; poiedes L der Materie in der Ausdehnung. Das Weitere, Empfindung, Einbildung, Wollen, find Modifikationen des Dentens.“**) Er fängt mit Zweien an, es ift abfolute Kluft zwiſchen beiden. Er führte in's Befondere die carteftanifche Idee von der’ Mfiftenz Gottes. im Erkennen aus. Sein Hauptgedante if, daß „die ‚Seele ihre Vorſtellungen/ Begriffe nicht von den’ äußerlichen Dingen bekommen Tann.“ Denn fobald Ich und das Ding ſchlechthin felbfiftändig gegen einander find, und keine Gemein ſchaftlichteit haben: fo können ſie ja nicht in Beziehung zu eine ander treten; fie können alſo nicht für einander ſeyn. „Die Körper find undurchdringlich; ihre Bilder würden einander auf dem Wege zu den Organen zerſtören“ ##*). Wie kommt Den ten und Nusgedehntes zuſammen? Dieß iſt immer ein Haupt⸗ punkt, Wie kommt das Ausgedehnte, Viele in das Einfache, den Geiſt, da es das Gegenteil iſt von dem Einfacher, das Aufereinandee? ‚Die Seele kann die Ideen” aber ferner „auch wicht aus ſich felbft erzeugen: +) „noch können fie angeboren ſeyn;“ FH „Auguſtin fagt,” „„Sprecht nicht, daß Ihr ſelbſt Euer eigenes Licht ſeyd.““ Ip)

Das Refultat ift dann aber, daß wir alle äuferlihen Dinge nur in Gott ertennen: „Daß wir alle Dinge in Gott fehen,” Gott felber der Zufammenhang zwiſchen uns und ihnen iſt; er ift Einheit der Dinge und des. Denkens. „Gott hat von Allem die Ideen, ‚weil er Ales erfhaffen hat. Gott ift durch

#) Livres I- IL ##) De la recherche de la verite (Paris, 1736), T. II, Livre II, Part. I, Chap. 4, p.4—6; T. I, L. 1, Ch.4, p. 6-7. ###) Ibidem, T. Il, L. II, P. II, Ch. 2, p. 66— 68. +) Ibidem, Chap. 3, p. 72. +7) Ibidem, Chap. 4, p. 84. +H) Ibidem, Chap. 5, p. R.

Ä

I

Mar Deiliee Teile Meneee Phubſerhie ·

deren Vorſtellungen / und dieſes Eſſentiale iſt das ‚Erfle.)" „Alle Weſen“(Eſſenzen) „find vor unſerer Vorſtellungz diehß können ſte nicht ſeyn, als nur, weil Gott im Geiſte gegenwärtig iſt: et ift der, der alle Dinge in der Einfachheit feiner Natur enthält Es ſcheint, daß der Geiſt nicht fähig: wäre, fich die allge meinen Begriffe von’ Gattung, Art und dergleichen vorzuſtellen, wenn er nicht alle "Dinge ſähe in Cines eingeſchloſſen.“ Das Allgemeine iſt an und für ſich, entſteht nicht durch das Veſon⸗ dere. Da jede exiſtirende Sache ein: Einzelnes iſt, ſo kann man nicht‘ ſagen, daß man etwas Erſchaffenes ſehe, wenn man FB. einen Triangel im Allgemeinen fleht, *)

Be Wir ſehen dieß Allgemeine durch Bott, den Det der Geiſter; da ſchreien die Theologen 'über Pantheismus, ,, Man tan feine Rechenſchaft geben, wie der Geiſt abſtrakte und ges meine Wahrheiten erkennt, als durch die Gegenwart deſſen, der den Geift erhellen Tann auf unendliche Weiſe,“ der das Allgemeine an und für ſich ift, Wir haben eine deutliche Idee von Gott,“ vom Allgemeinſten. „Mir können fe nur haben durch die Union mit ihm; denn dieſe Idee iſt nicht ein Erz fhaffenes;" iſt an und für ſich. Es ift, wie bei Spinoza: das Eine Allgemeine iſt Bott, und fofern cs befiimmt if; iſt es das Befondere; dieß -Befondere fehen wir nur im Allgemeinen, wie die Körper im Raume. „Wir concipiren ſchon das unendliche Seyn, indem wir das Seyn concipiren, unangefehen, ob es end» lich oder unendlich if. Um ein Endliches zu erkennen, müffen wir das Unendliche einſchränken; diefes muß alfo vorangehen. Alſo erkennt der Beift Alles im Unendlichen; es fehlt fo viel, daß dieſes eine verworrene Worftellung vieler befonderer Dinge ſey, daß vielmehr alle befonderen Vorſtellungen nur Participa⸗ tionen find der aligemeinen Idee des Umendlichen: ebenfo wie

#) De la recherche de la verite, T. II, Livre IN, Part. II, Chap. 6, p. 100 101.

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\ Sie macht die Kreaturen vollkommener, und alle Geiſter ſuchen auf natürliche: Weife fle zu erkennen. Nun ift nichts, das dieſe Volltommenheiten habe, als Gott. Alſo iſt die Wahrheit Gott, Wir ſchauen dieſe unveränderlichen und. ewigen Wahrheiten; alſo ſchauen wir Gott.“ *) „Gott ſieht wohl, aber empfindet die finnlihen Dinge nit. Wenn wir etwas Sinnliches fehen, ſo befindet ſich in unferem Bewußtſeyn Empfindung und reiner Gedanke. Die Empfindung iſt eine Modifitation unferes Beifies, ‚Gott verurfacht diefelbe, weil er weiß, daß umfere Seele derſel⸗ ben fähig iſt. Die, Idee, die, mit der Empfindung verbunden ft, iſt in Gott; wir ſehen ſie u. ſ. f.” *8)

Dieſe Beziehung, dieſe Union unſeres Geiſtes mit dem Verbe de Dieu und unferes Willens ‚mit feiner Liebe ift, daß wie nah dem Ebenbilde Gottes und feiner Aehnlichkeit ge⸗ macht find.) ‚Die Liebe Gottes beſteht alſo darin, feine Affektionen auf die, Idee Gottes zu beziehen; wer ſich erkennt amd. feine Affektionen deutlich, denkt, ‚liebt Gott. Es iſt fo in diefer edlen Seele ganz »derfelbe Inhalt, wie bei Spinoza, nur in. einer frömmeren Form. Sonſt finden ſich -fonflige leere Litaneien von Gott, ein Katechismus für Kinder von acht Jahren über Güte, Gerechtigkeit, Allgegenwart, moralifche Welt ordnung; Theologen kommen ihr ganzes Leben nit weiter.

Das Angegebene find die Haupt-Ideen Malsbrande’s; das Uebrige ift Theils formelle Logik, Theils empirifhe Pſychologic. Moalebrande geht zur Abhandlung von Jrrthümern über, wie fe entfichen, wie die Sinne, Einbildungstraft, Verſtand uns tãuſchen, wie wir uns benehmen müflen, um dem abzuhels fen. Dann geht Malebrande fort zu den Regeln und Gefeten, die Wahrheit zu erkennen. +) Diefes ift formelle Logik und

#) De larecherche de la verit, T. I, I. M, P. II, Ch.6, p.106— 407. ##) Ihidem, p. 109. #6) Ibidem, p. 110— 111.

H Ibidem, T. 111, L. VI, P. 1, Ch 1, p. 1-3.

I

a8 Dritter Theil. Neuere Philofophie- entgegengeſetzt. Das Allgemeine, was in ihnen gemeinfchaftlid iſt, iſt, dag fie, tm Gegenfag gegen Spinoza und Malebrauche, das Befondere, die endliche Beſtimmtheit und das Einzelne zum Princip machen. Bei Lode befonders ift es darum zu thum, das Allgemeine, die allgemeinen Ideen, Vorſtellungen überhaupt und ‚den Urfprung derfelben zu erkennen. Bei Spinoza und Male branche ift die Subftanz oder das Allgemeine das Wahrhaft, was an und fürfich, ohne Arfprung, ewig ift, und woran das Befondere nur Modifikationen ſind. Bei Lore ift hingegen das Endliche, und das endliche Erkennen, Bewußtſeyn das Exfie, und- daraus foll ‘abgeleitet werden das Allgemeine: Leibnitz macht ebenſo die Monade, das Einzelne, Individuelle, was bei 'Spir noza nur eine Form des Antergehens hat, zum Principz und in diefer Rügſicht ift es, daß ich Beide zufammenfteltes Lode macht eine Art des Gegenſatzes zu Spinogarausı Bei dieſem iſt die Subſtanz das Abſolute, allein Seyende, das Ewige; und Alles iſt nur etwas, inſoſern cs auf die Subſtanz bezogen, durch fie begriffen wird, Locke macht Gegenbild dazu, ſtellt ſich auf den entgegengefegten Standpunkt. Gegen die ſtarre Einheit der fpinoziftifchen Subftanz hält das Bewuftfeyn an den Unter⸗ ſchieden feſt: Theils hält es an fih, als frei in fih, gegenüber dem Seyn, Natur, Gott, um es als feinen Gegenftand fid) zu beflimmen; Theils von diefem Gegenfage aus die Einheit hervorzubringen, und zu ihr ſich zu erheben. Es ift allgemeine Tendenz, den Gegenſatz, Unterſchied zu behaupten, und in ihm und aus ihm die Einheit zu erfennen. Aber die Wege diefer Tendenz verftanden ſich felbft noch wenig, hatten noch Fein Bes wußtſeyn über ihre Aufgabe und die Weife, ihre Forderung zu Teiften. Zunächft bei Lode ift die andere Seite, das Befchräntte, Endliche, Sinnlihe, unmittelbar Dafeyende, Negative die Haupt: fahe; es if, das äußerlich und innerlich Wahrnehmbate. Spinoza hat dem Negativen Unrecht gethan; es kam daher zu keiner immanenten Beftimmung, alles Beflimmte geht zu Grunde.

I.

Zweiter Abſchnitt. John Locke. 419

Im Lode iſt das Endliche das Erfii, das Fundament; von ibm wird zu Gott übergegangen. Er bleibt ganz bei der gemeinen Stufe des Bewußtſeyns ſtehen, daß Gegenſtändr außer uns, führt fie herüber, erhebt die Einzelnheiten der Wahrnehmung in’s All- gemeine. Es ift Verſuch einer. Deduttion Ber allgemeinen Des griffe,; der Meg der Definitionen iſt verlaffen, mit denen font angefangen wird. Die allgemeinen Begriffe, das. mit fi‘) Iden⸗ tifche, 3. 2. die Subftantialität, entfteht. fubjettiv. aus den Ge⸗ genftänden, : Das Endliche :ift--nicht als abfolnte: Negativität in feiner Unendlichkeit: aufgefaßt; Pas werden: wir zum Dritten bei Leibnig fehen; - Leibnig fegt in höherem Sinn die Indivi⸗ dualität, das Unterfchiedene als für fi feyend, und zwar ge⸗ genflandslos, als. wahrhaftes Seyn, nur als Totalität, nicht als’ Endtiäes- und doch unterſchieben * Be daß alſo for ſelb die Totalität.

Ganz außer den Augen geſttzt iR: bi Bode die: Wäprhek an und für-fich ſelbſt. Das Intereſſe iſt nicht mehr, zu erken⸗ nen, was wahr, an und für ſich iſt; -Sondern das nterefie. iſt fubjettio, wie- ſich in: unſerem Erkennen: dieß made, wie wir gu den Vorſtellungen kommen, befonders zu den allgemeinen Borftellungen, oder zu den. Ideen, wie Lode. es nannte. .. Er macht die Vorausfegung, daß ſolche Beflimmungen unmittelbar wahr feyen; Realität hat die ſchlechte Bedeutung, ob etwas aufer uns. Locke beithreibt den Weg, auf welchem im Bewußtſeyn allgemeine Gedanken zum Bewußtſeyn kommen, ein Weg der Erſcheinung. Hiermit wird von nun an oder auf dieſer Seite der Geſichtspunkt des Philoſophirens ganz und gar verändert; das Intereſſe beſchränkt ſich auf die Form des Uebergehens des Objektiven oder des Gefühls in die Form von Vorſtellung. Vei Spinoza und: Malebranche ſahen wir allerdings auch als Haupt⸗ beſtimmung, dieſe Beziehung des Denkens auf das Ausgedehnte zu erkennen, alſo das in's Verhältniß, in's Relative Fallende,

auch die Frage: Wie iſt Beides bezogen? Sie wurde aber in 27 *

40 Dritter Theil. Neuere Philofopbier dem Sinne, beantwortet und genommen, daf nur diefe Bezie- bung für ſich das Intereffe ausmacht, und diefe Beziehung felbft, als. abfolute Subftanz, iſt dann Identität, das Wahre, Gott, nicht die Bezogenen. Das Intereffe fällt nicht auf die Bezo⸗ $ genen; nicht bie Bezogenen find das Seyende, Vorausgeſehte und feſt Bleibende, die Bezogenen find nur accidentell. Hier gelten die Bezogenen, die Dinge und das Subjekt; fie find als geltend vorausgefegt. Es if fheinbar daffelbe Intereffe, wie in Malebranches recherche de la veritd. Bei Malebranche tritt das Pſyche⸗ logiſche auch ein; es iſt aber nut das Spätere. Die abfolute Einheit ift das Haupt=Intereffe; fie gilt-als Grundlage. Mic kommen wir zu Borfiellungen, fragt Malebrande. Die Antwort | lautet: a) Wir fehen Alles in Gott; und 9) darum ift das Als gemeine, Unendliche ſchlechthin das Erfte und die Woramsfegung des: Erkennens des Einzelnen. Bei Locke fängt es mit einzelnen Wahrnehmungen an. Wie kommen wir zu allgemeinen Vor⸗ fiellungen? Wir abftrahiren fie von den einzelnen Wahenchs “mungen, d. h. die einzelnen Wahrnehmungen find das Erſte, das Allgemeine das Folgende, das von uns Gemachte, nur dem Denten als fubjektivem Angehörige. Beide Seiten, als einfeis tige, gelten und bleiben; und das Intereffe ift eigentlich bloß pſychologiſcher Art, den Weg zu betradten, wie die einzelnen Empfindungen zu allgemeinen Vorftellungen werden. Das Ges fühl ift allerdings die niedrigfte, die thierifche Weiſe des Geiſtes; der Geift, als dentend, will das Gefühl in feine Weife ummwans deln. Kant wirft dem Lode mit Recht vor, nicht das Einzelne iſt die Quelle der allgemeinen Vorftellungen, fondern der Vers ſtand. Die Hauptſache ift aber die Ratur diefes Inhalts ſelbſt. Es Hilft nichts, ob er aus dem Verftande oder der Erfahrung entfpringe; fondern es fragt ſich, ift diefer Inhalt für ſich ſelbſt wahr. Bei Lode hat die Wahrheit nur die Bedeutung der Mes bereinſtimmung unferer Vorftellungen mit den Dingen; da iſt bloß

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422 Dritter; Theil, Weuen Mhiͤelbehe.

Schwãchlicht eit wegen, wicht: eigentlich ausübte. Mit einem eng⸗ liſchen Geſandten ging er 1664 auf rein Jaht nad Berlin, Nach ſeiner Rücktehr nach Eugland wurde et mit dem geiſtreichen nachmaligen ⸗Grafen Shaftabury bekannt, der ſich feines me diciniſchen Raths bediente; ex lebte in deſſen Hauſe ohne nis thig zu haben, fich mit mediciniſcher Praxis abzuge ben. Als dieſer ſpäterhin Großtkanzler von Englandı wurde, erhielt Lock von ihm ein Amtz aber bei dem Wechſel, den dieſer im: feinem Miniſterium erlitt, verlor Loce bald, darauf feine, Stelle wieder, Er begab ſich nun, wegen Beforgniß vor Schwindſucht, 167 nach Montpellier zus, Wiederherſtellung feiner Gefundheit, Er gewann zwar / ſelne Stelle wieder,: als. fein, Gönner wieder in’s Miniſterlum kam, wurde jedoch bald nachher, bei einem neun Sturze dieſes Miniſters, von Neuem abgeſetzt, und mußte ſogat aus England flüchten. Er ging nad Holland, das damals das Land war, wo Alles Schutz fand, was genöthigt war, einer Un⸗ terdrüchung⸗ ſey ſie politiſch oder religiös, zu entſliehen, und mo ſich damals die berühmteſten und freiſinnigſten Männer zufams menfanden. Er wurde von Oxford verjagt. *) Die Hofparthei verfolgte ihn; er ſollte, vermöge eines königlichen Befehls, ges fangen genommen und nach England ausgeliefert werden. Er mußte ſich deßwegen bei ſeinen Freunden verborgen halten. Er kehrte dann, bei der erfolgten Revolution, 1688, mit Wilhelm von Dranien, als diefer den englifhen Thron beflieg, wieder nad England zurück. Er wurde Kommifjair des Handels und

*) Quarterly Review, April 1817, p. 70— 71: „Der Akt (the act), daß Locke von Drford verjagt wurde“ (mas er dort gewefen, iſt nicht gejagt), mtwar nicht der Akt der Aniverfität, fondern Jakob's II, auf deſſen aufs drüdlichen Befehl und unter der peremtorifchen Autorität eines ſchriftlichen Mandate (warrant), als Visıtor of Christ-Church, die Austreibung Statt fand. Aus der Korrefponden;, die Statt fand, erhellt, daß das Kollegium wider Willen ſich unterwarf als einer Maafregel, der es nicht widerftehen fonnte, ohne den Frieden und die Ruhe feiner Mitglieder zu Fompromitz tiren." Vergl. The VVorks of John Locke, London, 1812, Vol. I: The life of the Author, p. XXV1— XXVI.

Zweiter, Abſchnitt. Philoſorhle des Rode, 423

der Kolonien, gab: fein berühmtes Wert über den menſchlichen Verſtand heraus, und Iebte zuletzt⸗ zurüdgezogen von öffentlicher Gefchäften,: bei eugliſchen Großen auf ihren, Landhäufern, wegen feiner ſchwächlichen Geſundheit; 1704 .am.28. Dktober Nach. er, in. einem Alter von 73, Jahren. *) - |

Die lockt'ſche Philoſophie iſt ſehr geehrt, fie if ‚im n Gans zen noch die Philaſophie der Engländer und der Franzoſen, und auch in: nem gewiſſen Sinne noch. jegt .der Deutfhen. Der kurze Bedankte der locke'ſchen Philoſophie ift a) diefer, daß die allgemeine Vorſtellung, daf das Wahre, die Erkenntniß, berube auf. Erfahrung. Einer Seits wird die Erfahrung und Beobach⸗ tung ‚: anderge Seits das Analyfiren, Herausheben der allgemeiz= nen Beflimmungen als Gang der Erkenntnif .vorgefchrieben; es iſt metaphyſicirender Empirismus, und. dieß iſt der ‚gewöhnliche Meg in den. Wiffenfchaften. Lode ſchlägt fo in Hinficht der Methode: den entgegengefegten Weg ein, wie Spinoga. Diefer batte Definitionen vorne..hingefleltt; Lore ifi umgekehrt bemüht, aufzuzeigen, daß die: allgemeinen Vorſtellungen hervorgehen aus der Erfahrung. Bei der Methode des Spinoza und Descartes kann man vermiffen,. dag die Entſtehung der Ideen nidt angegeben iſt; fie find geradezu genommen, wie 3. B. Subflanz, Unendlidhes u. f. f... Das Bedürfniß if, jedody, aufzuzeigen, wo diefe Ideen, Bedanten her kommen, wodurch ſie begründet, bes | wahrheitet find. ..&o hat nun Lode ein wahrhaftes Bedürfniß zw befriedigen gefucht, indem er bemüht war, aufzuzeigen das Entfichen, die ‚Begründung diefer allgemeinen. Vorftellungen. Dieſe Begründung iſt aber nur. in Beziehung auf empirifches Entſtehen, d..b..mas unfer Bewußtſeyn für einen Weg nimmt, wenn es fich entwickelt. Jeder Dienfch weiß, daß er von Er⸗ fahrungen, Empfindungen, ganz Tontreten Zufländen anfängt;

*) "Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band IY,

Abth. 1, S. 238 Mi; The Works of John Locke, Vol, I: The life of ihe. Asthor, p. ZIX AXXIX,

224 Dritter Theil, Neuere Philofophie:

und daß fpäter der Zeit nach erft die allgemeinen Vorſtellungen

find; diefe haben einen Zufammenhang mit) den Konkreten der

Empfindung, die allgemeinen Vorftellungen find darin enthalten.

Der Raum kommt z. B. fpäter zum Bewuftfeyn als das Räum-

liche, die Gattung fpäter als das Einzelne; und es iſt nur This

tigkeit meines Bewußtſeyns, das Allgemeine zu scheiden von dem " Befonderen der Worfiellung, Empfindung u. ſ. f.

B) So ift der Gang, den Lode eingefhlagen hat, gan richtig, aber nicht dialtktiſch, fondern das Allgemeine aus dem empiriſch Kontreten analyfet, Die dialektifhe Betrachtung in ganz und gar verlaffen, überhaupt die Wahrheit. Eine ans dere Frage ft: Sind dieſe allgemeinen Befiimmungen an und für fi wahr? Und wo kommen fle, nicht nur in meinem Be wußtſeyn, in meinem Verſtande her, fondern in dem ‚Dingen ſelbſt? Raum, Urfache, Wirkung u. f. f. find Kategorien. Wie tommen dieſe Kategorien in das Befondere? Wie kommt der allgemeine Raum dazu, ſich zu beſtimmen? Diefer Standpunkt, ob diefe Beflimmungen des Unendlihen, der Subſtanz anf. f. am und für fic wahr find, wird ganz aus dem Auge verloren. Plato unterfuchte das Unendlihe, Seyn, und das Endliche und Beftimmte u. f; f., daß feines für fih das Wahre ſey; dieß ſeyen fie nur als beide ſich identifch fegend, die Wahrheit des Inhalts mag nun berfommen, woher fie will. Aber hier wird ganz Vers sicht geleiftet auf die Wahrheit an und für fi.

) Wo das Denten von Haus aus konkret, Denken und Allgemeines identifc mit dem Ausgedehnten ift, ift ohne Intereffe, unverfländli die Frage nach der Beziehung Beider, die das Denten auseinander gebradht, aus einander gefegt hat. Wie überwindet das Denken die Schwierigkeiten, die es felbft erzeugt hat? Hier bei Lode werden gar keine erzeugt und erwedt. Vor⸗ her ift das Bedürfniß, der Schmerz, die Entzweiung zu erwecken.

Was nun die näheren Gedanten Lode’s anbetrifft, fo find fie ſehr einfach. Lode betrachtet, wie der Verſtand nur das

126 Dritter Theil; Neuere: Philoſophie · kommen ‚feidht, Der Geiſt iſt allerdings an fihrbeftimmt, der für ſich exiſtirende Begriff; feine Entwielung if, zum‘ Bewuft- fegn zu kommen Diefe Befiünmungen) die er ausfich hervor- bringt, kann man nicht angeboren nennen. Diefe Entwickelung muß veranlaßt werden: durch sein Aeußerliches, die Thätigkeit des Geiſtes iſt zunãchſt Reaktion; erſt fo wird er ſich ſeines Wefens bewußt. Pete win RER TEL re Dieſe Widerlegung, die Loche macht, iſt empirisch. Seine Gründe ſind folgende: Man beruft ſich auf die allgemeine Uebereinſtimmung bei moraliſchen Gefühlen, logifchen. Sägen, die ſich alcht · anders erklären laſſe, als dadurch/ daß ſie von der Natur eingepflanzt ſeyen. Aber dieſe Uebereinſtimmung findet nicht Statt) ZB: der Sayıı Was iſt, das iſt, Es iſt unmöge lich / daß daſſelbe Ding: zugleich ſeyn und, niht.feyn fönne, dieſe könnte man mod) am eheſten für angeboren halten“ Dies fer, Sagı gilt nicht, das gt für, den Begriff nichtz es giebt auf Erden und im Himmel nichts, was nicht Seyn und Michtſeyn enthält: Viele Menſchen, Kinder und Unwiſſende,“ ſagt Locke, „haben nicht die geringſte Kenntniß von dieſen Sägen. Man kann nicht behaupten, es ſey etwas der Seele Eingeprägtes, wovon fle Kenntniß hat“ *) Locke führt an, daß „man hierauf erwicdere, Menfden wiſſen erſt von ſolchen Grundfägen, wenn fie zum Gebrauch der Vernunft: kommen. —. IA es aber der Gebrauch der Vernunft, ‚der ihnen zu Entdedung derjelben bes hülflich iſt und dieſelben entdeckt, fo find fie ja. eben nicht ans geboren. : Die Vernunft ſoll ſeyn, aus bereits befannten Prinz eipien..umbetannte Mehrheiten abzuleiten. Wie .follte alſo tie. Anwendung der Vernunft nöthig fehn, um- die vermeintlich angeborenen Principien zu entdecken?“ **) Dief: if eine ſchwache Einwendung; denn fie jegt voraus, dag man unter angeborenen *) An Essay concerning human Understandiug, B. I, Ch. I,

82-5, p. 13— 16. ##) Ibidem, $.6— 9, p. 16-17.

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Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Locke. 427

Ideen: ſolche verſteht, die der Menſch im Bewußtſeyn ſogleich als ganz fertig habe. Aber die Entwickelung im Bewußtſeyn iſt etwas, Anderes, als das, was an ſich Vernunftbeſtimmung iſt; und ſo iſt der Ausdruck angeborene Idee allerdings ganz ſchief. „Bel Kindern und Ungelehrten, weil fie nicht vexbildet, müßten fie ſich am meiften zeigen.“ *) Ex .giebt noch mehr dergleichen Gründe an, befonders praktifche: Die Verſchiedenheit der mo» ralifchen Lehren, die Böſen, Grauſamen, die tein Gewiflen has ben, **) „Lord Herbert De ;veritate nimmt angeboreng Imprefffonen an (notiones: communes: in foro interiori de- scriptae). ##*) Cr beftreitet Plato’s Ideen: Die allgemeir nen Begriffe feyen fpäter (bei Malebranche waren fie dagegen früher), fie werden .erft aus den. befonderen gebildet FT) Das erfie Buch beſchäftigt ſich damit. : Wir. tommen er zu dem, wag wir Ideen nennen.

PB. Das Weitere ifl dann aber, dag Bode: im zweiten Buch zu dem Urfprung der Ideen übergeht, und dieß Bils den aus, der Erfahrung aufzuzeigen ſuchte. Das Pofltive, was er jenem Aufnehmen aus dem Inneren entgegenftellt, iſt ebenfo f&hief, daß er fie aus dem Aeußeren aufnimmt, nur das Seyn⸗ fürs Anderes fefthält, das Anfich ganz verkennt. Er fagt: „Da jeder Menſch ſich bewußt ift, dag er denkt, und daß das, wo⸗ mit. fein, Geift (mind) beſchäftigt (applied). iſt, im Denken, die Ideen find: fo ifl es über allen Zweifel, dag die Menſchen in. ihrem Geiſte verfhiedene Ideen haben, folde als dur die Worte ausgedrüdt find, Weiße, Härte, Weichheit, Denten, Bes wegung, Menfh, Elephant, Armee, Trunkenheit und andere,” Idee heißt hier Vorſtellung; wir verſtehen unter Idee etwas

#) An Essay concerning human Understanding, B. I, Ch. II, 8. 27, p. 30 32.

##) Ibidem, Ch. III, $.1—14, p. 3 9. #3) Ibidem, $. 15, p. 45 46.

7) Ibidem, Ch. IV, 8%, p. 699 71. *

428 Deitter Theil. Neuere Phllofophie. Anderes, „Es ift nun zu allererft zu unterfuhen: Wie kommt der Mensch zu folhen Ideen? Mngeborene Ideen find ſchon widerlegt. Segen wir alfo den Geift voraus als ein weißes Papier, leer von allen Charakteren, ohne irgend eine Idee, wo⸗ her wird. er damit verfehen? Darauf antworte ih mit Einem Worte: Von der Erfahrung. Auf fle gründet fi alles un fer Wiffen.“ *) Es ift richtig, daß der Menſch bei der Erfah- zung anfängt, wenn er zu Gedanken kommen will. Alles wird erfahren, nicht bloß das Sinnliche, fondern au, was meinen Geiſt beftimmt, bewegt: d. h. ich muß das felbft Haben, ſeyn; und das Bewuftfeyn über das, was ich habe, bin, ift Erfah zung. Es ift abfurd, daß man etwas wife u. f. f., was nidt in der, Erfahrung fey, 3 B. Menſch, alle find Menſchen, ich brauche fie nicht alle gefehen zu haben. Ich bin Menfh, habe Thätigkeit, Willen, Bewußtſeyn über das, was ich bin, und was Andere find; und fo iſt dieß allerdings Erfahrung. Aber das betrifft bloß den pſychologiſchen Weg des Geiſtes. Ein ganz Anderes ift es, zu fragen: Iſt dieß, was in uns if, wahr? Das Woher erſchöpft die Frage nicht. .

Ale Begriffe gründen ſich auf die Erfahrung, und der Vers fand (Denken) ift nur Verknüpfen, Vergleichen und Unterſchei⸗ den diefes Yufgenommenen. **) Das Denken felbft iſt ihm nicht das Wefen der Seele, fondern eine von den Kräften und Aeuße⸗ rungen derfelben. Eben er hält das Denken als feyend im Bes wußtfegn feft, bewußtes Denken, und bringt alfo die Erfahrung an, daß wir nit immer denken. Die Erfahrung zeige Schla- fen ohne Träume, wenn man tief fhläft. Locke führt das Beis fpiel eines Menſchen an, der fih bis in fein 25. Jahr Feines Traumes erinnerte. #*) Es ift wie in den XZenien:

*) An Essay concerning human Understanding, B. II, Ch. I, Of Ideas in general, and their Original: $.4—2, p. 77. =#) Ibidem, Ch. XIl, $. 4, p. 148. @##) Ibidem, Ch. 1, $, 10-14, p. 1-85.

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430 OH Dritter Theil,‘ Neuere) Philefephie-

einzige Form; die des Anſich iſt ebenfo abſolut und weſentlich, dh das Begreifen des Erfahrenen oder das Aufheben dir ſes Scheins des Andersfenns, und das, Erkennen der Nothwen⸗ digkeit der Sache durch ſich felbft. Es iſt nun ganz gleichgüt tig, ob man dieß nimmt als etwas Erfahrenes, als eine Reihe von. Erfahrungsbegriffen, wenn man fo. ſptechen kann, oder Vor⸗ ſtellungen, oder dieſelbe Reihe als * von Gedanken, an ſich Senden. uns ee nr Die Hauptbemühung Lode's a nun“ auf zuzeigen, wie die metaphyſiſchen Begriffe aus «der Erfahrung entſpringen, nicht vollltandig/ —⸗epiriſch aufgenommene Naum, Undurchdring⸗ lichteit, Figur, Bewegung, Ruhe und dergleichen ans der äufe- ren Empfindung; Denken / Wollen) ff aus der inneren; allgemeine "Begriffe, Daſeyn, Einheit) Vermögen unr ſaf as beiden yufammen. *) Nagel. har DRITT: . Lode "geht: alfo' davon aus, daß Alles Erfährung M; aus dieſer Erfahrung nun abſtrahiren wir uns Yallgemeine Vot⸗ ſtellungen über die Gegenſtände und ihre Qualitäten. Und Locke macht dann? in Anſehung der äuß eren Qualitäten einen unterſchied, der früher ſchon dei Ariſtoteles vorgekommen, und den wir auch bei: Descartes geſehen. Er unterſcheidet primäre und.fetundäre Qualitäten: die erften kommen den Gegenflän- den. felbft in Wahrheit zu; die anderen find keine reale Quali- täten, fondern gründen -fih auf die-Natur der Organe des Em- pfindens. Primäre Qualitäten ſind mechaniſche, Ausdehnung, Solidität, Figur, Bewegung, Ruhe; dieß find Qualitäten des Körperlihen, ‚wie das Denken die Qualität des Geiftigen if. Die Beftimmungen unferer befonderen Empfindungen, wie Far— ben, Töne, Gerüche, Geſchmack u. f. f. find jedod nicht pri— mär. **) Derfelbe -Unterfchied ift bei Descartes, nur hat er

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%) - An Essay concerning human Understanding, B. II, Ch. IE = VII, p.3— 10. *#) Ibidem, Ch. VII, $.9— 26, p. 12 —1M,

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Zweiter Abſchnint. Philoſophie des Locke. 431

bier eine andere Form. Bei Descartes find die zweiten fo be⸗ ſtimmt, daß fie: Hicht das Wefen des Körpers ausmachen: *) bei Locke, daß fle für die Empfindung ſind oder in das Seyn für's Bewußtſeyn fallen; Lode rechnet freilich Figur u. ſ. f. auch noch zu dem Weſen. Eigenſchaften, die für's Gefühl, find nach Ariſtoteles Solidität; **) aber damit ift über die Natur. des Körpers gar nichts ausgemacht. Es tommt Lodern hier felbft ein Unterfhied ‚des Anfich und des Für⸗ein⸗Anderes herein, worin- er das Moment: des: Fürs ein= Anderes als das Unweſent⸗ liche erklärt,’ un: body: alle Wahrheit nur in dem Für⸗ ein⸗ Anderes ſteht.

SG. Nachdem vorausgeſetzt iſt, ift das Wentere, dag der intellectus, der Verſtand es iſt, der. jetzt das Allgemeine. findet und. erfindet: Der: Bifchof von. Worceſter machte den Einwand, „Daß, wenn die Idee der Subflanz auf einen tlaren und deut- lichen Schluß gegründet iſt (groundad upon plain. and evi- deht reason); : fie weder aus der Senfation noch ' Reflexion ſtammt.“ Locke antwortet:. „Allgemeine Ideen kommen in’ den Geiſt weder durch Senſation noch durch Reflexion“ (Bewußtſeyn des. Innern, innere Beſtimmungen), „ſondern ſie find: Geſchöpfe oder Erfindungen des Verſtandes. Der. Verſtand macht fie durch Vorſtellungen, die er durch die Reflexion und Senfation gewon⸗ nen bat.” MM), Die Arbeit des Verſtandes nun beſteht darin, aus diefen ‚fogenannten Ideen eine Dienge. neuer hervorzubrin⸗ gen durch eigene Bearbeitung, durch Zufammenfügung mehrerer einfacher in Eine, durch Vergleichung und Gegeneinanderftel- lung, endlich durch Abfonderung ader Abſtrattion, wodurch die

er S. Oben, 5. 39 ‚361. ##) Of. Arist, De anima Il, 11. 5 .##W#) An Essay concerning human Understanding, B. IT, Ch. II, s 2, not, p. 93 M: . General ideas eome not into the inind by sensa- tion or relection, bat are the creätures:or invenitions of the under- standing. The mind makes them from ideas which- a has got by sensation and reflection. . Pe 72 &

433 ' Deitter Theil. Neuere Philoſorhie.

allgemeinen Begriffe entfpringen; *) fo Raum, Zeit, Einpeit und Verſchucdenheit, Ueſach und Wirkung, Mädt, Frei heit, Nothwendigkeit, „So ift er aktiv;“ allein „feine Netivität iſt· nur „ein Verbinden, Zufammenfegen“ allgemeiner Ideen, *#) Lore fegte das Weſen ded Verfiandes in die formelle Thätig⸗ teit, aus den durch die Wahrnehmung erhaltenen einfachen Vor⸗ ſtellungen durch Vergleichung und Zufammenfegung neue Ber fimmungen zu bilden. Er fagt: „Der Verſtand ift im Rüd Kt feiner einfachen Formen“ (modes) folde einfachen Ber fimmungen find Kraft (power), au Zahl (number), Unend⸗ lichkeit (infinity) „ganz paffiv: und empfängt fie von der Eriftenz und der Operation der Dinge, wie die Empfindung fle darbietet, ohne daf er eine Idee macht;“ ***) er iſt das Auf ‚faffen der abfirakten Empfindungen, die in den Gegenftänden enthalten find. Da macht er denn and) einen Unterſchied zwiſchen ‚einfachen und vermifhten Formen. Kaufalität w. f.f. if ſo ‚ein gemifchter Modus (mixed mode); und doch ſieh ‚bie Be ſchreibung, wie diefe Idee entſtehe. +)

In Anfehung jenes: Entftchens zufammengefegterer Borfık lungen aus einfachen hat Locke das Verdienft, von diefem Wege der bloßen Definition abgegangen zu feyn: Subftanz ift diefes, Modus ift diefes, Ausdehnung ift diefes u. f. f., die eine gan intohärente Reihe ausmachen. Die Art nun, wie der Verftand die allgemeinen Vorftellungen gewinnt aus den konkreten Vor⸗

#) An Essay concerning human Understanding, B. Il, Ch. XII, 5.4, p. 143.

##) Ibidem, Ch. XXIT, $. 2, p. 275: The mind often exercices an active Power in making these several combinations; for it being once fürnished with simple ideas, it can put them together in several com- positions.

###) Ibidem: The mind, in respect of its simple ideas, is wholly passive, and receives them all from the existence and operations of things, such as sensation or reflection offers them, without being able to make any one idea.

D CE£ Ibidem (Vol. I), B. I, Ch. XXVI.

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Zweiter Abſchnit. Philoſophle des Locke. 433

fiellungen,. ift die Hauptfache; dieſe Ableitung aus der Erfah⸗ rung erplicirt er am Befonderen. Allein die Urt, wie er Diefe Deduktion angreift, ifl nun völlig nichtsfagend, etwas ganz Formales, eine leere Zautologie; diefe Explikation ift höchſt tri⸗ vial und langweilig und fehr weitläufig.: 3. B. die-allgemeine Vorſtellung vom Raume bilden wir aus der Wahrnehmung der Entfernung von Körpern duch Gefiht und Gefühl. 9 Dh mit anderen Worten: Mir nehmen einen beflimmten Raum wahr, abfltahiren, und dann haben wir den Begriff des Raums überhaupt... - Die Wahrnehmung der Entfernungen giebt une Borftellungen vom Raum; es ifl jedoch Fein Ableiten, fondern nur ein Weglaffen der anderen Beflimmungen. Die Entfernung ift felbft ja die Räumlichkeit; der Verfland bildet alfo die Bes fimmung der Räumlichteit aus der Räumlichkeit. So bee tommen wir den Begriff der Zeit durch die ununterbrochene Succeffion der BVorftellungen im Wachen; **) d. h. aus der beflimmten Zeit nehmen wir die allgemeine wahr. Die Vorſtel⸗ lungen folgen fortwährend auf einander; lafien wir das Beſon⸗ dere darin weg, fo erhalten wir dadurch die Vorſtellung der-Zeit.

Subflanz (substance), eine zufammengefeste Idee (com- plex idea), tommt daher, daß wir oft einfache Ideen (Blau, Schwer u. f. w.) bei einander wahrnehmen. Diefes Beifammen fiellen wir uns als Etwas vor und was jene einfachen Ideen zugleich trägt, worin fle exiſtiren u. ſ. f. **) So Ber mögen uf. DD Das ift langweilig, Dann werden die Beflimmungen der Freiheit und Nothwendigkeit, der Urſache und Wirkung auf diefelbe Weife hergeleitet. „Urfah und Wirkung (cause and effect). In der Kenntniß, die unfere

#) An Essay concerning human Understanding (T. D, B. II, Ch. XIII, 8. 2, p. 147; Ch. IV, 8. 2, p. 100. ##) Ibidem, Ch. XIV, $. 3, p. 163. #3) Ibidem (T. ID, B. II, Ch. XXI, 1— 2, p.1—4. 7) Ibidem (T. I), B. II, Ch. XX], $. 1, p. 220.

Geſch. d. Ppit. ** 28

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a0 Deere, Neuere Pbdlfenbier

‚Sinne von der ;beftündigen Veränderung der Dinge- nehmen, | müſſen wir beobachten, daß verſchiedene Befondere, Beides Dun litäten und Subſtanzen“ im ſchlechteren Sinne ‚als bei Spi- noza —, „anfangen zu exifliten, und daß fie diefe ihre Erifien; von der gehörigen (due). Applikation und Wirkfamkeit, irgen eines andern Dings erhalten. Won diefer Beobachtung gewin: nen. wir unfere Idee von Urſach und, Wirkung;

am Feuer.“ #) , Auch. das iſt langweilig. . —ı

denke. ich, findet in ihm ſelbſt eine Macht, ‚a

——— ſortzuſeten oder, ein Ende zu machen veeſchidemn Sandlungen in ihm. felbf,.. Bon der Vetrachtung ber, Ausdch-

"mung iefer Mai ,des Geittes über. die Handlungen, des Men

ſchen entfichen, die Ideen der, Freiheit und Nothwendig Leit“, **). Man kann fagen, Obetflãchlicheres kaun es nun micpis; geben, als dieſe Ableitung der Ideen; Die ‚Sache fehf, am die es zu thun iſt, Das Wefen iſt gar. wicht berührt. E— wird auf eine, Beftimmung aufmerkſam gemacht, die in einem ‚Konbreten, Verhäliffe enthalten. iſtz der, Verfland abftrabirt dar ‚ber nur, und fixirt anderer, Seits., Es iſt Ueberfegung, aus dem Beftimmten in die Form der Allgemeinheit, worin diefelbe zu Grunde liegt; dieß zum Grunde liegende Wefen nun ift es eben, von dem zu fagen wäre, was es fey. Hier nun geftcht Lode 3. B. vom Raume, daß er nicht wife, was er an ſich fen. ***)

Diefe locke'ſche ſogenannte Analyfe der zufammengefegten Vorftellungen und fogenannte Erklärung derfelben hat nun wer gen ihrer ungemeinen Klarheit und Deutlicteit den allgemeinen Eingang gefunden. Denn was ift klarer, als daß wir den Be— geiff der Zeit daher haben, dag wir die Zeit wahrnehmen, fehen nicht eigentlich: des Raums daher, daß wir ihn fehen. Befon-

#®) An Essay concerning human Understanding (T, 11), B. II, Ch. XXVI, 8. 4, p. 40.

##) Ibidem (T. 1), B. II, Ch. XXI, of Power: $, 7, p: 224. ###) Ibidem, Ch. XI, $. 17— 18, p. 155.

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Zweiter. Abſchnitt. Philofopbie des Locke. 435

ders die Franzoſen haben dieß aufgenommen, weiter ausgeführt; ihre Ideologie enthält nichts Anderes, als diefes.

& „Das Allgemeine felbfl, Battungsbegriff, ifl, wenn man das Befondere” der Qualitäten, „Umflände, Zeit, Ort u. f. f. abfondert.” *») Was nun fo Art oder Gattung heißt, iſt bloß ein Erzeugniß unferes Verflands, das fih auf Aehnlichtkeit der Objekte bezieht. **%) Das Allgemeine als foldes ift, nach Lode, Produkt unferes Geiſtes; es iſt nicht das Objektive, ſon⸗ dern bezieht fih nur auf Objekte. Die Gattungen drücken wohl etwas aus, das in ben Gegenfländen iſt; fle erſchöpfen die Ge⸗ genftände aber nit. Locke unterſchied daher die Weſen in reelle Weſen und Ramenwefen, wovon jene das wahre Weſen der Dinge ausdrüden; die Gattungen alfo find bloße Namenwe- fen. #**) Sie dienen dazu, die Gattungen und Arten für uns zum Erkennen zu unterfüheiden; aber das.reelle Weſen der Nas tur Tonnen wir nidt.” Dafür, daß die Gattungen nichts an ſich find, nicht in der Natur, nicht an und für ſich Beflimmtes, giebt Lode gute Gründe an, 3. B. die Mißgeburten; ) wäre die Gattung an und für fi, Yo gäbe es keine Mißgeburt. Aber er überficht, daß auch zur Gattung gehört, daß fie exiſtirt; und ..dahinein treten noch andere Beflimmungen. Sie tritt aus⸗ einander; es iſt die. Sphäre, wo bie einzelnen Dinge auf einan⸗ der einwirken, und fo daher die Eriftenz der Gattung verküm⸗ mern können. Dieß ifl gerade fo, wie wenn bewiefen wird, daß das Gute nit an ſich ſey, weil es auch ſchlechte Burfche giebt: daß der Kreis nichts an und für fih in der Ratur fey, weil 3. B. der Umring eines Baums einen fehr unregelmäßigen Kreis vorftelft, oder ich einen ſchlechten Kreis zeichne. Die Natur ift

#) An Essay concerning human Understanding (T. IT), B. III, Ch. 111, $. 6, p. 156. #*) Ibiden, $. 13, p. 166 167. “RU) Ibidem, $. 15, p. 168 169. }) Ibidem, $. 17, p. 169 170.

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436 Dritter Theil, Neuere Vhiloſophie.

dieß, dem Begriff nicht volltommen adäquat —— er hat nur im Geiſte feine wahrhaſte Exiſtenz. Ferner iſt dieß, daß die Gattungen nichts an ſich, das Allgemeine nicht Weſen der Natur iſt, ihr Anſich nicht das Gedachte, daſſelbe, daß wir das reale Weſen nicht kennen, die ſeither zum Ekel wieders holte Litanei: Das JInnere der Natur kennt Fein erſchaffener Geift,

bis zue Anficht, daß Fürsein- Anderes⸗ Seyn, Wahrnehmen nicht an ſich ift, die nicht zum Pofltiven durchgedrungen, daß das Anſich das Allgemeine iſt. Locke ift weit zurüd in der Natur der Erkenntnif, weiter als Plato, wegen des Urgirens des Für⸗ ein⸗ Anderes «Seyns.

Noch merkwürdig iſt, daß aus gefundem Verſtand Lode gegen die allgemeinen Säge, Ariome, A—A, Wenn etwas A ift, fo kann es nicht .B fegn, kämpft: Sie feyen überflüfftg, von höchſt geringem oder gar keinem Nuten. Noch Niemand hat auf den Sat des Widerſpruchs eine Wiffenfhaft gebaut. Es lãßt ſich aus ihnen das Wahre ebenfo beweifen, als das Falſche; fie find Tautologien. %)

Dieß ift die locke ſche Philofophie. Was Lode fonft in Ber ziehung auf Erziehung, Toleranz, Naturrecht oder allgemeines Staatsreht geleiftet, geht uns hier nicht an, geht auf die Bil dung. Bahle's Philofophie in feinem Dictionnaire hat teine Ahnung vom Spekulativen, fo wenig als Locke. Als wich⸗ tig ift anzuführen, daß er das Raifonnement, vernünftige Dens ten über beftimmte Gegenflände befördert, vornehmlich die Eins würfe der Vernunft, der Philofophen, 3. B. befonders der Ma- nicjäer, gegen die Theologie, geoffenbarte Lehre, als unwiderleg⸗ lich durch die Vernunft felbft vorgeftellt hat: dagegen, daß eben die Theologie vorher behauptet hatte, daß fie der Vernunft ganz

#) An Essay concerning human Understanding (T. III), B. IV, Ch. V11, $.8— 14, p. 4—3.

438 Deiuer Theil. Neuere Philofophie.

Wir haben bürgerliche Geſellſchaft, Staat; das iſt großer Kom⸗ pler, Wille des Regenten, Untertanen, ihre Zwecke, Wohl für fih. De find‘ wir im Konkreten. Indem wir ſolchen Gegen flond vor uns haben, fo können wir allgemeine Borftellungen

1: herausheben; es müß aber. herausgehoben werden, welche Vor⸗ ſtellung die if, wor der die anderen weichen müffen.

Dieß ift nun freilich eine fehr begreifliche und triviale, eben deshalb aber auch populare Philofophie, an. die fih das game engliſche Philofophiren, wie es noch heute ift, sanfhließt Die locke ſche Philoſophie iſt die allgemeine Weiſe des denfenden Verhaltens, welche Philoſophie genannt wird. Bei diefem Nair fonnement wird auch von Wahruchmungen, Erfahrungen aus ‚gegangen, die in und unmittelbar. fallen, Gefühle, die wir haben; ſolche Beflimmungen find die Grundlage, das Wefent- liche. Diejes Raifonniren geht: vom gegenwärtigen Geifte aus, vom eigenen Innerlichen oder Neußerlihen; es iſt die. Form, Die in der Wiſſenſchaft eingeführt wurde, die damals entſtand ‚So gilt Newton bei den Engländern für. den Philoſophen “or 2Soyiv. Dieſer metaphyſicirende Empirismus iſt Die vorzüg⸗ lichſte Weiſe der Betrachtung, des Erkennens in England und in Europa überhaupt; und die Wiſſenſchaften im Allgemeinen, und beſonders die empiriſchen Wiſſenſchaften, haben dieſem Gange ihren Urſprung zu verdanken. Aus Veobachtungen Erfahrungen

_ ableiten, heißt bei ihnen Philofophiren. Ein folder, zog Newton aus feinen Erfahrungen feine Berftandesfäge; und in Phyſik und Farbenlehre hat er ſchlechte Beobachtungen und noch ſchlech⸗ tere Schlüffe gemadt. Er ift von Erfahrungen auf allgemeine Geſichtspunkte gekommen, hat fie wieder zu Grunde gelegt, und daraus das Einzelne Tonftruirt. Das find die Theorien. Die Beobadtung der Dinge, und das darin immanente Geſetz, das

ihnen innewohnende Allgemeine, zu erkennen, it das nterefle geworden. Das fcholaftifhe Ausgehen von Grundfägen, Defi- nitionen hat man verworfen; praktifches Philofophiren, Philos

Zweiter Abſchnitt. Hugo Grotius. 439

fophiren des raifonnirenden Denkens ift das, was jetzt allgemein geworden iſt, und wodurd die ganze Revolution der Stellung des. Geifles hervorgegangen if. Das Allgemeine find Geſetz, Kraft, allgemeine Materie; das find die Definitionen, Ariome. - Das ift ein Schritt weiter als Spinoza, der gleid mit der Des finition: anfängt, die fo nicht bereshtigt. iſt. Jetzt ift fie abge⸗ leitet, nicht mehr orakelmäßig bingeflellt, Diefes- hat: feine Bes rechtigung, wenn auch die Art und Weiſe, wie diefe Berechtigung fih etablirt, nicht die gehörige iſt. Das einzige Wichtige: ift die Frage Lode’s, wo jene. Vorfiellungen herkommen. Die Analyſe der - Erfahrung ift fo die. Hauptſache. Die modernen Wiffen- fhaften find daraus entſtanden, Naturwiſſcuſchaft, Mathematik,

und, bei.den Engländern die-Staatswifienfhaft; fie hatten zu⸗ erſt Gedanken über den Staat, Hobbes iſt in- diefer aa zu nenum.

„020. “ger a3 1'':

2. Hugo, Grotius. u

Suge Grotius hat zur ſelben Zeit das Reit. ber. Fon ter betraphtet. Die eben angeführte Weife ifl. es, die ſich bei Hugo :Brotius zeigt; ſie hat fich einfeitig auf die phyſikaliſchen, und. auf. die politiſch⸗rechtlichen Gegenftände gelegt. - Ex. legte auch die Exrfahrung.zu. Grunde für das, was gelten folle; . Dit ift ein Haupt⸗Moment in der Bildung, : '

Hugo van Groot, geboren 1583 zu Delft, war Aurift, * neraladvokat und Syndieus; 1619 mußte er jedoch, in den Barneveld'ſchen Proceß verflochten, fliehen, hielt ſich bängere Zeit in Frankreich auf, bis er 1634 in die Dienſte der Königin Ehriflina von Schweden trat. Er wurde 1635 ſchwediſcher Ges fandter in Paris, und farb 1645 in Roſtock auf einer Reife von Stodholm nad) Holland. *)

*) Brucher. Histor. eritic. philos., T. IV, P. 2, pP: 731 736, 143 746.

Fledenen "Berhältniffen" des Krieges" und: des‘ (Friedens gegm einander gehandelt haben "was gilt unter den Völkern. & fällt ganz in’ empiriſches Raifonniren «und Zufammentragen ‚herab; ) Diefe empiriſche Zufammenflellung des Verhaltens der ‚Völker zu einander," verbunden mit empiriſchem Raiforimement,

—B. Gefangene dürfen nicht (getödtet werden, denu der Zweck ſey, den Feind zu entwaffnen, dieſer ſey erreicht, es feh daher nicht weiter zu gehen ur ſ. f., )— dieſe empiriſche Zi⸗ fammenftellung hat die Wirtungegehabt, daß allgemeine Grund⸗ füge, verftändige' und vernünftige: Orundfäge zum Berouftfehn gebrasht find, dag man fie anerfannt hat, daß ſie mehr bdn ‚weniger annehmbar gemacht worden find. Wir ſehen Muffe lung allgemeiner Gefege, Principien, 3. B. über die Beredptigung der töniglichen Gewalt; das Denken hat fi an Alles, gewendet, Wir find’ bei ſolchen Beweiſen, Deduktionen unbefriedigtz' aber wir dürfen nicht verkennen, was dadurch geleiftet ft: und dieß iſt das Fefiftellen von allgemeinen Grundfägen, die ihren legten Grund in den Gegenftänden felbft haben, im Geift, Gedan- ten gegründete, bewährte Grundfäge.

3. Thomas Hobbes. Die innerlichen ſtaatsrechtlichen Werhältniffe hat befonders England ausgebildet, indem die eigenthümliche Verfaffung der Engländer zur Reflerion auf diefen Gegenftand geführt hat. Ausgezeichnet und berühmt wegen der Originalität der Anfichten ift Hobbefius, Erzieher des Grafen von Devonfhire, geboren

®) Cf. De jure belli ac pacis, T. III, c. Al, $.13—46 (ed. Gronov. Lipsiae, 1758, 8.), p. 900 905; c: 4, 5.10, p. 792 78.

Zweiter Abfchnitt. : Thomas, Hobbes. | Ä | 441

4588 zu Malmesbury, geftorben 1679. *) Ein Zeitgenofle Cromwell's, hatte er in den Ereigniſſen jener Zeit, in der eng- lifhen Revolution, die Veranlaffung gefunden, über die Princi⸗ pien des Staats und des Rechts nachzudenten; und er ift in der That auf eigenen Vorſtellungen durchgedrungen. Er hat viel gefchrieben, und auch über die Philofophie überhaupt: „Ele⸗ mente der Philoſophie.“ Der Erſte Theil: De corpore iſt 1655 zu London erſchienen; in dieſem erſten Theile handelt er zuerſt von der Logik, zweitens von der philosophia prima, von der Ontologie, dann „Von dem Verhältniß der Bewegung und Größe,” dann von der Phyſik u. f. f. Der zweite Theil ſollte De homine handeln, und der dritte De cive. ‚Er fagt in der Worrede, daß „in der Aſtronomie Eopernicus und in der Phyſik Galiläi ſich aufgethan haben; vorher ſey nichts Sicheres in bei⸗ den Wiſſenſchaften geweſen. Die Wiſſenſchaft des menſchlichen Körpers habe Harway, die allgemeine Phyſik und Aſtronomie Keppler gebildet.” Dieß gilt Alles für Philofophie, nach dem Gefichtspunkt, der ſchon früher angegeben ifl; der reflettirende Verſtand will darin das Allgemeine ertennen. Er fagt ferner: „Was die ſtaatsrechtliche Philofophie (philosophia civilis) bes treffe, fo fey fie nicht älter als“ fein „Bud De .cive.“ #*#) Dieß (Paris, 1642) ***) ift, wie auch fein Leviathan, ein fehr verrufenes Werk; diefes letzte Buch war verboten, und ift daher felten. Sie enthalten über die Natur der Gefellfhaft und der Regierung gefundere Gedanken, als zum Theil no im Umlauf find. Gefellfchaft, Staat ift ihm das abfolut Höchſte, das ſchlecht⸗ bin Beflimmende über Geſetz und pofltive Religion und deren äuferes Verhalten; und indem er fie dem Staate unterwarf, fo

#) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band III, Abth. 1, S. 223 224, 227.

##) Epistola dedicatoria ante Elementor. philos. Sectionem primam (Thomae Hobbes Opera philosophica, quae latine scri- psit omnia, Amstelod. 1668, 4.), p. 1— 2.

RM) Cf. Brucker. Histor. crit. philos., T. 1V, P. 2, p. 19.

443 Deitter Theil. Neuere Philoſophie. ifreitich eine Lehre verabſcheut worden." Es/ifl- aber eben nichts Spekulatives, eigentlich Philoſophiſches darin: mod) mer niger in Hugo Grotius ee Vorher wurden Ideale aufgeſtellt, oder Schrift oder‘ poſi⸗ tives Rechtz Hobbes hat den Staatsverband, die Natur der Stnatsgewalt auf Yrincipien zutrüctzufuhten detſucht- bie in uns | ſelbſt liegen, die wir als unſere eigenen anerkennen, Dierente | Begengejegten Grunbfäge find: 1) paffiver Gchorfam der Unter thanen, göttliche Autorität des Regenten; fein Wille iftrabfer lutes Geſetz. Dergleichen ift im engem Zufammenhang' mit der Religion‘ dargeſtellt, durch Beifpiele aus dem alten Teflament: ſo Saul und David. Sie find über alles ſonſtige Geſetz erha⸗ ben; 2), In der. Bewegung, die Cromwell benugte, entſtand anatismus, der ans der heiligen Schrift ſich das Gegentheil entnahm: fo Gleichheit des Eigenthums u. ſ. w. Eriminak, Ehegefege nahmen aud) ihre Beftimmung lange aus dem mofal- ſchen Rechte; Yes wurde · aus · Jenſeitigem genommen , worin die Verhäliniſſe ‚als durch ausdrücklichen göttlichen Befehl feſtgeſett gegolten haben. Dagegen iſt "das Raiſonnement aufgetreten, weldes unfere eigenen Beſtimmungen enthält; das nannte man die gefunde Vernunft. Hobbes hat aud den paffiven Gehor— fam, die abjolute Willfür der Föniglihen Gewalt behauptet, Er hat es verſucht, die Grundfäge der Staatsgewalt, der monardis ſchen Gewalt u. f. f. aus allgemeinen Beftimmungen abzuleiten. Seine Anſichten find feiht, empirifh; die Gründe und Säge dafür find origineller Art, fie find aus dem natürlihen Bedürf— nif genommen. @. Er geht davon aus, daf der Naturzuftand von diefer Art ift, daß Alle den Trieb haben, einander zu beherrſchen. Er behauptet: „Der Urfprung aller bürgerlihen Geſellſchaft rührt aus der gegenfeitigen Furcht Aller herz“ dieß ift fo eine Er— fheinung im Bewußtfeyn. „Jede Geſellſchaft wird um des ci- genen Vortheils oder Ruhms willen geſchloſſen, aus Eigen-

3*

Zweiter Abſchnitt. Thomas Hobbes. 443

nutz,“ 9 Sicherung des. Lebens, Eigenthums und Senuſes; alles dieſes iſt nicht jenſeits.

ß- „Die Menſchen haben, bei aller Ungleichheit der Stärke, doch auch eine natürlihe Gleichheit;“ dieß beweift er aus eis nem eigenthümlichen Grund, nämli weil. „jeder. den Anderen umbringen kann,“ jeder die letzte Gewalt über den. Anderen ift. „Jeder Tann dieß Größte” *%) Ihre Gleichheit kommt fo nicht von der größten Stärke, ift nicht, wie in neuerer Zeit, auf die Freiheit des Geiftes, gleihe Würde, Selbſtſtändigkeit gegründet, fondern auf die gleihe Schwäche der Menſchen; jcder it ein Schwaches gegen den Anderen. . |

y...gerner fagt er: „Den Willen, einander zu verlesen, Gewalt über die anderen Menſchen auszuüben, „haben Alle im natürlichen Zuſtande;“ jeder hat fi fo vor dem Anderen zu fürchten. Er nimmt diefen Zufland in feinem wahrhaften Sinne, es ift nicht das leere Gerede von einem natürlich guten Zuſtand; es ift vielmehr der thieriſche Zufland, der des nicht gebrochenen eigenen Willens. . Alle wollen alfo einander verlegen, und. „fih gegen die Anmaßungen der Andern fichern, ſich felbfi Vorzüge und größere Rechte erwerben. Meinungen, Religionen, Begiers den erregen Streit; der Stärkere trägt den Sieg davon.“ **6)

d. „Der Raturzuftand ift damit ein Zuſtand des Wifr trauens Aller gegen Alle; es ift ein Kricg Aller gegen Alle . (bellum omnium in omnes) vorhanden,” und eine Sucht, ein⸗ ander zu übervortheilen. Der Ausdruck Natur hat diefe Zwei⸗ deutigteit, daß Natur des Dienfchen feine Geiſtigkeit, Vernünf⸗ tigkeit if; fein Naturzuftand ift aber der andere AZufland, daß der Dienf nad feiner Ratürlichkeit fi benimmt. So benimmt er fih nad) den Begierden, Neigungen u. f. f.; das Vernünf⸗ tige ift das Meeifterwerden über das unmittelbar Ratürliche.

*) Decive, c.1, $.2 (Oper. phil. etc., Amsbel. 1668), pP. 3—4.

##) Ibidem, 8.3, p. 4. “WR, Ibidem, 8. 4—6, p. 4—5.

e

MA Dutter Thell. Meuere Philoſbvhie.

Im Naturzuſtande verleiht eine gewiſſe unwiderſtehliche Macht das Recht, die zu behertſchen, welche nicht widerſtehen können; es iſt ungereimt, denjenigen, den man in feiner Gewalt hat, frei und wieder ftark: werden zu laſſen.“ Daraus zieht er mm die Folge, dah der Menfih heraubgehen müfe aus: dem Natura ſtande (eitali ‚statir exeundum).” *) Dieß iſt richtig. Der natürliche Zuſtand ift nicht rechtlich; er muß abgeftreift werden. 8 Nun geht Hobbes zu den Gefegen der Vernunft, melde den Frieden erhalten. Diefes Gefeg ift, den Privatwillen dem allgemeinen, Willen zu unterwerfen; die natürlichen, beſonderen Willen müffen unterworfen werden dem allgemeinen, Willen, den Gefegen der Vernunft. Diefer allgemeine Wille ift aber: niht der aller Einzelnen, fondern der Wille des Negenten, der fomit ben Einzelnen nicht verantwortlich, vielmehr gegen dieſen Pri- vatwillen gerichtet ift; ihm müſſen alle gehorchen.**) So wird bie Sache jegt auf gang andere Gefichtepuntte geflelt." So geft aus der ganz richtigen Anficht, indem der allgemeine Wille ver- legt wird in den Willen des Einen, des Monarden, cin Zur fand der abſoluten Herrſchaft, des volltommenen Despotismus hervor. Der geſetzliche Zuftand ift aber etwas Anderes, als daf die Willfür Eines ſchlechthin Gefeg ſeyn foll; diefer allgemeine Wille ift damit nicht Despotismus, fondern vernünftig, in Ges fegen ausgefprodhen und in Konfequenzen beftimmt,

Rixner fagt: „Das Recht ift ihm nichts Anderes, als der Anbegriff der durch die eiferne Nothwendigkeit der urfprünglichen Bösartigkeit der Menſchen abgezwungenen Bedingungen der Pas eifitation,” ***) des belli omnium contra omnes. Es ift wenigfiens dieß in Hobbes vorhanden, daß auf die Grund-

#) De cive, ©.4, $.12—44, p.6—8; Leviathan, c. 43 (Oper.), p. 63— 66.

##) De cive, 0.5, $.6—42, 9. 37-38; 0.6, 8.1244, p. 44 46. ###) Rirner: Handbuch der Geſchichte der Philofophie, Band II,

. 30,

Roth anzunehmen verbunden find. Nun aber betrachtete man auch, was für Triebe und- Vebürfniffe im · Menſchen find; birfe wurden als innere Grundlage angenommen für Privar- und Staatsrecht, und daraus Pflichten aud für Regierungen und

Regenten hergeleitet, damit die freiheit des bei wäre, & » > Samuel von Pufendorf iſt 1032 in Sachſen geboren; ſuu⸗ dirte in Leipzig und Jena Staatsrecht, Philoſophie und Mathes matit: führte im Jahre 4661, als Profefior zu Heidelberg, bas Natur: und Völkerrecht zuerft als akademiſches Studium ein: trat: 1668 in ſchwediſche Dienfte, welche er ſpäter mit branden- burgiſchen vertaufchte: und farb 1694 zu Berlin als Geheiiner rath Cr fiprieb mehrere ſaatsrechtliche und gefhihttiche Werte; befonders zu bemerken iſt fein Wert: ‘De jure naturae et gen- tiam,, Libr. ‘VII, Londin. Scan. 1672, 4.; ferner. ein Kom⸗ pendium De. officio, hominis, ebendafelbt A673, 8:, und Ele: menta jurisprudentiae‘ universalis. *) Das Fundament dis Staats iſt der ‚Trieb zur Gefelligkeit: der höchſte Zweck dis Staats: Friede und Sicherheit. des. gefelligen Lebens durch Ver⸗ wandelung der inneren Gewiffenspflihten in äußere Zwangs⸗ pflichten **)

6. Newton.

Das Andere ift, daß der Gedanke fih ebenfo an die Na— tur gewendet hat; und hier ift Ifaat Newton berühmt durch feine mathematifhen Entdeckungen und phufitalifchen Beftim- mungen. Er ift 1642 zu Cambridge geboren. Er fiudirte ber fonders Mathematit, und wurde Profeffor derfelben zu Cam—

%*) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band IV, Abth. 2, 8. 519— 523; Rixner: Handbuch der Geſchichte der Philos fophie, Band I, ©, 29.

*#) Nirner: Handbuch der Geſchichte der Philofephie, B. TI, S. 31; of. Pufendorf. De jure naturae et gent. II, 2, $.5—7 (Francof. ad Moenum 1706, 4.), p. 157161; VII, A, $.3—7, p: 00-909.

| Zweiter Abfchnitt, Iſaak Newton. 447

bridge. Später wurde er Bräfldent der Sorietät der Wiffen- fhaften zu London, und flarb 1727. *)

Zur Verbreitung der locke ſchen Philoſophie, oder der eng⸗ liſchen Manier des Philoſophirens überhaupt und Anwendung auf alle phyſifchen Wiſſenſchaften beſonders, trug unſtreitig New⸗ ton am meiſten bei. Phyſik, hüte Dich vor Metaphyſik, war fein Wahlſpruch: **) d. h. alſo, Wiſſenſchaft, hüte Dich vor dem Denken. Und er ſowohl als alle dieſe phyſiſchen Wiſ⸗ ſenſchaften bis dieſen Tag haben treulich darauf gehalten, als fie fi) nicht auf eine Unterſuchung ihrer Begriffe, das Denken der Gedanken, eingelaffen haben. Die Phyſik kann aber doch nichts machen ohne Denken; ihre Kategorien, Sefege hat fie nur duch das Denten, ohne dafjelbe geht es nicht. Newton hat aber vorzüglich dazu beigetragen, die Refleriong s Befiimmungen von Kräften in fle einzuführen; er hat die Wiſſenſchaft auf den Standpunkt der Reflexion gehoben, flatt der Gefege. der Phä⸗ nomene die Geſttze der Kräfte aufgeftelt. Dabei ift er nun ein fo volltommener Barbar an Begriffen, daß es ihm, wie einem anderen ‚feiner Landsleute gegangen äft, der fi) höchlich verwun⸗ derte, als er erfuhr, daß er in feinem ganzen Leben Proſa yes fprodhen hatte, indem er fi nicht bewußt, daß er fo geſchickt fey; dieß erfuhr. Newton nie, wußte nicht, daß er Begriffe hatte und mit Begriffen zu thun hatte, während er mit phy⸗ ſiſchen Dingen zu thun zu haben meinte: und ſtellte das höchſte Gegentheil zu Böhm auf, der die ſinnlichen Dinge als Begriffe handhabte, und durdy die Stärke feines Gemüths ſich ihrer Wirt» lichkeit vollfommen bemädhtigte und fie unterjodhte, flatt deſſen Newton die Begriffe wie finnlihe Dinge handhabte, und fie nahm, wie man Stein und Holz zu faſſen pflegt.

#) Buhles Geschichte der neueren Philosophie, Band IV, Abth. 4, S. 107 108. 3) Buhle, a. a. O., S. 115; cf. Newtoni Optices, P. III (Londini, 1706, 4), p. 344.

MB, Daten Thell. euere Phlofohie

Dieß ift noch jegt fo. Am Anfang der phyſikaliſchen Wif- fenfhaften lieft man z. B. von. der Kraft der Trägheit, befehleu- | nigender Kraft, Molteülen, Eentripetals, Eentrifugal= Kraft, als von feften Beflimmungen, es 'gäbe folde; was Die legten Refultate der Reflerion find, wird als erfie Gründe hingeſtellt Fragt man nad) der Urſach, warum man in folden Wiſſenſchaf⸗ ten keine Fortſchritte macht: fo iſt cs, weil man nicht werficht, nicht mit Begriffen zu thun hat, fondern fie ſich entfchliehen, ohne Sinn und Verſtand dieſe Beftimmungen aufjunehmen. | Und feine. Erfahrungswiffenfhaften, 3. 8. feine Optik; fo'nie die Schlüſſe aus feinen Erfahrimgen, find etwas ſo Unwahtet, Begriffloſes, daß, während fle als das erhabenſte Beiſpiel aufs gefiellt werden, wie man die Natur durd Experimente und Schlüſſe aus den Experimenten foll kennen lernen, es als ein Beifpiel gelten kann, wie weder experimentirt noch geſchloſſen werden müſſe, wie überhaupt gar nicht zu erkennen iſt. Solche Elendigteit des Erfahrens widerlegt ſich durch die Naturz denn die Natur ift vortreffliher, als fle in diefem elenden Erfahren erſcheint, fie feloft und das fortgefegte Erfahren widerlegt es So ift auch von den herrlichen newtonifhen Entdeckungen der Optik keine einzige mehr übrig, als eine, die Theilung des Lichts in fieben Farben: Theils weil es auf den Begriff des Ganzen und der Theile antommt, Theils aus verfiodtem Ver⸗ fliegen gegen das Entgegengefegte.

Die experimentivenden Wiſſenſchaften heißen bei den Eng ländern feit der Zeit Philofophie; Mathematik und Phyſik Heift newtoniſche Philofophie. Die Gefege der Staats-Dekonomie, ſolche allgemeine Grundfäge, wie jegt, den Handel frei zu geben, heißen bei ihnen philofophifhe Grundfäge, heißen Philofophie. Chemie, Phyfit, rationelle Staatswiffenfdaft, allgemeine Grund⸗ füge, die auf dentender Erfahrung beruhen, Erkenntniffe deflen, was ſich in diefem Kreife als das Nothwendige und Nüglihe zeigt, heißen überall bei den Engländern Philofophie. Von diefer

a

450 10 7 Dee Teile Meuere Pflefonbler"

gPrineip feiner: ganzen Philofoppie im @egenfag ‚gegen: Spinoyı blieb, Nachdem er atüchtige Kenntnife erworben: Hatte, wollte er zum Doktor der Nechte promoviren. Er hatte jedoch das Sci: Sal, was heut zu Tage nicht leicht widerfährt, daß ihm von der Fakultät in Leipzig die Doktorwürde unter dem Vorwand fein Jugend abgeſchlagen wurde (obſchon er als kaiſerlicher Reide- doftath geſlorben iſtzz und es Tann fepn, daß es wegen zu nie Te philoſophiſchet. Einſichten geſchah, weil ‚man "es nicht gem Fady. daß er ſich viel mit der Philoſophie beſchäftigte Er um: ließ nun Leipzig und begab ſich nad Altdorf, wo er mit Beifall promovirte. "Bald darauf machte er in Nürnberg. Bekanntfäaft h mit einer Geſellſchaft von'Nldemiften, in deren- Treiben er hin⸗ ‚eingezogen wurde; Hier in ihrem Dienfte machte er Auszüge aus alchemuſtiſchen Schriften, er hat/fid) in dieſe obſcure Wiftenfgaft hineinſtudirt: * —,— > Seine’ geleprte Thätigkeit war zwiſchen hiſtoriſcher, diple⸗ matiſcher mathematiſcher und philoſophiſcher Geſchãftigkelt ge: theilt· ‚Er kam dann in mainziſche Dienſte, wurde im Main Kanzleirath,; Er erhielt 1672 den Ruf als Lehrer eines Sohns des Furmainzifhen Staatstanzlers von Boineburg; "mit diefem jungen Manne reifte ev aud nad Paris. Er Iebte 4 Jahre in Paris, wo er mit dem großen Mathematiter Huygens bekannt wurde, und bei diefem erft recht in das Gebiet der Mathematik eingeführt wurde. Als die Erzichung feines Zöglings beendigt war und der Baron von Boineburg ftarb, ging er für fih nad London, wo er neben Newton noch fonflige Gelehrte kennen lernte; an ihrer Spige fland Oldenburg, mit dem auch Spinoza in Verbindung fand. Nach dem Tode des Churfürften von Mainz wurde Leibnig feine Befoldung entzogen; er verließ dar auf England und Eehrte nach Frankreich zurüd. Der Herzog

) La vie de Mr. Leibnitz par Mr. le Chevalier de Jau- court (Essais de Theodicee, Amsterdam, 4747, T. 1), p. A—B: Bruckeri Histor. erit. philos. T. IP, P. 2, p. 335 343.

3

Zweiter Abſchnitt. Gottfried Wilhelm Baron von LZeibnit. 451

von Braunfchweig- Lüneburg nahm ihn fodann in feine Dienfte, er wurde Hofrath und Bibliothetar in Hannover, mit der Er⸗ laubniß, fo lange er wolle, in fremden Ländern zu leben; fo verweilte er noch einige Zeit in Frankreich, England und Hol- land. Im Jahre 1677 ließ er ſich in Sannover. nieder; er hatte bier viel mit Staatsfachen zu thun, wurde befonders mit Ge⸗ genftänden der Gefchichte befchäftigt. Auf dem Harz lief er durch Maſchinen die wilden Waffer, die dem Bergbau Schaden -thas ten, abtteiben. Diefer vielen Befchäftigungen ungeachtet erfand er 1677 die Differential Rechnung, worüber er: mit Newton Streit befam, der von Newton und- der Londoner Societät der Wiſſenſchaften auf eine ſehr unedle Art geführt wurde. #%) Die Engländer, die ſich Alles zufchrieben, gegen Andere aber ungerecht waren, ‚behaupteten, Newton ſey der eigentliche Erfinder. - New⸗ ton’s Principia find fpäter herausgetommen; in der erſten Auflage iſt noch in einer Note ein Lob auf Leibnig, die nachher wegblich. Bon Hannover aus. machte er mehrere Reifen durch Deutſch⸗ land, befonders nach Ztalien, im Auftrage feines Fürſten, um Urkunden zu fammeln, die ſich auf das Haus Eſte bezichen, zur näheren Prüfung der. Berwandtfchaft diefes Fürftenflammes mit dem. braunfchweigifch = lüneburgifhen,; er hat viel im Gefchicht- lichen gearbeitet. Veranlaßt durch feine Bekanntfchaft mit der Gemahlin Friedrich's I. von Preußen, Sophie Charlotte, einer bannöverifchen Prinzeffin, bewirkte er in Berlin, wo er ſich auch lange aufhielt, die Stiftung der Akademie: der Wiffenfchaften. In Wien war er auch mit dem Prinzen Eugen bekannt gewor- den. Bei: diefee Gelegenheit wurde er zuletzt Reichshofrath zu Wien. Als Refultat dieſer Reife hat er fehr wichtige hiſtoriſche Werke herausgegeben. Er ftarb 1716 in Hannover, 70 Jahr-alt.**) #®) Vie de Mr. Leibnitz, p. B— 8, 5, 9-62, 66— 71; Brucker. Histor. crit. philos. T. IV, P. 2, p. 343 353. #%#) Leibnitzii Opera, T. II, P. I, p. 45—46; Vie de Mr. Leibnitz, p. 71— 8, 87 N, 110— 116, 148— 151; Brucker. I. I.

p. 353 368. 29%

- - 7

44 Drinet Theil, Neuere Philoſophie ·

die allgemeine, Vorſtellung/ 3. BD. die. Reflerions- Veſtimmung von Kraft oder Materie, nun ſo in, ihren, Vefiimmungen ;einger richtet werden, daß ſie anf die Data paßt. So etſcheint die leibnitiſche Pbilofophie weniger ‚als. ein. philoſophiſches· Spflem, denn, als eine Hypothefe, nämlich ‚als Gtdanten über das Mt: ſen der, Welt, wie daſſelbe zu befümmen ſeh, nach den als güle tid angenommenen metapbpfifhen Beſtimmungen, Daten und Vorausſetungen der Borftellung. H.Die Vorftellungen- der, Joe; des Wefens, wie es gedacht und befiimmt werden folk, findife einrichten, wies paßt, om Orbanten die übtis ens ahne on·

wenn Sufammenpange:teine Rotbwenbigteits feine Pbilofopbie feht aus, wie, Behauptungen, die er macht und. bie auf einander fol- genis Seine, Behauptungen rrfeinen, als willfürliche, Borfk Hungen, ein metaphyfiſcher Nomanz man dernt fie exſt ſchäten, wenn man fieht, was er- dadurch hat vermeiden wollens ‚Ex ger braucht eigentlich mehr-äufere- Gründe, um Verhältniſſe zu machen; Weil ſolche Verhäliniſſe nicht Statt finden Fönnenz ‚fo. bleibt nichts übrig, als es fo feflzufegen.“ Kennt man diefe Gründe nit, fo erſcheint dieß als willkürlicher Fortgang.

1. Leibnigens Philoſophie ift ein Jdralismus, Intellektuas lismus. Die leibnigifhe Idee der, Intellettualität des Univer ſums fieht einer Seits Lode, anderer Seits foll fie der fpine- ziſtiſchen Subftanz entgegengefegt fen. Sie ſpricht näher einer Seits das Anundfürfihfegn der Unterſchiedenen und der Indie vidualität aus, in den vielen Monaden: anderer Seits dagegen und unverbunden die ſpinoziſtiſche Idealität und das Nichtans undfürfihfeyn aller Unterfpeidung aus, als vorftellender Idea— lismus.

a. Leibnitz' Philoſophie iſt Metaphyſik, und ſteht dem Spi⸗

. Essais de Theodieee, 1. 1, P. 1, $. 10, p. 86.

Zweite Abſchmitt. Philoſophie des Leibnit. 455

nozismus wefentlich und fharf.entgegen, diefer Einen Subflanz, wo Alles Beflimmte nur ein. Vorübergehendes if. Im Gegen» fag zu ber. fpingziflifhen einfachen allgemeinen Subſtanz legt Leibnig die abſolute Vielheit, die individuelle Subftanz zu Grunde, ° die..er. nach dem: Vorgange. ber. Alten Monaden. nannte, ein. ſchon von. den Pythagoreern gebrauchter Ausdrudi;' „Eubs ſtanz ift ein Ding, das der Thätigkeit fähig iſt; ſie iſt zuſam⸗ mengeſetzt oder einfach, die zufammengefesten können nicht: ſeyn ohne ‚Einfache. Diefe Monaden find einfache.*) Der. Beweis, daß. ſte das Wahre find von Allem, iſt fehr. einfach ; es if ober⸗ flähliche: Reflerian.. ::Rämlich ein: Sag: von ihm fix: „el. eg zufammengefeste Dinge giebt, fo müfjen die Principien derſtiben das. Einfache ſeyn; denn das Zuſammengefetzte beſteht aus! Ein⸗ fachem 4), Dieſer Beweis iſt Schlecht genug; es iſt biribelichte Manier, voh etwas Beſtimmtem, Zufammengefegtem auszugeben; und: dann. zurück auf das, Einfache zu ſchließen. Das :ift: gany richtig, aber. eigenſlich eine. Zautologie;: JIun der That, wenn Zuſammengeſetz‘ es, ſo iſt and Einfaches; denn Zuſammenge⸗ ſetztes Heißt ein .in ‚fd Vielfaches; deſſtn Zuſammenhang oder Einkeit äußerlich äfl;:.:Es: ift fo. Die Fehr teiviale: Kategorie det AZufammengefesten, aus. dem Leicht das Einfache :abzuleiten iſt. Dieg:;ift ein Schliefen; ans: dem, was. es gi es fragt ſich ne ob-.das, was es giabt, Wahr... :: . Far. Dieſe Monaben:. find nun. aber . it ein abftrattes Eins —* in ſich, Die leeren epikureiſchen Atome; dieſe find das. in ſich Beſtimmungsloſe, alle Beſtimmung kommt bei Epikur: nur her non der Aggregation. der Atome. Die Monaden find dagegen jnbflantielle Kormen, **) cin guter Ausdrud, von dem: *) Principes de la nature et de la grace, $. 1, P- 32 (Recueil de diverses pieces par Des-Maiscaux, T. II, p. 485). - %%) Principia philosophiae, &1—2 (Oper. T. I, P. D, p.%. °

###) De ipsa natura sive de vi insita actionibusgus eroutura-

rum (Oper. T. II, P. ID, $. 11, p. 55. :

zictet, werben, daf.fle auf die Data paft. Se-erfeeint dir leibnitiſche Philoſophit weniger ‚als ein. philoſephiſches Suflen, denn, als eine Hppeibefe, nämlich als Gedanten über das, Wi: fen der Welt, wie daſſelbe zu befümmen.fep, nach den; als gül⸗

Vorausfegungen

des Wefens, wie es gedact und. befilmmt werden fol, findufs einzurichten, wie es paßt, Gedanten, wie übrigens ohne Kon- feguenz ‚des Begriffs im Ganzen, erzählungsmeife, vorgetragen werden.nLeibnigens Gedanken zeigen für, fih- genommen -in,ibe rtem Zufaunsobange: keins Nothwendigte u: feine Mhilaſophie ſiehi

lungen, ein mmetaphyſiſcher Roman; man lernt ſie erſt ſchäten wenn man ſieht, was er dadurch hat vermeiden wollene ‚Er ger braucht; eigentlich mehr äufere Gründe, um Verhältniſſe zu machen: Weil ſolche Verhältnifle nicht Statt ‚finden Können, fo, bleibt nichts übrig, als es ſo feſtzuſetzen.“ Kennt man diefe Gründe nicht, fo erſcheint dieß als willfürlicher Fortgang.

1. Leibnitzens Philofophie ift ein Jdcalismus, Intelltktua— lismus. Die leibnigifhe Idee der, Intelleftualität: des Univer- ſums fieht einer Scits Locke, anderer Seits foll fie der ſpino— ziſtiſchen Subftanz entgegengefegt feyn.” Sie fpridt näher einer Seits das Anundfürfihfenn der Unterfhiedenen und der Indie vidmalität aus, in den vielen Monaden: anderer Seits dagegen umd unverbunden die Tpinoziftifche Idealität und das Nichtan— undfürfihfeyn aller Unterfeidung aus, als vorftellender Idea— lismus.

a. Leibnig’ Philofophie iſt Metaphyſik, und ſteht dem Spi-

#) Gf. Essais de Theodieee, T. 1, P, 1, $, 10, p. 86.

Zweiter Abſchmitt. Phllofephie des Lelbnit. 455

nozismus wefentlich und ſcharf entgegen, diefer Einen Subflanz, wo Alles‘ Beflimmte nur. ein. Vorübergehendes iſt. Im Gegen» ſatz zu der ſpinoziſtiſchen einfachen allgemeinen . Subflanz legt Leibnig die abfelute Bickheit,. die. individuelle Subftanz zu Grunde, die:;er: nach dem. Vorgange. der. Alten. Monaden. nannte. ein ſchon von. den Pythagoreern gebrauchter. Ausdruche „Eubs ſtanz ift ein Ding, das der Thätigkeit fähig iſt; ſie iſt zuſam⸗ mengefegt oder einfach, die zuſammengeſetzten können nicht ſeyn ohne ‚Einfache. Dieſe Monaden find einfache.“*) Der. Beweis, daß, ſie das Wahre find. von Allem, iſt ſehr einfach; es iſt ober⸗ flächliche: Reflerion.. :Namli ein: Satz von ihm.-ifl:: „Weil es zuſammengeſetzte Dinge giebt, ſo müſſen die Principien derſelben das. Einfache ſeyn; denn daa Zuſammengefetzte beſteht aus: Ein⸗ fachem «*). Dieſer Beweis iſt⸗ſchlecht genug; es iſt diri boliebte Manier; von etwas Beſtimmtem, Zuſammengeſetztem auszugehen/ und: dann yirüd, auf das, Einfache zu ſchließen. Das iſt gany richtig, aber eigentlich eine Zautologie;: Ju: der That, ven Aufammengefes‘es,.fo..ift and Einfaches ;.. denn : Zufammenges‘ fetsteg heißt ein .in ‚fi Vielfaches; deffin Zuſammenhang oder Einheit äußerlich ifl;:::Es: iſt fo. die Fehr teiviale: Kategorie det Zuſammengeſetzten, aus. dem Leicht das Einfache :abzuleiten iſt. Dieß iſt ein Schließen. aus: dem, was es sieh es fragt ſich abet, ob-.das, was es giabt, Wahr..-.: . =. „in ..% 8* Dieſe Monaben ſind :nun. aber nicht ein "abfkratteh Ein: * in ſich, Die leeren epikureiſchen Atome; dieſe (find das. in ſich Beſtimmungslofe, alle Beſtimmung kommt. bei Epikur nur her. non der Aggregation. der Atome. Die Monaden find dagegen: fubſtantielle Kormen, *#**) cin guter Yusdrud, von dem: #) Principes de la nature et de la grace, $. 1, p- 32 (Recueil de diverses pieces par Des-Maiscaux, T. II, p. 485). #%) Principia philosophiae, 81—2 (Oper. T. Il, p. D, p. W.

“RM, De ipsa natura sive de vi insita actionibusgue eroutura-

rum (Oper. T. II, P. ID, 5. 41, p. 55. :

456 Daner Theln. Neuere Peilofophier =

Shcholaſtirern entlehnt / ⸗alerandriniſche metaphyfiſche · Punkte; fie find die Entelechten des Arifloteles als reine Thätigkeit begriffen, *) fie find Forinenvin ihnen felber, Dieſe · Monaden ind nicht materiell) oder ausgedehnt, ſie entlehen auch) nicht, mod vergehen fie auf eine nätürliche” Weife; fondernfte Finnen mie anfangen durd eine «Schöpfung. Gottes, und- mue "enden durch · Vernichtung “®)) Dadtrech. unterſcheiden fe ſich von den Atomen,die eben als Princip betrachtet werden. Der Ausdrue Schöpfung iſt num aus der Religion bekannt ; aber os“ iſt ein leeres Wort, aus der Vorſtellung aufgenommen: um Gedante u ſehn/ philoſophiſche Vedeutung zu haben, muß er noch) nie näher beſtimmt ſehn· mW alla ld bern fihrer Einfachheit · willen werden die Monaden durch

Bon, ihmen if jede ein'gegen das Andere Gleichgũltiges / Selbſ Händigeszfonft wäre esteineEhtelechie. N Jedes for für ſich/ dafvalleripre Beſtimmungen und Mobdifitafionen 'ganzı'in ihnen ‚allein vorgehen, undırkein Beſtimmtwerden won Außen Statt findet. » Leibnig fagt: „Es 'giebt drei Weiſen der Werbindung von Subftanzen: 1) Urfächlichkeit, Influenz; 2) das Werhältnif der Aſſiſtenz; 3) das Verhältnig der Harmonie. Das Verhält⸗ niß des Einfluffes ift ein Verhältnif der Vulgarphilofophie. Da man aber nit begreifen kann, wie materielle Partikeln oder immaterielle Qualitäten von Einer Subftanz. in die.andere über gehen können, fo muf man ſolche Vorfiellung verlaſſen.“ Nimmt man die Realität des Vielen an, fo kann durdaus. fein Webers gang fen; jedes üfbrLegtes, abſolut Selbftfländiges. „Das Syſtem der Aſſiſtenz,“ nach Cartefius, „iſt überflüffige Sache,

#) Principia philosophiae, $. 18, p: ®. *#) Ibidem, $.3— 6, 7. 2; Principes de la nature et de la grace, $. 2, p. 32. ##) Principia philosophiae, $. 7, 21

2

48 N Dikter Theile Neuere · Philsfephiel wi.

nen werden: Es: gäbe nicht zwei Individuen, bie einander gleich ſindFüur ſolcht ſinnliche Dinge- hat der Sag kein Intereffe: «6 iſt prima facie: gleichgültig, ob,r6:pwei Dinge giebt, die fih gleich «find: „oder ichtz · ea⸗kann vaud immer Anterfähieb des Raumes-jehn. Die iftyden:oberflächliche, Sinn, der ung michts angeht; Dresnähere- Sinn iſt· jcdoch, daß Jedes an ihm ſelbſt ein Beſtinumtes, ſich von Anderem: am: ihm ſelbſt Unterſcheiden- des ſeyr· Ob gzwei Dinge ‚gleich oder: ungleich. find, iſt nur geine Vergleichung/ die wir ·machen⸗ diesin ums faut. Dası Nähen aber iſt der beſtimmte Unterſchied an ihnen ſelbſt. Der Anter- ſchied mus Unterſchied ai ihm ſelbſt. ſhn, nicht für unſert Ver- gleichung / ſondern· das Sud jekt muß· an ·hm · ſeiſt Diefeneigene

Klauen, ſondern es unterſcheidet ſich weſentlich dadurch,wehrt fich, erhält id. Sind zwei Dinge bloß dadurch verſchieden, daß fie zwei⸗ ſind, ſo iſt jedes Eins; Zwei macht aber an fich kein Verhãltniß aus; ſondern⸗ der beſtimmte Unterſchied an⸗ ſich, das iſt die Hauptſache · sbamS u nein

d. Viertens. Die Beſtimmtheit und die: dadurch geſetzte Veränderung iſt aber ein innerliches, an ſich ſeyendes Princip; es iſt eine Vielheit von Modifikationen, von Verhältniſſen zu den ſie umgebenden Weſen, aber eine Vielheit, die in der Ein— fachheit eingeſchloſſen bleibt,“ *) eine in fich reflektirte, ſich erhaltende Beſtimmtheit. Das Einfache verändert ſich, und bleibt doch einfach. Die Monaden ſind ſo an ihnen ſelbſt, alſo dutch Modifikationen in ihnen ſelbſt unterſchieden, nicht aber durch äuferlihe Beſtimmungen. „Eine ſolche Beſtimmtheit und: Ver— änderung, die ſo im Weſen ſelbſt bleibt und vorgeht, iſt nun eine Perception,“ Vorſtellung können wir ſagen; und daher ſagt Leibnitz, alle Monaden ſind vorſtellend, darum nicht

®) Principia philosophiae, $. 10 43, p. 21.

3

/

Zweiter: Abſchnitt. Philoſophie des Lelbnit. 459

bewußte. *) Mit:anderen Worten, fle find an ſich allgemein; dieß ift eben die Allgemeinheit, Einfachheit in. der. Vielheit, aber eine Einfachheit, die ‚zugleich Veränderung, Bewegung der. Viel« heit if. Dieß ifl eine ſehr wichtige Beſtimmung; ia der Sub⸗ ftanz felbft iſt die Negativität, die Beflimmtheit. gefeit; ohne ihre Einfachheit und Inſichſeyn aufzugeben. ° Diefes kommt 'ebenfo dem, Materiellen zu; das. Materielle iſt Bielheit von Monaden. Daher ift das leibnigifhe Syſtem ein Intellektualſyſtem: Alles Materielle ſey ein Borftellendes, Percipirendes. . Die. Vorſtel⸗ lung, die Beſtimmung, die in ſich eingeſchloſſen iſt, iſt die Haupt- ſache. Das iſt der abſolute Unterſchied, was der Begriff ge⸗ nannt wird; was im bloßen Vorſtellen auseinander fällt, wird zufammengebalten., Näher ift darin dieſer Idealismus. enthals ten, daß das Einfache ein an. ihm ſelbſt Unterfchiedenes ſey, und ungeachtet feiner Anterfchiedenheit an ihm: ſelbſt doch Eins fe und in der Einfachheit bleibe: wie 3 B. Ich, mein Geiſt. Ich habe viele Vorſtellungen, ein. Reichthum von ‚Gedanken if: in mir; und doc, diefer Unterſchiedenheit ungeachtet, bin: ich nur Eins. Dieß ift diefe Idealität, daß das Unterſchiedene zugleich aufgehoben ift, als Eins beflimmt if. Diefe Beflimmungen, diefe in den Mionaden eingefchlofienen Vorftelungen, find in ih⸗ nen auf ideelle Weiſe. Diefe Idealität in der Monade ift in ihr ſelbſt ein Ganzes, fo daß dieſe Unterfchiede nur Vorſtellun⸗ gen find. Dieß iſt das Interefiante. der. leibnigifchen Philoſophie.

Die Monade ift alfo ein Vorfiellendes, Percipirendes;..fp fagt er, die Monade ift thätig.. Denn Thätigkeit ift Unteeſchie⸗ denfepn. in Einem; das iſt der wahrhafte Unterfhied. Die Mo⸗ nade ift nicht nur vorftellend, fondern es iſt Veränderung darin; fie verändert ſich in fich ſelbſt, und bleibt doch abfolut, was fie if. Diefe Veränderung. gründet ſich auf Thätigkeit. „Die Thä- figfeit des inneren Principe, wodurd es von einer Perception

#) Principia philosophiae, 8. 14, p. 3122.

460 Dritter Thell. Neuere Philoſorhiee. dur anderen ·fortgeht if ein Begehren (appeliius).“ ®) Die Vetanderung im · Vorſtellen iſt Begehren.” Das iſt Spontaneität der Monade nes · tommt · Alles mir iht · ſelbſt zit, Iuſtuenz fält weg In det That, dieſe Intellektualitãt aller Dinge ift ein größer Gedanke Leibnitens. „Alle Vielheit iſt in die Einheit eingefehlofen," **):— die Veſtunmtheit nicht eine" Differenz ge gen’ ein Anderes,’ fondern in: fichteflektirt." Dieß iſt eine Seite; die Sache iſt darin aber nicht vollſtaͤndig, fie iſt ebenfo "different gegen: Anderrs. ine hl nl en es Diefe Vorſtellungen find nicht nothwendig berouffte Vor⸗ ſtellungen Bewußtſe hn iſt Iwar · ſelbſt· Perception, aber rin höherer Grad derſelben; Perceptionen · des Bewußtſeyns nennt Leibnitz Apperceptionen. Den Unterſchied von den bloß vor⸗ ſtellenden Monaden und den ſelbſtbewußten ſetzt Leibnitz in einen Gradunterſchied der Deutlich keit/ Der Ausdruck Vorſtellung Hat. aber /allerdings etwas Ungeſchidtes, da wir gewöhnt find, ihn nur dem Bewußtſeyn, und den Bewußten als ſolchem zus zuſchreiben; Leibnig aber nimmt auch beivußtlofes Vorſtellen am. Wenn Leibnitz bewußtloſe Vorſtellungen in Beiſpielen aufzeigt, ſo beruft er ſich auf den Zuſtand der Ohnmacht, des Schlafs, in denen wir bloße Monaden ſind: und daß Vorſtellungen ohne Bewußtſeyn in ſolchen Zuſtänden vorhanden ſind, beweiſt er daraus, daß wir unmittelbar nach dem Aufwachen aus dem Schlafe Perceptionen haben; alfo müſſen andere da geweſen ſeyn, denn eine Perception entſpringt nur aus anderen, ***) Das iſt unbedeutendes empirifches Aufweifen. f. Diefe Monaden machen nun das Princip alles Seyen⸗

#*) Principia philosophiae, $. 45, p. 22; Principes de la na- ture et de la grace, $. 2, p. 32. %#) Principia philosophiae, $. 16, p. ###) Ibidem, $.19— 3, p. 22— 23; Principes de la nature ot de la grace, $.4, p. 33— 31; Nouveaux essais sur Dentendement humain (Oeuvres philosophiques de Leibnitz par Raspe), Liv. II, Ch. IX, $. 4, p. 9.

5 Deittet Theil, "Neuere Phlsfephie Die Kontimultät iR In der That als eine Otdnung , Gleichten aim Hnen felfb°gu fegen. "Leibnig. befllnint daher ihre Bene gungen als einander gleich, als eine Zuſammenſtimmung der elben; *) ⸗dehabet wieder/ die. Gleichheit ift>nicht"an it: nen ſelbſt. In der That macht die Kontinuität die weſentlich Beftimmung des Unorganiſchen aus. Aber fie muß zugleich nict als Aeußeres oder als" Gleichheit: aufgefaßt werden, ſondern als durchdringende oder durchgedrungene Einheit, welche die. Cinjelns heit in ſich aufgelöt Yat, eine Zlüffigteit. "Aber dazu Kommt Leibnitz nicht, weil ihm Mönaden/das abfolute Princkp” find, die Einzelnheit das ſich Auſhebeüde iſtt.. 7 br Einenhõhere · Stufe · des Sehns find‘ die belebten und beſeelten Körper, in welchen Eine Monade ‘eine: Herrſchaft über die fibrigen" hat, I Der mit der Monade verbundene Köt- ‚pe, von dem die Eine Monade die Entelechte, Seele ift, wird mit dieſer Seele ein Lebendiges, ein Thier genannt. Eint ſolche Entelechie herrſcht über die anderen, aber nicht realiter, ſondern ſormalz aber die Glieder dieſes Thiers find ſelbſt wieder ſolche Beſeelte, deren jedes abermals feine hetrſchende Entelechie in ihm hat. *) Herrſchen iſt aber hier nur ein uneigentlichet Ausdrud; Dieß Herrſchen iſt nicht über Andere, denn alle find ſeſbſiſtandig; es ift alfo nur ein formeller Ausdrud. Hätte Leib» nitz ſich nicht mit dem Worte Herrſchaft beholfen, und dieß eben näher entwidelt: jo hätte eben dieſe übergreifende Monade die anderen aufgehoben, als negativ gefest; das Anfihfeyn der an deren Monaden wäre verfhwunden, oder das Princip des abjos luten Seyns diefer Punkte oder Individuen. Doc diefe Beziehung derfelben auf einander werden wir nachher fehen. c. Die bewufte Monade unterfcheidet fih nun von den

#) Oper. T. II, P. II, p 605 Nouveaux essais sur Pentende- ment humain, L. II, Ch. XXHI, 8.23, 181.

®#) Principia philosophise, $, 6— 71, 'P: 3; Prineipes de la nature et de la grace, $.3—4, p. 3233,

I

464 Dritter Theil, Neuere Philofophie- rn

——— * nun en mente. X —— PR ‚das pure Welen denn

es iſt doch noch etwas Anderes als jene Monaden nun ſpal⸗ tet ſich auch bei Leibnitz in zwei Seiten, nämlich im das allge meine Seyn und das Seyn als Einheit der Entgegengefegten. 21a Jenes Allgemeine iſt Gott. Dieſes Prineip) des zu⸗ reichenden · Grundes macht denn allerdings weiter den Uebergang zum Bewußtſeyn Gottes, als der Urſache der Welt. Eine Folge dieſer ewigen Wahrheiten iſt die Exiſtenz Gottes: Ewige Wahr: heit iſt Bewußtſeyn des an und für ſich Allgemeinen and Abſo⸗ lutenz und / dieß Allgemeine, an und für ſich Abſolute ift Gott, if als Monas Eins mit ſich, iſt die Monade der Monaden, iſt die abſolute Monas. Die ewigen Wahrheiten, die Geſehe der Natur müſſen einen zureichenden Grund haben ;+ der allge⸗ meine zureichende Grund. beſtimmt ſich als Gott. Und hier kommt wieder der langweilige Beweis von feinem Daſehn zer iſt der Quell der ewigen Wahrheiten und Begriffe, und ohne ihm würde keine Möglichkeit Wirklichkeit" haben. Er hat den Vorzug, in feiner Möglichkeit zugleich zu exiſtiren; **) es iſt die Ein- heit der Mögligpteit und Wirklichkeit, aber auf begrifflofe Weife. Was notwendig if, aber nicht begriffen wird, wird in ihm vers legt; er iſt mehr als Allgemeines, aber nad) der Seite der Bes ziehung Entgegengefegter.

b. Die zweite Seite ift die abfolute Beziehung Entgegens gefegter. :Diefe kommt vor, erflens in der Form von abfolut Entgegengefegten des Gedantens, dem Guten und dem Böfen. „Gott. ift Urheber der Welt;“ das bezieht ſich fogleih auf das Uebel, Dieſe Beziehung ift es, um die fi das philoſophiſche Beftseben herumdreht, zu deren Einheit aber es nicht gelangte.

*) Principes de la mature er de la grace, $. 7, p. 35. ##) Ibidem, $, 8, p. 35; Principia philosoph. 5.4346, p. 2.

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Leibnitz. 465

Es iſt das Uebel in der Welt zu begreifen; doch wird über den fixen Gegenſatz nicht hinaus gekommen. Leibnitz hat den lang⸗ weiligen Gedanken, daß Gott unter den unendlich möglichen Wel⸗ ten die befle ausgewählt habe, Optimisnius. *) ' Das iſt ein fchledhter, popularer Ausdrud, fo ein. Gefhwäge von Mög⸗ lichteit der Borftellung oder Einbildung; Voltaire hat ihn: Iuflig perſiflirt. Meil die Welt cin Inbegriff endliher Weſen ſeyn follte, fo tonnte das Uebel nicht von ihr getrennt werden, da Uebel Negation, Endlichkeit if. **) Es bleibt da die Realität und Negation ebenſo gegeneinander über ſtehen, als vorhin. Das if Hauptvorfiellung in der Theoditee— :So was kann man wohl im gemein Leben ſagen. Wenn. ich, eine: Waare auf dem Markt. in einer: Stadt holen laffe, und. ſage, fie:fey zwar nicht. volltommen, eher die befte, die zu haben gewefen: fo: ik dieß ein ganz guter Grund, mich zufrieden zu geben.:- Aber Be⸗ greifen. iſt ein ganz Anderes. Es iſt weiter ‚nichts .gefagt als, die Welt ſey gut, aber aud) Mebels darin; es bleibt daffelbe vor..wie nach. „Weil fie einmal.babe endlich ſeyn follen,. das iſt bloße Wahl, Willtür. Warum: und wie ift im: Ahfolus ten und in feinen Entſchlüſſen Endlichkeit? Und dann wird. aus der Beflimmung der Endlichkeit geſchloſſen, worin es alerdinge kiegt, das’ Uebel abzuleiten.— „Gott will das Uebel nicht; Das. Uebel. faut nur inbis rekt in die Folgen“ Cblind), „weit manchmal das. größert But nicht erlangt werden konnte, wenn. die Mebel nidht.:vor- handen wären. Alſo find fie Mittel zum guten Zwecke“ Warum gebraucht Gott nicht ein anderes Mittel? . Es :ift immer Auferlih, nicht an und für fih. „Aber ein moras lifches Wedel‘ darf nicht als Mittel: betrachtet werden, noch

#) $. Oben, S. 453.

*##) Essais de Theodicee, T. I, P. I, $. 2%, p. 96, 97; $. * —3, >. 106 - 107; T. II, P. II, & 153, p. 57 —58; $. 378, p- 236 257.

Geſch. d. Phil. * * 30

466 Duitter Theil, "Neuere Philofopbie . muß man (nach dem Apofiel) Mebels thun, um des Guten wil- Ten; aber es hat doch oft das Verhältnif rinerconditio sine qua non des Guten. Das Böfe iſt in Gott nur der Gegen- fand eines erlaubenden Willens (yoluntatis permissivae)“) kurz Alles, was das Schlechte. „Das Gute: iſt der Bird, aber jcdwedes, auch das untergeordnete: die gleichgüttigen Dinge aber und die Uebel oft Mittel; das Vöſe jedoch nur conditio sine qua mon, in welhen Sinne Chriſtus fagte, Yergenif müſſe ſeyn.“ ** Ka ba > „Nach der Weisheit Gottes: müfen wir annehmen, daß die Geſetze der Natur die-befien find.“ Im Allgemeinen iſt man damitgufrieden; aber die Antwort iſt für die beſtimmte frage nicht hinreichend, Man will das Gute diejes Geſetzes erten⸗ nen. Das wird nicht geleiſtet. „Das Gefeg des: Falls, z. 8, iſt das beſte: Das Verhältnig der: Zeiten und Räume als das ‚Quadrat iſt das bei.“ Man könnte auch für, die Mathenatit jede ‚andere Potenz gebrauthen, Leibnig ‚antwortet; ),,Bött hat es gemacht;“ das iſt feine Antwort. Wir wollen den beftimme tens Grund diefes Gefeges erkennen; folde allgemeinen: Beflim- mungen lauten fromm, ſie find aber nit genügend.

©. Das Weitere ift diefes, daß der zureihende Grund ſich auf die Vorftellung von den Monaden beziche. Die Principim der Dinge find die Monaden, jede ift für ſich, wirkt nicht auf die andere, zugleich. ift eine Harmonie in der Welt vorhanden. Wenn die Monas monadum, Gott, die abfolute Subftanz if, fo. hört die Subflantialität der einzelnen Dionaden auf. Es if ein Widerſpruch, der in fih unaufgelöft it: Die Eine fubftan-

#) Causa Dei asserta per justitiam ejus (Essais de Theodicse, T. I), 8. 31—38, p. 385 386.

#%#) Ibidem, $. 39, p. 386: Deus itaque inter objecta voluntatis habet opuimum, ut finem ultimum: sed bonum, ut qualemeungue, etiam subalternum; res vero indifferentes, itemque mala, saepe ut media: at malum culpae non nisi ut rei alioqui debitae conditionem sine qua non esset, eo scnsu quo Christus dixit oportere ut scandala existant.

Zweiter. Abſchnitt. Philofophie des Leibnitz. 467

tielle DMonade und dann die vielen einzelnen Monaden, die felbfiftändig ſeyn follen, deren Grund if, daß fle nicht in Be ziehung auf einander. Reben; und fo ift ein Widerſpruch, der nicht aufgelöft if. . Sie find, wird gefagt, durch Bott geſchafen, d. h. durch ſeinen Willen ſo geſetzt als Monaden. | Die Einheit entgegengefegt Schender, der Seele und des Körpers, ift allgemeiner. als Werhältnif von Monaden zu Dionaden zu faflen. Diefe Einheit flellt Leibnig als eine nicht differente Beziehung, als eine begrifflofe Beziehung: vor, namlich als eine präftabiliete Harmonie.*) Leibnitz gebraucht das Beifpiel von zwei Uhren, die auf diefelbe Stunde: geftellt find und gleichen Gang: haben; **) ſo geht die Bewegung des dentenden Reihe in der Bellimmung nach Sweden vor, und das Fortgehen dss körperlichen. ihm entſprechenden nach allge⸗ meinem Kaufals Sufammenbang. *n) Es iſt daſſelbe bei Spinoza, daß. diefe Heiden Seiten des Univerſums unter fi keinen Zuſammenhang haben, eine nicht auf die andere einwirkt, ſondern vollig gleichgültig gegen einander find, überhaupt die differente Beziehung - des Begriffs fehlt. In dem abſtrakten Den⸗ ten, das ohne Begriff, erhält jene Beſtimmtheit die Form der Einfachheit, des Anfich, des Gleichgültigſeyns gegen Anderes (ſchon das abſtrakte Roth iſt geſetzt gleichgültig ‚gegen Blau u. ſ. f.), ein bewegungsloſes Reflektirtſeyn. Hier verläßt, wie vor⸗ her, den Leibnitz fein Princip der Individuation; es. hat nur den Sinn, ausſchließendes Eins zu ſeyn, nicht über das- Andere übergreifendes: vorgeſtelltes Eins, nicht fein Begriff. Die Seele bat alfo eine Reihe von Vorſtellungen, die ſich aus ihrem In

#) Prineipes de la nature et de la grace, n 3, pP. 3; Pre- mier Eclaircissement du systeme de la communication des sub- stances, p. 70.

9) Second et troisime eclaircissemens du systeme de la com- munication des substances, p. 14 73. #6) Principia philosophiae, 8. 82, p. 30; Principes de la na- ture et de la grace, $. il, p. 36

30% .

Dtoment bir TE

Entſyrechenener hat die. Drang der Atome fo eingerichtet/ "daß "die utſprunglichen Merandenin, gem die) ich innerhalb Einer Monade e entwicteln / den Verande

rungen der anderen entfprehen. Das iſt präſtabilirte Harmonit Wenn ein Hund Prügel kriegt, fo entwickelt ſich der Schmetz in ihm, der Prũgel entwidelt ſich ebenſo, ebenſo der Schlagende; ihre Beſtimmungen entfprechen ſich alle, und nicht durch objekti— von Zuſammenhang der Beftimmungen, fondern Jedes ift ſelbſ fändig. #**) Der Sufammenhang unter den Monaden kommt nicht ihnen - zu. Das 'Prineip der Zufaminenftimmung if alte aufer ihnen in Gott, der dadurd die Monade der Monaden, die abfolute Einheit iſt; vom Entſprechen ift Gott die Urſach

#) Systeme mouveau de la nature et de la communication des substances, p. 51— 55. *#) Principia philosophiae, $. 90, p. 31: Prineipes de la na- ture et de la grace, 8. 12—43, p. 36 37; $. 15, p. 37 38. *##) Oper. T. I, Pl, 5— 76.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie- des Keibnig. 469

Wir ſahen von Anfang an, wie Leibnitz zu diefer Vorſtel⸗ lung kam. Jede Monade iſt -vorftellend überhaupt und als foldye Borftellung des Univerſum's. Jede Monade iſt an fih Totalis tät, an fi die ganze Welt. Damit ift aber diefe Vorſtellung noch nicht eine -bemußte; die nadte Monade ift ebenfo an fi

*

das Univerſum, und das Unterſcheiden iſt die Entwickelung die⸗

fer Totalität in ihr.) Das, was fich in ihr entwickelt, iſt zus gleich in Harmonie mit allen anderen Entwidelungen; es iſt Eine Harmonie. „Im Univerſum iſt Alles auf's Genauſte ver⸗ knüpft, es iſt aus Einem Stücke, wie ein Ocean: die geringſte Bewegung pflanzt ihre Wirkung bis in jede Weite fort.” *8) Aus Einem Sandkörnchen Tönnte das ganze Univerſum in ſei⸗ ner ganzen Entwidelung begriffen werden, wenn wir das Sands körnchen ganz erfennten. Das heißt weiter nicht viel gefagt, fo glänzend es ausficht; denn das übrige-Univerfum iſt noch etwas mehr und Anderes, als ein Sandkörnchen, das wir erkennen. Sein Weſen ſeh das Univerſum, ift ein leeres Geſchwätze; denn eben das Univerſum als Wefen ift nicht das Univerſum. Zu

dem Sandtorn muß noch Mandes hinzutommen, was nicht

darin iſt; und indem fo der Gedanke mehr binzuthut als Sands

körnchen erifliren, fo kann das Univerſum und feine Entwidelung-

dann allerdings begriffen werden. So hat oder ift alfo jede Dionade die Vorftellung des ganzen Univerſums, d. h. eben fie ift Borftelung überhaupt, aber zugleich eine beflimmte, wodurd) fie diefe Monade if, Vorftellung nad) ihrer befonderen Lage und Amftänden. ***)

Die Monade ift thätig, vorftellend, percipirend; diefe Per⸗ ceptionen, die ihr Univerfum ausmachen, entwideln fi in ihr

#) Principia philosoph., 8. 58— 62, p. 27; Oper. T. II, P. I,

p. 46 47. #*#) Essais de Theodieee, T. I, P. I, 8. 9, p. 85 —86. MW) Principes de la nature er de la grace, 8. 12— 143, p. 36

31; Oper. T. II, P. I, p. 387.

470 Dritter Thell. Neuere Philoſophie.

nach, den Geſeten der Thätigkeit. Wie die Bewvegumgen ihre Außenwelt nach den Gefegen der Körper ſich entwiceln: fo folgt die. Entwicelung aus ſich des. Vorfellens- im ſich ſelbſt, det Geiftigen, den Gefegen. der- Begierde. Die Freiheit iſt die Spontaneität, daß, was ſich in jeder Monade entwickelt, ihre immanente Entwidelung. ift; Freiheit. ift mır bemußte Sponte neität, *) Die Magnetnadel hat Spontaneität. Er fagt; Die Natur der Magnetnadel ift, ih nach Norden zu richten; hätte fie Bewußtſeyn, fo würde fie, ſich vorfiellen, daß dieß ihre Selbſ⸗ determination ſey, fo-bätte fle den Willen, ſich nach ihre Natur zu geriren, **) Dem Jedes hat appelitus nad) feint eigenen Natur, Indem ſo die Monaden abgeſchloſſen find, jet ſich in ſich entwickelt, jo muß ferner. diefe Entwickelung in Har- monie ſeyn. Ein organiſches Ganze, ein Menſch ift- dieß, aus fih ſelbſ den Zwegh zu fegen; aber es iſt in ſeinem Wege, auf ein Anderes gerichtet zu ſeyn. Ex fellt ſich dieß und jenes vor, will dieß oder jenes; feine Tätigkeit wendet ſich dahin, und bringt Veränderungen hervor, Seine innere Beftimmung wird, fo, leibliche, Befimmung, und dann Veränderung, nach Außen; er erſcheint als Urfach, wirkend auf andere Monabden. Dieß ift aber nur ein Schein. Dief Andere iſt das Wirkliche, infofern die Monade cs befiimmt, negativ fest; fie iſt dieß Paf- five an ihre felbft, alle Momente find fo in ihr befchloffen. Aber eben darum bedarf es nicht anderer Dionaden. Wenn dieß Für einanderesjeyn ein Schein ift, fo ift es ebenfo dieß Fürſichſehn, das nur Bedeutung hat in Beziehung auf das Füreinanderes ſeyn; es bedarf keiner Gefege, als der Monaden in fich felbft. Das Grofe an Leibnig iſt diefe Intellettualität, aber Leib- | nig hat diefes Vorſtellen nicht auszuführen gewußt; und aus diefem Grunde iſt diefe Intellektualität zugleich unendliche Viel:

*) Essais da Theodicee, T. II, P. II, 5. 291, p. 184 185. ##) Ibidem, T. I, P. I, 8. 50, p. 119.

* ©,

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Leibnig. 471

heit. Diefe ift abfolut, die Monade if ſelbſtſtändig; diefe In⸗ tellettualität hat das Eins nicht zu überwältigen gewußt. Die Trennung im Begriffe, die bis zum Entlaſſen aus ſich felbft geht, dem Scheinen in unterfhhiedene Selbfifländigkeit, hat er nicht in die Einheit zufammenzufaflen gewußt. Die Zuſammen⸗ ftimmung diefer beiden Momente, des Ganges. der Vorfiellungen und des Ganges der äußeren Reflexion, als Urſach und Wir⸗ tung erfcheinend, weiß Zeibnig nicht an und für ſich zu bezichen; er läßt fie daher auseinanderfallen. Jedes ift paſſiv für ein Anderes. Räder betrachtet er Beides in Einer Einheit; aber ihr Thätigſeyn iſt zugleich nicht für fie. Und unbegreiflic wird jeder Fortgang für fi), weil der Bang der Vorſtellung als durch Zwede an ihm felbft die Dioment des Andersſeyns der Paffl- vität bedarf, und wieder der Zufammenhang der Urfache und Wirkung das Allgemeine: Jedes aber diefes feines anderen Mo⸗ ments entbehrt. Aber infofern in dem Berlaufe der bewußten Borfiellungen tein nothwendiger Zuſammenhang eintritt, fondern Zufälligkeit, Sprünge erfcheinen, fo ift nad) Leibnit dieß da⸗ durch, „daß die Ratur einer erfchaffenen Subſtanz es mit ſich bringt, daß fie fi) unaufhorlid in einer gewiffen Ordnung ver⸗ andert, welde .fie felbfithätig (spontanement) durch alle die Zuftände leitet, die ihe begegnen werden; fo daß derjenige, der Alles ficht, in dem gegenwärtigen Zuſtande der Eubflanz auch den vergangenen und künftigen ertennt. Das Gefek der Ord⸗ nung, das die Individualität der befonderen Subflanz beftimmt, bat eine genaue Beziehung zu dem, was in jeder anderen Sub⸗ flanz umd im ganzen Univerfum vorgeht.“ ) D. h. an fi ifl die Monade nicht, oder es giebt zweierlei Anfichten, fie als felbfl- thätig der Form nach erzeugend ihre Vorſtellungen und fie als Moment des Ganzen der Nothwendigkeit zu fegen; das heißt nach Spinoza, fie von beiden Seiten betradhtet.

#) Oper. T. Il, P. 1, p. 75. | \

472 Dritter Theile Neuere Philofephier Dieſe Einheit, da) zufammenftimmt die Beflimmung ds Willens des Menſchen und die Veränderung, die er meint de durch hervorzubringen, iſt durch ein Anderes, nicht von Außen; und dieß Andere iſt Gott, der dieſe Harmonie präftabilirt, es iſt die, die betannte präftabilirte Harmonie, | Judem ein Monade verändert wird, gehen in der anderen Monade Werän derungen vor, die jenem entſprechen; dieß Entſprechen iſt Hat monie und durch Gott geſetzt. Dieſe abfolute Einheit wird nun in Gott verlegt; er iſt die Monade der Monaden. Bor Got waren. fleinicht felbffändig; in Gott find fie abforbirt, idee. Damit time nun jest die Forderung, in Gott eben jene Eis heit zu begreifen von dein, was vorher auseinander Fällt; allen Gott hat das Privilegium, daf ihm das aufgebürdet wird, mas nicht begriffen werden kann. Das Wort Gott iſt fo dann die Aushilfe, die ſelbſt num. zur Einheit‘ führt, die nur eine genannte iſtz das Herausgehen des Vielen aus diefer Einheit wird aber nicht · aufgezeigt. ann DLP IF ‚Gott spielt daher in der neueren Philofophie eine weit größtre Role, als in der alten. In derneueren iſt das Bes greifen Hauptforderung, der abſolute Gegenſatz herrſchend, Den ten und Seyn. So weit Gedanken fortgehen, fo weit das Uni- verfum: wo das Begreifen aufhört, hört das Univerfum auf, und cs fängt Gott an; fo daf fogar dafür gehalten wird, durd’s Begreifen werde Gott ſchlecht, dann fey er in die Endlichkeit herabgezogen. Es wird von Beſtimmtem ausgegangen: Dief und jenes ift notbwendig, aber wir begreifen die Einheit diefer Momente nit; diefe fällt dann in Gott. Gott ift alfo gleich⸗ fam die Goffe, worin alle die Widerſprüche zufammenlaufen. Eine folde populare Sammlung ift nun Leibnitzens Theodicer. Da find immer allerhand Ausreden auszuklügeln: Beim Wis derſpruch von Gottes Geredptigkeit und Güte, daß die eine die andere temperire: Wie fih das Vorherwiſſen Gottes und die menſchliche Freiheit vertrage; allerhand Syntheſen,

Zweiter Abſchnitt. Chriſtian Baron von Wolf. 473

die ie auf den Grund kommen, noch Beides als Momente aufzeigen. |

Die find die Haupt» Diomente der leibnigifchen Philoſo⸗ phie. Es ift eine Metaphyſik, die von einer befchräntten Vers flandesbefiimmung ausgeht; dieß ift die abfolute Bielheit, fo daß . der Zufammenhang nur als Kontinuität aufgefaßt werden Tann. Dadurch ift fhon die abfolute Einheit aufgehoben, aber fie ift vorausgefeht; und die Vermittelung der Einzelnen mit einander ift nur fo au erklären, daß es Bott ifl, der die Harmonie in den Veränderungen der Einzelnen beflimmt. Es if ein künſt⸗ liches Syſtem, das auf den Verflandes- Kategorien des Abfoluts feyns der Vielheit, der: abflratten Einzelnheit begründet ifl. Das Michtige bei Leibnig liegt in den Grundfägen, in dem Princip der Individualität und dem Sage der Ununterſcheidbarkeit.

2. Wolf.

Ummittelbar an Leibnig ſchließt ſich nun die wolfifhe Phi⸗ lofophie an; denn fie befteht eigentlich darin, daß fle ein Syſte⸗ matiffren der-leibnigifchen ift, daher fle- auch die leibnigifch = wols fifhe heist. Mit Wolf ift eine fuflematifhe Ausführung des philofophifchen Stoffes überhaupt gegeben. Wolf bat fich um dic Verftandesbildung der Deutfchen große Verdienfte, un» fterbliche Verdienſte erworben; er ift es erſt, welcher nicht gerade die Philoſophie, aber den Gedanken in der Form des Gedankens zum allgemeinen Eigenthum gemacht und ihn an die Stelle des Sprechens aus dem Gefühl, aus dem finnlichen Wahrnehmen und in der Vorſtellung, in Deutſchland geſetzt hat. Dieß iſt, wie geſagt, Seite der Bildung, die uns eigentlich hier nichts angeht, ſondern vielmehr nur inſofern, als dieſe Form des Ge⸗ dankens ſich als Philoſophie geltend macht. Dieſe Philoſophie wurde zur allgemeinen Bildung: das beſtimmte, verſtändige Den⸗ ten iſt Grund⸗Princip; es breitet ſich über den ganzen Kreis des Vorhandenen aus. Die geiſtige höhere ſubſtantielle Philos

474 Dritter Theil. Neuere Philofopbie, | fophie, das fpekulative Intereffe,, was wir bei Böhm im, einer eigenen noch barbariſchen Gefialt auftreten fahen, iſt ganz aus⸗ gelöfeht und ohne Wirkung in Deutſchland verſchwunden, auch mit Vergeſſen feiner. Sprache. | In Chriſtian Wolf's Lebensumfländen Die am Merkwürdigſten, daß er, geboren 1679 zu Breslau, eines Bäder Sohn, anfangs. Theologie, dann Ppilofophie ſtudirte, und 4707 Profeffor der Mathematik und Philofophie zu Halle wurde, Hier machten ihm ‚die pietiftifchen Theologen, befonders Lange, die, niederträchtigften Händel. Die, Frömmigkeit traute dieſem Berftande, nicht; if. fie wahrhaft, fo geht fie anf einem Inhalt, der ſpekulativer Natur. ift, und über den Verfiand hinausgeht. Als die Gegner durch ihre Schriften kein Oberwaffer erhielten, fo griffen ſie zu Intriguen. Sie liefen es bei König Friedrich Wilpelm L, dem Vater Friedrid”s IL, einem barbarifhen Sol datenfreunde, anbringen, dag nach Wolfs Determinismus der Menſch keinen freien Willen: habe; und die Soldaten; daher auch nicht aus freiem Willen defertirten, fondern durd) eine ‚befondere Einrichtung, (präftabitirte Harmonie) Gottes; eine Lehre, die, wenn fie unter das Militair verbreitet würde, höchſt gefährlich feyn würde. Der König, hierüber höchſt aufgebracht, erließ for gleich eine Kabinetsordre, daß Wolf binnen zweimal 24 Stun den bei Strafe des Stranges Halle und die preufifchen Staas ten verlaffen follte. Wolf verlieg alſo Halle, den 23. November 4723. Die Theologen fügten das Standal hinzu, daß fie ge gen Wolf und feine Philofophie predigten, und der fromme Franke Gott in der Kirde auf den Knien für diefe Entfernung Wolfs dankte. Allein die Freude dauerte nicht lange. Wolf war nad) Kaffel gegangen: ward ſogleich als erſter Profeflor der philoſophiſchen Fakultät in Marburg angeftelt: um diefelbe Zeit von den Akademien der Wiſſenſchaften zu London, Paris, Stod- holm zum Mitgliede angenommen: von Peter I. in Rußland zum Vicepräfidenten feiner new errichteten Akademie in Petersburg

Zweiter Abſchnitt. Chriſtian Baron von Wolf. 475

ernannt. Er wurde auch nach Rußland berufen, was er aber ablehnte, erhielt aber ein Ehrengehalt, wurde von dem Chur⸗ fürften von Baiern in den Freiherrnſtand erhoben, kurz mit äuferlihen Ehren überhäuft, die befonders damals, auch nod) jest, vor dem allgemeinen Publikum ſehr viel galten, und zu groß waren, als daß fie nicht hätten in Berlin das größte Auf⸗ fehen machen müſſen. Es wurde dann in Berlin eine Kom⸗ mifflon niedergefegt, die ein Gutachten über. die wolfifhe Phi⸗ lofophie (denn diefe hatte nicht vertrieben werden können) zu ftellen hatte, und die fie von aller Gefahr für Staat und Res ligion frei ſprach, für unfhädlic erklärte, und den Theologen den Diund fiopfte und das Streiten verbot. Wolf ward von Friedrich IL glei; nach feiner Thronbefteigung 1740 fehr ehren voll zurüdgerufen (Lange war gefiorben), und nahm jest den Ruf an. Schon Friedrich Wilhelm hatte fehr ehrende Rückbe⸗ rufungsſchreiben an ihn erlafien, er jedod den Ruf anzunehmen Bedenten getragen; er traute nit. Er wurde Wicelanzler der Univerfltät; er hatte aber feinen Ruf überlebt, und fein Audi⸗ torium war am Ende völlig leer. Er farb 1754. *)

Wolf brachte das ganze Wiſſen in pedantifch = foflematifche Form. Wolf hat fih in der Mathematik fehr berühmt gemadht, und ebenfo durch feine Dhilofophie, welche in Deutfchland lange herrſchend gewefen if. Seine Philoſophie aber ift im Allge⸗ meinen Verſtandes⸗Philoſophie zu nennen, die ſich auf alle Ges genftände, die in das Gebiet des Wiſſens fallen, ausgedehnt bat: zwar erbaut auf der leibnisifchen Grundlage, fo jedoch, daß das Spekulative ganz darin verſchwunden if. Wolf hat fi nun in Anfehung der Philoſophie vorzüglih in Beziehung auf deutfche allgemeine Bildung verdient gemacht; und er darf vor

#) Buhle: Geschichte der neueren Philosoph., B. IV, Abth. II, S. 571— 583; Tiedemann: Geist der spekulativen Philos., B. VI, $. 511 518; Hixner: Handbuch der Geschichte der Philosophie, B. LI, 8. 79, S. 195 1%.

416 = Deiner Tell: Meere Peilofoppis 1"

Allen als Lehrer der · Deiutſchen genannt · werden "Was farm ſagen, daß Wolf erſt das Philoſophiren in Deutſchland einhel⸗ miſch gemacht hat. Tſchirnhauſen und Thomaſius haben zugleich an dieſem Verdienſte Theil, genommen, ein unſterb⸗ liches Verdienſt dadurch erwerben, daß fie über die Philofoppe in deutſcher Sprache fehrieben. ' ze Einen großen Theil feiner‘ Sqriften vafahte Woir ah in dieſer feiner Mutterfprache; und dieß iſt wichtig. Der Titel | der deutfchen philoſophiſchen Schriften iſt immer: ,,Wermünftige | Gedanten von den Kräften des menſchlichen Verſtandes und ih⸗ rem richtigen Gebraude in der Erkenntnig der Wahrheit, Hal, 41712,% 8.57; Bernünftige Gedanken von Gott; der Welt und der Seele des Menſchen, aud) allen Dingen überhaupt," Frant- furt und Leipzig? 1719;% „Bon der Menfhen Thun und Laffen, Halle, 172054 Von dem ·geſellſchaftlichen Leben, Halle, 17215“ Bon den Wirkungen der Natur, Halle, 17235 ff Wolf ſchrieb alſo deutſchz Tſchirnhauſen und Thomaſtus haben am dies ſein Ruhm Theil, wogegen Leibnitz nur lateiniſch oder. franzöſiſch ſchrieb. Aber man kann erſt ſagen, wie ſchon erinnert wor⸗ den, *) daß eine Wiſſenſchaft nur dann einem Volke angehört, wenn es fie in feiner eigenen Sprache befigt; und dieß ift bei der Philofophie am Nothwendigſten. Denn der Gedanke hat eben dieß Moment an ihm, dem Selbfibewußtfegn anzugehören oder fein Eigenftes zu ſeyn; in der eigenen Sprache ausgedrüdt, 3. B. Beflimmtheit flatt Determination, das Wefen flatt Eſſenz u. f. f., if dieß unmittelbar für das Bewußtſeyn, daß diefe Ber griffe fein "Eigenftes find, mit dem es immer zu thun hat, nicht mit einem Fremden. Die lateinifhe Sprade hat eine Phraſeo⸗ logie, einen beftimmten Kreis, Stufe des Vorftellens: es ift ein» mal angenommen, daß man, wenn lateinifch geſchrieben wird, platt ſeyn dürfe; es ift unmöglich lesbar oder fhreibbar, was man ſich erlaubt, lateiniſch zu fagen.

#) S. Oben, S. 257,

Zweiter Abſchnitt. Philoſophie des Wolf. 477

Ueber alle Theile der Philoſophie bis zur Oekonomie hin⸗ aus hat er deutſche und lateiniſche Quartanten geſchrieben, 23 dicke Bände lateiniſch, zuſammen bei 40 Quartanten. Seine mathematiſchen Schriften machen noch beſondere viele Quartan⸗ ten. Leibnitzens Differentiale und Integral⸗Rechnung hat er befonders- in allgemeinen Gebraudy gebradt. Bon Tſchirn⸗ haufens und Thomaſtus? Philoſophie iſt aber ihrem Inhalte nach

nicht viel zu ſagen, es iſt ſogenannte geſunde Vernunft; es iſt

die Oberflächlichkeit und leere Allgemeinheit, die. immer da flatt findet, wenn Anfang gemacht wird mit dem Denken. Die All⸗ gemeinheit des Bedantens befriedigt: dann, weil Alles darin iſt, wie ein Sittenſpruch, der aber in. ſeiner Altgemeinheit eben kei⸗ nen beſtimmten Inhalt hat.

Mole Philoſ ophie iſt nun alſo ihrem allgemmeinen In⸗ halte nad im: Ganzen leibnitziſche Philoſophie, nur daß er fie ſyſtematiſtrt hat. Dieß bezieht Fi aber nur auf die Hauptbe⸗ flimmungen der Monaden und der Theodicee, denen er treu ges blieben ifl.: Die’ großen Verdienſte Wolfe um die Verflandes- bildung Deutfchlands, welche jest ganz für:fich ohne Zufam- menhäng -mit "früherer tiefer metaphyſtſcher Anſchauung hetvors trat; ſtehen in gleichem Werhältniffe mit det Dürre- und. inneren Gehaltlofigkeit, in welche die Philoſophie verfant, die er in ihre förmlichen Disciplinien abtheilte, in verfiändigen -Beflimmungen mit. pedantifcher Anwendung der geometrifchen Methode. aus⸗ fpann, und gleichzeitig mit Englifden Bhilofophen den Dogma⸗ tismus dei Verſtandes⸗Metaphyſik, nämlich⸗ ein Mhilofophiren; weldhes das Abfolute und Vernünftige durch fich ausfchließende Verſtandesbeſtimmungen und Verhältniſſe, 3. B. Eins und Vie⸗ les oder Einfachheit und Zufammenfefung,, Endliches und Un⸗ endliches, Kauſal⸗Verhältniß u. ſ. f. beſtimmt, zum aligemeinen Ton erhob. Wolf hat die ſcholaſtiſch⸗ariſtoteliſche Philoſophie vollends gründlich verdrängt, und die Philoſophie zur allgemei> nen, der deutfchen Nation angehörigen, Wiſſenſchaft gemacht.

48 Dritter Shell, Meuers, Philofphiee-

Sonft aber hat er der Philofophie die ſyſtematiſche und: gehi- rige Eintpeilung in Fächer gegeben, die noch bis auf Die, meuefien Zeiten als\eine Art von Autorität gegolten hat 7 > ol Theoretische Philoſophie. Er handelt, zuerft 1.80 git ab, gereinigt von der ſcholaſtiſchen Ausführungz+es-ift die Verftandes-Logit, die Wolf ſyſtematiſirt hat; dann 2, Mete- pbyfit, ‚Diefe enthält: a. Ontologie, die Abhandlung von den abfiratten, ganz allgemeinen Kategorien des. Philofophirens, des, Seyns (Dr), daß das ‚ens unum, bonum iſtz das Ein, Meeidenz, Subftanz, *) Urfad und Wirkung, #*) ‚das Phãno⸗ men u. ff. kommt dor; es iſt abſtratte Metophpfit, b, Die mächfte Lehre iſt Kosmologie; das iſt allgemeine Körperlehtt, Lehre von der Welt, Das find metaphyſiſcht, abſtrakte Säge von der Welt, daß cs keinen. Zufall, giebt, ***) Feinen, Sprung in der Natur, dasıGefeg der Kontinuität, Er) fAliet Naturlehre und Naturgefihte aus, , c. Dann rationelle Pfr cholo gie oder Pneumatologie, Philoſophie der Seele: Einfad- beit, Mnfterblichkeit, Immaterialität. der Seele, FF) di Natür- liche Theologie: Veweiſe vom Dafeyn Gottes, FF) Empis riſche Pſychologie ift eiugeſchoben.) Das ift theoretifche Phi⸗ loſophie. II. Die prattifche Philofophie if: 1. Raturredt, 2. Moral, 3. Völterreht oder Politik, 4. Detonomie. Das Ganze ift vorgetragen in ſtreng geometrifchen Formen, Ariomen, Tyeoremen, Scholien, Eorollarien u. f. f. Wolf ging einer Seits auf einen großen ganz allgemeinen Umfang, und anderer Seits auf · Strenge der Methode in Anſehung der Pro-

#) Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, Th. I, Kap. II, g. 114, S. 59—60 (Halle, 1741). ##) Ibidem, $. 120, S. 62— 63. #t#) Ibidem, Kap. IV, $. 575— 581, S. 352— 359. H) Ibidem, $. 686, 5. 425. +) Ibidem, Kap. V, $. 142, S. 463; $. 926, S. 573. +H) Ibidem, Kap. VI, $. 928, S. 574, fig. ') Ibidem, Kap. III.

H

. Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Wolf. | 419

pofltionen und ihrer Beweife. Der Inhalt ift dann Zheils aus Leibnig genommen in Rückſicht der Bhilofophie, oder aus unſe⸗ rer Empfindung, Neigung empirifch aufgenommen; und alle cars tefifche und fonflige Befiimmungen .der allgemeinen. Begriffe Hat er vollftändig aufgenommen, Definitionen davon gegeben und auch Säge über fie aufgefiellt, die er. beweiſt. Es ift dieß Erkennen in der Manier. wie. bei Spinoza, nur noch hölzerner und bleierner. Wolf verführt fo: er giebt Definitionen, fie find die Grundlage; fie beruhen: im Ganzen auf unferen Vorſtellun⸗ gen, es find Rominaldefinitionen; . Er verwandelt unfere Vor⸗ ftellungen in Berflandesbeflimmungen; die Definition ift richtig, wenn fie folcher Vorftellung entſpricht.

Für Deutihland (auch allgemeiner) hat er die Welt des

Bewußtſeyns definiert, wie man es auch von Arifioteles fagen

Tann; er hat den ganzen Umkreis der menihlihen Vorftelluns gen erplicitt, was für. die allgemeine Bildung höchſt wichtig. Der Inhalt iſt eine Vermiſchung von abſtrakten Sätzen und ihren Beweifen, vermiſcht mit Erfahrungen, auf deren ungezweis feltee Wahrheit er einen großen Theil ‚feiner Säge baut, ‚und bauen und. Die Gründe daraus hernehmen muß, wenn. ein: In⸗ halt heraustommen fol. (Bei Spinoza ift fein Inhalt, als ab⸗ folute Subſtanz und das befländige Nüdgehen tn fie.) Diefen Inhalt bat er in: die Form des Gedantens gefaßt, in allgemeine Beflimmungen, die dem Gedanken als. folhem angehören, oder nad) der Form des Gedankens. Das ift ein großes Verdienft. Mas ihn von Ariftoteles unterfcheidet, iſt, daß er ſich nur ver⸗ fländig dabei verhalten hat; Ariftoteles bat aber den Gegenſtand fpetulativ behandelt. Die verfändige Behandlung ift dieß, dag jede Gedantenbeflimmung für fi feflgehalten wird; der Step- ticismus dagegen konfundirt diefe feften Gedantenbeflimmungen.

Wolf hat nun die geometrifhhe Methode befolgt. In der Mathematik ift der Verfland an der Stelle; das Dreied muß Dreieck bleiben. Wolf ift der Lehrer des Verflandes unter den

480 ‚Dritter Theil. Neuere: Philoſephie. - Deutſchen gewefen. Die geometriſche Methode‘ hat ſchon Spi- noza angewendet; Wolf hat fie anf Alles; das ganz Empirifhe ebenſo qut, angewendet; z.B. im feiner fogenannten angewandien Mathematik, worin‘ er viele nützliche Künſte hineinbringt um die gemeinften Gedanken und Anweifungen in die geometrifät Form bringt: was feinem Vortrage ein pedantifches Anſche ‚giebt, vorzüglich wenn der Inhalt ſich dem Vorſtellen gleih ‚rechtfertigt: ohne diefe Barmay 0 0 N en - Die Strenge der Methode iſt dann allerdings zum Theil feht pedantiſch geworden, Der Schluß-ift die Hauptform; und es iftoft ‚ein barbariſcher Pedantismus, der feine ganze Steifpeit gewonnen hat. In der Mathematik (vier kleine Bände)‘ behandelt Wolf auch Bautunſt, Kriegskunſt. Z. B. in der Baukunſt heißt ein Lehrſatz: Dit Fenſſer můſſen für zwei Perfonen ſeyn. )Einen Abtritt zu mochen dieß iſt vorgetragen als Aufgabe und Auflöfung.**) Das nächte befte Beifpiel fey aus der Kriegskunft: Der vierte Lehrfah, Das Anrücken an die Feftung mug dem Feinde, immer. gemachet+werden;ıje näher) etderfelben kommet“ Statt zu fe | gen, Weil die, Gefahr defto größer. ift, was felbft trivial, folgt: „Beweis. . Je näher der Feind der Feflung Tommet, je größer iſt die Gefahr. Je größer aber die Gefahr ift, je mehr mus man ihm Widerftand thun können, um feine Anſchläge zu zer- nichten und ſich von der Gefahr zu befreien, fo viel möglid) ifl. Derowegen je näger der Feind an die Feſtung kommet, deflo faurer muß ihm das Anrüden gemadet werden. W. 3. €. W.“***) Da als Grund angegeben üt, weil die Gefahr größer, fo ift das Ganze auch falſch, und kann das Gegentheil gefagt werden. Denn leiftet man ihm Anfangs allen möglichen

%) Anfangsgründe aller mathematischen Wissenschaften, Theil 1: Anfangsgründe der Baukunst, der andre Theil, Lehr- satz 8, S. Al.

*#) Ibidem, Aufgabe 22, S. 452 453. we) Ibidem, Th. II: Anfangsgründe der Fortifikation, der erste Theil, S. 570.

Zweiter Abſchnitt. Popularphiloſophie. 481

Widerſtand, fo Tann er ja der Feſtung nicht näher kommen, alſo die Gefahr nicht größer werden. Der größere Widerſtand hat eine Urſache, nicht dieſen albernen Grund; nämlich weil die Be⸗ ſatzung jetzt näher, und ſomit in einem engen Terrain operirt, kann ſie einen größeren Widerſtand leiſten.

Auf dieſe höchſt triviale Weiſe verfährt er mit allem mög⸗ lichen Inhalt. Alles Spekulative iſt entfernt; wir ſehen allen möglichen Inhalt in dieſe Behandlungsweiſe aufgenommen. Mas ı diefem Inhalt zu Grunde liegt, find unfere Vorſtellungen. Ob die Definitionen richtig find, wiffen wir nur, indem unfere Vor⸗ ſtellungen auf ihre einfachen Gedanken zurüdgeführt werden, Unfere gewöhnlichen Borftellungen werden alfo in die leere Form des Gedantens überfegt. Diefe Barbarei des Pedantismus oder diefer Pedantismus Per Barbarei fo in feiner ganzen Yus- führlichkeit und Breitheit dargeftellt, hat nothwendig fich felbft allen Kredit genommen: und ift, ohne beflimmtes Bewußtſeyn, warum die geometrifche Methode nicht. die einzige und letzte Methode des Erkennens if, durch den Inſtinkt und das unmit- telbare Bewußtfeyn ‚der Albernheit diefer Anwendungen aus der Mode gelommen.

3. Bopularphilofophie,

Die wolfifche Philoſophie hat nichts bedurft, als ihre fleife ‚Form abzufhütteln, fo ift der Inhalt die fpätere Popular⸗ philofophie. Sie vedet unferem gewöhnlichen Bewußtfeyn zu Munde, legt es als den legten Maaßſtab an. Bei Spinoza haben wir auch gefehen, daß von Definitionen angefangen wird; fie find auch vorausgefegt. Uber der Inhalt bei Spinoza ift tiefer fpetulativer Natur; er wird nicht aus dem gewöhnlichen Bewußtfeyn genommen. Bei Spinoza ift das Denken nicht bloß die Form, fondern der Inhalt gehört dem Denten felbft an; es ift Inhalt des Gedankens in fih. Bei dem fpekulativen In⸗ halt befriedigt fi das Denken für fih, der Inhalt rechtfertigt

Geſch. d. Phil * * 31

482 Dritter Theil. Neuere Philofopbies

ſich dem’ Denten ſogleich in ſichz er iſt im ſich Totalität, fo hat er für den Inſtinkt der Vernunft Befriedigung. Iſt der In halt aber endlich, fo weiſt er auf die Forderung eines Grundst din, Der Inhalt iſt bei Spinsza grundlos, hat keinen äufern Grund; er ift in fih Grund, Bei endlichem Inhalt wollen wir ‚anderen Grund, als diefes Endliche; der ſpekulative Inhalt il an ſich ſelbſt integriet. Ihrem Gehalt nach iſt die wolfifht Philoſophit alſo ſchon Popularphiloſophie, wenn ſie der form nad das Denten gelten läßt. Die wolfiihe Philoſophie hu bis auf Kant geherrſcht Baumgarten, Erufius, Men delsfohn find einzelne Bearbeiter der wolfiſchen PHilofophit; der legte hat in populärerer, geſchmackvollerer Form philoſophitt Die Geſtaltungen der Philofoppte, die wir betrachtet haben, haben den Charakter, Metaphyſik zu feyn, von allgemeinen Ber Randesbeftimmungen auszugehen, damit aber zu verbinden Er fahtung, Beobachtung, überhaupt die emnpiriſche Weiſe. Bi diefer Metaphpfit ift die Eine Seite die, daf die Gegenfäge di Gedankens zum Vewußtſeyn gebracht und das Intereſſe auf dit Auflöfung des Widerfpruchs gerichtet‘ if: _ Denken und Sem | Ausdehnung), Gott und die Welt, Gutes und Böfes, Gottes Macht, Präfeienz, und das Uebel in der Melt und die menfd- liche Freiheit, diefe Widerſprüche, die Gegenfüge von Seele und Geift, von vorgeſtellten und materiellen Dingen, und die gegen: feitige Beziehung derjelben haben das Intereſſe befihäftigt. Die Auflöfung diefer Gegenfäge und Widerfprüde ift annoch zu ger ben, und diefe Auflöfung iſt gefegt in Gott; Gott ift alfo das, in dem alle diefe Gegenfäge aufgelöft find. Dieß iſt das Ge— meinſchaftliche aller diefer Philoſophien nad) der Hauptfeite. Dabei ift zu bemerken, daß diefe Gegenfäge nicht an ihnen felbit aufgelöft find, d. h. daß die Nichtigkeit der Vorausfegung nicht an ihr felbit aufgezeigt ift, und damit eine wahrhaft konkrete Auflöfung nit zu Stande gekommen if. Wenn auch Gott anerkannt wird als alle Widerſprüche auflöfend, fo ift dann

Zweiter Abſchnitt. Popularphiloſophie. 483

Gott und die Auflöſung jener Widerſprüche mehr genannt, als gefaßt und begriffen worden. Gott, wenn er gefaßt wird nach feinen Eigenfhaften, Präfcienz, Allgegenwart, Allwiſſenheit u. ſ. f., wenn die Eigenſchaften Gottes, Macht, Weisheit, Güte, Gerechtigkeit u. f. f. als Eigenſchaften Gottes felbft betyachtet werden, fo führen fie felbft auf Widerfprüde; und diefe Wider- fprüdhe hat Leibnig fo aufzuheben geſucht, daß er fagt, fie tem: periren einander, fie find fo zufammengeftellt, daß fie einan⸗ der aufheben. Dieß ift aber kein Faſſen folder Widerfprüce, Diefe Metaphyſik Tontraftirt fehr mit der alten Philofophie, Plato, Arifioteles. Zur alten Philofophie Tonnen wir immer wieder zurüdtchren, fie anerkennen; fie ift befriedigend auf ihrer Stufe der Entwidelung, ein konkreter Mittelpunkt, der der Aufgabe des Denkens, wie- fie gefaßt if, Genüge leiftet. In diefer modernen Metaphyſik find die Gegenſätze zu abfoluten Miderfprühen entwidelt. Es iſt zwar auch ihre abfolute Auf⸗ löfung angegeben, Gott; diefe Auflöfung bleibt aber abflratt, jenfeits ſtehen. Dieffeits bleiben alle Widerſprüche, ihrem In⸗ halte nad, unaufgelöft. Gott ift nicht gefaßt als der, in dem die Widerfprüche ſich ewig auflöfen; er ift nicht gefaßt als Geiſt, als der Dreieinige. Nur in ihm als Geift und dreieiniger Geift ift dieſer Gegenfag feiner felbft und feines Anderen, des Sohnes, in ihm felbft enthalten nnd aud damit die Auflöfung. Diefe tontrete Idee von Gott, als der Vernunft, ift nod nicht in die Philoſophie aufgenommen; die Auflöfung der Widerſprüche ift

nur eine jenfeitige. Um nun jest zu den philoſophiſchen Beſtrebungen anderer- Völker einen Rüdblid zu thun, fo wenden wir ung zum Fort⸗ gang der Philofophie. Auf diefe dürre Verſtandes⸗Philoſophie ſehen wir wieder, wie ehemals, den Skepticismus eintreten, aber eigentlich in der Form des Idealismus, nämlich daß die Bes ſtimmungen ſubjektive des Selbſtbewußtſeyns ſind. Wir ha⸗ ben das Denken geſehen; jetzt ſehen wir den Begriff eintreten.

31 *

AB "Deitter Theil, Neuere Philofophie- , Das Denken iſt die unbewegte Form der Einfachheit. "Bei den Stoitern gilt die VBeflimmtheit als gedachte. Hier in der me deren Zeit haben wir diefelbe Erfcheinung, nur daß ihr das BÜUd oder das Innere Vewuftfepn der Totalität vorſchwebt, da abſolute Geift, den die Welt als ihre Wahrheit vor ſich Yt amd auf deſſen Begriff fie geht; eine andere innere Gtund tage, ein anderes Anſich des Geiſtes, das er heraus zu gebähtn beſtrebt iſt, aus ſich und für ſich, fo daf es ein Begreifen vb selben ift, oder mit der Gewißheit, alle Realität zu ſeyn, di ‚Bernunft. Bei den Alten hatte ‚bie Vernunft @öyos), ak Zuſich⸗ und Fürftehfepn des Berruftfehns, nur die ätherik formelle Exiſtenz als Sprache: bier aber die Gewifheit ak fepende Subftanz; daher bei Cartefius die Einheit des Begift md Sehns, ebenfo bei Spinoza die allgemeine Realität "Das ‚Hervortreten des Begriffs der Bewegung der fixen Gedan ten an ihmen ſelbſt iſt dieß, daß die Bewegung, Die mur ak Methode aufer ihrem Gegenftande fält, an ihn ſelbſt komm, oder das Selbfibewuftfeyn in den Gedanken fomme, Gedant iſt das Anfichfegn ohme Fürfichfeyn, eine gegenftändliche Weit, nicht wie ein finnliches Ding, aber ein Anderes als die Mir: Hichteit des Selbſtbewußtſeyns.

Diefer Begriff, den wir jest in das Denken eintreten jeben, hat die dreierlei Formen: «) als einzelnes Selbſtbewußtſeyn, die formale Vorftellung überhaupt; 4) als allgemeines Selbibe: wußtſeyn, das fih an alle Gegenftände wendet, es ſeyen Gr dachte, beſtimmte Begriffe, oder fie haben die Korm der Mitt: lichkeit, an das überhaupt im Gedanken Feſtgeſetzte, an die intellektuelle Welt mit dem Reichthum ihrer Beftimmungen, die als ein Jenfeits gilt, oder die intellektuelle Welt, infofern fir ihre Verwirklichung, die dieffeitige Melt ift; 7) im diefen beiden Weifen ift nur der wirkliche Begriff vorhanden, nicht der im den Gedanken zurüdgenommene, oder der fid) ſelbſt denkende oder gedachte Begriff. Jenes ift ein begreifendes Denken, dieß der

N

Zweiter Abſchnitt. Gegenſatz zur Metaphyſik. 485

Begriff ſelbſt als Weſen erkannt, Idealismus. Dieſe drei Seiten vertheilen ſich wieder, wie bisher, an die drei Nationen, die in der gebildeten Welt allein zählen. Den Engländern Tommt die empirifche, ganz endliche Form deffelben zu: den Franzofen die Form deffelben als fih an Allem verfuchend, ſich in ferne Realität fegend, alle Beflimmung aufhebend, und darum allgemeines unbefchränttes reines Selbſtbewußtſeyn: den Deuts fen wieder das. Inſichgehen diefes Inſi gſeyns, das Denken des abſoluten Begriffs |

Zweites Kapitel. Uebergangs-⸗Periode.

Das Verkommen des Denkens bis zur kantiſchen Philoſo⸗ phie, Gegen dieſe Metaphyſik hat ſich denn jetzt erhoben, was allgemeine Popularphiloſophie, reflektirende Philoſophie, Empi⸗ rismus, der reflektirt, genannt werden Tann, der ſelbſt mehr oder . weniger Metaphyſik wird, wie umgekehrt jene Metaphyſik, infos . fern fie ſich zu befonderen Wiſſenſchaften ausbreitet, Empirismus wird. Gegen jene Widerfprüde find behauptet worden ein feſtes Nrincip, fefte Grundfäge, die immanent find dem Geift, der Bruft des Menſchen; und dagegen, dag wir nur jenfeits in Gott - die Auflöfung finden, find diefe feften Principe eine dieffeitige Verſöhnung, dieffeitige Selbftfländigkeit. Dieſe Grundfäge find gerichtet gewefen gegen die jenfeitige Metaphyſik, gegen die Künſt⸗ licpkeiten der metaphufifhen Zufammenftelung, gegen Gottes. Aſſiſtenz, die präftabilirte Harmonie, die befte Welt u. ſ. fr, diefen nur künſtlichen Verſtand; fle find ein dieffeitiger verſtän⸗ diger Halt, gefunden aus dem, was man im Allgemeinen ges funden Dienfhenverfland, gefunde Vernunft genannt hat. Diefe dieffeitigen konkreten Principe find Brincipien feflen Inhalts, die fih in der gebildeten Menſchenbruſt vorfinden, was darin ges

“486 Dritter Theil. Neuere Philosophie.

fühlt, angeſchaut, verehrt wird. Dergleihen Beſtimmungen Kin nen wohl gut ſeyn und geltend gemacht werden, wenn das Gr fühl, die Anſchauung das Herz des Menfhen, fein Verſtand gebilbet if. "Wenn dieß der Fall iſt, daß ſein Herz ſitiich ge bildet it, fein Geiſt zum Denken, Reſlektiren intellektuell gebil "det: fo können beffere , ſchöne Gefühle, Empfindungen, Neigum gen im Menſchen herrſchen; fo kann ein allgemeinerer Inhalt 8 fen, den dieſe Grundfäge ausdrüden. Wenn man aber da, mas wir gefunden Verſtand, Vernunft nennen, das, was den natürlichen Menſchen in’s Herz gepflanzt ift, zum Inhalt m Princip macht, fo findet fih der gefunde Menfcenverftand al ein natürliches Empfinden und Wifen. Die Indier, die ein Kuh verehren, die nfugebernen Kinder ausſehen oder umbringen und alle möglichen "Sraufamteiten verüben; die Yegppter, di einen Vogel, Apis u. f. f. anbeten, und die Türken haben aud foldy einen gefunden Menfhenverfland. Der gefunde Menſchen⸗ verſtand und das natürliche Gefühl roher Türken zum Maaffıh ’genominen, giebt abſcheuliche Grundfäte, Menn wir aber von gefunden Menfchehverfiand ſprechen, von natürlichem Gefühl, f hat man dabei immer im Sinn einen gebildeten Geiſt. Und die, die gefunde Menfhenvernunft, natürlides Wiſſen, die un mittelbaren Gefühle, unmittelbare Offenbarung in ihnen zur Re gel amd Maaßſtab machen, wiſſen nicht, dag wenn Religion, das Sittfihe, Rechtliche ſich als Inhalt in der Menfchenbruf findet, dieß der Bildung und Erziehung verdankt werde, die nur erft ſolche Grundfäge zu natürlichen Gefühlen gemacht haben. Hier find nun alfo natürlihe Gefühle, gefunder Menſchenver⸗ Fand zum Prineip gemacht; und darunter finden ſich viele an erkennbare. *

Dieß iſt denn die Geftalt der Philofophie im ad zehnten Jahrhundert; und cs gehören unter diefe Geflal tung der Philofophie Teils franzöſiſche, Theils ſchottiſche, Theils deutfche Philofophie. Die Isgtere, befonders infofern fie nicht

7

Zweiter Abfchnitt, Idealismus und Skepticismus. 487

wolfifhe Metaphyſik ift, bezeichnet man aud mit dem Ausdrud Aufklärung. Hier haben wir drei ‚Seiten im Allgemeinen zu betrachten: 1) Hume für fih; 2) fottifche Philofophie; 3) fran- zöſiſche Philofophie. Hume iſt Skeptiker. Die ſchottiſche Phi- loſophie macht einen Gegenſatz zum hume'ſchen Skepticismus. Die franzöſiſche Philoſophie iſt das Dritte; ein Anhängſel, eine mattere Form iſt die deutſche Aufklärung. Aus dem metaphy⸗ ſiſchen Gott kann nicht weiter ‚gegangen werden, d. i. konkret. Locke gründet feinen Inhalt auf Erfahrung, der empiriſche Stand» punkt führt das Denken zu keinem feſten Standpuntt; Hume negirt alles Allgemeine; die Schotten fielen allgemeine Säge und Wahrheiten auf, aber nit durchs Denken, in dem empirifchen ift der fefte Standpunkt anzunehmen; die Franzoſen finden in der Wirklichkeit (realite) Allgemeines, aber nicht fei= nen Schalt in und aus dem Denken, fondern lebendige Zub- ftanz, Natur, Materie. Alles dieß iſt Fortbildung des reflefti- renden Empirismus. Es find nun einige nähere Beftimmungen anzugeben. |

A. Idealismus und Skepticigmus.

Das Denken überhaupt ift das einfache, allgemeine Sich- ſelbſtgleichſeyn; dadurch iſt es weſentlich die negative Bewegung, wodurch dieſe Gleichheit wird und das Beſtimmte ſich aufhebt. Dieſe Bewegung des Fürſichſeyns iſt weſentliches Moment des Denkens ſelbſt; bisher war ſie außer ihm. Das Denken, ſich fo faſſend als Bewegung an ihm ſelbſt, iſt Selbſtbewußtſecyn, for⸗ mal zuerſt, einzelnes Selbſtbewußtſeyn. Dieſe Form hat es im Skepticismus, aber mit dem Unterſchied, daß hier die Gewißheit der Realität zu Grunde liegt. Skepticismus iſt das Rückkehren in das einzelne Bewußtſeyn, aber ſo daß ihm dieſes nicht die Wahrheit iſt, oder daß er ſein Reſultat nicht ausſpricht, nicht eine poſitive Bedeutung gewinnt. Da aber in der moder⸗ nen Welt dieſe abſolute Subſtantialität, dieſe Einheit des An⸗

488 Dritter Theil. Neuere Pillofophie.

fich und des Selbſibewußtſehns zum Grunde liegt, diefer Gluuk an die Realität überhaupt: fo hat bier der Stepticismus Ne Form, Idealismus zu ſeyn, das Selbſtbewußtſeyn oder dir Gewifgeit feiner ſelbſt als alle Realität und Wahrheit aus reden. Die ſchlechteſte Form if, daß das Selbfibewuftfnn, als einzelnes oder formal, weiter nieht gehe, als zu fagen: Ik Gegenſtände find unſere Vorflellungen. Diefen fubjektiven Ju lismus treffen wir bri Bereich, und eine andere Wendung ki felben bei Hume. Hume ift ein Schotte. Engliſche Philoſophu giebt es auch eine Menge; wir können fie aber auf der Stit liegen laſſen. Cudworth mit feinem systema intellectak, Clarke mit feinen Beweifen vom Dafeyn Gottes find be rühmte Namen, 4. Berkeley. #)

Diefer Idealismus Hat den lode ſchen Standpunkt vor fih, ‚geht unmittelbar von Lode aus. Bei Locke hatten wir nämlid gefehen, dag die Quelle der Wahrheit ihm die Erfahrung it oder das wahrgenommene Seyn. Da nun dieß finnliche Senn, als Schn, die Befiimmtheit an ihm hat, für das Bemuftfenn zu ſeyn: fo fahen wir nothwendig dief daran hervortreten, daf wenigftens Einiges von Lode fo befiimmt wurde, daß cs nicht an ſich fey, fondern nur für Anderes ſey, Farbe, Figur u. f. w.

nur im Subjekt, in feiner befonderen Organifation feinen Grund

habe. Die Scynfüranderes aber wurde von ihm ebenſo nicht als Begriff aufgenommen, fondern fo, daß es in das Selbſibt⸗ wußtſeyn fiel, in das Selbſtbewußtſeyn nicht als allgemeines, in den Geift, fondern das dem Anſich entgegengefegte.

Berkeley nun war 1684 geboren zu Kilcrin bei The mastown in der Grafjhaft Kilkenny in Irland; 1754 flarb er

#) Vebergangen in den Vorlesungen von 183} und 41838; in beiden folst Hume erst auf die schottische und französische Philo-

sophie und steht unmittelbar vor Kant; in der Vorlesung von 1813 geht auch noch die französische Philosophie der schottischen voraus.

Zweiter Abfchnitt. Philofophie des Berkeley. 489

als englifher Biſchof.) Er fhrieb: Theory of vision, 4709; Treatise concerning Ihe principles of human know- ledge, 1710; Three Dialogues between Hylas and Philo- nous, 4713; The Works of George Berkeley, „ondon, 4784, II. Vol. 4.

Er trug einen Idtalismus vor, der dem malebranche'ſchen fehr nah kam. Der Berflandes- Dietaphufit gegenüber tritt die Anfiht auf, dag alles Seyende und deſſen Beflimmungen ein Empfundenes und vom Selbſtbewußtſeyn Gebildetes ifl. Sein originellee Sauptgedante ifl der: „Das Seyn von Allem, was wir ein Ding nennen, ift fein Wahrgenommenwerden.” Das, von dem wir wifien, find unfere Beflimmungen. „Alle Gegenftände der menfchliden Erkenntniß find Ideen,” wie er es mit Locke nennt, „die entweder aus Eindrüden der Auferen Sinne ent⸗ fpringen, oder. die aus Wahrnehmungen der inneren Zuſtände und Thätigkeiten des Geiftes hervorgehen, oder endlich ſolche, die mittelft des Gedädtniffes und der Imagination. dur Tren- nung und neue Zuſammenſetzung jener gebildet werden. Eine

Bereinigung verfchiedener Empfindungen der Sinne erfcheint uns ein befonderes Ding, 3. B. Empfindung der darbe, | des Ge⸗ ſchmacks, Geruchs, der Figur u. ſ. f.“**)

Dieß iſt der Stoff, Gegenſtand der Erkenntniß; das Erken⸗ nende iſt das Wahrnehmende, Thätige, Ich, das ſich in Bezie⸗ hung auf jene Empfindungen in verſchiedenen Thätigkeiten, Ein⸗ bilden, Erinnern, Wollen, äußert. Er giebt den Unterſchied zu des Fürſtchſeyns und Andersſeyns, der aber ſelbſt in's Ich fällt. Bon diefem Stoffe, worauf das Thätige gerichtet iſt, iſt es in

#) Nachrichten von dem Leben und den Schriften des Bi- schofs Berkeley (in George Berkeley’s philosoph. Merk. Th. 1 Leipzig, 1781), S. 1, 45; Buhle: Geschichte der neueren Philoso- phie, Band V, Abth. 1, S. 86 90.

”#) Buhle, a.a. O., 5. 90 91; George Berkeley’s philoso- phische Werke (enthaltend Gespräche zwischen Hylas und Phi. james), S S. 82 fig.

490 Dritter Theil. Neuere Philofophics, Anfehung eines Theils wohl zugegeben, daß fle außer dem Geife nicht exiſtiren, unfere Gedanken, inneren Gefühle und Zuflände oder Erzeugniffe der Einbildungskraft. Aber ebenfo die man— nigfaltigen finnlihen Vorſtellungen, Empfindungen können nu in einem Geifte exiſtiren. Unter Farben, Gerüchen, Tönen ver- ‚flieht man immer nur das ‚Empfundene.*) Es wird nur von oder Beziehung der Dinge: auf das Bemuftjepn geſprochen, fie tommen nicht daraus heraus; das, was von. ihnen als das Sthende ausgefagt wird, iſt allein das Wahrgenommene.

Es folgt nun hieraus, nur das. Selbſtbewußtſeyn Hat fir; denn eine Wahrnehmung, die nicht in einem Vorſtellenden if, aiſt nichts, iſt unmittelbarer Widerfprud. Cs kann Leine nit vorſtellende, nicht wahrnehmende Subftanz feyn, welche das Sub: frat von Wahrnehmungen und Vorftellungen wäre. Wenn fich vorgefiellt wird, daf etwas anfer dem Beruftfeymfeh, das den BVorftellungen ähnlich ey, fo iſt die ebenſo widerfprecend; eine Vorftellung kann nur einer Vorflelung, Idee nur der Idet ähnlich feyn. *x)

Locke hatte z. B. Ausdehnung und Bewegung als Grund: eigenfhaften unterſchieden, als folde, die den Gegenftänden an fi zukommen. Berkeley bemerkt ſehr gut die Inkonſequenz ven diefer Seite, dag Groß und Klein, Schnell und Langſam als etwas Relatives gelten; ſollen aljo Ausdehnung und Bewegung an ſich ſeyn, fo können fie weder groß noch klein, weder ſchnell noch langſam feyn, d. h. gar nicht: denn diefe Beftimmungen liegen im Begriffe jener Gigenihaften. ***) Das Legte, worauf es ankommt, ift die abſtrakte Subftanz, das Seyn über: haupt, mit der realen Beſtimmung eines Subftrals der Acciden—

#) Buhle; Geschichte der neueren Philosophie, B. V, Abth. 1, $. 91; Philosophische Werke, $. 97 fig. ##) Buhle, a.a. O., 8.1 —92; Philosoph. Werke, S. 1 —149, 185. #6) Buhle, a. a. O, 5. 92—93; Philos. Werke, S. 123— 1%.

Zweiter Abſchnitt. Philofophie des Berkeley. 491

zen. Aber Berkeley erklärt fle für das Unverſtändlichſte von Al⸗ lem; aber die Unverfländlichteit macht es nicht zu einem abfolut Kichtigen oder an ſich Unverftändlicdhen. *) |

Die äufere Realität verſchwindet fo einer Seits; das iſt Idealismus. Berkeley hält dem:Dafeyn äuferer Gegenftände auch die Unbegreiflichkeit der Beziehung eines Seyns auf den Geift entgegen, eben nicht den Begriff, denn diefer ift das Negative; was ihn und Keibnig bewog, beide Seiten in ſich ein= zufchließen. Dann iſt aber Verhältniß von Anderem zu uns vorhanden; diefe Empfindungen entwideln ſich nicht aus uns, wie Leibnig es vorftellt, fondern es ift durch Anderes beſtimmt. Es ift leerer Name, wenn Leibnig von der Entwidelung inner= halb der Monade ſpricht; die Reihen haben in fich feinen Zus ſammenhang. Jedes Einzelne iſt alſo durch ein Anderes be⸗ ſtimmt, nicht durch uns; es iſt gleich, was dieſes Aeußere iſt, es iſt Zufälligkeit. In Beziehung auf das leibnitziſche Gedoppelte, das gleichgültig gegen einander iſt, ſagt Berkeley, daß ein ſolches Anderes ganz überflüſſtg iſt. Berkeley nennt das Andere Ob⸗ jekte: Dieſe können aber nicht das ſeyn, was wir Materielles nennen, Geiſt und Materie können nicht zuſammenkommen. *8)

Unmittelbar widerſpricht dieſem Inſichſelbſtſeyn des Vor⸗ ſtellenden die Nothwendigkeit der Vorſtellungen; denn das In⸗ fihfeyn iſt die Freiheit des Vorſtellenden, das ſie aber nicht mit Freiheit erzeugt, fondern dem fie die Geſtalt und Beflimmtheit eines Anderen für es haben. Berkeley nimmt auch den Idea⸗ lismus nicht in. diefem fubjeftiven Sinne, fondern nur, daß Geiſter es find, die ſich mittheilen (das Andere iſt ſelbſt vorſtel⸗ lend), und ſo daß nur Gott es iſt, welcher ſolche Vorſtellungen hervorbringe; ſo daß ebenſo die Einbildungen oder Vorſtellun⸗ gen, die mit Selbſtthätigkeit überhaupt aus uns erzeugt find,

#) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, B. V, Abth.1, 5.93 9; Philosophische [Verke, S. 154 162. #%#) Buhle, a. a. O., S. 99 95; Philos. W. erke, S. 210, 275.

12

4 Drirter Theil Neuete Phile ſophie.

anterſchieden bleiben von jenen, *) dem Anſich. Dieſe Bor ſtellung iſt eine Einſicht der Schwierigkeiten, die bei dieſer Frage vorkommen, und denen Berkeley auf originelle Meife abpelien wollte. Die Inkonfequenz in dieſem Syſtem hat wieder Gott gu übernehmen, die Goffe; wir ftellen es Gott anheim. Kurz bei diefem Idealismus behält das ganze empiriſch Daſchn, die Wereinzelung der Wirklichteit vollfommen dieſelbe Anficht, die fle fonft hat. Die finnlihe Anfiht des Nniverfums und die Vorſtellungen, fo wie das Syſtem der Gedanken, dr begrifflofen Urtheite bleibt daffelbe nach wie vorher; es ändert ſich ſchlechthin nichts an dem Inhalt als jene abfiratte Form, daß Alles uur Wahrnehmungen find. **) Es ift von diefem In Halt nichts ſonſt ertannt und begeiffen; oder in diefem formalen Idealismus hat die’ Wermumft keinen eigenthümlichen. Inhalt. Das Selbftbewußtfeyn bleibt, wie vorhin, ein mit Endlichkeiten ‚Erfülltes; den Inhalt empfängt es auf die gewöhnliche Weiſe, amd er ift von der gewöhnlichen Beſchaffenheit. Die Anſicht ft nicht eine Anfiht von Dingen, fondern. von Wahrnehmungen, ‚aber ‚eine fo gemeine Anfiht als vorher. Solder Idealismus betrifft bloß den Gegenfag des Bewußtſeyns und feines Objekts, und läßt übrigens die Ausbreitung der Vorftellungen und die Gegenfäge des empirifhen und mannigfaltigen Inhalts ganz unberührt. And wenn num gefragt wird, was ift denn nun das Wahre diefer Wahrnehmungen und Vorftellungen, wie vorhin der Dinge, fo ift feine Antwort darauf. Es ift ziemlich gleid- gültig, ein Selbflbewußtfeyn zu haben, das herumtaumelt in aller Empirie, ganz der gemeinen Anficht der Welt, demfelben Inhalt flatt des Erkennens; alle Einzelnheit des Selbſtbewußt⸗ feyns bleibt, erkennt nichts davon.

Auf was fih nun in Anfehung diefes Inhalts Berkeley

*) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, B. V, Abth.1,

8.96— 99; Philosophische Merke, 8. 204, 211 213, 274. ##) Vergl. Philosophische Werke, 5. 259 262.

——

Zweiter Abſchnift. David Hume. 493

weiter einläßt ‚, vooher der Gegenfland feiner Unterſuchung ganz empirifch pſychologiſch ift, bezicht fih vornehmlich auf den Un⸗ terfchied der Empfindungen des Gefihts und Gefühls, auszus mitteln, welde Art von Empfindungen dem Einem Und dem Anderen angehören. Unterſuchungen der Art, die fih ganz an das Erfcheinende halten und nur darin -mandherlei unterfcheiden, oder das Begreifen tommt bloß bis zu Unterfhieden. Es ifi allein intereffant, daß fie dabei vornehmlich auf den Raum ver- fallen find, und ſich darüber herumftritten, ob wir die Vorſtel⸗ fung der Entfernung und fo fort, was fih für Vorftellungen auf den Raum beziehen, durch's Geſicht oder Gefühl erhalten. Der Raum ift eben dieß ſinnliche Algemeine, dieß in der Einzelnheit felbft Allgemeine, was bei empirifdher Betrachtung der empirifhen Zerfireuung zum Denken einladet und führt (denn es ift felbft der Gedanke), und womit. chen dieß finnliche Wahrnehmen. und Raifonniren über die Wahrnehmung im fei- nem Thun verwirrt wird, und da es hier einen gegenſtändlichen Gedanken hat, eigentlich) zum Denken oder Haben eines Gedans tens eingeladen würde, aber damit nieht fertig werden kann, weil es ihm um den Gedanken oder Begriff nit zu thun iſt, es ſchlechthin nicht zum Bewußtfeyn des Weſens tommen Tann; als einen Gedanken denten fle nichts, fondern als ein Aeußeres, dem Gedanken Fremdes. j

2. Hume.

Es ift hier der hume'ſche Skepticismus anzufügen, der mehr ſich Hiftorifh) merkwürdig gemacht hat, als cr an ſich iſt; feine hiftorifhe Merkwürdigkeit beftcht darin, daß Kant eigentlid) den Anfangspuntt feiner Philofophie von ihm nimmt.

David Hume wurde 1711 zu Edinburg geboren, und ift 1776 zu London geftorben. ‚Er lebte lange Zeit in diplome- tifchen Verhältniffen. Er ift durch philofophifhe Essays, noch mehr als Geſchichtsſchreiber berühmt. Cr lebte in Edinburg als

494 rer Neuere Philoſorhie.

Bibliothekar, dann war er Geſandſchafts-Sekretair in- Park Hier lernte er, Jean Jaques Roufan tennen, und Ind. ihn no England ; deffen ungeheueres Miftrauen entzweite fie. 4). Er ſchrieb: A Treatise of human nature, Ill. Vol. 1739, überfegt von Jacob, Halle, 1790, 8. Essays and Treatises om several subjects, Il. Vol. (Vol. I, containing Essays mo⸗ | ral, political and. literary, zuerk gedrutt Edinburg, 1742; ‚Noll containing an-Enguiry concerning human under- standing, eine.Amarbeitung des. Treatise, zuerft beſonders ge drudt London, 1788, 8 1 nn Er geht, im feiner, Philofophic, vom Standpunkte. dr Erfahrung aus; aus der wir. unfere Begriffe erhalten. -- Grin Essays haben ihn nad) der philoſophiſchen Seite am berühm⸗ tefien gemalt; in. diefen. baten. philofopbifche Gegenflände her Handelt, nicht ſyſtematiſch, fondern wie. ein gebildeter- Weltman, Denker, nicht in einem Zufommenhang, auch nicht in dem Um fangeden feine Gedanken, eigentlich. hätten, gewinnen, > faffn - Können: vielmehr hat er in einigen Abhandlungen mur- befondere ‚Seiten herausgenommen.

Die Hauptfahe ift kurz zu erwähnen. Er geht aus von dem lode=baconifhen Standpunkt der Philofophie, Erfahrungs Philoſophie. Diefe hat ſich an einen Stoff zu halten, der durd äuferlihe Anfchauung oder Empfindung des Inneren gegeben ift; dahin gehört das Rechlliche, Sittliche, Neligiöfe. Die an: geborenen Ideen verwirft Hume. **) Die Erfahrung beftcht in dem Wahrnchmen. „Ale unfere Vorftellungen find Theils Im— preffionen, finnlide Empfindungen, Theils Begriffe oder Ideen,“ Kategorien des Verſtandes; „die legteren find derfelbe Inhalt

%) Bulle: Geschichte der neueren Philosophie, Band V, Abth. 4, $. 193 200.

##) Essays and Treatises on several subject, Vol. IIT, con- taining an Enquiry concerning human understanding (London,

1770), Not. A, p. 33 2.

In

Zweiter Abfchnitt. Philofophie des Hume. 495

als jene, nur weniger ſtark und lebhaft. Alle Gegenftände der Vernunft find entweder Beziehungen der Begriffe, wie die mathematifhen Säge, oder Thatfachen der Erfahrung.” *) Diet iſt alfo der Inhalt.

Anden er nun die, was man unter die Erfahrung ſubſu— mirt, näher betrachtet, findet er fernere Beſtimmungen, und be⸗ fonders die Beflimmung des Allgemeinen‘ und der allgemeinen Kothwendigkeit; die Kategorie von Urfah und Wirkung hat Hume am meiften betrachtet. Der hume'ſche Skepticismus hat unmittelbar die locke'ſche Philoſophie zu ſeinem Gegenſtande, wie den berkeley'ſchen Idealismus. Die Fortbildung in Anſe⸗ hung des Gedankens iſt die: Berkeley läßt alle Begriffe ſtehen; in Hume hat ſich der Gegenſatz des Sinnlichen und Allgemeinen . gereinigt und ſchärfer ausgeſprochen, das Sinnliche iſt als leer an Allgemeinheit beſtimmt. Berkeley macht dieſen Unter⸗ ſchied nicht, ob in ſeinen Empfindungen nothwendiger Zuſam⸗ menhang iſt oder nicht. Vorher war die Erfahrung eine e Ber miſchung davon. .

Hume vollendete. den Lodeanismus, indem er Tonfequent darauf aufmerkſam gemacht hat, daß wenn man fi auf diefen Standpunkt hält, die Erfahrung zwar die Grundlage iſt von - dem, was man weiß, die Wahrnehmung felbfl Alles enthält, was geihieht, daß aber in der, Erfahrung nicht enthalten find, uns nicht gegeben würden die Beflimmungen von Allgemeinheit und Kothwendigkeit. In der Kaufalität fest Hume das Vernünf⸗ tige, diefer Zufammenhang ift lediglich auch nur aus der Er- fahrung; er gilt nur, infofern als folder Zufammenhang in der Erfahrung vorkommt, in der Erfahrung fehen wir nicht Noth- wendigkeit. „Unſere Weberzeugung von einer Zhatfache beruht

#) Tennemann’s Grundriß der Gefchichte der Philofophie von Wendt (Reipsig, 1829), 8. 370, ©. 439 440; Essays and Treatises on se- veral subjects, Vol. III, Section II, p. 1 —22; Sect. IV, Part. 1, p. 42; Tennemann, B. XI, S. 433 434.

496 Dritter Theil. Neuere Phitofophie,

anf Empfindung, Gedächtniß und den Schlüſſen aus dem Katt- fal+ Zufammenhang, d. Ho dem Berhälmig von Urſach "und Wir- ung. Die Kenntniß diefer Kauſal-Verbindung entſteht nicht aus Schlüſſen a priori, ſondern lediglich aus Erfahrung; und wir ſchlieken, indem wir ähnliche Folgen von ähnlichen Mrfaren erwarten, aus dem Princip dee Gewohnheit der Werknüpfung verfchiedener Erfheinungen oder Affociation der Vorfiellungen. Es giebt daher feine Erkenntniß der Erfahrung, Peine Meta⸗ ** *

Der einfache Gedanke iſt eigentlich dieſer, daß neh die Erfahrung die Quelle der Wahrnehmung iſt: aus diefer a halten wir den Begriff von Urfahe und Wirkung, nothwendigen Zuſammenhaug. Allein die Erfahrung als ſinnliche Wahrneh⸗ mung enthält keine Nothwendigkeit, keinen Kauſal-Zuſam-⸗ menhäng. Die Nothwendigkeit iſt beſonders enthalten. im der Bde ziehung von Urſach und Wirkung. Aber indem, was wir fe beſtimmen, iſt dasjenige, was wir eigentlich wahrnehmen, nur, das jegt etwas geſchieht und dann etwas darauf. folgt. Die | unmittelbare: Wahrnehmung bezieht fi nur auf einen Inhalt in der Succeffion der Zeit von Zufländen oder Dingen, die neben: einander und nacheinander, aber nicht auf das, was wir Urjah und Wirkung heißen, nicht auf diefen Zufammenhang; in der Succeffion ift kein Kaufal- Zufammenhang, und fo auch keine Nothwendigteit. **) Wo wir jagen, der Drud des Waſſers if die Urfache des Umſturzes diefes Haufes, fo ift das Feine reine Erfahrung. Wir haben da nur das Waſſer gefehen hierher

*) Tennemann’s Grundriß der Gefchichte der Philofophie von Wendt, 8.370, ©. 440; Essays and Treatises on several subjects, Vol. Ill, Sect. IV, Part.1, p. 43--45; Sect. V, p. 66—67; Buhle: Ge- schichte der neueren Philosophie, Band V, Abth.4, S. WA— 5; Tennemann, B. XI, S. 435— 436.

%#) ‚Essays and Treatises on several subjects, Volum. II, Seet. VII, Part.1, p. 102— 103; Part.2, p.108—409; Sect. VIII, p. 118— 149.

48 Britt EHER Neuere Philbſevhie ·

Taͤuſchung bielfadhhtekhsorfehien itoraliſchen Gefühl, *) Ste tifdjer Weile konnte das Gegentheil auch tıfgegeige"hoetben. Bon dicſer Seitt Hät’er hi das diecheinche/ Sinitiche/ die tr giöfen Wettingen. belrachtit. with“ ipreäbfohure Süteigteitite Fritten. Räntlidh ioeniWorängefege it unfere Errenntuig it Re Erfahrung; und ur was wir daraus Haben, mir mir ie Hätte ind eih ieH perein Gefih 28} die Empfindung, dag der Mörder, der Dieb beſtraft wer- den muß; dieg empfinden auch Andere, und es wird Fo allgemen geltend." Abet ee’ Bert fi hole Die are Sröpriberz Auf die verfehtebehen" Meihilngen Ber‘ Bölter: Wei berfhiebenen Qatten Gh berſchiedentn Betten" habe Werfeiedents fie Vtecht gta die Ernpfindung

Was ils amfitilich ſchandlich itreligits bet einem · Volte hit re anderen Wölfen hiht dafüt.') Indein "ale Berglehen "af" Erfäpritig Betüpe, 6 halt” Fin Chsjett"biefe Erfneumn noeh Bier Se fa, iunrelihtsſen Gefnhl diefe Saft, Beſtmmung für Gott; "ein anderes Subjett macht dariiber am dere Erfahrungen. Wenn daher die Wahrheit auf Erfahrung beruht, fo kommt die Beſtimmung von Allgemeinheit, don An- undfürſichgelten u. f. f. wo amders ber, ift nicht gerechtfertigt durch die Erfahrittig. Er hat dem alfo diefe Mrt von Allge— meinheit, fo wie die Nöthwendigkeit, mehr nur für fubjektiv er⸗ Märt, nicht für objektiv criftirend. Cine fubjektive Allgemeinheit der Art ift die Gewohnheit; wir haben die Gewohnheit, dieß für

#) Essays and Treatises on several subjects, Fol. IV, con- taining an Enguiry concerning the principles of morals, Sect. I, p. 4, Appendix 1, p. 170.

##) Buhle: Geschichte der neueren Philosophie, Band V, Abth. 4, 8.230 31; ef. Hume, 1. 1. Vol. III, Sect. XII, P.II, pag. 221; Vol. IV, An Enquiry etc., Secı. IV, 2—65: 4 dia- logue, p. 35 236 eto. etc.

Zweiter: AliſchunitteuPhiloſtphie des Hume. 499

Recht, ſittlich gelten zu lafſen: dieß hat für uns eine Allgemein⸗ Kit, aber: nur ſubjektive Allgemeinheit, -Audererhaben anderr Gewohnheiten; = Def :ift eine wichtige und ſcharfſianige Be⸗ merkung in Beziehung aufi diefen Quell der. Erkenntniß, ber als Erfahrung angenommen wnrdesinmd) won. dieſem npange # nun die kantiſche NReflerion ausgegangen. u: :. 3" 0...: Hume hat darı feinen Sbepticiemus weiter ‚amegebefnt auf die Begriffe: mund Lehren von: ber Fteiheit und. Rothwendigkeit, #) die Beweife: nom: Daſeyn Gatirs;#) und in der That hat hier der Stepticismus em weites Feld. Solchem Raifonniren aus Gedanken und Möglicjkeiten: laͤßt ſich Auch wiedet anderes Rai- fonnicen ewtgegenfiellen; es iR keines beſſer, als dasiandere: Was auf metaphyfiſche Weiſe: cher. Unſtenblichkeit, Gott; Narr m. f. w. feſtgeſetzt werden sol, intbehet eines solchen vigentlichen Grundes, wir rangegeben wird / daß es beruhe aufrulchem; deun die Schlüſſe, wort man. mid, rd. ſubjehtiv gebildete Begriffe "Wo nun ‚abes. ine. Allgemeinheit fl, da: line fie :wicht im’ der Sache, fon- dern iſt nun eine: qubjektive Nothiwendigkeit, d; 4. Gewohnheit. Und das Refultat,. was. dem Hume daraus entſpringt, ift fo noshwenkig: eine :Berwunderung: über':den” Zuftand der menſch⸗ lichen Ertenntnif, ein ‚allgemeines Miftramen und eine ffeptifche Mnnentfchiebenheitz mas nun freilich nicht viel if. Den Zuſtand ver menſchlichen Erkenntniß, über den ſich Hume verwundert, beſtimmt er näher fo, daß darin ein Widerſtreit zwifchen Ver⸗ wanft und Inſtinkt ſey. Diefer Inſtinkt aber, der vielerlei Ver⸗ mögen, Neigumgen u. f. f. umfaßt, täufcht auf mannigfaltige Weiſe, und. die Vernunft zeigt dieß auf. Auf.der anderen Seite aber iſt fie leer, ohne Inhalt und eigenthümliche Principien; und wenn es um einen Inhalt zu thun iſt, muß fie fi an jene Neigungen halten, fie if ohne eigenen Inhalt. Die Vers

#) Essays and Treatises” on several subjects, Volum. III, Sect. VII. “#) Ibidem, Sect. xt. _

‚32 *

500 Deitter Teil, Neuere: Philofopbies nunft hat fo in ſich Rein Kriterium, die Widerftreite zwiſchen den einzelnen Trieben, und zwiſchen ihr und dem Trieben zu entſcheiden #) ES tritt ſo überhaupt Alles in der Formeint unvernünftigen, ungedachten Sepns auf; das an fih Wahr ei en => einer Neigung. uTCI 272277 “|

Sumt hat das 1ntefge Apeincp: der Erfahrung men, aber konſequenter verfolgt; Hume hat die Objektivität, das Anundfürfichfegn der Gedantenbeftimmungen aufgehoben. wu ae me 2 u LTE TEE 23 vor „Bu Sthostifche, Philnfanbir..., Betdm-Shsttländern at fi) ‚dagegen etwas Anders aufgethan. "Die Gegner Hume’s find zunchſt fehoteifche: Phil fophen.) Einen anderen Gegner haben / wit in der deutſchen Ph loſophie an Kant zu erkennen. Zu jenen gehören viele Phil ſophen Das Engliſche Philoſophiren ift auf Edinburg umd-Glat- gow (in Schottland) beſchtäntt, wo eine Menge: von Profefferen aufeinander gefolgt find. Was ſich dem hume ſchen Skepticis⸗ mus‘ entgegenfegte, iſt innere unabhängige Quelle) der Wahtrheit für das Religiöfe, Sittiche. Diefes trifft mit Kant zufammen, er fegt der äuferlihen Wahrnehmung eine innere Quelle entge- gen; diefe hat aber bei Kant eine ganz andere Form, als bi den Schotten. Diefe innere, unabhängige Quelle ift nicht Den ten, Vernunft als ſolche, fondern der Inhalt, der zu Stande tommt aus diefem Inneren, ift konkreter Art, erfordert für ſich auch äußerlichen Stoff, Erfahrung. Das find tontrete, popus lare Grundfäge, die einer Seits der Weuferlichkeit der Erkennt niß= Quelle, anderer Seite ber Metaphyſik als folder (dem für ſich abftratten Denken oder Raifonniren) entgegengefegt find,

Diefe zweite Seite des raifonnirenden Verftandes ift die

#) Essays and Treatises on several subject, Volum. Ill, Sect. XII, Part. 1, p. 47—218, Not. N, p. 296 297; Buhle: Gesehichte der neueren Philosophie, Band V, Abth, 1, S. 210.

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50 Dunet Spell Neuete Phllofophies

uUrſache gerade wie im 'Phyfifchen dieſe formale Aeberſctun immetrſtait findet" Die, Nothwendigkeit · tines Dafepns; EB. det eleltriſchen Erſche inungen, findet ühre Begründung in ·tiuet Kraft, die ſie hervorbringt z es iſt blo die Form des Zurüche⸗

hens aus dem ⸗Aeuheren in: ein Inneres); Des Seheuden inc

Gedachtes, das aber ebenſo wieder" als ein Sehendes vorgeſul wird Es iſt kein Bewußtſehn hierüber vorhanden ı Die Kraft iſt nothwendig um: der Aeußerung willen, von dieſer müſſen mir auf jene ſchlieſen: die Aeußerung durch die Kraft, denn dieſe it die Urfache der Nenferung; dort ft die Kraft als Grund, hie als Urſache Aber das iſt Alles ohne Bewußtfeyn,) dan es in Anſehung der Form Uebergang vom Vegriff ins Seyn nd rüd wãrts iſt/ im Anfehung des Juhalts aber eben vollkomment

ſhmpathetiſche Neigungem Haben wirft)" nie un nn Beſonders die Schotten haben fich darauf gelegt, Marl amd» Politißtanezubildenzöfie ‚haben als gebildete Menschen dir Moral’ betrachtet, und verſucht, die moralifhen Pflichten unter ein Princip zu bringen. Viele von ihren Schriften find ins Deutſche überfegtz und fie find in der Weife Eicero’s geſchrie— ben. Dief moralifhe Gefühl und der gemeine“ Menſchen- verftand werden hierauf bei den Engländern oder vielmehr Schott ländern, Thomas Reid, Beattie, Oswald und Anderen allgemein die Principien; und fpekulative Philoſophie verfhwindet ſomit ganz bei’ ihnen. Bei dieſen ſchottiſchen Philofophen bat ſich ber sonders eine dritte Wendung vorgefunden:. die, daß fie auch das Princip des Erkennens verſucht haben, beffimmt anzugeben; im Ganzen aber gehen fie auf daffelbe hinaus, was aud in Deutfihland als das Prineip aufgefaßt if. Vornehmlich eine ganze Reihe ſchottiſcher Philofophen haben auf diefem Wege oft feine Bemerkungen gemacht. Als Gruud der Wahrheit haben

Zweiter Abſchnitt. Thomas Reid. James Beattie. 503

fie die ſogenannte geſunde Vernunft, den allgemeinen Menſchen⸗ verſtand (genaus communis) aufgeſtellt. Hauptformen find ſolgende da jeder immer eine eigene Wendung hat.

Fe Zu

1. Thomas Reis,

Thomas Reid, ‚geboren 1704, geflorben- als Profeſor zu Glasgow 1796. *). Er ſtellte das Princip des Gemeinſinns auf. Er hat unterfucht, was die Principe, des Erkennens feyen; und feine Voxſtellung IP. die: „c) Daß es. gewiffe unbewiefene und unerweislihe Grundwahrheiten gebe, welche der Gemeinffnn erzeugt und als unmittelbar entſcheidend und entfchicden aner⸗ kennt.“ Es if alfo unmittelbares Wiſſen; darin iſt eine innere, unabhängige Duelle gefegt,. die fo der .geoffenbarten Religion entgegengefegt if. „P) Diefe unmittelbaren Wahrheiten. hedür⸗ fen keiner Stüge Lünßlicher Wiffenihaft, noch unterwerfen. fie ſich ihre Kritik;“ durch Philofophiren können fie nicht kritiſirt werden, „y) Die. Philofophie hat felbfi feine andere Wurzel als. eine unmittelbare, Dusch fich ſelbſt einleuchtende Wahrheit; was. diefen Wahrheiten widerfpricht, iſt für ſich felbit falſch, wi⸗ derfprechend und lächerlich.“, ‚Diefes gilt für Erkenntniß und „I, Sittlichkeit. Sittlih handle das Individuum, wenn es nad) verfländigen Principien der VBolltommenheit des Ganzen und fei- ner eigenen ertannien Plugt handle. Anu) a ift Reid's Anſicht.

. nn James Begttie 9r

James Beattic, geboren 1735, Profeſor der Moral zu

Edinburg und Aberdeen, flarb 1803. - Er micht auch Gemein⸗

Er Tonnemann’s Grundriss der "Geschichte der Philosophie von Wendt, 8. 311, ...449. \ . ##), Rixner: Handbuch der Geschichte der Philos., Band In, 8.4119,:5.259; cf& Thomas-Reid; An. Inquiry ‘into the human. nein on the principles of gommon sense (Edinburgh, 1810), Chap. J. Seot. IP, p:49 W (Deutsch, Leipzig, 1782, S.17— 18); Chep- Hl, Sect. XX, p. 33 3 (Deutsch, S.. 310— 311) etc. .

50 Driliee THE Neuere Prioföphier

flnn zur Quelle alles Erkennens: „Der Gemeinfinn des fhlid- ten Menſchenverſtandes ift die Quelle aller Sittlichteit, al: ler Religion und aller Gewißheit. Zum Zeugniß äußerer Sinn muß die Beftätigung des Gemeinfinns binzutommen. Mahrbeit iſt, was mid die Befchaffenheit meiner Natur zu glauben ni thigt Glaube heiht bei gewiſſen Wahrheiten Ueberzeugung, bri woheſcheinlichen Beifall: Die hewiſſe Wahrheit wird durch An: ſchauung/ die wahrſcheinliche durch Beweife erkannt.“. *) Sollte ee air genif ee ee

ung

Mm fr James Oswald, vr

Zames Oswald, ein ſchottiſcher Geiſtlichet. Er gebraucht den Ansdrud, daß wir ſolche Grundfäge als Thatfahen in und finden. #9) „Das Daſeyn des göttlichen Weſens iſt (nad) ihm) ſchlechthin Thatſache, über alles Raifonnement und allen Zweifel ſchlechthin erhoben und für den flttlichen Gemeinfim unmittelbar gewiß.“ *«*) Es ift baffelbe, was in Deutſchland auch zu jener Zeit als Princip gefegt if, eine innere Offenbe- | rung, ein Wiffen von Gewiſſen, von Sägen, Inhalt, befonders ein Wiffen von Gott und feinem Seyn.

4. Dugald Stewart.

Dahin gehört auch Dugald Stewart, Eduard Seard, Sergufon, Hutcheſon. Sie haben meift über Moral ger ſchrieben. Auch der Staats-Dekonom Adam Smith ift im die

%) Rixner: Handbuch der Geschichte der Philos, Band Ill, 8.120, 8.261—262; ef. James Beattie: Essays on the nature and immutability of thrut ete. (Edinburgh, 4776), Part. I, Chap. I, p. 18—31 (Deutsch, Copenhagen und Leipzig, 1772, 5. 241 42); Chap. Il, Sect. II, p. 837 —42 (Deutsch, $. 49 —55) etc.

##) Cf. James Oswald: An appeal of common sense in be- half of religion (Edinburgh, 1772), Vol. I, Book I, Introduction, p. 12 (übersetzt von Wilmsen, Leipzig, 1774, S. 11).

###) Rixner, a. a. O, 5. 14, 5.282; cf. James Oswald, I. c, Vol. II, Book II, Chap. 4, p. 560—51 (8. 54-55).

I

nennen; «abfiratte Metaphpfik iſt es ein Aufzüblen, Analyfiem

der einfachfien Dentbetiimmnngen.., ie werden, nicht, Dialekte behandelt; ſondern aus unferer Delerion, aus unferen Gedanten witd; Der Stoff genommen; umd, an ‚Diefer werden, die; Befms wagen, die darin enthalten Fund, aufgezeigt... nn

ee

Eimpfindens, rbenfo: der‘) Gedanken; beſtinunten „fixen: Begriff, diefelbe als in dem unphiloſophiſchen Bewußtſeyn. Der hume⸗ ſche Stepticismus. läft alles Allgemeine in die Gemohubeiten und Infiinkte verfinten, d. h. ein einfaderes Zufommennchmen der erfheinenden Welt; aber dieß Einfachere, Diefe Iuflinkte, Zriebe und Kräfte find, chenfa in, geililofes, wabewegtes, be flimmtes Dafeyn des Selbſibewußtſehus.

Lebhafter, bewegter, geiweigber iſt Die franzöſtſche Philoſo⸗ phie ‚oder wielmehr- ſie ui. das Geiſtreiche ſelbſt. Sie iſt der abſolute Begriff, welcher ſich gegen das ganze Reich ‚der beſte—⸗ henden Vorſtellungen und firirten Gedanken kehrt, alles Fire zerflört, und fich das Bewußtſeyn der reinen freiheit giebt. Die: fer idealiftifhen Thätigkeit liegt die Gewißheit zu Grunde, daf, was ift, was als an fich gilt, Ales Wefen des Selbſtbewußtſeyns ift, daß weder die Begriffe (einzelne Weſen, die das wirkliche

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Zweiter. Abſchnitt. Franzoͤſſſche Philoſophie. 507

Selbſtbewußtſeyn regieren) von Gut: und Böſe, no von. Macht, Reichthum, noch die: firem Borftellungen des Glaubens von Gott und feinem Berhältnifie. zur Melt, feiner. Regierung, und wieder der Pflichten des Selbftbemuftfeyng ‚gegen ihn, daß dieß Al⸗ les keine Wahrheit (kein Anfih) iſt, die außer dem. Setbfibes wußtfegn wäre. Alle diefe Formen, das reale Anfich der wirk⸗ lihen Welt, das Anfich der überfinnlihen Welt; heben. ſich alſo in diefem feiner felbft bewußten Geifte auf.. Er ſpricht und bält nicht nach der ehrlichen Weife auf: fie, welche diefe Worftellungen, wie fie einmal eben -find, gelten läßt, und: fie. für wahr annimmt, für unabhängig, frei außer denk Selbfihewußtfeyu verehrt, fon» dern geiftreich: d:-b.. daß das Selbfibewußtfenn dur feine Thä⸗ tigteit etwas erſt daraus macht und etwas Anderes, als. fie fich unmittelbar geben und gelten, und. ihm nur das geiſtreiche Ver⸗ halten, eben diefe ‚formation und Bewegung durch fein Selbſt⸗ bewußtfeyn gilt und fein nterefie if. Es. iſt der Charakter des Begriffs in feiner Wirklichkeit; was diefem Alles. einfehene den und begreifenden Selbfibewußtfeyn das Weſen ift,:gilt.

Es ift nun zu fehen, wie diefem abfolut begreifenden Selbflr bewuftfeyn das Weſen if. Zunächſt ift diefer Begriff fo firirt als nur die negative Bewegung Des Begriffs; das Poſitive, Einfahe oder Weſen fällt. außerhalb diefer Bewegung. : Es bleibt ihm keine Unterſcheidung, kein Inhalt; denn aller ber fiimmte Inhalt geht in: jener Negativität verloren. Dieß leere Weſen ift für uns überhaupt .das reine Denken, Etre. supreme: oder gegenfiändlich als ſeyend vorgeſtellt, dem Bewußtſeyn über⸗ haupt gegenüber, die Materit.

Wir fehen:. hier frei den fogenamtm. Matertalismns und Atheismus::auftreten, als das nothwendige Mefultat des reinen begreifenden Selbſtbewußtſeyns. Eines. Theile:; geht. in diefer negativen Bewegung alle Beſtimmung zu Grunde, bie den Geift als ein Jenſeits des Selbſtbewußtſeyns vorftellt, und vor⸗ nehmlich alle Beſtimmungen in: ihm, jnd auch dieje,. die ihn als

508 + Deitter Theil, Neuere Philofüphier Geiſt ausfagen, wefentlid alle Vorftellungen des Glaubens von ihm, dem er als ein Seyendes außer dem Selbfibernußtfenn-al Selbſtbewußtſeyn gilt, alles: Weberlicferte, durch Autorität Aufe- legte. Es bleibt mir das gegenwärtige, wirkliche Weſenz dem das Selbfibewußtfegn anerkennt das Anſich nur als ein foldes, das für es als Selbſtbewußtſeyn ifi, worin es ſich wirklich weit, die Materie, und fie alsıthätig ſich in der Vielheit ausbreiten und verwirklichend, die Natur In der Gegenwart bin ich mir meiner Wirklichkeit bewußt; und konſequenter Weiſe findet das Selb ſtbewußtfſehn ſich felbft als‘ Materie, die Seele alsımı teriell, die Vorfiellungen als Vewegungen und Weränderungn din inneren Organe des Gehirns, die auf die äugeren Eindrüde + der Sinne folgen. Rn * Eine andere Form der Auftlatung iſt dagegen, wenn dat . abfolüte Wefen fo als ein Jenſeits des Selbſtbewußtfe hns gefa! wird, daf von ihm jelbft, von feinem Anſich gar nichts‘ erkam werde. Es führt den leeren Namen Bott. Denm Gott ma beſtimmt werden, wie er will, fo fallen alle‘ dieſe Beftim: mungen ‘hinweg; er iſt glei x, das ſchlechthin Unbekannt. Die heift darum nicht Atheismus, @) weil es noch den leeren, nichts fagenden Namen gebraucht, A) weil es die nothwendigen Berhältniffe des Selbfibewußtfeyns, Pflichten u. f. f. ausdrüdt, nicht als an und für fih nothwendig, fondern als nothwendig durch die Beziehung auf ein Anderes, nämlih das Unbekannte, ob es glei zu einem Unbekannten kein pofitives Werhältnif giebt, als fih als Einzelnes aufzuheben. Materie aber ift es nicht, weil dieß Einfache, Leere negativ beftimmt ift, als nict fegend für das Selbſtbewußtſeyn. Damit ift aber dafjelbe ge⸗— ſchehen; denn die Materie. ift das Allgemeine, das Fürfichfenn als aufgehoben vorgefiellt. Aber die wahre Reflerion auf jenes Unbekannte ift ebenfo, daß es eben für das Selbftbewußtfegn als ein Negatives deffelben ift, d. b. Materie, Wirklichkeit und Gegenwart; es iſt dieß Negative für mic, dieß ift fein Begriff.

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- m DH TH" MeeůerePhlloſophie ·

——— ——— Natutzuſtand Was · die Metaphpfituder Wörflelhingertgenant wird, iſt der lockeſche · Empirismus, der darauf \den Urſptum undo die⸗ Entſtehung ini Wernüßtfenn auufzuzeigen fuche, im Ber wahnſchnn nfofeen 108 efngelnes Vewwuhtſeyn. iſte nund aus der Br

‚den Bergen heraus, "oder vom Regen; ſo ·iſt · dieſ· eine Antivon no Geifte jents Philoſophitens "Kurz, es fm Das, Migatiı Antereffant > and "won / dieſer spöfttiven! franzöftfchen‘ Ppilofephie "Al nicht die Rede eh. mine ne

bewundernswůrdig ift, iſt dieſe erſtaunliche Energie Und Kraft des Begriffes hegen div Eriftenz,. gegen den Glauben, gegen alle Macht der Autoritãt ſeit Jahrtauſenden. Es iſt der Charakter mert⸗ würdig, der Charakter des Gefühls der tieffſten Empörung gegen alles dich Geltende, was dem Selbftbewuftfenn ein fremdes We— fen, was ohne es ſeyn will, worin es nicht: ſich ſelbſt findet; eine Gewißheit von der Wahrheit der Vernunft, die es mit der ‚ganzen entfernten Intelleftual Welt aufnimmt und ihrer Zerfiö- rung gewiß if. "Sie hat die Wörurtheile alle zerſchlagen, und den Sieg davon getragen. Das Pofitive find fogenannte unmittelbar einfeuchtende Wahrheiten des gefunden Menſchen⸗ verſtands, des Menfchenverfiands, der nichts enthält, als nur diefe Wahrheit und Forderung ſich felbft zu finden, und in diefer Form ſtehen bleibt.

Der franzöfifhe Atheismus, Materialismus und Naturalis

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Zweiter· Adſchuittv nghanzoſifche Phild ſophie. 544 mus if: einer Erits mir dem Nieſſten und empörteſten: Gefühl gegen die; bugrifflofen Vorausſezungen und Bältigkeiten: des Po⸗ fitiven in der NReligion, den rechtlichen und moraliſchen Befttni- mungen. amd: der büurgerltcheri i Einrichtang vergeſellſchaftet, und mit dem geſunden Menſchenverſtande und. einem geiftreichen Ernſte, nicht frivolen Deklämutionen;,'-Dagegeg gelehrt; anderer Seits entſteht er aus dem Streden, das Abſolute ald: ein Ge⸗ genwärtiges,.:uhd :als Geduchtes zugleich und als abſolute Ein⸗ heit zu etfaſſen, ein Beſtrebem, welthes, mit Kaugnung Des Zwedbegriffs ſowohl te Hlatielichen/alſe Dei Wegriffs:: vom Leben, als im Geiſtigen, des Begriffs vom: Geiſte und von Frei⸗ heit, nun: zum Abſträktrani Re in ſich nbeſtimmten Natur, des Smpfindene, Des Mechanismus, der Geenſucht und Trüslichkeit tommit; 1 Die: Franzoſen find: in ihren Sruatsvetfaffingen don Abſtraktivnen· ausgegangen, aulgeweineh: Gedanken, welche das Negative gegen die Wirklechbeiie Sie Entzländee entgegengeſetzt von konkreter Witklichdeit, deme unfbemlichen Gebäude ihrer Verfaffungz auch? ihrr SS wfetrüne · daten niche izu allgeme nen Grundfägen erhoben. Maui Zn BEE

Es: find: zarte Ve erwähnen Fire A.hmilich wichtig find in Nuckſtcht auf die Bildung; dae franzoſiſche Phi⸗ loſophie and dir Auflã run : Was Luther angefangen mur im Gemüty, Gefühl; die Freihrit des Beifles, die Ihrer-tinfachen Wurzel unbewußt wide ſich erfaßt, Die ifl- das Allgemeine ſelbſtz aller Inhalt Berſchwindet im DOedanden, der Gedanke or⸗ fullt Nice DR Framzoſon⸗ haben allgemeine Be⸗ ſtinrntengenn, Gedanken aufgeſtellt, daran feſigehalten: ·allgemeine Grundfägt, ind zwar als die Heberzengung des Individunms in ihm ſelbſt. Die: Freiheit wird. Woltzuſtand, verbindet ſich "mit der Weltgeſchichte, wird Epoche derfelben: es iſt konkrete Frei⸗ heit des Geiſtes, konkrete Allgemeinheit; die carteſtaniſche Phi⸗ loſophie wär abſtrakte Metaphyſit, jezt haben wir Grundfäge über das Konkrete. Bei Den: Deutfſchen finden wir Quätelei;

512 Dies Tel, Neuett Phlofnbiee .

fie wollen auch dieß modh erklärt Haben, bringen eine wiſerabl ten der Allgemeinheit aus, die deutſche Gewiffensfreiheit ‚von Gewiſſen aus, welches lehrt, Prüfet Alles und das Gute bebal tet, find. ſich begegnet, oder. haben Diefelbe Bahn: mur die Fran gofen, gleihfom gewiſſenloe, haben Alles geradezu: abgemagıt un ſoflematiſch einen, beflimmten. Gedanen sfeigehalten, das phyf krotiſche Syfiem; dir Deutfhen wollen ſich den Rüden, frei dal ten „vom Gewiſſen her unterſuchen, ob ſie auch dürfen, Die Franzoſen haben; mit ‚Geift, die Deutſchen mit Verſtand ger den ſpekulativen Begriff gekämpft. Wir finden bei den Zrur ofen ein; tiefes allumfaſſendes philoſophiſches Bedürfniß, gan anders als ‚bei den Engländern und Schotten, und ſelbſt als hei den Deutſchen voller: Lehendigtkeit: ine allgemeine,‘ ombrete ir ſicht des AUS, mit: voller Unabhängigkeit ebenſo von ‚aller Autor ‚rität als von aller abſtratien Metapppft.. Die Methode, if, au der: Vorftellung, dem, Gemüth zu entwideln; es iſt -geofe An ſchauung/ die immer das Ganze; vor Augen hat, und diefes zu erhalten und zu gewinnen ſucht. Er —— Dieſer geſunde Menſchenverſtand, geſunde Vernunft, mit dem Inhalt genommen aus der Menſchenbruſt, dem natürlichen Gefühle, hat ſich gerichtet gegen die religiöfe Seite einer Seit, und zwar in verfhiedenen Diomenten, und zunächft gegen die pofitive Religion, die Feſſeln des Aberglaubens und der Hierar- ie: auf der anderen Seite, als deutſche Aufklärung, gegen die proteftantifche Neligion, infofern fie einen Inhalt hat, den fie aus der Offenbarung, der kirchlichen Beftimmung überhaupt er⸗ halten hat. Die Eine Richtung ift gegangen gegen die Form der Autorität überhaupt, die andere gegen den Inhalt. Mit dem Inhalt kann diefe Form des Denkens etwa leicht fertig werden, indem fie nicht das ifl, was unter Vernunft verfianden, fondern was Verſtand genannt werden muß; dem Verſtande iſt 28 leicht, gegen die legte Grundlage deffen, was nur dur Spe—

Zweiter Abſchnitt. Franzoͤſiſche Philofophie, 513

kulation gefaßt werden kann, Widerſprüche aufzuzeigen. Der Verſtand hat feinen Maaßſtab angelegt an den religiöſen In⸗ halt, Widerfprüche darin aufgezeigt und ihn für nichtig erklärt; der Berfland verfährt auf diefelbe Weife gegen eine konkrete Dhilofophie. Dieß hat nun die deutfhe, wie die franzöflfche Nhilofophie gethan, die eine in der Richtung gegen die luthes riſche, die andere in Richtung gegen die Tatholifche Religion. Was denn nun geblieben iſt davon, ift das, was Theis mus genannt wird, Glauben überhaupt; dieß ift der Inhalt jegt, der fehr allgemein übrig geblieben ift in vielen Theologien, und es if derfelbe Inhalt, der fih au im Muhamedanis⸗ mus findet. Es ift aber bei diefer Richtung des raifonnirenden Verſtandes gegen die Religion auch zum Diaterialismus, Atheis« mus und Katuralismus fortgegangen. Aber man foll mit den Beflimmungen des Atheismus nicht leicht umgehen; denn es ifl etwas fehr Gewoöhnlidhes, daß man einem Individuum, das mit feinen Vorſtellungen über Gott abweicht von denen, die Andere haben, einen Mangel an Religion oder wohl Atheismus vor⸗ wirft. Hier ift es aber der all, daß diefe Philoſophie zum Atheismus fortgegangen iſt, und das, was als das Letzte, Thä⸗ tige, Wirkende zu faflen iſt, als Diaterie, Natur u. f. f. beſtimmt hat; man kann fagen, es iſt im Ganzen Spinozismus, wo als das Letzte vorangefiellt wird das Eine der Subſtanz. Dieß ift befonders von den Franzoſen gefhehen. Einige find jedoch nicht dahin zu rechnen, 3. B. Rouffeau; eine Schrift von ihm, „Glau⸗ bensbetenntnif eines Vikars,“ *) enthält ganz den Theismus, den man bei deutfchen Theologen finden kann. Andere find auss drüdli zum Raturalismus fortgegangen; bier iſt Mirabaud: Systeme de la Nature befonders zu erwähnen. Die Gedanten find fehr oberflächlich, le grand tout de la nature iſt das

%#) Emile ou de l’education, T. II (Paris, 1813, ed. stereo- _ type), Livre IV, Profession de foi du vicaire savoyard, p. 215 sSaiu.

Geſch. d. Phil. * * 33

514 Dritter Theil. Neuere Philoſophie. Kette; das Ganze wiederholt ra auf ——— Darfellungs iR matt ·

Was man franoöſiſche phiſephi⸗ ‚genannt hat, Woltair, Montesquieu, Rouſſeau, D’Alembert, Diderot, und was alsdam als Aufklärung in Deutſchland aufgetreten iſt, auch als Atheis mus verpönt iſt, daran können wir drei Seiten unterſcheiden 4) ihre negative Seite, welce-ihr am meiften übelgenomme BD) die pofitive; 3) die vhnoſophic⸗ —————

m. 1. Die negative Rintung.

Die franzöſiſche Philoſophie Hat eine negative Richtung gegen alles Pofttive; fie iſt zerflörend gegen das’ pofitio Bel hendey gegen Religion, Gewohnheiten, Sitten, Meinungen, gen den Meltzufiand in gefegliher Ordnung, Staatseinrichtungen, Rechtspflege, Negierungsweife, politifcher, juridiſcher Mutoriät, Staatsverfafung, ebenfo gegen Kunft. In matter Geſtalt in! dieß, in Deutſchiand als Aufklärung auf)" Auch diefer Geile wie Allem, ihr Recht zu widerfahren. Ihr Subftantielles if der Angeiff des vernünftigen Inſtinkts gegen den Zuftand- eine Ausartung, ja allgemeinen, volltommenen Lüge, 3. B. gegen das Pofitive der verhößgerten Religion. Wir nennen Religion fein Glauben, Ueberzeugung von Gott; ob das Glaube an chrifilict Lehre fey, davon wird mehr oder weniger abflrahirt. Bei die fem Angriff gegen das Religiöfe müſſen wir ung aber ganz et was Anderes denken. Dieß Pofitive ift das Negative der Ver— nunft. Der religiöfe Zuftand mit feiner Macht und Herrlid- teit, Verdorbenheit der Sitten, Habſucht, Ehrgeiz, Schwelgerei iſt zu betrachten; Ehrfurcht wurde doch gefordert. Es war der ungeheuerfte Formalismus und Tod, in den die pofitive Relis gion, ebenfo wie die Bande der menſchlichen Gefellfhaft, Rechts- einrichtungen, Staatsgewalt übergegangen war. Die fran- zöſiſche Philofophie ging ebenfo gegen den Staat. Sie haben die Vorurtheile und den Aberglauben, befonders die Werdorbens

Zweiter Abſchnitt. Framoͤfſche Phlloſophie. 515

heit der bürgerlichen Geſellſchaft, der Sitten der Höfe und der Regierungsbeamten angegriffen, das Schlechte, Lächerliche, Nie⸗ derträchtige aufgefaßt und dargeſtellt, und die ganze Heuchelei und ungerechte Macht dem Gelächter, der Verachtung und dem Haſſe der Welt preisgegeben, den Geiſt und das Gemüth zur Gleichgültigkeit gegen die Idole der Welt und zur Empörung des Gefühls und Geiſtes dagegen gebracht.

Den Widerſpruch, der in der Exiſtenz vorhanden war, müſ⸗ ſen wir erkennen; die alten Inſtitutionen, die in dem entwickel⸗ ten Gefühle ſelbſtbewußter Freiheit und Menſchheit keinen Platz mehr hatten, und die ſonſt auf gegenſeitigem Gemüth und in der Dumpfheit und Selbſtloſtgkeit des Bewußtſeyns ihren Grund und Haltung hatten, die dem Geiſte, der ſie etablirt hatte, nicht mehr entſprachen, und nun durch die hervorgegangene wiſſen⸗ ſchaftliche Bildung auch der Vernunft als etwas Heiliges und Gerechtes gelten ſollten, dieſen Formalismus haben ſie ge⸗ ſtürzt. Man muß das Gefühl vor Augen haben, das dieſe Schriftſteller zeigen; man erblickt Empörung über Unfittlichkeit. Ihre Angriffe find Theils mit Raifonnement, Theils mit Witz, Theils mit geſundem Menſchenverſtand geſchrieben, und gingen nicht gegen das, was wir Religion nennen. Das wurde unan⸗ getaſtet gelaſſen, und mit der ſchönſten Beredſamkeit empfohlen.

Dieſe Seite verhielt fich zerſtörend gegen das in ſich Zer⸗ ſtörte. Wir haben gut, den Franzoſen Vorwürfe über ihre An- griffe der Religion und des Staats zu machen. Man muß en Bid von dem horriblen Zuftand der Gefellfhaft, dem Elend, der Niederträchtigkeit tin Frankreich haben, um das Verdienft zu erkennen, das fie hatten. Jetzt kann die Heuchelei, die Frömme⸗ lei, die Tyrannet, die flch ihres Raubs beraubt flieht, der Schwach⸗ finn können fagen, fle haben die Religion, Staat und Sitten angegriffen. Welche Religion! Nicht durch Luther gereinigt, der ſchmähligſte Aberglaube, Pfaffenthum, Dummheit, Berwor- fenheit der Geflunung, vornehmlich das Reichthum⸗Verpraſſen

33 *

se «Deiter Theil, Neuere Phiͤolophie .

und. Schwelgen in zeitlichen Gütern, beim. Öffentlichen. Elem Welcher Staat! Die blindeſte Herrfpaft der Miniſter umd ihre Dienen, Weiber; Kammerdiener; fo daß ein ungebeures.Ser von tleinen. Tyrannen und Düfiggängern e$;-für, ein gätlide Neöpt anfaben, Die Einnahme, des Staats und, den Schweiß di Volks zu plündern. Die Schaamloſigkeit, Unrechtlichkeit ging in's Unglaublice; Die,Gitten waren; nur sentfprechend. der, Va worfenheit der Einrichtungen. Wir, fehen Nehtlofigkeit der Ju dividuen in Anfehung des Rechtlichen und, Politifchen,. eben Rechtloſigkeit in Anfehung, des Gewiffens, Gedantens., Was den Staat, betrifft, fo haben dieſe Philoſophen gu nicht an eine Revolution gedacht, wünfhten, forderten Berkfr zungen, aber hauptfächlich fubjektiv, daß ‚die Negierung die Mifbräude abſchaffe/, rehtfhaffene Männer anfelle, die week fern follten; und, dergleihen Weiſen waren das Poſitive, mm dem fe. ſprachen, ‚mas. geſchehen- folle: den Pringen folle.chr ‚gute Erziehung. gegeben werden, die Minifier rechtſchaffene Min ner ſeyn, ‚die Fürſten ſparſam u. f. f., Die, franzöfiſche Aw lution iſt durch die ſteife Hartnäctigkeit der Vorurtheile, Haupt ſãchlich den Hochmuth, die völlige Gedankenloſigkeit, die Hab ſucht erzwungen worden. Sie haben nur allgemeine Gedanten haben können, cine abftrafte Idee, Gedanken deffen, wie es ſehn fol, nicht die Weife der Ausführung angeben können. Aber Sache der Regierung wäre es gewefen, das Konkrete zu befebe len, Einrichtungen, Verbefferungen in konkreter Form; dich hat fie nicht verftanden.

Mas fie gegen diefe greuliche Zerrüttung ſetzten und be— haupteten, ift im Allgemeinen, daß die Menſchen nicht als Laien ſeyn follen, Laien weder in Bezug auf Religion, noch auf Recht; fo daf es im Religiöfen nicht eine Hierarchie, gefchlof: fene, auserwählte Anzahl von Prieftern, und ebenfo im Recht⸗ lichen nicht eine ausfchließende Kafle und Gefellfhaft ſey (auch nicht ein juriſtiſcher Stand), in der die Erkenntniß deffen liege

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Zweiter Abſchnitt. Franjzoͤſiſche Philofophie, 617

und eingeſchränkt ſey, was ewig, göttlih, wahr und recht iſt, und den anderen Menſchen von dieſer anbefohlen und angeord⸗ net werden könne: ſondern die Menſchenvernunft ihre Zuſtim⸗ mung und Urtheil das Recht habe zuzugeben. Barbaren als Laien zu behandeln, iſt in der Ordnung, eben die Barbaren find Laien; denkende Menſchen aber als Laien behandeln, iſt das Härteſte. Dieß große Menſchenrecht der ſubjektiven Erkennt⸗ niß, Einfſicht, Ueberzeugung haben jene Männer heldenmüthig mit ihrem großen Genie, Wärme, Feuer, Geiſt, Muth erkämpft. Es iſt Fanatismus des abſtrakten Gedankens. Wir Deut⸗ ſchen find paſſiv erſtens gegen das Beſtehende, haben cs ertra⸗ gen; zweitens, iſt es umgeworfen worden, fo find wir ebenſo paffiv: durch Andere iſt es umgeworfen worden, wir haben es uns nehmen Laffen, haben es gefchehen lafien.

Auch Friedrich IL. ſchließt fi in Deutfchland an diefe Bil⸗ dung an, in damaligen Zeiten ein feltenes Beifpiel. Franzöſtſche Hoffitten, Opern, Bärten, Kleider waren wohl, aber nicht Phi⸗ lofophie in Deutfchland verbreitet; aber in Form von Geifl, Witz ift doch viel davon unter diefe hohe Welt gedrungen, und viel Schlechtes und Barbarifches verfcheucht worden. Friedrich IE, ohne erzogen zu fehn in den trübfeligen Pfalmen, ohne alle Zage ein Paar auswendig zu lernen, ohne barbariſche wolfifche Me⸗ taphyſik und Logik (was fand er in Deutfchland Anderes, als Gellert?), Tannte nun die großen, obzwar formellen und abſtrak⸗ ten, ‚Grundfäge der Religion und des Staats, und regierte in feinen Berhältnifien darnach. Es war kein anderes Bedürfniß in feinem Bolt vorhanden; man Tann nicht verlangen, daß er der Reformator, Revolutionair defielben hätte werden follen, da fein Menſch Landflände, Deffentlichteit der Gerichte forderte. Er führte ein, was Bedürfniß war, religiöfe Toleranz, Gefeßgebung, Verbeſſerung der Gerechtigkeitspflege, Sparfamteit mit der Staats⸗ kaſſe; von dem elenden deutfchen Recht ift nicht einmal mehr ein Gefpenft geblieben. Ex flellte den Staatszwed auf, und bat

518 «Dritter Theile Neuere Philofopbie, damit ‚alle Privilegien, die deutſchen partitularen Rechte, das * bloß poſttive Recht im Staate über dem Haufen geworfen. Es ift albern, wenn die Frömmelei und die, falſche Deutſchheit jett über ihm herfallen, und. diefe grofe Erfheinung, Die fo unendlich gewirkt hat, klein machen und gar zur. Eitelkeit oder Verrucht⸗ heit herabfegen wollen; . was, Deutſchheit ſeyn ſoll, * eine —— mer 0 7 2 Ze N m Mm 2%. Die pofitive Seite, _ Der affirmative Inhalt dieſes Philoſophirens befriedigt allerdings nicht die Gründlichteit. Eine Hauptbeftimmung in denn, was- gelehrt worden ift, find, wie. bei den ſchottiſchen Phi tofophen und wie bei uns, Borausfegungen von urfprünglicen Gefühlen des Nechts, die der Menſch in ſich habe Wohlwolln, ſociale Neigungen; dieſe ſollen ausgebil vet werden. —. Die-pofilie Quelle des Wiffens überhaupt und vom Recht iſt überhaupt in die Menfcenvernunft gefest und das allgemeine, Bewußtſeyn dr Menſchen, den gefunden Menfcenverftand, nicht im die Form des Begriffs. Es ift allerdings bewundernswürdig,. Wahrheiten in der Form allgemeiner Gedanken ausgefprochen zu fehen, die a unendlich wichtig ift, daß fie Vorurtheile des Menfchen feyen: Daf der Menſch in feinem Herzen das Gefühl des Rechts, der Menſchenliebe habe: Religion, Glaube nicht erzwungen werde: Verdienſt, Talent, Tugend der wahre Adel ſey u. f. f. Ein Hauptgefihtspuntt, unter den Deutſchen vornehmlich, war, was die Beftimmung des Menfchen ifi, womit man meinte die Natur des Geiftes. Und allerdings ift übers Geiftige auf diefe zurüd: zugehen. Aber diefe Natur des Geiftes, diefe Beftimmung zu finden, wurde auf Wahrnehmung, Beobachtung, Erfahrung zus rückgegangen: Es giebt folde und folde Triebe. Die Nothwen digkeit der Gefellfchaft, des Staats wird daraus erfchloffen, weil wir einen Trieb zur Gefelligteit haben. Das find Beftimmuns gen in ung felbft; aber wir haben fie nicht in ihrer Nothiwen-

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Zweiter Abſchnitt. Syatàme de la Nature. 519

digkeit erkannt. Solcher Zrieb iſt ohnehin als natürlicher ge⸗ nommen; fo iſt er bier unbeflimmt im ſich, feine Begränzung hat er nur als Dioment des Ganzen.

In Anfehung der Erkenntniß find fehr allgemeine oberfläg- liche Gedanken zu finden, abſtrakte Gedanken, immer fo gut, und geiftreiher als unfere, die ihrem Inhalte nad) konkret feyn follten und auch waren, aber fo oberflächlich aufgefaßt wur⸗ den, daß fie ungenügend für das AUbzuleitende waren, So: Daß die Natur ein Ganzes fey, Alles durch Geſetze befiimmt ſey, durd) Zufammentommen verfiedener Bewegungen, Kette von Urfachen und Wirkungen und dergleichen; die verfchiedenen Eigenfchaften, Materien, Verbindungen der: Dinge bringen Alles hervor. Das find allgemeine Redensarten, mit denen man Bücher anfüllen tann; ſie zeigen ſich auch bald ſchr ungenügend.

a Systeme de la Nature.

Dabin gehört das Systeme de la Nature, das Haupt⸗ buch, von einem Deutſchen, Baron von Hollbach, in Paris geſchrieben, welcher der Mittelpunkt aller jener Philoſophen war. Montesquieu, d'Alembert, Rouſſeau waren eine Zeit lang in ſeinem Cirkel; ſo ſehr dieſe ſich gegen das Beſtehende empörten, ſo waren ſie doch ſonſt ſehr verſchieden von einander. Das Système de la Nature wird man bald langweilig finden, weil es fich in allgemeinen Vorſtellungen herumwirft; es iſt kein fran⸗ zöſiſches Buch, die Lebhaftigkeit fehlt.

. „Das Univerſum zeigt nichts Anderes, als eine uner⸗ meßliche Sammlung von Materie und Bewegung (Descar- tes), eine ununterbrochene Kette von Urſachen und Wirkungen, von welchen Urſachen einige unmittelbar unſere Sinne rühren, andere uns unbekannt find, weil ihre Wirkungen, die wir wahr⸗ nehmen, von ihren Urfachen zu entfernt find. Die verfchiedenen Eigenſchaften jener Materien, ihre mannigfaltigen Verbindungen und die Wirkungen, welde die Folgen davon find, machen für

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sw: Dritter Teil, Neuere Philefopbie. ö

uns die Wefen (essences) aus, Aus der Verſchiedenheit diefer Weſen entfpringen die verfhiedenen Ordnungen, "Gattungen, Syſteme, welche die Dinge einnehmen, und deren Zotalfumme le grand tout das iſt, was wir Natur nennen.“ #) Es if, was Ariſtoteles von Kenophanes fagt, er habe im’s Blaue fi hineingeſchaut, d. i. das Seyn. **) AD Ar Alles iſt Bewegung, die Materie bewegt ſich fell: das Bier gährt, das Gemüth. bewegt ſich (Leidenfchaften). *®) Ye „Die Mannigfaltigkeit der Naturerfcheinungen und ik unaufhörliches Entſtehen und Verſchwinden hat einzig fein * Grund im der Dannigfaltigkeit der Bewegungen und ihrer Mu Oterie.“ 4) Dusch verſchiedene Kombinationen, DRodiftkationn, Arrangement entfleht anderes Ding. „Die Materien fu entweder geneigt, fid mit einander zu dereinigen, oderfindn ‚einer Vereinigung unfähig. Hierauf gründen die Phyſiter In ziehung und Abſtoßung, Sympathie und Antipathie, Ir wandtfhaft und Beziehung, die Moraliften Saß und Lich, Freundſchaft und Feindfhaft.“ Fr) "Geif, Umntörperlidk, widerſpricht det Bewegung, einer Veränderung der Werhältift eines Körpers im Raume. FF)

b. Robinet.

Ein anderes Hauptbuch it das noch gefährlichere: De h Nature, von Robinet. Darin herrfeht ein ganz anderer, gründe

*) Buhle: Lehrbuch der Gefhichte der Philofophie, Theil VI, ©. 62—63; Systeine de la Nature par Mirabaud (Londres, IM), T. 1, Chap. 4, p. 10; Chap. 2, p. 3.

#*) S. Oben, Theil I, $. 31. *x* x) Buhle, a. a. O, ©. 63—615 Systeme de la Nature, T.l, Chap. 2, p. 18, 16, 21, et 15.

) Buhle, a. a. O., ©. 64—655 cf. Systöme de la Natur, T. I, Chap. 2, p. 30 31; Chap. 3, p. 39 40.

TH Buhle, a. a. O., ©. 655 Systeme de la Nature, T.l, Chap. 4, p. 45 46. ni tr) Buhle, a. a. O., ©, 705 Systeme de la Nature, T.l, Chap. 7, p. W— 9.

Zweiter Abſchaitt. Robinet. | 524

licher Geiſt; häufig wird man vom tiefen Ernft ereeiffen, der fi in dem Menſchen geigt..

Er fängt fo an: „Es iſt ein Gott, d. 5. eine uUrſeche ber Hhänomene des Ganzen, was wir die Natur nennen. Wer ift Gott? Wir’ wiſſen es nicht, und find dazu beflimmt, es für immer nicht zu wiſſen. Wir konnen ihn. nicht .erfennen, weil wir nicht das Mittel dazu haben. Mir könnten über die Tems pel ſchreiben:“ „„Dem unbelannten Gott“ "*). Das ifl daffelbe, was man heutigen Tags ‚fagt: Es foll kein Mebergang vom Endlihen zum Unendlichen feyn. „Die. Ordnung, die im Unis verfum - herrſcht, iſt ebenſo wenig der ſichtbare Typus ſeiner Weisheit, als unſer Schwachſinn das Bild feiner Intelligenz.“ ) | Diefe erfle Urfache aber, Gott, iſt wirkend, hat die Ratur erzeugt; die einzig mögliche Erkenntniß ifl die der Natur. Die Zhätigkeit der Natur iſt aud Eine, wie Gott Einer iſt. Was nun als die Tätigkeit ‚gefaßt wird, if, daß Keime in Allem _ find; Alles Find organifche Werfen, die ſich bervorbringen. Nichts iſt einzeln, Alles iſt verbunden, zuſammenhängis und in Har⸗ monie. *

%#) De la Nature (Troisieme edition, Amsterdam, 1766), T.I, P. I, Chap. 3, p. 16: N y a un Dieu, c. & d. une cause des phéę nomènes dont l’ensemble est la Nature. Quel est-il? Nous l’ignorons et nous sommes destines à l’ignorer toujours, dans quelqu’ordre de choses que nous soyons plac&s, parceque nous manquerons toujours d’un moyen de le connaitre parfaitement. L’on pourrait encore mettre sur la porte de nos temples l’inscription qu’on lisait sur lautel que l'Aréopage lui fit dresser: Deo ignoto.

#%#) De la Nature, T. I, P. I, Chap. 3, p: 16: L’ordre qui y rögne n’est pas plus le type visible de sa sagesse que notre imbecillitẽ n’est l'image de son intelligence. \

*ER) Ibidem, Chap. 4, p. 146 —17: On vient de voir —* aꝰ) a qu’une cause, Au commencement la cause &ternelle qui avait en- graine, pour aingi dire, les &venemens les uns dans les autres,afın qu’ils se succedassent infaılliblement selon sa volonte, toucha le premier an- neau de la chaine immense des choses. Par cette impression perma- nente l’univers vit, se meut et se perpetue. D’une units de cause suit une unit& d’action, laquelle ne parait pas me&me susceptible de plus ni

522 Driter Theil. Neuere Philofopbiee =

Rodbinet geht. die Pflanzen, Thiere, auch die. Metalle, Ei mente durch; und fucht von ihmen aufzuzeigen, wie im Lebendign der Keim iff, und wie auch die Metalle in ſich organiſirt feyen, wegen der inneren Struktur, die man bei ihnen findet. Ebenſo ſoll die Luft ihren Keim haben, der erſt zut Wirklichkeit Kommt, dadurch, daf er ſich mit Waffer, Feuer uf. f. währt) Re binet nennt die einfache Form in fi, die fubftantielle form, den Begriff Reim. Obgleich er dieß zu fehr im Sinnlichen nad zuneifen fucht, ‘fo geht er doch von in ſich konkreten Principien, der. Form an ſich ſelbſt, aus. —f

Vom Uebel und Guten in der Welt ſpricht er auch. Dust Refultat der Bettachtung if, daß Gutes und Uebel füch) die Mage halten; diefes Gleichgewicht mache die Schönheit der Welt aus, *)

de moins. C'est en vertu de cet acte unique que tout s’op&re. Dr puis que l’on &tudic la nature, on TuPsPalnn encoge.remas de nomine detach€, de verits C'est gu n’y em a

et qu’il ne söurait y en avoir. Le tout se soutient par la mutzelle respondence de ses parties. Ibidem, P. Il, Chap. 2, p. 456457: L’exemple du polype est aussi concluant pour ’animalit& des, plus pc. tites parties organiques;.car le polype est un grouppe de polypes ras- sembles et tout aussi vrais polypes que Ini. II reste prouve que sous le m&me point de vue le vivant ne pourrait &tre compose que de virans, l'animal de petits animaux, tel animal de tels animalcules de la mine sorte d’animalite, un chien de peüits chiens germes, l’hormme d’homon-

eules germes.

#) De la Nature, T. I, P. I, Chap. 7, Recapitulation, p. 166, 468: 4) Les semences animales fourmillent d’animaus spermatigus; 2) Toute generation proprement dite se fait par la cooperation des deux sexes, oder jedes Individuum ift innerlich Hermaphrodit, oder aud) in den äuferen Organen. Ibidem, Chap. 9—14. Ibidem, Chap. 15, p- 02 203: N’est-on pas force d'admettre pour des corps veritahle- ment organises, tous ceux olı l’on rencontre une telle structure? Elle exige absolument une semence, des graines, des germes dont ils sont le developpement. lbidem, Chap. 19, Des &tres elömentaires, de 1’Air, du Feu, de PEau etc, p. 217: L'Air prineipe ne sera que le germe de Pair; en se soulant d'eau et de feu à dilferens degres, il passera suc- cessiverment par des dtals divers d’aceroissement; il sera d’abord em- bryon, puis air parfait.

*#) Ibidem, P. 1, Chap. 28, p. 138.

Zweiter Abſchnitt. Bragöffte Phibſophie. 523

Um zu widerlegen, daß des Vorzüglichen in der Welt mehr ſey, ſagt er, daß Alles, worauf wir das Gute reduciren, nur in einem Genuß, Angenehmen, einer Befriedigung liegt. Dieſer muß ein Bedürfniß, Mangel, Schmerz vorausgehen, deſſen Aufhebung die Befriedigung iſt. ) Dieß iſt nicht nur ein empiriſch richtiger Gedanke, ſondern er ſpielt an das Tiefere an, daß alle zog. feit nur durch Widerſpruch ifl. '

3. Idee einer Tontreten allgemeinen Einheit.

Dos Refultat der franzöſiſchen Philoſophie iſt, daß fie darauf drang, eine allgemeine Einheit zu erhalten, doch Feine abftratte, fondern eine’ konkrete. So feste Robinet allgemeine organifche Lebendigkeit, gleichförmige Weife des Entfichens. Die Konkrete nannten fie Natur. Ueber diefe wird Gott geſetzt, aber

als das Unerkennbare; alle Präditate, die von ihm ausgefprohen _

würden, enthielten Impaffendes. Man muf zugeben, daß große Vorftellungen der konkreten Einheit bortommen, den abftratten metaphufifchen Berfiandesbeflimmungen entgegengefekt, die Fruchtbarkeit der Natur. Auf der anderen Seite foll, was gel ten foll, Gegenwart haben, und keine jenfeitige Autorität ſeyn. Die zwei Beflimmungen find in aller Philofophie: Die Konkre⸗ tion der Jdee, und die Präſenz des Geiftes darin. Dieß Stres ben aber nad wirklich gegenwärtiger Lebendigkeit nahm Formen an, die als Abwege ſelbſt einfeitig wurden. In diefem Beſtre⸗ ben nad) Einheit, aber konkreter Einheit, liegen auch die näheren Dannigfaltigkeiten des Inhalts.

In der theoretifhen Seite ihrer Philoſophie find die Franzoſen zum Materialismus oder Naturalismus fortgegangen. Denn das Bedürfniß des Verſtandes, das abſtrakte Denken, "was aus einem feftgehaltenen Princip die ungeheuerften Konſequeuͤzen

ziehen läßt, bat fic getrieben, Ein Princip als das Lekte zu

#) De la Nature, T. I, P. I, Chap. 13, p. 70.

5 „Dritter Theil Neuere Philofophie-

fegen, ‚aber in ſolches, das zugleich Gegenwart Habe, und de Erfahrung ganz nahe liege. So nehmen fie "die Eutpfindung und die Materie als das einzig Wahre an, worauf alles Din ten, alles Moraliſche, wie eine bloße: NEE Empfin⸗ dens, zurüdgeführt wird. m Zu dieſer Einſeitigkeit gehört und penser, die Identität deſſelben, ſo daß Letzteres nur cin Refultat von jenem if: ohne ſpekulativer Weiſe dieſen Gegen⸗ ſatz, wie Spinoza und Malebranche thaten, in Gott zu · vertin⸗ gen. Die Einheiten, welche: die Franzoſen hervorbrachten, wur den einfeitig. » Eine ausgebreitete Theorie wird. die Surüdfüh: zung alles Denkens auf Empfindung, wie in gewiffer Rüdfidt bei Locke dieß der Fall war. Robinet kommt auch aufm Gegenfag von Denken und Empfinden, und bleibt dabei fiehm, daß Geift und, Körper ungetrennt feyen, die Weife der Einhit aber unerklärlich. %) Das Systeme de la Nature zeichnet ſich durch die Zurücführung des Dentens auf" die Empfindung aus; fie it beſonders flach. Der Hauptgedante it: ",,Die ab ſtrakten Gedanken ſehen nur Anwendungen der Wahrnehmungen von Gegenſtänden.“ **) So ging die Philoſophie zu Materia⸗ lismus über; fo bei La Mettrie: L’homme machine. Alt Gedanke, alle Vorfiellung habe nur Sinn, wenn fie als materiell gefaßt werde; nur die Materie criftire, Dem haben große Köpfe dann das Gefühl in der Brufi entgegengefest, den Trieb ſich zu erhalten, wohlwollende Neigun— gen gegen Andere, Trieb zur Gefelligkeit, welchen legteren aud

#) De la Nature, T. I, P. IV, Chap. 3, p. 257 259.

##) Systeme de la Nature, T. I, Chap X, p. 177: Les idees ab- straites ne sont que des facons dont notre organe Interieur envisage ss propres modifieations. Les mots de honte, de beaute, d’ordre, d’in-

telligence, de vertu etc. nc nous offrent aucun sens, si nous me les rap-

Portons, ou si nous ne les appliquons ä des ohjets que nos sens now ont montres susceptibles de ces qualites, ou 5 des fagons d’&ire et d’agir qui nous sont connues.

Zweiter Abſchnitt. Montesquien. Helvetius. 525

Pufendorf feinem Rechts⸗Syſtem zum Grunde gelegt hatte, Bon hier. aus haben fie fehr viel Vortrefflihes gefagt. So hat Montesquieu in feinem fchönen: Bude, Vesprit des lois, wovon. Voltaire fagte, es wäre ein esprit sur les lois, die Verfafſungen in diefem großen Sinne betrachtet, dag Verfaffung, Religion, Alles, was fi in einem Staate findet, eine Totalität ausmacht. | u :. B. Diefe Zurüdführung hat bei Helvetius diefe Geftalt, daß, wenn man im moraliſchen Menſchen ein Eines ſucht, er dieß Eine Selbftliche nannte, und ſich zu zeigen bemühte, daß Alles, was wir als Zugend benennen, überhaupt alle Thä⸗ Kigkeit, Geſetze, Rechtliches zu feinem Grund nur Selbftliche, Figennug habe, und darein ſich auflöfe. *) Dieß Princip if einfeitig, obgleih das Ichſelbſt ein wefentliches Dioment iſt. Was ich will, das Edelſte, Heiligſte iſt mein Zweck. Ich muß dabei ſeyn, Ich es billigen, Ich. es für gut finden. Mit aller Zufopferung ift immer eine Befriedigung, immer ein Sichſelbſt⸗ finden vorhanden. Dieg Moment des Selbfis, die fubjettive Freiheit muß immer dabei ſeyn. infeitig dieß genommen, fo Tonnen Konfequenzen daraus gezogen werden, die alles Heilige umſtoßen; aber ebenfo kommt es in einer edlem Moral vor, als nur eine fehn kann. Helvetius bemühte fih, durch geiſtreiche Analyſe aus der Selbſtliebe alle Tugenden zu konſtruiren; wir fehen das Intereffe der Analpfe.

Die Haupt Momente alles diefes Philofophirens find, daf der Menſch bei allem Erkennen dabei feyn müffe, indem fie al ler Autorität des Staats und der Kirche, in's Befondere dem abfiratten Gedanken, der keinen gegenwärtigen Sinn in uns hat, den Krieg machten. Das Moment der fubjektiven Freiheit,

#) Helvetius: De esprit (Cleuvres completes .T. 1I, Deux- Ponts, 1784), T. I, Discours II, Chap. 1, p. 62? 64; Chap. 2 pP: 65, 68 - 69; Chap, 4, p. 9%; Chap. 5, p. A; Chap. 8, p. 114; Chap. U, p. 36 257. a:

526 Daher ine N"

Wienſchlichreit thut ſich anf: ©) Es Hol te Raten geenz do— Eigene Selbft, ber’ Grit" des Mienfepen ſey die Duelle für di, was er refpektiren folle. PM) Das Zweite if, daß der Inhel präfent fep, dag mein Inhalt zugleich müffe tontret fepn, ein Gegemwärtiges. Diefes Konkrete wurde Vernunft genamt, welche die Edieren diefer Männer mit der gröften Begeifirm und Wärme verfochten. Der Gedanke ift zum Panter der Bil er erhoben worden, "die (freiheit der Meberzengung, des Gemit- ſens in mir. Sie haben dem Menſchen geragt: „In diefen Zeichen wirft Dir’ fiegen,“ indem fie nur dor Augen hatt, was im Zeichen des Kreuzes gelhan worden, zum Giauben, zu Recht, zur Religion gemacht worden war, enden fie fahen, die das Zeichen des Kreitzes Herabgemürbigt war. Denn ı Heim Zeithen des Kreuzes Hatte die Lüge, der Betrug‘ get, Unter dieſem Siegel fi die"Inftitutionen zu aller Niedertrik

tigkeit vertnöchert; dieß Zeichen wurde vorgeſtellt als der Jake geiff und die Mürzel alles Mebels, Sie haben im anderet Gr Malt’ die luther ſche Reformation vollbracht. Dieß Konkrete Hatte mancherlei Formen: fociale Triebe im Praktiſchen, Geſche der Natur im Theoretifchen. Es ift abfoluter Trieb, einen fen Kompaß in ſich zu finden, d. i. im Menfchengeift, immanent Für den Menſchengeiſt ift es dringend, folhen feften Punkt zu baben, wenn er einmal in ihm felbft feyn foll, wenn er in fer ner Welt wenigftens frei feyn fol,

c, Drittens ift in Betreff auf das Praktiſche noch das Be fondere zu bemerken, daf, wenn Gefühl des Rechts zum Princih gemacht wurde, konkreter praktifcher Geift, überhaupt Menſchlich keit, Glückſeligkeit, dieß Prineip, allgemein aufgefaft, zwar die Form des Gedantens hatte, ohne daß der Gedanke felbft der Inhalt ſey. Ein tonkreter Inhalt, z. B. religiöfer felbft, oder der wohlwollenden Neigungen, der Sorialität, Tann die Form des Gedankens haben; aber fo wie der Inhalt aus unferem Triebe, innerem Anſchauen grfgöpft ift, ift er nicht der Gedante.

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Zweiter Abſchnitt. Rouſſeau. 527

Nun aber kam auch dieß zum Vorſchein, daß das reine Denken als Princip aufgeſtellt wird und als Inhalt, wenn zwar wieder dieſem Inhalt die wahrhafte Form fehlte, das Bewußtſeyn ſei⸗ ner eigenthümlichen Form; denn es ward nicht erkannt, daß dieß Princip das Denken ſey. Wir ſehen es im Felde des Willens, des Praktiſchen, des Rechtlichen hervorgehen, und ſo gefaßt, daß das Innerſte des Menſchen, die Einheit ſeiner mit ſich als Grundlage aufgeſteilt und in's Bewußtſeyn gebracht wird, ſo daß der Menſch eine unendliche Stärke in ſich gewann. Es iſt dieß das, was Rouſſeau dann von Einer Seite über den Staat ſagte. Er fragte nach deſſen abſoluter Berechtigung: Was iſt die Grundlage des Staats? Das Recht der Beherrſchung und Verbindung, des Verhältniſſes der Ordnung, des Regierens und des Regiertwerdens, der Unterordnung unter Herrſchaft, faßt er auf der Einen Seite ſo auf, daß es geſchichtlich auf Gewalt, Zwang beruhe, Eroberung, Privat⸗Eigenthum u. f. f. *)

e. Zum Princip diefer Berechtigung aber macht er den freien Willen. Und ohne Rüdfiht auf das pofitive Recht . der Staaten bat er auf obige Frage geantwortet: Daß der Menſch freien Willen hat, indem „die Freiheit das Qualitative des Menſchen fey. Auf feine Freiheit Verzicht thun, heißt Ver⸗ zicht thun darauf, dag man ein, Menſch if. Nicht frei zu fehn, ift BVerzichtleiftung auf alle Pflichten und Rechte.“ #*) Der Stlave hat weder. Rechte, noch Pflichten.

ß. „Die Fundamental⸗Aufgabe ifl alfo: Eine Form der Verbindung zu finden, welde mit der ganzen: gemeinfamen Macht zugleidy die Perſon und das Eigenthum jedes Menſchen befchüge und vertheidige, und wobei jeder Einzelne, indem er fi diefee Verbindung anſchließt, nur fich felbft gehorcht, und fo

%#) Du Contrat social (Lyon, 179%), Livre I, Chapitre III, p. 8-9; Chap. IV, p. 19 11, 13 16. %%) Ibidem, Chap. IV, p. 12: Remoncer à sa liberte, c'est renoncer a sa qualit£ d’homme, aux droits de P’humanite, meme & ses devoirs.

528 Deirter heil He Peisfenie freivbleibt,-als vorher. ‚Die Auflöfung' gieöt-deeıgefelifäaflik Wertrag;‘" ®) er; fepdiefe Verbindung, jeder ſed darin mit

Der; Menfep iſt frei, dich ib ſreilich die Mengen; und fie wird-im Staate)niht nur nicht aufgegehn, fondern in: der That ext konſtituirt. Die Freiheit der Nat, die Anlage der Freiheit ift nicht die wirkliche; denn der Star erſt iſt die Verwirklichung der Freihit. . Das Mibverſtändniß über den, allgeme i nen Willen fängt: aber ‚da ‚an, daß der, Begriff der. Freiheit nicht im Sim der. zufälligen Wiltür Jedes genommen werden mu, fonden m; Sinne, des vernünftigen Willens, ‚des Willens an und fir fh. Der, allgemeine Wille iſt nicht anzuſehen als, zufammer ‚gefegt von ‚den ausdrüdlid einzelnen Willen, fo daß dieſe atie lut bleiben, ‚Wo die Minprität der Majorität gehorchen muf da iſt Leine Freiheit. Uber der. allgemeine, Wille muß der vr nünftige ſeyn, wenn man. fich auch ſeiner wicht bewußt iſt. Da Staat iſt nicht eine, ſolche Vereinigung, welche die Willkür dr Einzelnen beſchließt. Das ſchiefe Aufaffen jener Prineipien get uns nit an. Was uns angeht, ift dieß, dag dadurch als Ju halt in’s Bewußtſeyn komme, der Menſch habe in feinem Grit die (freiheit als das ſchlechthin Abfolute, der freie Wille fey der Begriff des Menſchen. Eben die Freiheit ift das Denken felbf; wer das Denken verwirft und von Freiheit fpricht, weiß nicht, was er redet. Die Einheit des Denkens mit ſich iſt die Fre heit, der freie Wille, Denken, nur als wollend, d. h. Trieb feine Subjektivität aufzuheben, Beziehung auf Dafeyn, Realir #) Du Contrat social, L. I, Chap. VI, p. 21: Trouver une forme Wassoeiation qui defende et prottge de toute la force commune la per- sonne et les biens de chaque assoeie, et par laquelle chacun s’unisant 3 tous mobeisse pourtant qu'àâ Iui-meme, et reste aussi libre quau-

paravanı? Tel est le probleme fondamental dont le contrat social donne la solution.

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Deuiſchen/ die ehrlicher·Weiſe. die Sache recht gründlich man wollten/ und an die Stelle des Witzes und der Lebhaftigteit Berttunigründe fegen wolten, mas ja Wig und ehhafikti eigertitich nicht beweifen, bekamen auf dieſe Wetſe einen fol ren Inhalt in die Hände, daß nichts langweiliger als diefe gründ: liche · Behandlung fepn Tann; fo bei EperhardriTetens t mr Ricolai, Mendelsfohn, Sulzer und dergleichen phr Wiſſenſchaften; denn die Deutſchen follten and eine ſchöne Et: teratur und Kunfl erhalten, FE Hirt —— die Teste. Dürftigkeit ded Mefthetifihen Leſſiug hatte es cn feichtes Geſchwätze genannt —:*) wie hie Galars Weis, Leffing's im Ganyen; Mit vien feige die Ichte Dürftigteit: der Poeſte verfanten. DEE" angenehunn und unangenehmen Einpfindungen waten 68, tin die '68°Herjüh Wie gig. "Won diefein PHtTofoppiren willid) eine rotes Führen, die Nicolai (giebt. = Es’ Handeit‘flch an der Darſtellung tragifchet Gegenſtände im Trauerſpiet ναα VS Moe Br 7717847277

Das Vermögen, zu den Volltommenheiten eine Zuneigung zu haben und Unvollfommenheiten zu fliehen, ift eine Realität Daher führt die Ausübung diefes Vermögens ein Vergnügen mit fih, das aber in der Natur comparative kleiner ift, alt das Misvergnügen, das aus der Betrachtung des Gegenſtande entfpringt.

I.

Selbft alsdann noch, wenn uns die Heftigteit der Leiden: ſchaft unangenehme Empfindungen verurfaht, bat die Bewe⸗ gung (was ift diefe Bewegung Anderes, als das Vermögen, Volltommenheiten zu Tieben u. f. [.?), die fie mit ſich führt, noch Annehmlichkeiten für uns. Es ift die Stärke der Be

*) Sämmtliche Schriften, B.XXIX. (Berlin u. Stettin, 1828), 8111-112.

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532 Dritter Theil: Neuere Phitofopbie.

ganz andeten Gehalt der Philo ſophie, zunãchſt / an den‘ Spin zismus wieder erinnerte‘, füt ſich demvermittelnden Erkennen, welches er als bloßen Verſtand aufaßte, den Glauben, d.i. die Hof unmittelbare Gewihheit der äuferlichen, endlichen Dinge, fo wie des Göttlichen, weldes (Glauben: des Göttlichen er- Wer minft nannte, entgegenſette = bis Kant der Philo ſophie / di im übrigen Europa nun ausgegangen war, in Deutſchland einen neuen Lebensanflog'gab. 7 nm ul my mm —— Einer Seits fehen wir gefunden Menfhenverftand, Erfah⸗ rung / Thatſachen des Bewußtſehns, anderer Seits eine Meta phyſtt die deutſche wolfiſche des trockenen/ todten Verſtandes Mendesfohn ſehen wir ich orientiren am gefümden Menfhen verſtand, ihn zur Regel machen. Mas eine Bewegung in dicſt zut gãnzlichen Ruhe amd Sicherheit getonituene» Autorität, die ſich von nichts Anderem träumen ı lieh), hineinbrachte, war der Streit Mendelsſohms mit Jacobi zuerſt darüber, ob ‚Leffing ein Spinazif'geiwefen ind dann über bie) Lehre: Spinägas ſeldſt— Esltam bet dieſer Gelegenheit zu Dage)) wiecfehr Spinoga im Allgemeinen vergeffen: und für ı meld” einen Greuel der" Spinu zismus gehalten wurde.

Uebergang zu Deutſchland. Hume und Rouſſeau find die beiden Ausgangspunkte der deutſchen Philofophie: Car tefius fest die Ausdehnung dem Denken, als dem ſchlechthin mit fih Einen, entgegen. Man giebt ihm Dualismus Schuld. Aber, wie Spinoza und Leibnit, hob er die Selbfiftändigkeit der bei» den Seiten auf, und feste ihre Einheit (Gott) als das Söchſte Gott ift als diefe Einheit zunächſt das Dritte; und er beftimmt fih weiterhin fo, dag ihm Feine Beftimmung zukomme. Wolfs Verſtand des Endlihen, überhaupt Schulmetaphyfit und verftäns dige Wiſſenſchaft, Ergehen im Beobachten der Natur, erſtarkt in feiner Gefegmäßigteit, in feinem endlihen Wiſſen, kehrt ſich gegen das Unendliche und die konkreten Beftimmungen der Relis

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Feld «des Endlichen erweitert. DienfFrage, dt dann wie Bott wieder herbeizuſchaffen if; der. früher und im Anfang’ Diefer Pe riode als das: alein- Wahre anerkannt wurde "Der" Menſch hat fid) ein Neid der Wahrheit gefhaffen, außer welchem Gott gefegtiiftz fo it es das, Rei der; endlichen Wahrheit: Die Form der Endlichteit kann hier die fubjeltive Form genamit werden; die Freiheit, Ichheit des Geiſtes, als Das Abſolute 1 tannt, iſt weſentlich fubjektin, in der That Subjektivität de Denkens. Die Vernunft if Em und Alles, das iſt zugleich Geſammtheit von Endlichen; dieſes Werhalten der Wermunft iſt endliches Wiſſen und / Wiſſen von Eudlichem, Die Frageiif, da dieß Kontrete feſtgeſetzt ift Cnicht die metaphhſiſchen Mbfirat: tionen), wie es ſich in ſich ausbilde, und dann, wir es wieder zur Objektivität komme, oder feine Subjektivität aufhebe, d.h. wie das Denken wieder ‘zu: Gott komme. ¶Dieſes haben wir in der lehien Periode zu betragen: Kant, Fichte, / Sche lling· lm 2 at age Bub Dr ar VlA ann. kun ala a Treu

el a, er ν

Dritter, Abſchnitt. Neueſte deutſche Philoſophie.

Kanliſche, ſichte'ſche und ſchelling'ſche Philoſophie. Im die: fen Philoſophien iſt die Revolution als in der Form des Ge— dankens niedergelegt und ausgefprochen, zu welcher der Gef in der letztern Zeit in Deutschland fortgefehritten iſt; ihre Folge enthält den Gang, welden das Denken genommen bat. An diefer großen Epode in der Weltgefhichte, deren innerſtes We— fen begriffen wird in der MWeltgefhichte, haben nur diefe zwei Völker Theil genommen, das deutſche und das franzöftfche Volt, fo fehr fie entgegengefegt find, oder gerade, weil fie entgegen- gefegt find. Die anderen Nationen haben keinen Theil daran ge: nommen, wohl ihre Regierungen, auch die Völker, politifch, aber

Dritter Abſchnitt. Neuefte deutſche Philoſophie. 535

nicht innerlich. In Deutſchland iſt dieß Prinzip als Gedanke, Geiſt, Begriff, in Frankreich in die Wirklichkeit hinausgeſtürmt. Was in Deutſchland von Wirklichkeit hervorgetreten, erſcheint als eine Gewaltſamkeit qußerer Umſtände und Reaktion dagegen.

Die Aufgabe der Philoſophie beſtimmt ſich dahin, die Ein⸗ heit des Denkens und Seyns, welche ihre Grundidee iſt, ſelbſt zum Gegenſtande zu machen und ſie zu begreifen, d. i. das In⸗ nerſte der Nothwendigkeit, den Begriff zu erfaſſen. Die kanti⸗ ſche Philoſophie ſtellt das Formelle der Aufgabe zunächſt auf, hat aber nur die abßtakte Abſolutheit der Vernunft im Selhſt⸗ bewußtſeyn zum Reſultate, und einer Seits eine Seichtigkeit und eine Mattheit, die im Kritiſchen und Negativen bleibt, und für etwas Pofltives ſich an Thatſachen des Bewußtſeyns und Ahnden hält, die auf den Gedanken Verzicht thut und zum Gefühl zu⸗ rüdtchtt: anderer Seits aber die fichte'ſche Philoſophie zur folge gehabt, welche das Weſen des Selbfibewußtfeuns als kon⸗ trete Ichheit fpetulativ erfaßt, aber über diefe fubjettive Form des Ubfoluten nicht hinaustommt: von welder die ſchelling'⸗ ſche Philoſophie ausgeht, fie dann hinwegwirft, und die Idee des Abfoluten, das Wahre an und für fi aufftellt.

A Jacobi.

In Verbindung mit Kant müflen wir hier vorher auch noch von Jacobi ſprechen; die jacobi'ſche Philofophie iſt mit der tantiſchen Philoſophie gleichzeitig. Das Refultat iſt dafjelbe im Ganzen, nur iſt Theils Her Ausgangspunkt, Theils der Gang ein anderer. Der äuferliche Ausgangspunkt iſt bei Jacobi mehr die franzöſiſche Philoſophie (und deutſche Metaphyſik), er wurde duch fie angeregt; Kant fing mehr von der engliſchen Geite, dem: hume'ſchen Stepticismus, an. Jacobi, in feinem negativen Berhalten (wie Kant), hat mehr das Objektive der Erkenntniß⸗ weife vor ſich gehabt und betrachtet; er erklärte die Erkenntniß ihrem Inhalt nach für unfähig, das Abfolute zu erkennen.

536 VDrlner Theil: Meuere Philsfophie- Kant betrachtet nicht den Inhalt; 'er erkannte das Erkenuen als, Fubjetiis,unb) ertlärte es daher für · unfahig / das an und fir

in Fortfegung; / Hinaugehen über die vorige Periode. ee Friedrid Heinrich Jacobi, 1743 zu "Düffeldorf gebe, wen, ſtand in bergiſchen und nahmals in baterfpen Dienfm In Genf und Paris Hat er ſich ausgebildet:' dort mit Bonnet, hier mit Diderot Umgang ’gehabt. In Düffeldorf trat erin ein öffentliches Amt (Adminiſtration derrötonomifch = finanziellen Partie). Mit der franzöſiſchen Revolution wurde er aufe Aetivität geſetzt. Als baierſcher Beamter ging’ er nach Münden, wurde dort 1804 Präfldent der Akademie der Wiſſenſchaſten welche Stelle er jedoch 4812 iniederlegte. In napoleoniſchn Zeiten wurden die Proteftanten als demagogifd) verfchrieen. Bis an's Ende feines Lebens lebte er in Paris; 1819 ſtarb er am 40, März. *) Jacobi if vom edelſten Charakter, ein tief ge bildeter Mann, der lange in Gefchäften des: Staats gelebt hat und. der fehr vertraut war mit der franzöftfhen Philofophie 1785 gab er Briefe über Spinoza heraus; fie wurden 1783 geſchrieben. Die Ausgabe hat äufere Veranlaffung; er hat nicht foftematifch, nur in Briefen philofophirt. Ein zufälliger Streit mit Mendelsfohn, der eine Lebensbefchreibung Leffing’s machen wollte, gab Weranlaffung, dag Jacobi feine Anfihten entwidelte. Jacobi lieh ihm fagen, ob es ihm befannt fey, daß „Leifing ein Spinozift geweſen.“**) Mendelsfohn wurde ungehalten, und dieß veranlafte den Briefwechſel. Und es zeigte fih im Verfolg des Streites, daß diejenigen, welche fih für Männer vom Fach hielten, für Männer vem Fach der Philofophie und vom Mo—

#) Tennemann’s Grundriss von Wendt, $.406, 8.531; Rix- ner: Handbuch der Geschichte der Philos, Band III, 8.44, S. 3175 Jacobi's IVerke, Bd. IV. Abth. 4, 8. III.

%#) Jacob?’s PVerke, B.IV,. Abth.1, 8.39 —40.

Dritter Abſchni. Friedrich Heinrich Jacobi. 537

nopol der Freundſchaft Leffing’s, wie Nicolai, Mendelsſohn u. f. f., nichts vom Spinozismus wußten; es zeigte ſich bei ihnen nicht nur Flachheit der philoſophiſchen Einſicht, fondern fogar Unwiſ⸗ fenheit. Die wolſtſche Philoſophie wurde fortgefegt, hatte ihre pedantifche Form verlaffen, tam aber darum nicht weiter. Men⸗ delsfohn hielt fi, wurde für den größten Philoſophen gehalten, und .von feinen Freunden gelobt. Seine „Morgenſtunden“ find trodene wolfifhe Bhilofophie, fo fehr diefe Herren auch heitere platonifche Form ihren ſtrohernen Abſtraktionen zu geben fi bemühten. Es handelt fi von den angenehmen und unanges nehmen Empfindungen, Vollkommenheit, was möglich feh zu denten und nicht. Die Metaphyſik iſt auf ihr Dünnfles redu⸗ cirt worden; es blieb kein feſter Faden. In dem Briefwechfel tommt ſogleich vor, wie Spinoza vergefien worden iſt. Men⸗ delsfohn zeigte Ignoranz felbft über das äußerlich Hiſtoriſche der fpinoziftifchen Bhilofophie, viel mehr noch über das Innre. *) Daß Jacobi Leffing für einen Spinoziften ausgab und die Frans zofen heraushob, diefer Ernft tam den Herren wie ein Dons nerfhlag vom blauen Himmel herunter. Sie felbfigefällig, fertig, obenauf waren ganz verwundert, daß er auch etwas wiffen wolle, und von foldem „todten Hund” wie Spinoza. **) Bei diefer Gelegenheit kam es zu Erklärungen, in denen Jacobi feine philoſophiſchen Anſichten näher entwidelte.

Diendelsfohn fland Jacobi fo gegenüber, dag Mendelsſohn auf dem Erkennen befand, in’s Denten und Begreifen unmit- telbar das Wahre und Mefen feste, und behauptete: „Was id) als wahr nicht denten Tann, macht mich als Zweifel nit uns ruhig. Eine Frage, die ich nicht begreife, kann ich auch nicht beantworten, iſt für mid fo gut als keine Frage.“ ***) Damit

%#) Jacobi’s Werke, B.IV, Abth.i, S.9. ##) Vgl. Ebendas., 5.68.

“RE, Briefe üb. d. Lehre des Spinoza (2, Ausgabe, 1789) &.85— 86 (Werke B. IV. Abth, 4, S. 140).

8110 Dei Ahell. Meuere Phiblorhie +"

trieb ‚er ſich herum. So enthält fein Beweis vom, Daſeyn Got tes eben diefe Rothwendigkeit des Denkens: Daß die Wirklichteit ſchlechthin gedacht werden müffe und ein Denkendes worausfet, ober die Möglichteit des Wirklichen im Dentenden. if, „Was kein dentendes Weſen als möglich vorfielkt, ift auch nicht mög: lich; und was von keinem dentenden Wefen als woirklichgedadt wird, kann · auch in der That nicht wirklich ſeyn.““ „Man hebe von irgend einem Etwas den Begriff eines denkenden We— ' fens auf,“ den. Begriff deffelben, „daß jenes Etwas müglih oder wirklich fep, fo iſt dieß Etwas felbft aufgehoben.“ Begrif iſt das Weſen. „Kein endliches Wefen kann die Wirklichten eines Dinges auf das Vollkommenſte als wirklich denken, amd noch weniger Tann es die Möglichteit und Wirklichkeit aller vorhandenen. Dinge einfehen:“ „„Es muß. alfo sein denken Werfen ‚oder einen Verſtand geben, der den Inbegriff alır Mögligteiten als möglich, "und den Inbegeif aller Wirklite Reiten als wirklich auf das Vollkommenſie denkt z de di # muß einen unendlichen Verſtand geben, und dieſer iſt Gott.““) Wir ſehen a) Einheit des Denkens und Seyns, A) die abſo⸗ lute Einheit als unendlichen Verſtand: jenes das Selbſtbewußl⸗ ſeyn, das nur als endliches begriffen iſt. Die Wirklichkeit, das Seyn hat feine Möglichkeit im Denken, oder feine Möglichkeit ift Denken; es ift nicht Herausgehen aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit,

Jacobi ſteht diefer Forderung des Denkens fo gegenüber, daß „das Denken nicht die Quelle der Subftanz, fondern die Subftanz die Quelle des Denkens iſt. Alfo muß vor dem Den ten etwas Nichtdentendes als das Erfie angenommen werden; Etwas, das, wenn ſchon wicht durchaus in der Wirklichkeit, doch der Vorftellung, dem Weſen, der inneren Natur nad), als das

*) Buhle: Lehrbuch d. Geschichte d. Philosophie, Th. FIll, $.386—387; Mendelssohn’s Morgenstunden (2. Ausgabe, 1786), $.293— 2%.

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Dritter Abſchnitt. Jacobi ſche Philofophie. 639 |

Vorderſte gedacht werben muß; Wienbelsfohe fagt Darüber: „Sie ſcheinen hier etwas deuten zu wollen, das kein Gedanke ift; einen Sprung in: das Leere zu than, dahin ung die Ver⸗ nunft nicht folgen kann. Sie wollen fih Etwas deuten, das vor allem Denten vorhergeht, und alſo dem allervolltommen ſen Verſtande ſelbſt nicht denkbar ſeyn kann.“*) i

1. Der Hauptgedanke Jacobi's iſt nach Einer Seite:

„Jeder Weg der Demonftration führt zum Fatalismus,”®*) .

Atheismus, Spinoziomus, #9) ſtellt Gott vor als ein Abs geleitetes, in Etmas Gegründetes; Begreifen heißt, feine Abhän⸗ gigkeit aufzeigen. . Man giebt eine Urſache an von Etwas, diefes hat wieder eine endliche. Wirkung; das iſt das vermit⸗ telte Wiffen überhaupt. Er behauptet, daß das Erkennen ſtch durchaus nur aufs Endliche beziehen kann. Des iſt im Ganzen mit dem Lantifchen Reſultat dafjelbe, daß wir nur Ers ſcheinungen erkennen; der Ausdruck Erſcheinung drüdt die ſub⸗ jettive Form aus.

Was nun Jacobis Anſtcht über das Erkennen Aenift fo hat er darüber. die Vorſtellung, daß er fagt: „Die Vernunft“ fpäter: beſtimmte er 28 anders, unterfchied Vernunft‘ und Verſtand; davon: nachher, F) und flatt der Wernunft fagt er nachher Verſtand Fr) „kann immer nur Bedingungen des Bedingten, Naturgeſetze, Mechanismus zu Tage bringen. Wir begreifen eine Sache, wenn wir fie aus ihren nächſten Ur⸗ fachen herleiten können,“ nicht. aus der entfernten, die entfern⸗ tefte ift immer Bott. Die nächſte beftimmte Urſache des Ge⸗ genftandes iſt zu erfeunen; Bott iſt die ganz allgemeine Urfec.

„Dber“ wir ertennen bie Sache, wenn wir „ihre unmittelbaren

*) Briefe über die Lehre des Spinoza, S.36— 37, 88-89 (S. 67, 412 113). i HH) Ebendafelbft, IV. Satz, ©. 225 (6. 223). Nu) Ebendaselbst, S. 223 (F. 216). T) S. Unten, $.544 und 548. Tr) Werke, B. II, 5.7 fig.: S.221, Anmerkung.

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540 Dritter Theil.» Neuere Phllofophie. ß Bedingungen der Reihe nah) einfehen.” Das iſt allerdings end» liches Erkennen; jede Bedingung iſt wieder ein Bedingtes. So begreifen wir z.B. einen) Zirkel, wenn wir ung den Medanit- der menſchliche Verſtand im Urtheilen und Schließen unterworfen iſt, feine Phyſit, feinen Mechanismus wirklich erkannt haben.— Darum haben wir von Qualitäten, als ſolchen, keine Begrift, ſondern nur Anſchauungen. Selbſt von unſerem Daſeyn haben wir nur ein Gefühl, aber keinen Begriff. Eigentliche Begrift haben wir nur-von Figur, Zahl, Lage, Bewegung und den Fer⸗ men des’ Denkens; Qualitäten ſind erkannt, begriffen, wenn fie darauf: zurüdgeführt, objektio vernichtet find.“"#) + Dieß if; nun das Erkennen überhaupt: von etwas Beſtimmtem feine Bedin- ‚gungen angeben, es als Bedingtes, von Anderem Bewirktes;nn einer Urſach Hervorgebrachtes aufzeigen. mn n Das Gefhäfte der Vernunft überhaupt: ifprogrefffve Bar knüpfung: undihe ſpekulatives Geſchäft / Verknüpfung mach ertann, ten Gefegen der Notwendigkeit, d. i des Jdentifhen. Alles, mas die Vernunft durch Fergliedern, Berknüpfen, Urtheilen, Sclie fen und Wiederbegreifen” (ihre Thätigkeit) „herausbringen kann, find lauter Dinge der Natur“ (Endlihkeiten); „und die Der nunft felbft gehört, als eingefchränttes Wefen, mit zu diefen Din- gen. Die gefammte Natur aber, der Inbegriff aller bedingten“ (endlichen) „Wefen, kann dem forfhenden Verſtande mehr nicht offenbaren, als was in ihr enthalten ift: nämlich mannigfaltiges Daſeyn, Veränderungen, Formenſpiel“ (Bedingtes), „nie einen wirklichen Anfang“ (Unfang der Welt), „mie ein veelles Princip irgend eines objektiven Daſeyns.“ Erkennen ifl: beftimmte Be: dingung einfehen; diefe ift wieder endlih.— Zweitens: „Ver fieht man unter Vernunft das Princip der Erkenntniß über

*) Briefe über die Lehre des Spinoza, Beilage VIL, S. 419 4%, und Anmertung (Zerke, B. IV, Abth.2, 8. 449—150).

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und durch: Wegeiffe nit andere Weiſe von uns angenommen; werden⸗/ nals es lung gege⸗ ben iſt, nãmlich als Thatſache. Es iſt!“ iſt dieß Unven mittelte Und dieſes Uebernatürliche,“ Unendliche, dieſes We fen) aller Weſen,“ was mo —— alle ' Sungen: Der Gone hy nr as - Oas Unbedingte hat alſo Leite ——— * nicht em kannt werden/ iſt nur als Thatſache für uns, auf unmittelbar, nicht vermittelte Weife. —Der Unterfehied: von der jacobr⸗ fen und kantiſchen Anſicht iſt der, daß bei’ Kant Die Kategorim nichts taugen, das Erkennen mr Erkennen der Erſcheinung il, nicht deſſen, was iſt; und dieß geſchieht, weil die Kategorien mır ſubjektiv find, nicht weilofte beſchränkt, endlich find: ſondern die

*) Btiefe über die Lehre des Spinoza, S. 123— 427 (8.152 150)

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Dritter Abſchnitt. Jacobi'ſche Philofophie. 543

Hauptfache ift immer, daß fie ſubjektiv find. Bei Jacobi iſt dagegen dieß die Hauptſache, Daß die Kategorien nicht nur ſub⸗ jettiv find, fondern daß fle find Bedingungen und bedingte Be⸗ dingungen; und Begreifen beißt, den Zufammenhang dur Ka⸗ tegorien feben, d. b. durch bedingte Bedingungen. Dieß iſt eim wefentlicher Unterſchied; aber im Refultat kommen Belde überetn.

2. Alfo nad dem zweiten Hauptfase kann das Ue⸗ bernatürliche ur als Thatſache ausgefptochen werden; es ift, alle Zungen nennen es Bott.” Das unmittelbare Wifſen bat nun Jarobi Blauben genannt: *%) Er geht inis Selbſt-· bewußtfeyn zurüd, wie finden bei ihm das Deuken in feiner ſubjektiden Haltung. - Gott, das Mbfolute, Unbedingte kann nicht berotefen werden. Denn Beweifen, Begreifeit, heißt, Bedin⸗ gungen für etwas erfinden, es aus Bedingungen ableiten; aber ein abgeleiteies Abſolutes, Gott u. f. f. wäre ſo nicht ein Ab⸗ folutes, nicht ein Unbedingtes, nit Bott. **)- Nun ift in uns ferem Bewußtſryn Bewußtſehyn von Gott, und dieß iſt ſo bes ſchaffen, daß mit: dem Gedanken von Gott unmittelbar ver⸗ knũpft if, baß et iſt. Und dieß Wiſſen kann, nach Jacobi, krin Bewiefenes ſeyn; es iſt ſo ein licht in umſerem: Wiſſen vermit⸗ teltes / ſouern ein unnlittelbates Wiſſen, an: dieß Tann man appelliren im Menſchen. Det Menſch geht ih ‚feier Votſtel kung, Teineib-Benten über⸗das Natürliche, Endliche, hinaus, geht fort zu einem Uebernatütkichen, Ueberſinunlichenund daß dieß iſt, iſt hun fo gewiß, als et ſelbſt. Die Gewißhelt, daß es iſt, iſt wentiſch mit ſeinem Selbſtbewußtſeyn; ſo tzewiß ich bin, fo gewiß iſt Bott.) Dieß üunmittelbare Wiffen von Bott iſt hier der Punkt, der in der: jacobiſchen Philoſophie feſtgeſett iſt; Jacobi nennt dieß nun auch Glauben. Kant's und Yacobi’s Glauben find verfihieden. bl Kant iſt es Ale Polmlat der

x) Werke, BI, 834. KR) Ebendaselbst, B. III, S. 7. HR) Ebendaselbst, 5.3 .

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und man nennt Bieksaudı DOffenbarungs aben-in. einem am deren Sinn, als Offenbarung in theologiſcher Bedeutung. , Die Dffenbarung ‚als, ummittelbares Willen -ift in uns ſelbſt, wäh

gern aufgenommen. und ‚verbreitet. Und man findet: überall nichts, als die jacobi'ſchen Gedanken, wobei denn ‚das unmittel bare Wiffen dem philoſophiſchen Erkennen, dev Vernunft entge⸗ gengefegt wird; und dann ſprechen fie über Vernunft, Philoſe⸗ phie u. ſ. f, wie. der Blinde, von, ‚der, Farbe. Man, giebt zwar zu, daf Einer keinen Schuh machen könne, wenn er nicht Schub macher iſt, obgleich, er das Maf, den Fuß, hat, und aud die Hände: Hingegen von ‚der Philofophie hat das. unmittelbar Wiſſen die Meinung, daf jeder, wie er gebt und ſteht, ein Phir loſoph ift, abſprechen könne, wie er wolle, Beſcheid wiffe in dır Philoſophie.

Unter Vernunft verſteht man einer Seits vermittelte Er tenntniß: und anderer Seits gerade die intellectuelle Anſchauung

#) Vergl, Werke, B. Il, 8.277.

unmittelbares Wiſſen iſt die Beſtimmung, man mag « nun Glauben, Wiffen uf, heißen. Dieß iſt das Erſit Fragen wir nach dem Juhalt, fo wird gewußt Gott und daß a iſt· Dieß unmittelbare Wiffen gehört jedem. Individunm an; es ift das Individuelle, das der Gewißheit eines Jeden als folk hen angehört. Und Gott iſt hier genommen in der Beftimmung eines Geiftigenv überhaupt, nach der. Beſtimmung der. Matt, Weisheit u. ff. Das ganz allgemeine, Wiſſen nennen wir Denken, das befondere nennen wir Anſchauung; und das Hin einbringen’ der äußerlichen Beflimmungen nennen wir Verſtam. Das Allgemeine im Menſchen ift das Denten, 3. B. das rel giöfe Gefühl; das Thier hat es nicht, es iſt ein menfchlihe

) S. Oben, 8.508.

Dritter Abſchnu. Jacobl'ſche Ybilofophie. 647

Gefühl: und fofern es religios ift, iſt es als Gefühl eines Denken⸗ den, und die Beflimmung des Gefühle nit Befimmung eines natürlichen Zriebes u. f. f., fondern Beflimmung des Dentens, Bott ift alſo das Allgemeine abfiratt genommen, und er ift ganz abftratt, ſelbſt in feiner PDerfönlichkeit die abſolut altgemeine Derfönlichkeit. Weſentlich iſt vor Yugen zu haben, daß das, was in dem unmittelbaren. Wiſſen geoffenbart wird, das Allges meine if. ber das unmittelbare. Willen ifk das natürlide, das finnlihe Wiſſen; und wenn der Menſch dazu gekammen ifl, von Gott zu wiſſen als nur Gegenſtand des Geiſtes, ſo iſt dieß Reſultat vermittelt durch Lehre, durch lang fortgeſetzte Bildung. Die Aegypter haben ebenſo unmittelbar gewußt, daß Bott ein Dchfe, eine Kage if; und die Indier wiffen noch jeht mehr der⸗ gleihen. Es if fo. ein. Mangel der einfachen Reflexion, nicht zu wiffen, daf das Allgemeine. nicht im unmittelbaren Wifien ift, fondern eine fyolge iſt der Bildung, der. Erziehung, der Of⸗ fenbarnng des Dienfchengefhledhte. Wenn mar das unmit- telbare Wiſſen gelten läßt, fo bat es Jeder nur mit fi zu thun; Alles if dann gerehtfertigt. Diefer weiß dieß, Jener jenes; Als lea iſt gebilligt, das. Schlechteſte, Irreligisfefe u. £ f£e Das Unmittelbare il das Natürliche; und’ zu willen von Gott ale ei⸗ nem Geifligen, ift daher vejenich et Refeltn von Bermittes tung, Lehre.

Zweitens wird nun das umnittelbare Wie dem ver⸗ mittelten Wiſſen entgegengeſehzt; und da kommt es denn auf den Gegenfag von Unmittelbarfeit und. Dlittelbarleit an. - „Wir bes ftanden auf ber Aunahme zweier. verſchiedener Wahrnehmungs⸗ vermögen im Menſchen: eines Wahrneh mieagevermögens durch fichtbare und greifbare, mithin körperliche Wahrnehmungewerk⸗ zeuge; und” dann „eines anderen, durch ein unſichtbares, dem äußern Sinne auf keine Weiſe fich darſtellendes Organ, deſ⸗ fen Dafeyn uns allein Fund wird durh Gefühle Diefes Organ, ein geifliges Auge für geiflige Gegenflände, iſt von den

. 35 *

Indhalt beflimmt in ſich, als konkret gefokt werde, Bei dem unmittelbaren Wiſſen iſt es der Fall; daf vn Gott nur das gewußt wird, daf er Gott ifl. Sollte es Beim

mungen geben von Gott, fo müßten fie, nad Jacobi, als it

Endliches gefaßt werden; ihr Erkennen wäre wieder Fortgang

von Endlihem zu Endlihem. Es bleibt alfo nur die unbe

flimmte Vorftellung von Gott, ein „Weber mir,“ beflim:

mungslofes Ienfeits. So ift das daffelbe Refultat, als die Auf

Härung, das höchſte Wefen, wie bei der franzöftfchen Phi

loſophie. Es ift dieß das Refultat der Aufklärung (wie bi

Kant), nur noch mit der Meinung, als ob diefe Leerheit di

böchfte Philofophie wäre. Dief find fehr dürftige Beſtimmungen. Wenn die Beftin-

>) Werfe, B. 1, S. 74. »*) Ehendafelbit, ©. 76,

>

Lebendigkeit if Proceß in fi, iſt vermittelt; ‘aim for mehr. mod

geiſtige Lebendigkeit; "und fie iſt dieß, von Einem zum Ans dern überzugehen, vom bloß Natütlichen, Stunlihen zum Gri-

ſtes, daß er im ſich bei ſich iſt, anerkannt iſt, daß er in fh dief Bewußtſeyn hat. Dieß ift aber nur abfirakt; denn das Weiter iſt, daf das Princip der Freigeit wirder zur reinen Objektivität » tommt, daß nicht Alles, was mir einfällt, in mir auffteigt darum, weil es in mie geoffenbart wird, wahr ift: fondern daf es gereinigt wird, amd feine wahrhafte Objektivität erhält. Dieit erhält es nur durch den. Gedanken, der das Befondere, Zufäligt abfireift, cine Objektivität, die von der bloßen Subjektiviit unabhängig und am und für ſich ift, jo daß das Princip der Freiheit des Geiftes vefpektirt wird. Der eigene Geift muf ihn Zeugnif geben, daß Gott der Geift if. Der Geift muß dem Gifte Zeugnif geben, der Juhalt muß der wahrhafte feyn; ab dieß Lonftatirt fih nicht daducd), daf es mir geoffenbart, ver fihert wird, Dieß ift der Standpunkt; und wir haben: fo dat

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Driner. Abfchuite "Immanuel Kant. 551

Mangelhafte defielben und das Broße des + Peine: das darin liegt, aeiehen. ee ag

BD Bent.

. Die afipeinang ber tantifchen- Diode iſt lieicheitig; fie iſt ausführlicher. zu betrachten. : ..:ı -.

Kant kehrt zum Standpunkt des.’ Sokrates wrie;, zum Denten, aber mit der. unendlidjen :Beflimmung zum Konkreten, mit: der :Regel der Volkommenheit. Carteflus feste die Gewiß⸗ heit. als Einheit:drs Denkens‘ und. Seyne: Jetzt haben wir. das Bewußtfeyn bes Deutens in feiner Subjektivität: d. i. a) als Beſtimmtheit gegeit die. Objelrinitätz. P) als Endlichkeit, Kort- gehen an endlichen Beſtimmungen. Wir fehen. die Freiheit des Subjekts, wie bei Sökrates und den Stoikern; aber die Auf⸗ gabe in Anfehung des Inhalits iſt höher geſtellt. Es wird ges fordert die Erfülludg: nit der Idee der Vollkommenheit, d. i. daß der Inhalt ſelbſt fey. bie Einheit des Begriffs und der Realität.

. Das abſtrakte Denten,.. die eigene:-Weberzeugung, iſt das Feſte, feine Erfüllung die Crfahrung, das Mittel ber Erfahrung das formelle Denten und Schlieffen. Bei Jacobi kommt: a) dieß Deuten, die Demonflration, wicht. über das Endliche, Bebingte hinaus; A) auch wenn der. Segenſtand Gott, ber metaphufifche, ift, fo ift die Demonſtration vielmehr dich, ihn bedingt, endlich zu machen; Y) das Unbedingte, was denn dad, gewiß, das Ab⸗ folute ift nur im Glauben, in der unmittelbaren Gewißheit, ein ſubjektiv Feſtes, aber Unerkennbares, d. h. Unbeſtimmtes, Unbeſtimmbares, ſomit Unfruchtbares In der kantiſchen Philoſophie iſt dieß Denken als emtfcheidend aufzufaſſen. Im Endlichen, im Zuſammenhange mit demſelben erhebt fi ein abs foluter Standpunkt, der das Mittelglied if, das Berbindende des Endliden und zum Unendlichen Emporführende if. Beide bleiben Philofophien der Subjektivität. Gott ifl bei Kant u) in der Erfahrung nicht zu finden: weder in der Außeren, wie

* Lalande ſagte, er habe am ganzen Simmel geſucht, und ihn ich gefunden; noch it der Inneren, die: Vehſtiter Chir:

mer können allerhand. Be nenn das Unendliche, erfahren.:' A) Raht fhlieft auf Gott: er-ifein Sopotheſe zur Erklänungy)— das: Poflulatı der prattuſchen Ver⸗ mnft iſt daffelbe;*) je mai pasıeu besoin;de-ettöihypothise,

aber er ſoll nicht erkannt‘ fepr. —8 iſt Thatfache meines Br wußtſeyns, daß er außer meinem Bewußtſeyn ſelbſtſtändig if; dieſes iſt aber ſelbſt durch mein Bewußtſeyn geſetzt, die ſubjektive Seite iſt alſo bei Jacobi Hauptmoment. Daß das Denken kon kret ſey, hat Jacobi mehr auf der Seite gelaſſen. Indem dus Denken fubjektiv iſt, ſo wird ihm die Fähigkeit abgefproden, das Anundfürfichfeyende zu erkennen.

Das Mahrhafte der kantiſchen Philoſophie ift, dag dus Denten als konkret in ſich, ſich felbft befiimmend aufgefaft if; fo ift die Freiheit anerkannt. Rouſſeau hat fo in der frei heit fhon das Abfolute aufgeftellt: Kant hat dafjelbe Princiy aufgeftellt, nur mehr nad) theoretifcher Seite; Frankreich fait dief nad der Seite des Willens auf. Die Franzofen fagen:

,®) Kriäk d.prakt. Vernunft (4. Aufl, Biga A797), 5.26 2.

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in / dat ·Bewußtſeyn und Schofiberwuftfehn hinein, aber hält es anf dieſem · Standpunkte als fubjettives und endliches Erkennen feſt. Und wenn ſie ſchon den Begtiff und die unendliche Ider berührt, feine formellen Beſtimmungen ausſpricht und zur. konz Treten Forderung derfelben kommt: ſo verwirft fie diefelbe wie: der als das Wahre, macht fie zu einem bloß Subjektiven, weil ſie einmal das endliche Erkennen als den firen, legten Stand» punkt angenommen hat, Diefe Philofophie hat der Verſtandes⸗ metaphyfit, als einem objektiven Dogmatismus, ein Ende ge- mad, in der That aber diefelbe nur in einen fubjettiven Dog- matismus, d. i. in ein Bewußtſeyn, in welchem diefelben end» lichen Verftandesbeftimmungen beftehen, überfegt, und die Frage nad) dem, was an und für fh wahr if, aufgegeben,

Wir wollen dem Gange Kants folgen. Die kantiſcht Philoſophie hat unmittelbare Beziehung auf das, was oben von

Dritter Abſchain. Kantiſche Philoſophie. 555

Hume angeführt iſt. ) Der ‚allgemeine Sinn.: ver : Bantifchen Nhilofophie ift der, daß ſich folde Beſtimmungen, wie die Nils gemeinheit und NRothivendigkeit, nicht in der. Wahrnehmung fin- den, wie Hume gezeigt hat; ſte haben alſo eine andere Quelle, als das Wahrnehmen, und dieſe Quelle J das Subjett, Ich in meinem Selbſtbewußtſehn. *2) Dieß iſt der Hauptſat der: rantiſchen Phile ſophie. wird auch kritiſche Philoſophie genannt, indem ihr zu⸗ nächſt iſt, ſagt Kant, eine Kritik des Erkenntnißvermögens zu ſeyn. 4) Bor dem Erkennen muß man das Erkenntnißver⸗ mögen unterfuchen. 7) Das ift dem Menſchenverſtand plaufls bei, ein Fund für den gefunden Menfchenverſtand. Das Err kennen wird worgeftellt .als ein Inſtrument, die Art und Weiſe, wie wir und der Wahrheit bemächtigen wollen; che man alſo an die Wahrheit felb gehen Sonne, müfle man zuerſt die Ratur, die Art feines. Inſtruments erfeunen. Es iſt thätkg; man müſſe fehen, ob dieß fähig fey, das zu leiflen, was gefordert wird,. den Begenftand zu. patken; man muf wiflen, was es an bem Gegenftand ändert, um dieſe Aenderungen nicht mit den Beſtim⸗ mungen des Gegenflandes ſelbſt zu verwechfeln. IF) Es ift, als ob man mit Spießen und Stangen auf die Wahrheit losgehen fönnte. Vor der. Wahrheit erkennt das Erkennen nichts Wah⸗ tes; es geht ihm dann wie den Juden, der Geil geht ‚mitten hindurch. Das Erkenntnifvermögen unterfuhen heißt: Es et⸗ kennen. Die Forderung ift alfo diefe: Man foll das Erkenntniß⸗ vermögen ertennen, ehe man ertennt; es ift daffelbe wie mit dem Schwimmen» Wollen, che man in’s Wafler geht. : Die Unters ſuchung des Erkenntnißvermögens iſt felbft ertennend, Tann nicht #) S. Oben, S. 495 fie. |

##) Kritik der reinen Vernunft (Sechste Aufl., Lisipzig 1518),

Feae) Ebendaselbn, Vorrede, 8. XVII AIR

+) Ebendaselbst, S.5—8. Tr) Ebendaselbst, S.1.

Snpaltserhalten folte, fo iſt Fries und Andere wieder. Glüdie- Tigteitslchter,iten‘fih freilich? es for zu heißen: "Wir fehen einer Seits -gefunden Menfchenverftand, Erfahrung, Thatfachen des Bewuftfegns: Anderer Seits ift aber auch noch wolfiſches Metaphuficiren im Schwange gewefen, wie z.B. bei Diendelsfohn. Dieß Metaphyſiciren hat ſich unterfehieden gehalten von dem bloß empiriſchen Verfahren ; aber feine Hauptthätigkeit hat darin beftanden, den Gedantenbeftimmungen, wie z. B. Möglichkeit, Wirklichkeit, Bott u. f. f. Verftandesbefiimmungen zum Grunde zu legen, und damit zu raifonniren. Gegen Beides ift zunädft kantiſche Philofophie gerichtet. (Hume geht gegen die Allgemein- beit und Nothiwendigkeit jener Beftimmungen: Jacobi gegen die Endlichkeit derfelben: Kant gegen die Objektivität derfelben, ob⸗ zwar fie objektiv find im Sinne des.Allgemeingültigen und Noth- wendigen.) Der Hauptfag derfelben iſt der einfache, der ſchon angeführt ift. Erſchwert wird ihr Studium dur die Breite,

daß fie nicht in der Erfahrung ſind. Da iſt nun Raum und Zeit das Verbindende; fie ſind alſo a priori,'d. h. im Selbſt bewuftfegn. Das iſt die große Seite dieſer Philoſophie. Kant zeigt dieß auf, daf das Denken: in ſich konktet ſey, ſynthetiſche Urtheile a priori babe, die nicht aus der Wahrnehmung ger ſchöpft werden. Die Idee, die darin liegt, iſt groß; aber die Ausführung felbft bleibt innerhalb ganz gemeiner, roher, empi⸗ riſcher Anfichten, und kann ‚auf nichts weniger Aufpruch machen, als auf MWiffenfhaftlichkeit. And anderen Theils erhält die wir: der einen ‚ganz gemeinen Sinn. Es ift Mangel an philoſophi⸗ ſcher Abſtraktion in der Darftellung, in gemeinfter Weiſe geſpro⸗ chen. Von der barbariſchen Terminologie nicht zu ſprechen, bleibt

*) Kritik d. reinen Vernunft, 8.8—9, 75-77. ##) Ebendaselbst, S.15.

J ⸗—

Dritteg Abſchniu. :-Kantifhe-Philsfophie. 659

Kant: innerhalb der pinhologifhen ana und pie Mas nier eingefihloffen. . . ;

Kant nennt nun feine Phulbſophi⸗ decheb Trauscenden— tal⸗Yhiloſophie (dieſe Ausdrüde find barbariſch), d. h. ein Syſtem der Principien der reinen Vernunft d. h. der Princi⸗ pien, die das Allgemeine und Nothwendige in dem. ſelbſtbewuß⸗ ten: Berftande aufzeigen, ohne. fih mit Gegenfländen zu beſchäf⸗ tigen, ) noch zu unterfuchen, wos Allgemeinheit und Nothwen⸗ digkeit ‚fep;. dieß wäre transcendent Trauscendent und transcendentaf. ift zu unterfcheiden. Die transcendente Mathe⸗ matik iſt die, in der die Beſtimmung des Unendlihen vornehm⸗ lich gebraucht wird. In dieſer Sphäre der Mathematik ſagt man z. B., der. Kreis beſteht aus unendlich vielen ‚geraden Li⸗ nien; die Peripherie. wird vorgeflellt :als gerade, und indem -fo das Krumme als Berades vorgeſtellt wird, fo geht ;hief über Die gteometrifche Beftisunung ‚hinaus; it fo. transcendent. Die Zranscendental= Philoſophie beſuwent Kant fo, Daß es nicht‘ eine Dhilofophie ſey, Die mit Karegerienhinausgeht, über ihre Sphäre, fondern die die. Quellen aufzeigt von dem, was traxstendent wer⸗ den kann; es bezieht ſich dieſer Ausdrnd nur. auf. die Quellen folcher Beflimmangen, und dieß ift das Bewußtſeyn. Transcen⸗ dent würde Das Denten ſehn, wenn dieſe Beſtimmungen von Allgemeinheit, Urſach und Wirkung vom Objekt ausgeſagt würr den; man würde vom Subjektiven im ein Anderes Aranscendi⸗ ren. Dazu find: wir dent Reſultat nach wicht berechtigt, aber ſchon im Anfange nicht, da wir. das Deuten. nur innechalb feir ner betrachten. Wir wollen alſo nit die Bekimmusigen in:ihr rem objektiven Sinne betrachten, ſondern, infofern has. Denken die Quelle ſolcher ſputhetiſchen: Bezichungen:Aflz.. das: Trantcen⸗ dentale beſteht darin, im ſubjektiven Denken ſolche Beſtimmun⸗ gen aufzuzeigen. Das Rothwendige und Allgemeine erhält hier

*y Kritik d. reinen Vermili, 5. ' Sn aA

Fprüchergerätg Im Praktiſchen nur iſt · die Vernunft: konſtitu⸗ tiv, Die Kritit der Vernunft iſt eben dieß, nicht die Gegen fände zu erkennen, ſondern die Erkenntnif, und die Principin derfelben, (ihre Grenze und Umfang, daß fie nicht überfliegend | wird. ***) Dief ift das Allgemeine, das wir num in feinen einzelnen Theilen näher betrachten wollen.

Näher nimmt Kant den Weg, daf er 1) die theoretifche Vers nunft betrachtet, die Erkenntniß, die fh auf äußere Gegenfländ bezieht. Er unterfuht 2) den Willen als Selbſtoerwirklichung: 3) die Urtheilstraft, die eigentliche Betrachtung der Einheit dis Allgemeinen und der Einzelnheitz wie weit fie es da bringt,

%) Kritik reinen Vernunft, S. 205 206 ##) Ebendaselbst, 8.107. . ###) Ebendaselbst, $.497—498; Kritik d. prakt. Vernunft, S.254; Kritik d, Urtheilskraft (3. Aufl. Berlin, 1799), Vorrede, S.V.

ee ana der Sinnlicteitzofle.gehören. aud) niht det Empfindung an als folder; Anfofeit fe, unmittelbar befimnt if IA habe diele ober jene Einpfinbung) Es iſt immit eine einzelne; das Allgemeine, der Raum und die Zeit, gehören.der Sinnlicteit\a priori ai, Dieſe Beurtheilung nennt er mun cendendale Hefipetit- Jebt Heißt Attnhetit. die Kenn: niß des Schönen, Hier. if es die; Lehre, von der Auſchaumq nad dem was; das Algeineine in der Auſchauung if, do he mas im Subjekt als ſolchen liegt, ihm zukommt, d, h. Raum und meine. Empfindung; Anſchauung iſt, daf Hartes empfinde, das Harte hinauslege im den Raum. Beaver am Teilung von. Subjetllsiät und Objektivität; Im "Raum in der Inhalt, auler einander und: aufer mir; esci-di Tyätigteit, das Thun der apriorifhen Sinnlichteit, den Inhalt hinauszuwerfen. Dieß iſt der Raum: oder die Zeit, fobald-w Kin Borbergepees iM) Da Roum i kein empiiſchet Begriff, der won. Cefahtungen nögejogen worden. Daß nun Naum um) Zeit keine empiriſche Begriffe ſind, in ſolchen barbariſchen Formen ſpricht Kant beſtändig; Begriff iſt nichts Empiriſches) „Denn damit id meine Empfindungen auf etwas außer mir beziehe, fege ich den Raum voraus. Daß etwas Aeuferlihes im verfchiedenem Drte oder Zeit vorgefiellt werde, muß die Vor: ftellung des Raumes und der Zeit ſchon vorhergegangen ſeyn; oder fie kann nicht von der äußeren Erfahrung abgeborgt fein, fondern die äußere Erfahrung ift erſt durch diefe vorausgefeste Vorſtellung möglich.“ D. h. Zeit und Raum find das Allge meine der finnlihen Erfahrung; fie find Anſchauungen, aber a priori. Die Erfüllung ift ohnehin fubjettiv, gehört dem Ge fühle an. Das, was als das Objektive erſcheinen kann, Raum

#) Kritik d. reinen Vernunft, S.3— 2.

| Dritter Abſchnitt. Kantiſche Philofephie. 563 und Seit, ift nichts Empirifches, fondern das Bewußtfehn hat vorher in ihm ſelbſt Raum und Zeit; fle erfi machen es mög⸗ lich, daß Partitulares, die Erfüllung, in fle gefegt wird. „2). Der Kaum ift eine nothwendige Vorflelung, die allen äußeren An⸗ fhauungen zum Grunde liegt. Raum und Zeit ift eine Vorftellung a priori, weil man ſich die Dinge nicht vorſtellen kann ohne Raum und Zeitz fie liegen nothwendig den äußeren Erfehginun- gen zum Grunde.” Als a priori find fie allgemein und nothwen⸗ dig; nämlich fo finden wir es. Aber daß fle vorher müffen da feyn, als Borftellungen zum Grunde liegen, folgt nit. Zum Grunde liegen fie wohl, aber ebenfo als ein äuferliches Allge⸗ meines. Es ift die Sache fo vorgefiellt: Es find da draußen Dinge an fi, aber ohne Zeit und Raum; nun kommt das Bewußt⸗ fehn, und hat vorher Zeit und Raum in ihm, als die Möglich feit der Erfahrung, fo wie, um zu efien, es Mund und Zähne u.f.w. bat, als Bedingungen des Efiens. Die Dinge, die gegeffen werden, haben den Mund und die Zähne nicht, und wie es ben Dingen das Effen anthut, fo thut es ihnen Raum und ‚Zeit an; wie es die Dinge zwiſchen Diund und Zähne legt, ſo in Raum und Zeit. ,„3) Raum und Zeit iſt Fein allgemei- ner” (abftratter) „Begriff von Verhältniſſen der Dinge, fondern eine Anfhauung Denn man kann fich den Raum nur als eis nen einigen vorfiellen; er hat nicht Beſtandtheile.“ Der abs firafte Begriff (die allgemeine Vorſtellung) aber, 3. B. Baum, in feiner Wirklichkeit ift eine Dienge einzelner getrennter-Bäume. Räume aber find nicht foldye befondere, oder auch nicht heile]; fondern es bleibt Eine Kontinuität. Er ift daher eine unmit- telbare, einfadhe Einheit oder Kontinuität. Sie find Abſtrakta. Die Anſchauung, Wahrnehmung hat immer nur etwas Einzel: nes vor fih; der Raum, die Zeit find aber immer nur Eines, darum find fie a priori. Ebenſo giebt es aber auch nur Ein Blau, Raum und Zeit find Feine Bedankenbeflimmungen, befonders, wenn man feine Gedanken dabei hat. Raum und Zeit 36 %*

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5. Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

Find nichts Einzelnes, fondern Allgemeines, Abftraktes, dieß die Natur des Raums und der Zeit: aber ein Begriff, ſobald man einen Begriff davon hat. „4) Der Raum ift 'eine unendliche Menge, nicht Begriff, der wohl unter fich, aber nicht im fich- eine unendliche Menge von Vorſtellungen enthält. Er —— eine Anjhauung.4*)

Die transeendentale Erörterung fagt noch daß dieſe Vorſiellung von Raum und Seit ſynthetiſche Sat a priori enthalte, die mit dem Bewußtſeyn ihrer Nothwendig⸗ teit ‚verbunden find. Solche ſyuthetiſcht Säge find 3. B., daf der Raum drei Abmeffungen Habe;**) oder die Definition der geraden: Linie," daf fie der kürzeſte Weg zwiſchen zwei Punkten fen: ebenfo 5712, #**) (Diefes Lebte ift ſeht analytiſch ebenfo das Andere.) Dief ift erſtens nicht aus der ‚Erfahrung, beffer: nicht eime einzelne zufällige Wahrnehmung; dief it richtig, ſie iſt allgemein und nothwendig. Zweitens its aus der Anſchauung, wir haben es eben in der Anfchaung, nicht: durch den Verſtand oder Begriff. Dieß faßt Kant aber nicht zuſammen. Es iſt eben in der Anfhauung unmittelbar gewif. Wir haben manderlei Empfindungen, die „den ei⸗ gentlihen Stoff ausmachen,“ mit denen wir äußerlich und ins nerlich „unfer Gemüth bejegen:“ und das Gemüth hat „eine formale Bedingung der Art“ in ihm felbit, „wie wie fie im Gemüthe fegen;” dieß if Raum und Zeit.) Wie nun das Gemüth dazu fommt, gerade diefe Formen zu haben, was die Natur der Zeit und des Raums ift, darüber fällt es der tan tiſchen Philofophie gar nicht ein zu fragen. Was find Raum und Zeit an fih, heißt nicht: Mas ift ihr Begriff; fondern: Sind fie Dinge äuferli, oder Etwas im Gemüth?

%) Kritik d. reinen Vernunft, $.29—3%, 4—36. ##) Ebendaselbst, 5.30 —31, 41. «##) Ebendaselbst, 5.13, 12, 150. D Ebendaſelbſt, S. 49.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philoſophie. 565

b. Das zweite Vermögen, wie das erſte Sinnlichkeit über» haupt ift, ift der Verfiand; diefer ift nun etwas ganz Anderes, als die Sinnlichkeit. Er zählt das her, wie in der empirifchen Pſychologie; die Darfiellung einer NRothwendigteit eines ſolchen Kortgangs fehlt. Die Sinnlichkeit ift Receptivität. Den Ver⸗ ftand nennt Kant die Spontaneität des Denkens; dieſer Ausdruck tommt aus der leibnisifchen Dhilofophie her. Der Berftand ift- thätiges Denten, Ich felbft; er „ift das Vermögen, den Gegen- fland finnliher Anſchauung zu denken.” Er bat aber nur Ges danken ohne Anhalt: „Gedanken ohne Inhalt find leer, Anus fhauungen ohne Begriffe find blind.” Der Verſtand bekommt von der Sinnlichkeit alfo den Stoff, fowohl den empirifhen als den apriorifhen, Zeit und Raum; und er denkt dieſen Stoff, aber feine Gedanken find etwas ganz Anderes, als diefer Stoff. Dder er ifl.cin Vermögen von einer befonderen Art; und nur wenn Beides geſchehen, die Sinnlichkeit Stoff geliefert, der Ver⸗ ſtand ſeine Gedanken damit verbunden hat, ſo kommt die Er⸗ kenntniß heraus. *)

Die Logik nun als transcendentale Logik fiellt ebenfo die Begriffe auf, welde der Verſtand a priori an ihm felbft hat, und „wodurd er die Gegenftände vollig a priori denkt.” **) Der Berfiand bat Gedanken, aber als Verfland hat er einge» ſchränkte Gedanken, Gedanken des Endlihen. Die Gedanken haben ‚die Form, das Miannigfaltige zu einer Einheit zu brin⸗ gen. Diefe Einheit bin Ic, die Apperception des Selbſt⸗ bewußtſeyns. Ich fol „begleiten“; das ift eine barbarifche Expo⸗ fition. Selbſtbewußtſeyn bin ich, das ganz lecre, abſtrakte Ich, und dann das Appercipiren; dieß ift das Beflimmen überhaupt. Yercipiven heißt mehr Empfinden, Vorſtellen; Appercipiren ifl mehr die Thätigkeit, wodurch etwas in mein Bewußtſeyn ges fegt wird. Ich bin das ganz Allgemeine, völlig Beflimmungss

%#) Kritik d. reinen Vernunft, 5.54 —55. ##) Ebendaselbs, 5.59. .

©

bewußtſehns iſt die (hnthefirende Funktion. Das Faffende iſt Ich was ich berühre, muß ſich einzwängen: laffen in dieſt Formen der Einheit, *)

Es giebt nun verſchiedene Weiſen dieſer Einfachheit. Die Beziehungen beſtimmen ſich näher; und die beſtimmten Ar ten dieſes Syntheſitens ſind die Kategorien, allgemeinen Dentbeftimmungen. Es find, nach Kant, zwölf Grund » Kategos rien, die in vier Klaſſen zerfallen; und es ift merkwürdig und ein Verdienft, daß jede Gattung wieder eine Dreiheit ausmacht Die Triplicität, diefe alte form der Pythagorcer, Neuplatoniter und der chrifilihen Religion, tommt bier, wiewohl ganz äufer: lid), wieder hervor. 4) Die erſte Art find die Kategorien der Dnantität: Einheit, Vielheit und Allheit. Vielheit it Negation des Einen, die Differenz ift die Vielheit; und das

) Kritik d. reinen Vernunft, 8.97—103.

Dritter Abſchnitt. Kantiſche Philofopbie, 687

Dritte, das Ineinsſetzen der zwei erfien; die Vielheit als goſchloſ⸗ fen, ifl.die Allheit. Die Allheit iſt Die Vielheit als Eins "ger fest: Wieles iſt unbeflimmt, als Eins zuſammengefaßt, iſt es Allheit; Allheit ift umſchloſſene Vielheit. 27 Die, zweite Art find die Kategorien ber Qualität: Realität, Negation, Limi— tation.. :Die Grenze ift ebeufo: Reales, Bofltives, aber ebenſo Negation u. ſ. w. 3) Die dritte. Art find die Kategorien der Rer lation, des Verhältnifits: Subflantialitäts - Verhältuig,. Subs flanz und Accidenzen; Kaufalitäts⸗Verhältniß, Verhältniß von Urſach und Wirkung; und drittens Wechſelwirkung. 4) Die vierte Urt‘ find die Kategorien der Modalität, der Beziehung des Gegenfländlichen auf .unfer Denten: Moöglid: feit, Dafeyn, Wirklichkeit, und Nothwendigkeit. Mög⸗ lichkeit follte das Zweite feyn; nach dem abfiratten Denten ift aber das leere Borflellen das Erfle: Es. iR großer Inſtinkt des Begriffs, daß er jagt: Die :erfie, Kategorie iſt pofltiv; die zweite iſt das Negative der erflen; das Dritte. ift dag Synthe⸗ tifche aus beiden. "Die Form der Zriplicität, die hier nur Schema ifl, verbirgt in fe die abſolute Form, den Begriff. Kant. leitet diefe Kategorien nicht ab, findet fie unvollftändig, fagt aber, die. andern find von ihnen abgeleitet. *)

Kant kommt nun auf folgende Weiſe zu diefen Arten: der Einheit; er nimmt fie. aus der gewöhnlichen Logik. In der.all gemeinen Logik, fagt er, werden bejondere Arten des Urtheils aufgeführt, das Urtheil wird vorgeftellt als Urt der Beziehung; daran zeigen. fd die verfchiedenen Arten der. Einfachheit, des Denkens. Rämlid: Allgemeine, befondere und einzelne Urteile, Bejahende, verneinende, unendlide Urtheile; Kategoriſche, bHypothetifhe, disjunktive; Affertori-> fhe, problematifhe und apodittifche. Man bemerkt, daß es ſolche Arten des Urtheils, Funktionen des Denkens, und

#) Kritik d. reinen Vernunft, S. 16-76, 78— 82.

nn

und Zeitz; fondern fie find, aus. der Erfahrung aufgenommen, wie fie in der Logit zurechte gemacht Ind. Diefes: ſind formen des Verftondes, oder Weifen der Beziehung des Mamigfalt- RN en a ee Die, transcendentale Natur dieſer Kategorien iſt nun dieft, dag Ich die Einheit iſt, welche die Vorflellungen, den; empitir h ſchen Stoff, verbindet. Dieſe Einheit des Selbſtbewußtſeyns it die transcendentale Einheit, in welcher die Apperception; und bie, befondere Art, wie dieſer Stoff verbunden wird in dem Selbf⸗ bewuftfeyn, ift die einzelne Kategorie, 3. B. als Urſache und Wirkung, oder als Einheit überhaupt, u. f. f.**) Meiter fügt Kant: Dieſe treffe man nicht in der Wahrnehmung an, mas Locke behauptete, Hume läugnete. ***) Der denkende Berfand ift fo alfo die Quelle der Kategorien, der ganz allgemeinen Dentbeftimmungen. Für fi find diefe leer, unerfüllt und gt bören dem Denken an; damit fie erfüllt werden, dazu bedür⸗ fen fie eines Stoffes. Sie haben nur einen Inhalt durd den gegebenen mannigfaltigen Stoff der Anfhauungen; fie find die Bezichung, das in Einheit Segen der mannigfaltigen Stoffe, und haben nur Bedeutung durch ihre Verbindung mit diefen %) Kritik d. reinen Vernunft, 8.70, 71.

*#) Ebendaselbst, S. 105 - 106. ##) Ebondaselbst, 5.98.

Drister Abſchnitt. Kantifche Philoſophie. 569

Stoffen. Diefe Erfüllung. tommt uns aus der Sinnlichkeit, der Wahrnehmung, Anfhauung, dem Gefühle u. f. f. Diefer Inhalt, als das Mannigfaltige, wird vom Berflande auf feine Weiſe verbunden, durch die transcendentale Apperception des Ich fonthefirt; und das iſt Erkenntnif, Erfahrung. Solche Vers bindung von Stoffen der Wahrnehmung, Anſchauung, und Kas tegorien iſt nun Sache der Erfahrung. Wahrnehmung iſt noch nicht Erfahrung. Dieſe iſt Wahrgenommenes, Empfundenes unter Kategorien. gebracht; dieſe find leer, abſtrakt, relativ leer. Die Erfahrung überhaupt oder die Erkenntniß iſt alfo eine Syn⸗ thefis des Diannigfaltigen; das appercipirende Ich ift die fons thefirende Funktion. %) Es kommt darauf an, ob die erfüllte Sinnlichkeit oder der Begriff höher if. In der Erfahrung wird wahrgenommen; es ift darin Stoff, der dem Gefühl, der Ans fhauung angehört. Diefer wird aber nicht aufgenommen nad feiner Einzelndeit, Unmittelbarkeit; fondern er wird in Verbin dung gefegt durch die Kategorien, duch Urſach und Wirkung, durch die Raturgeſetze, allgemeine Beflimmungen, Gattungen, es find nicht unmittelbare Wahrnehmungen. Dan nimmt nicht die Gefege des Himmels unmittelbar wahr, fondern nur die Vers änderung des Orts der Geſtirne; aber das fo Wahrgenommene, fefigehalten, gebracht unter das Allgemeine, ift Erfahrung. In der Erfahrung iſt fo die allgemeine Gedankenbeſtimmung; was Erfahrung ift, foll allgemein, zu allen Zeiten gelten.

Der Uebergang aber der Kategorie zum Empirifchen wird auf folgende Weife gemacht. „Reine Berfiandesbegriffe find mit empirifhen (ja überhaupt finnlihen) Anſchauungen ganz ungleichartig.” Es if alfo „die Möglichkeit zu zeigen, wie reine Berfiandesbegriffe auf Erfhheinungen angewendet werden können.“ Davon handelt die transcendentale Urtheilskraft. Im Gemüthe, GSelbftbewußtfeyn find alfo reine Berftandesbegriffe

%), Kritik d, reinen Vernunft, 3.108110,

3 «

kann fie auch als Wirkung, dann Ding- an-ſich, Urſache, Viel⸗ heit, die Einheit vorausſetzt, beſtimmt ſeyn; ſo haben wir die ganze Verſtandesmetaphyſik.

Bei dieſer Gelegenheit bringt Kant auch die Widerlegung des empiriſchen oder materialen Idealismus bei, nämlid: „Ib bin mir meines Dafeyns als in der Zeit beftimmt bis wußt. Alle Zeitbeftimmung fest aber etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Diefes Beharrlihe kann nicht“ eine Anfhauung „in mir feyn.” Denn alle Beftimmungsgründe meines Dafeyns, die in mir angetroffen werden, find Vorſtel⸗ lungen, und bedürfen als folde felbft ein von ihnen unterſchie⸗ denes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechſel derfelben,

%*) Kritik d. reinen Vernunft, 8.129132. ##) Ebendaselbst, 5.13.

Dritter Abfcpitt. Kantiſche Philofophie, 571

mithin „mein Dafepn in der Zeit,“ darin fie wechfeln, „beftimmt werden könne.“ Oder ich bin mir meines Dafeyns als eines empirifchen Bewußtſeyns bewußt, das nur in Beziehung auf Etwas, das außer mir ifl, beflimmbar ifl; d. 5. ih bin mir ei⸗ nes Aeußern bewuft.*) Man kann dieß umgekehrt fagen: Ich bin mir der äußeren Dinge als in der Zeit beftimmter und wechfelnder bewußt; diefe fegen alfo etwas Beharrliches voraus; das nicht an ihnen, fondern außer ihnen if. Und dieß bin Ach, der transcendentale Grund ihrer Allgemeinheit und Nothwendigs keit, ihres Anſichſeyns, die Einheit des Selbftbewußtfeyns. So faßt es auch ein ander Dal Kant felbft; **) diefe Momente vers wirren fich, denn das Beharrlidhe eben ift felbft eine Kategorie. Der Idealismus in dem Sinne genommen, daß außer meinen einzelnen Selbſtbewußtſeyn als einzelnem nichts ift, oder die Wis derlegung defielben, dag aufer meinem Selbſtbewußtſeyn als ein⸗ zelnem Dinge find, ift eins fo fchledht als das. Andere. Jener ift der berkeley'ſche, worin allein vom Selbfibewußtfeyn als eins zelnem die Rede if: oder eben die Welt des Selbſtbewußtſeyns als eine Menge beſchränkter, finnlicher,, einzelner Vorſtellungen, die ebenfo ohne Wahrheit find, ‘als wenn fie Dinge genannt werden. Die Wahrheit oder Unwahrheit liegt nicht darin, ob es Dinge oder Vorftellungen find, fondern in der Befchräntung und Zufälligkeit derfelben, es ſeyen Borftellungen oder Dinge. Die Widerlegung diefes Idealismus heißt nichts Anderes, als eben darauf aufmerfiam machen, daß dieß empirifhe Bewußt⸗ ſeyn nicht an fih if, fo wie aber diefe empirifhen Dinge auch nicht an ſich find. Aber das kantiſche Ach kommt eigente lih nicht zur Vernunft, fondern bleitt wieder das einzelne Selbfls bewußtfeyn als ſolches, das dem allgemeinen entgegengefegt iſt.

Ich ift nun alfo in ſich befchloffen, daß es die transcenden« tale Einheit der Wahrnehmung ift, Einheit eines Gedoppelten,

%) Kritik d. reinen Vernunft, S. 200 WI. #%) Ebendaselbst, S.104 (Vergl. Oben, 3.556 - 587).

572 Dritter Theil. Meuere Philofophies

der reinen Anſchauungen und der reinen Begriffe, und Einheit von Beiden. Nach Kant find yun in der Erfahrung zwei Be- ſtandſtũce: einer Seits das Empirifche, die Wahrnepmung; an derer Seits das zweite Moment, die Kategorie, Urſach und Wir: Yung, Subftanz und Aeeidenz, Gattung, Allgemeines. Es it dieß eine ganz richtige Analyfe; im der Erfahrung finden wir dieſe beiden Beftimmungem Kant Fnüpft aber daran, daß dir Erfahrung nur Erfiheinungen faßt, und. dag wir durch die Ertenntniß, die wir dur) Erfahrung Haben, nicht: die Dinge ms 1) Empfindung, welche ohnehin fubjektiv ift; 2) Kategorien, welde nur Beſtimmungen unſeres Verſtandes find. ' "Aber. der reale Inhalt/ Stoff find die Empfindungen, das andere Beflanbfit der Ertenntniß; weder das eine noch das andere iſt etmasan ſich, und Beide zufammen, das Erkennen, auch. wicht; fonden es ertennt nur Erfeinungen, ein fonderbarer Widerſpruch ‚Erkennen fin der That ‚ihre Einheit; aber bei der Erkennt niß hat Kant immer das erkennende Subjekt als einzelnes im Sinne. Das Erkennen ſelbſt iſt die Wahrheit! beider Momente; das Erkannte ift nur die Erfheinung, Erkennen fällt wieder in das Subjett. Dief Erkennen des Subjekts enthält alfo mır Erfepeinungen, nicht das Anfid. Denn cs enthält die Dinge nur in der Form der Gefege des Anfhauens und der Sinnlid: Reit. )

In der That ift in dem, was wir gefehen, nur das empi- riſche, endliche Selbfibewuftfeyn befchrieben, das eines Stoffes von Aufen nöthig hat, oder das ein einzelnes, befchränttes if. Es wird nicht gefragt, ob diefe Erkenntniffe an und für ſich ib- rem Inhalte nad) wahr oder nit wahr find. Die ganze Cr Tenntnig bleibt innerhalb der Subjektivität ſtehen, und drüben if als Aeuferes das Ding an fid. Diefes Subjektive ift jede‘

%) Kritik d. reinen Vernunft, $.16— 47.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philoſophie. .573

konkret in fi, Denken, Verftand, der beflimmt ifl (Kategorien). Schon die Kategorien find konkret, noch mehr aber die Erfah⸗ rung, die Synthefis des Empfundenen mit der Kategorie, Das Allgemeine und Rothwendige heißt bei Kant das Objektive; durch Allgemeinheit und Nothwendigkeit iſt die Erfahrung objektiv. Das Wahrgenommene ift nicht objektiv, die Wahrnehmung in - der Erfahrung nennt Kant das Subjektive, Zufällige. Die Kategorie dagegen, wodurd der Stoff in Beziehung gefegt wird, die Einheit, die das Denten hbineinbringt, ifl das Ob⸗ jettive in derfelben, das Geſetz, das Allgemeine.“) Auf der anderen Seite iſt diefer Stoff des Gebiets der Anſchauung fubjettiv überhaupt; d. h. er ift nur fo, wie er in meiner Em⸗ pfindung ift: ich weiß nur von der Empfindung, nicht von der Sade. Dieß if ohnehin fubjettiv. Aber das Objektive, was . den Gegenfag machen foll, ift felbft ebenfo ſubjektiv, gehört zwar nicht meinem Gefühl an, aber bleibt im Kreife des Subjekts, in dem reinen Ach meines Selbfibewußtfeyns, dem Gebiet des den⸗ kenden Verfiandes, eingefchloffen. Ich babe einer Seits Gefühlss inhalt, anderer Seits bin ich thätig dagegen, laſſe ihn nicht in feiner zufälligen Befimmung, made ihn allgemein. Aber dieß ift auch fubjektiv, und fo erfennen wir die Sache nicht an ihr felbfl. Einer Seits find Gefühlsbeflimmungen, die mit unfern Drganen zufammenhangen, anderer Seits Denkbeſtimmungen, die in meinem Ich liegen; fo find cs nur Erfcheinungen, die wir ertennen und beſtimmen. Inſofern nannte fich die kantiſche Dhilofophie Zdealismus: Wir haben es nur mit unfern Bes flimmungen zu thun, tommen nicht zum Anſich; zum wahrhaft Dbjektiven kommen wir nicht. **)

#) Kritik d. reinen Vernunft, S. 100 108.

##) In der Vorlesung von 1835 ist hier gleich die fichte’sche Philosophie in Rücksicht des Theoretischen eingeschaltet: ihre ‚praktische Seite aber nach der Darstellung der Kritik der prak- tischen Vernunft nur kurz erwähnt.

574 ET ru

96 Das Dritte’ bei Kant ift man die Wermunft. Du Zweite war der Verſtand, das denkende Beflimmen. Ant geht von’ dem Werflande nun ebenfo pſychologiſch zur Wernmft Fort; fie wird eben auch angetroffen. "Es wird "im Seclenfil herumgeſucht/ was darin für Vermögen ft Befinden; es fh ſich zufalliger Weife noch Vernunft, es wäre ebenfo gi, wenn auch feine: wie Magnetismus bei den Phhfikern zufall iſ es in gleichgültig, ob er ſey oder Auch nicht.) „Auen ſere Grkenntniß hebt von den Sinnen an, geht von da zum Br Nände und endigt bei der Vernunft, Über welche nichts Höhen in uns angetroffen wird, den Stoff der Auſchauung zu beaa ten, und’ unter die höchſte Einheit des Denkens zu bringen.) Die Vernunft iſt das Vermögen, aus Principien zu er Mein, das Befondere im Algemeinen durch Begriffe: der Bir

s ey Bau m ar mat, Das rien, fern es das Unbedingte und’ Lnendliche zw feinem Gem fand macht. **s) Ihr Produkt ift die Idee überhaupt; mid unter Idee verficht Kant das Unbedingte, Unendliche, F) Dur ift das abftraft Allgemeine, Unbeftimmte. Und feitdem iſt es phi⸗ loſophiſcher Sprachgebrauch geworden, Verſtand und Vernunft zu unterſcheiden; bei älteren Philoſophen iſt dieſer Unterſchtd dagegen nicht vorhanden. FF) Verſtand iſt das Denken in end⸗ lichen Verhältniffen: Vernunft, nad Kant, das Denken, wis das Unbedingte, Unendlihe, zum Gegenfland bat; und dief Unbedingte nennt er Idee, ein Ausdruck von Plato. 14)

*) Kritik d. reinen Vernunft, ©. 357. nx) Chendafelbft, ©. 258— 259. wu) Ebendaselbst, 8.264. +) Ebendaselbst, S. 267, 273. +4) Vergl. Oben, 5.539. +4) Kritik d. reinen Vernunft, 8.268.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philoſephie. 575

Dieß Unbedingte muf nun konkret gefaßt werden. Die Hauptſchwierigkeit liegt nun in Folgendem. Die Vernunft ‚hat das Unbedingte, Unendliche zu erkemen. Was heißt dieß? Es heißt, das Unbedingte beſtimmen, die Beſtimmungen deſſelben ableiten; dieß heißt Erkennen, oder ſoll ſo genannt werden. Es iſt viel über Wiſſen, Erkennen u. f. f. geſchrieben und ge⸗ ſprochen worden; aber es. ift nicht definirt. Aber in der Philos fophie ift c8 darum zu thun, daf das, was als bekannt vor- ausgefegt wird, erkannt wird; es handelt fi alfo hier darum, daß das Unbedingte erkannt werde. Die Vernunft bat nun dem Trieb, das Anendliche zu ertennen; aber dieß vermag die Ver⸗ nunft nicht. Und der Brund, den Kant angiebt, iſt einer Seits diefer, daß das Unendlihe nicht in der Erfahrung ges geben iſt, daß diefem keine pſychologiſch finnliche Anfchauung, Mahrnehmang entfpridht, daß es nicht in der Außerlichen oder inneren Erfahrung gegeben iſt; der Idee „kann kein ons gruirender. Gegenftand in der. Sinnenwelt gegeben werben.!‘ *) Es kommt darauf an, wie man die Welt: anfleht; aber die Er⸗ fabrung, Betrachtung der Melt, heißt Kant nie was Anderes, als daß hier ein Leuchter fleht, bier eine Zabatsdofe. Das ift nun allerdings richtig; das Unendliche ift nicht in der Welt, in der finnliden Wahrnehmung gegeben. Und vorausgefegt, was wir wiffen, ſey Erfahrung, ein Syntheftten von Gedanken und Gefühlsftoffen: fo kann allerdings das Unendliche nicht erfannt werden in dem Sinne, dag man eine finnlihe Wahrnehmung davon bat. Aber man wird auch für die Bewahrheitung des Unendlichen nidt eine finuliche Wahrnehmung fordern wollen; der Geift ift nur für den Geifl.

Die zweite Seite ifl, wenn das Unendlidhe erfannt wers den fol, fo fol es beflimmt werden; dazu hat die Vernunft aber nichts als die Formen des Denkens, die wir Kategorien

®) Kritik d. reinen Vernunft, 5.278.

N

576 Deiner Theil. Meere Pbilofopbies nennen: und-Diefe geben das, ‚was Kant: objektive Beflimmun gen meint, aber ſo daß le an ſich doch. wieder nur cin Eub jektives find. Wenn wir aber, diefe Kategorien, die nur auf finnliche Anſchauungen angewendet werden können, zum. Beflin Sqhlüſſe (Paralogismien) und Widerfprüche (Antinomien); un es iſt dief eine wichtige Seite der kantiſchen Philofophie, die Befimmung, daf das Unendliche, fo weit es durch, Kategorie beftimmt: wird, ſich in Widerſprüchen verliert. Diefe Wie ſprũche/ ſagt ex, find nothwendig; und, die Vernunft wird darin transcendent. Die Vernunft hat aud die Forderung in fh, die, Wahrnehmung, Erfahrung, Verſtandes— IM Unendliche zurückzuführen. *). Das wäre das höchſt Vereinigung des Unendlichen mit dem. Endlichen der Nerlan desertenntniß oder. gar. der Wahrnehmung. Es iſt großes Kat, daß die Vernunft Ideen hervorbringt; bei Kant iſt es. aber Ihe firaktion. Das Konkrete der Vernunft wäre, erſt die, Berrni gung. des Unbedingten mit dem Vedingthen. Diefes Unbedingten giebt es nun verfhiedene Arten, eigen thümliche, durch die Vermunft erzeugte, Gegenftände, transcen dentale Ideen; fie find alfo felbft ein Vefonderes. Die Art, wie er zu diefen Arten kommt, ift nun wieder aus der Erfah: rung, der formalen Logik, nad welder es verfhiedene Arten des Bernunftfhluffes giebt. Kant leitet aus Formen der Eh logismen die Jdeen ab; es giebt mehrere Formen der Shlüft: @) kategoriſche, A) hypothetiſche, und Y) disjunttive Das Unbedingte ift daher von dreierlei Art: 1) Das „Anbe⸗ dingte der Fategorifhen Synthefis in einem Subjekt.“ Sys thefis ift das Konkrete, es iſt zweideutig; es iſt Werknüpfung, aber Selbſtſtändiger, jo äußerliche. Diefe Verbindung machen wir, indem wir ung das dentende Subjekt vorfiellen. 2) Das

®) Kritik d, reinen Vernunft, S.217 278, 238 —289

önnen fein Seyn von ihn ondfe e bewußtfehn, eine bloße Korm if, und wir von denkenden Weſn durch Reine äufere' Erfahrung, ſeyn eine Vorſtellung haben, d. hi, weit ide it die Sande nehmen, nicht fehei, nicht daran riechen Linn Ai." In det Dat, wenn es cin gemeines Ding’ feyir fol, ſo mirpte es auch Verfahren" werden Löhnen.“ Wir wiſen wi, IH Sudfertz hehen wir über Hl

! and jagen) daß ei ſo gehen wir m

Vorſtellungen, die innerhalb der widerlegten bleibe ſyruch a) Kant hat · gang otecht/ wenn ee behaupiet, dal 2 nicht ein ſinnliches Ding iſt, ein lodles Veharrendes, ein Sn ding, das ein ſinnliches Daſehn hat ) Dar Srgentheit, burn hauptet, ift aber nicht, daß Ih, als diefes Allgemeine oder du Sich denken, das Wefen und die wahrhafte Realität, das Me ment der Wirklichkeit, die er verlangt als gegenſtändlicht Weift, an ihm felbft hat. Sondern er bleibt innerhalb dieſer Vorfiel: lung der Realität und des Seyns flehen, daß die Realität darin beſtehe, ein ſinnliches Dafeyn zu ſeyn; aus diefer Working tommt Kant nicht heraus. Weil Ich kein finnkiches Dafenn bat, uns in Feiner äuferen Erfahrung gegeben ift, fo ift es niht reell. Denn Selbſtbewußtſeyn, Ich als ſolches, ift nicht die Ren litãät; es if nur unfer Denken, oder Kant faft das Selbſtbe⸗ wußtſeyn schlechthin felbft nur als finnlihes auf. Seyn, Ding, Subftanz hat bei Kant die Geftalt, als ob dieß zu hoch wär

#) Kritik d. reinen Vernunft, 8.289 —29.

RS

50 Drüter Theil, Neuere Philofopbles -

ſprüche nannte. Kant. Anbnwin Das, die Intention Kants. *

“au Diefe Antinomien entpalten 3: ®. dieſes, dafımm ebenfo die ‚Eine Beſtimmung, die Begremztheit, geltend machen muß, als die Unbegrenztheit. Die Vollendung der Spntpefis im Fortgehen nad) der Zeit und. dem Raum if cr erſter Anfang. der ' Zeit und des Raums, 4) „Die Bi Hat einen Anfang“ und Ende „in der Zeit, und fie ift ind nem umfehloffenen Raum.” 2) Sie „hat keinen Aufang“ un Ende „in ‚der Zeit, und“ auch „Reine Grenzen im Raum“ Eines Bann fo. gut, als das Andere bewieſen werden; «s füh Reine. „Advokaten Beweiſez“ er beweiſt apagogiſch. *) Es fill erkannt werden, ob die Welt einen Anfang und ein Ende bat, oder nicht, ob ſie begrenzt iſt in Raum und Zeit. Die Belt aber iſt dieh Univerfum, das Gange; ſo iſt fle ein Milgemeins, eine Idee, und dieſe Lönnte ‚als begrenzt: oder aumbegeemt br fimmt werden. Wendet man nun Dife utegorien- Basanf (über. a

+ Rs Oder zweite Antinomie: —— Traun * die Subſtanz zuſammengeſetzt wäre, ſind nothwendig zu fegen, oder die Einfachheit ann bewieſen werden; aber ebenſo die Nichtvollendung, der unendlihe Fortgang. 4) „Ein jede zufammengefegte Subſtanz beſteht aus einfachen Theilen,” Atomen. 2) Oder „es exiftirt nichts Einfaches.“ **) Das Alom ift auch die Grenze, materielles Fürſichſeyendes; ebenfo if die umſchließende Oberflähe das Punktuelle. Das Andere ift die Theilbarkeit in’s Unendliche.

77. Dritte Antinomie: Gegenfag von Freiheit und Noth⸗ wendigkeit, Das Erſte ift das fih aus fih Beftimmend, das ift die Seite der Unendlichkeit: Die Kaufalität nad) Ges fegen der Freiheit ift die einzige. Das Andere iſt: Es ift nur

#*) Kritik der reinen Vernunft, $.317—348, 328 329, 392. ##) Ebendaselbst, 8,318, 336—337.

Drittes Abſchnitt. Kantiſche Phllofophie. 681

Determinismus vorhanden; Jedes iſt durch einen Grund deter⸗ Minirt. )

od. Vierte Antinomie: In einer andern Rüdficht vollen⸗ bet fih die Totalität in der Freiheit, als einem erflen Anfange des Thuns, oder in einem abfolut nothwendigen Wefen, als der Urſache dee Welt, der Fortgang iſt zerbrochen; aber jener Freiheit” ſteht ebenfo die Nothwendigkeit des Fortgangs nad) Bedingungen der Urſachen und Wirkungen gegenüber, und dem nothwendigen Weſen diefes, daß Alles zufällig if. „Zu der Welt gehört ein ſchlechthin nothwendiges Weſen,“ abfolute Subſtanz, die abfolute Rothwendigkeit der bedingten Welt. Das Gegentheil if: „Es eriftirt Fein ſchlechthin nothwendiges Weſen, weder als Theil der Welt, noch außer der Welt.“**)

Einer von diefen Gegenfägen ift fo nothwendig, als ber andere; und es ift überflüffig, dieß bier näher auszuführen. Die Rothwendigkeit diefer Widerſprüche ift die intereffante Seite, die Kant zum Bewußtfeyn gebracht hat. Man ftellt fih sad) der gemeinen Metaphyſik vor, eins müfle gelten und das Andere widerlegt werden; die Nothwendigkeit aber, dag ſolche Wibderſprüche flattfinden, ift gerade das Intereffante. ***)

Kant löſt auch diefe Antinomien auf, und zwar auf diefe bigenthümliche Meife im Sinne des transcendentalen Idealis⸗ mus, der nämlich nicht die Eriftenz äußerer Dinge bezweifelt Bder leugnet, fondern der „es erlaubt, daß die Dinge in Raum ab Zeit angefchaut werden” (wozu man Feiner Crlaubniß be- Darf): aber für den „Raum und Zeit an fich felbft Feine Dinge And,” und daher „außer unferm Gemüthe nicht eriftiren,” alfo weder das Bedingte noch das Unbedingte von Dingen an fl äusgefagt werben Tann; ) d. h., alle diefe Beflimmungen von

%) Kritik d. reinen Vernunft, S. 319, 346 347. næ) Ebendaselbst, 5.319, 354 855. WR) Ebendaselbst, S.324.

+) Ebendaselbst, S.385 386.

582 Dauet / Theil. Neuere, Philofophie.. = Anfang in der Zeit u. ſ. w. kommen nicht, den, Dingen, dem

Anſich, felbt zu, das außerhalb unferes fubjektiven Dentens für ſich exiſtitte Kãmen ſolche Beftimmungen der Welt, Gott, dur Freien zu, fo. wäre objektiver Widerſpruch vorhanden; diefer Wi derſpruch iſt aber nicht, an und für, fih ‚vorhanden, ſonden kommt nur uns zu: er hat feine Quelle. allein in unſerm Dar ten, Oder dieſer ttanssendentale Ideolismus ‚läßt den Mile, ſpruch befichen, nur dag das Anſich nit ‚fo widerfprechend fü, fondern dieſer Widerfpruc allein in unfer Gemüth fall. & bleibt ‚denn diefelbe Antinomie in unferem Gemüthe; wie fon Gott das war, das alle Widerſprüche in ſich aufzunehmen patt, fo jest das Selbſibewußtſeyn. Daß aber,nicht die Dinge {ih widerſprechen, ſondern es, das ficht die; Bantifche Ppilofopht Weiter nicht an; es thut nichts. Die Erfahrung lehrt, deß ee fh. nicht auflöſt; wir. wiſſen, daß Ich iſt. Men kann alſo um feine Widerſprüche unbefümmert, ſeynz denn, fie. Lö, es; nidi auf, es kann fie ertragen. So iſt aber, der Miderpnh nicht ‚aufgeläß; ex befkeht, bot, wie nad... Das, it, zupiel, Bär lichteit für die Dinge; es wäre Schade, wenn, fie fih witw fpräden. Daß aber der Geift (das Höchſte) der Miderfprud iſt, das foll Fein Schade ſeyn. Der transcendentale Zdealismus löſt alſo den Widerfprud gar nicht auf. Die Erfcheinungsmilt hat ein Anfih, dem kommt er nicht zu. Diefes ift ein Anderes, als der Geiſt. Das Widerfpreddende zerftört ſich; fo iſt der Geift Zerrüttung, Verrücktheit in ſich felbft. Die wahrhafte Aulötung geht auf den Inhalt, daß die Kategorien keine Wahrheit an ih | nen haben, ebenfo wenig aber das Unbedingte der Vernunft, fondern wur die Einheit Beider als konkrete.

7. Kant tommt dann au auf die Jdee Gottes. Die dritte Idee ift das Weſen der Wefen; die übrigen Ideen festen fie voraus. Das ift das Ideal der Vernunft, der Inbegriff aller Möglichkeit. Er fagt, Gott if das allerrealfte Wegen, die wolfifche Definition; da handelt es fi denn darum, zu bewei⸗

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Dritter Ahſchnitt. Kantiſche Philoſophie. 583

ſen, daß Gott nicht bloß Gedanken iſt, ſondern daß er iſt, Wirk⸗ lichkeit, Seyn hat.*) Dieß nennt er nun das Ideal, zum Un⸗ terfchied von der Idee; es ift die Idee als feyend. So nennen wir in der Kunſt Ideal die Idee, die. realifirt ift auf finnliche Weiſe. **) oo Bu

Hier betrachtet Kant! den Beweis vom Daſeyn Gottes, fragt, ob diefem Ideal Realität verfchafft werden könne. Der ontologifhe Beweis geht vom abfoluten Begriffe aus, ſchließt aus dem Begriff auf das Seyn; es wird Mebergang zum Seyn gemacht. ***) So bei Anfelm, Descartes, Spinoza; Alle neh⸗ men Einheit des Seyns und Denkens an.‘ Kant fagt aber: Diefem Ideal der Vernunft kann ebenfo wenig Realität vers fhafft werden; es giebt Feinen Uebergang von dem Begriffe in das Seyn, aus dem Begriff Tann das Seyn nicht abgeleitet werden. „Seyn iſt kein reales Prädikat,“ wie ein anderes, „ein Begriff von irgend Etwas, was zu dem’ Begriffe eines Dinges binzutommen könnte. Hundert wirklihe Thaler enthalten nicht das Mindeſte mehr, als hundert mögliche,” find derfelbe Inhalt, d. h. der Begriff; fie find aud) hundert. Das Eine ift der Bes griff ( Vorſtellung), das Andere der Gegenfland. Seyn iſt nicht eine neue Beflimmung des Begriffs, die hinzukommt; fonft ent

bielte mein Begriff von hundert wirklihen Thalern etwas Ans -

deres, als wirkliche hundert Thaler. Allein „der Gegenſtand ift, als wirklicher, nicht bloß in meinem Begriffe enthalten; oder zu meinem Begriffe Tommen die wirklichen hundert Thaler ſynthe⸗ tifh hinzu.” Aus dem Begriff kann alfo nicht auf das Seyn gefhhloffen werden, weil das Seyn nicht im 'Begriffe liegt, ſon⸗ dern zum Begriffe hinzutommt. „Wir müffen aus dem Begriffe herausgeben, um zur Eriftenz zu gelangen. Für Objekte des reinen Denkens ift Fein Mittel, ihre Daſeyn zu ertennen, weil %#) Kritik der reinen Vernunft, S. 444— 452.

##) Ebendaselbst, S. 441 444. “RR, Ebendaselbst, 5.458 462,

584 "Dritter Theil, Meuert Phitofephier

8 a priori erfannt werden müßte; unfer Bewußtſehn aller Eri- fleny aber gehört ganz und gar zur Erfahrung. ”*) D. h., gr züde jene Synthefe des Begriffs und des Seyns, oder die Ci: Feng zu begreifen, d. d. ſte als Begriff zu fegenn, bay Tommi Kant nicht. Eriftenz bleibt ihm ein ſchlechthin Anderes, als cn Begriff. Der Inhalt ift derfelbige im Exiſtirenden und im Br griffe. Da das Seyn nicht im Wege gs, fo AR dreh = aus ihm abzuleiten, wichtig.

" Alerdings: Wege nit Hofe tm Begriff die Beim wi Seyns; er iſt ein Anderes, als Objektivität, Nealität, Du Andere liegt nicht fertig in ihm; und bleiben wir bei dem Br ‚geiff ſtehen, fo bleiben wir beim Seyn als’ dem Andern dr Begriffs ſtehen. Wir haben die Vorſtellung, und eben mist das Seynz es wird an der Trennung Veider feſtgehalten Daf Hundert mögliche Thaler eingebildet etwas Anderes find, als hin dert wirkliche, dieß ift ein fo popularer Gedanke, dag nicht fi gute Aufnahme gefunden Hat, als dieß, daß aus dem Besrif nicht zum Seyn übergegangen werden könnte; wenn id mit Hundert Thaler einbilde, fo habe ich fle nody nicht. Ebenſo pr pular kann man fagen: Das Einbilden muß man bleiben lafın.

«) Es ift eine bloße Vorftellung, d. h. das blog Eingehik dete iſt unwahr; die hundert eingebildeten Thaler find und bier ben eingebildete. Alſo bei ihnen bleiben ift ungefunder Mens ſchenverſtand, er taugt nichts; und dieß if ein eitler Menſch, der ſich mit folhen Einbildungen und Wünfhen herumteitt. Hat man fo viel Muth, hundert Thaler zu haben, fu hat man fie nur als wirkliche. Will man hundert Thaler befigen, ſo muf man Hand an’s Werk legen, um fie in Befig zu befom men; d. h. man muß über die Einbildung hinausgehen, nidt bei ihr fiehen bleiben. Diefes Subjektive ift nicht das Legte, Ahr folute; das Wahre ift das, was nicht bloß ein Subjektives if.

*) Kritik d. reinen Vernunft, 8. 462—466.

S

+ - 586, „nfBaitee, Shell Aeuee,Philefonkieie = een —— —— Philoſophiren. Es ji.) ‚dem, beinernen Ci, der, niht,;pom der Stelle zu bringen iſt. ) Wir taugen in einmak, nit, und: weil wir nihts taugen, fa;taugen,wit.dn | nichts, und, wollen nichts, taugen; « Es iſt eine ſehr falſche dr liche Demuth und. Befcheidenbeit,, Durch feine Zämmerligtit id ſeyn, das, Extennen, feiner Micptigkeit- ein. im ‚und, ‚Selbfigefäligteit, „Aber, ‚man muß zur Ehe mahrer Demuth, nicht. in, feiner Erbärmlichteit ſtehen blehn fondern ſich erheben über fie durch Ergreifung Des, Göttliche. Die Beflimmung, an der, Kant feſthält, iſt die, daf au dem, Begriff nicht, das Seyn beransgeklaubt ‚werden tann. ®) Hiervon, if, die, Folge, daß, die, Vemunft es if, „die, Grduta des; Unendlichen, ‚Unbeftimmten zu haben, aber ‚daß von ir det getrennt, ik die, Beflimmung, überhaupt und, näher, ich: fimmung, ‚die Sepn heißt. Die Ideen der Bernunft tünn nicht aus ‚ber, Erfahrung, bewiefen, bethätigt werden, ihre Jdın erhalten aus den. Erfahrung keine, Beglaubigung ; ‚werden ft durch, Kategorien, befimmt, fo entfichen Widerſprüche. Soll dt Idee überhaupt nur als fepend beftimmt werden, fo ift die Ir nur der Begriff; und davon ift immer unterfchieden das Schu des Eriflirenden. Dieß in Anfehung der VBerftandeserkenntnift höchſt wichtige Refultat führt aber Kant in Anfehung der Ir nunft zu weiter nichts, als daß diefe für ſich nichts als die for- male Einheit zur methodifhen Spflematifirung der Werftandes- erfenntniffe habe. Das ganz abſtrakte Denken, die reine Jdm tität mit fi wird feftgehalten, Es wird gefagt, der Verſtand Tann nur Ordnung in den Dingen hervorbringen, die nichts an und für fih, nur fubjektiv it. So bleibt der Wernunft nichts als die Form ihrer Jdentität, Einheit; und diefe reicht zu nichts, als die mannigfaltigen Verfiandesgefege und Verſtan—

#) Genesis, 0.49, 0.14. ##) Kritik d, reinen Vernunft, 5.467.

2

Dritter Abſchnitt. Kantiſche Philofophie. 587

desverhältnifie zu ſyſtematiſiren. Der Verſtand findet Klaffen, Arten, Gefege, Gattungen; und diefe ordnet. dann ‚die Vernunft, fucht fle in Einheit zu bringen.“) Im. der Kritit der reis nen Vernunft fehen wir Befhreibung der Stufen: Ich als Vers nunft, Vorſtellung, und draußen die Dinge, Beide And fchlecht- bin Andere gegen einander, und das if der. legte Standpuntt. Das Thier bleibt nit auf diefem Standpunkt fichen, bringt praktifh die Einheit hervor. Dieß iſt die theoretifge Vernunft bei Kant. **) | V a

Dieß iſt nun das Aprioriſche der kantiſchen Philoſophie, das Beſtimmtſeyn, der Unterſchied der Vernunft an ſich ſelbſt. Zur Beſtimmtheit der Einzelnheit bringt ſie es nicht. |

Noch wäre der poſitiven Philoſophie oder Metaphyſik zu erwähnen, die Kant a priori über das gegenfländliche Weſen aufſtellt, den Inhalt des Gegenſtands der Erfahrung, die Na⸗ tur, feine Natur⸗Philoſophie. Allein dieß iſt Theils an Inhalt etwas ganz Dürftiges, enthaltend einige allgemeine Qua⸗ litäten und Begriffe der Materie, und in Anſehung des Wiſ⸗ ſenſchaftlichen oder Apriorifchen, wie es Kant nennt, etwas ebenfo durchaus Unbefriedigendes. Denn dag die Diaterie Bewegung habe, ***) ferner Anziehungs⸗ und Repulfions= Kraft F) u. ff, alle diefe Begriffe fegt er voraus, flatt ihre Nothwendigteit aufs zuzeigen. Es iſt der „Unfangsgründe der Naturwiſſenſchaft“ großes Verdienſt, für einen Anfang einer Natur-Bhilofophie darauf aufmerkſam gemacht zu haben, daß die Phyſik Gedan⸗ tenbeflimmungen ohne deren weitere Unterſuchung gebraucht, welche die weſentlichen Grundlagen ihrer Gegenflände ausmachen. 3. B. Dichtigkeit wurde für ungleihe Menge (Quantum) im

%) Kritik d. reinen Vernunft, S. 497 498.

“#) Hier erst ist in der Vorlesung von 1845 eingeschaltet, was die jacobi’sche Philosophie von dieser Seite ist. 36%) Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft

(3.Adufl., Leipzig 1800), 5.1. +) Ebendaselbst, S.27.

I-/

BED Meuere Philopophien Raume angefehen; flatt deffen behauptete fle Kant als einn ‚Grad det Raumerfüllung, Energie, Intenfität der Aktion, & verlangt Konftruftion der Materie" is Kräften, Thätigteiten Energien, wicht Nomen”) " Selling flelt ganz darin. Esit Aufgeigen "ber Metaphyſit, der allgemelren «Begriffe von da Natur; dieß iſt ſehr eingefepräntt, auf’ Materie und Bervegun Es if Verſuch zu denten, | de 9. die Gedantenbeflimmungen auf: Zugeigen, deren Produkt ſolche Vorſtellungen wie Measerie feyn, Er hat die Grundbegriffe und Grund-Principien diefer Win: ſchaft zu beflimmen verſucht und zu einer fogenannten dynd / mif chen Natuilehre die Veranlaſung gegeben. „Die Religion innerhalb: ‚der bloßen Vernunft Rau) Aafpeigen: der Glaubenslehren ald Seiten der. Bernuf, wie in der Natur. So hat Kant in der ’pofitiven Dogmatit hr Religion, mit weliper bie’ Auftlärung (Austlärung) ferty worden war, an Vernunft⸗Ideen erinnert: Welche dernünfüit Cund zunãchſt morälifehe) Bedeutung das, was man Dogmn der Religion Heißt, Habe, = alſo Erbfünde =). Er ini vernünftiger als "die Ansklärimg, die ſich ſchämt, Davon je ſprechen. Die find die Hauptbeftimmungen in Rüdfiht des Theoretifchen in der kantiſchen Philofophie.

2. Kritik der praktifhen Vernunft. Das Erſte in der kantiſchen Philofophie war die Intelligenz, das Theoretiſche. Das Zweite ift das Praktifhe, die Natur des Willens, das, was das Princip des Willens if. Die rouſſeau'ſche Beftimmung, daß der Wille an und für ſich frei ift, hat Kant aufgeficlt. Die theoretifhe Vernunft Hat Kant fo gefaßt, daß ihr, infofern fie ſich auf einen Gegenftand bezieht, dieſer Gegenftand gege: ben feyn muß; infofern fie ihm ſich felbft giebt, hat er keine

#) Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, 8.65—68. ##) Die Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft (2. Ausgabe, Königsberg 1794), 5.20—48.

Dritter Abſchnitt. Kantiſche Phileſophie. 589

Wahrheit: und die Vernunft kommt, im Erkennen (in dies fem) nit zur Selbſtſtändigkeit. Selbfifländig in fi iſt fie dagegen als praktiſche Vernunft; als moralifhes Wefen ift der Menſch frei, über alles Raturgefeg und Erſcheinung erhaben. ie die theoretifche Vernunft Kategorien, aprioriſche Unterſchiede as ihe :hatte, fo auch die praktiſche Vernunft das Sittengefek überhaupt, deſſen nähere Beftimmungen die Begriffe . Pflicht umb Recht, Erlaubtes und Unerlaubtes ausmachen. - Und bier verſchmãht die Wernunft allen gegebenen Stoff, der ihr im Theo» zetifchen nothwendig if. Der Wille beſtimmt ſich in fi, auf Freiheit beruht alles Rechtliche und Sittliche; darin hat der Menſch fein abfolutes Selbſtbewußtſeyn.“) Nah diefer Seite iſt das Selbfibewußtfeyn fih das Weſen, wie die theoretifdhe Wernunft. ein anderes hatte a) Ih ift in feiner Einzelnheit wmmittelbar Wefen, Allgemeinheit, Objektivität. A) Die: Sub jektivität hat das Streben zur Realität, nit der Realität im Vorherigen; hier gilt fh die Vernunft als das Wirkliche. Hier iſt der Begriff, der das Bewußtfeyn feiner Mangelhaftigkeit hat; was bie theoretifche Vernunft nicht haben follte, der Begriff follte eben der Begriff bleiben. yY) Es iſt Standpunkt der Abs folutheit; aufgefchlofien in feiner Bruft if dem Dienfhen ein Unendlihes. Das iſt das Befriedigende an der Tantifchen Phi⸗ Isfophie, es iſt wenigſtens an’s Gemüth gelegt; ih anerkenne nur, was meiner Beflimmung gemäß ifl. u

a. Den Willen theilt Kant in niederes und höheres Begehrungsvermögen. Diefer Ausdrud iſt nicht ungefchidt. Das niedere Begehrungsvermögen find die Begierden, Reiguns gen u. f. f.; das höhere iſt der Wille als foldher, der nicht Aus Berliche, einzelne Zwede hat, fondern allgemeine Zwecke.**) Die Trage ift nun: Was ift das Princip des Willens? Was

#) Kritik d. prakt. Vernunft (4. Aafl., Biga 1797), 5.311, 932. ##) Ebendaselbst, S.A.

Pre Form a und · beſteht dar, daß das / was als Gefe gelten FOL, als Allgeimeingültige& fekgebung muß’ gedacht werden Könttenz fd dar" es fich nicht hebt, wenn 87 ale’ ſolches gedacht oirbe "e) Alue Meoraliti

re Her" Der Mitte Aber if frei Yurfepm, ſich / aue ſin ju fimmen; er iſt autonomiſch, abſolute Spontaneität, Princip ir Freiheit. Das Weſen des Willens iſt, ſich ſelbſt zu beſtimmen er Tann nur zu feinem Zweck haben feine Freiheit. Kant nennt infofern die praktiſche Vernunft autonomiſch, fie giebt ſich felbt Gefege; der empirifche Wille ift heteronomiſch, er wird durd Begierde, Trieb beftimmt. F) Das gehört unſerer Natur, nit dem Gebiete der Freiheit an. Ir)

Es ift eine große, höchſt wichtige Beſtimmung der kantiſchen Philoſophie, daß Kant, was für das Selbſtbewußtſeyn Wein hat, als Geſetz, Anfih, gilt, in es ſelbſt zurücdgeführt hat. Jr

*) Kritik d.prakt. Vernunft, 5.40. %##) Ebendaselbst, 5.56. wa) Ebendaselbst, 8.126— 135.

+) Ebendaselbst, 5.58, 38. +H) Ebendaselbst, 8.77.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philofophie. 594 dein der Menſch ſucht nach dieſem und jenem See, wie er die Melt, die Geſchichte beurtheilen ſoll, was ſoll er da zum letzten Zweck machen? Aber für den Willen iſt kein anderer Zweck, als der. aus ihm ſelbſt geſchöpfte, der Zwed feiner Freiheit. Es iſt ein großer Fortſchritt, daß dieß Princip aufgeſtellt iſt, daß die Freiheit die letzte Angel iſt, auf der der Menſch fich dreht, dieſe legte Spitze, die fi durch nichts imponiren läßt: ſo daß ber Menſch nichts, keine Autorität gelten läßt, inſofern es gegen feine Freiheit gebt. Dieß hat der kantiſchen Philoſophie von einer Seite die große Ausbreitung, Zuneigung geibotinen, daß Ser Menſch "ein ſchlechthin Feſtes, Unwankendes in fich ſelbſt findet, eihen feflen Mittelpunkt: ſo daß ihn nichts berpflichtet, worin diefe Freiheit nicht reſpektirt wird. Di if das ne princip äber dabei bleibt es auch ſtehen. = Die praktiſche Vernunft iſt ſogleich als konkret aufgefaßt PN legte Spitze der theoretiſchen Vernunft iſt abſtrakte Identi⸗ tät; - fie kann mir Kanon, Regel zu abſtrakten Ordnun⸗

* abgeben. *) Rur die Pprakliſche Vernunft: iſt geſetgebend, konkret; das Geſetz, das fle ſich giebt, iſt Sittengeſetz Es iſt aiuogeſprochen, daß fſte in ſich konkret fey. Das Weitere‘ iſt, daß dieſe Freiheit zunächſt leer iſt, das Negative alles Andern; kein and, nichts Anderes vrrpflichtet mich. Sie iſt inſofern unbe⸗ Mitimt; es iſt die Identität des’ Willens mit ſich ſtlbſt, dag er Ber ſich iſt. Was iſt aber der Inhalt diefes Gefehes? Hier ſtad wir ſogleich wirder bei der Inhaltsloſigkeit. "Denn es fol nichts Anderes das Geſetz fehn, ald eben die Joentität, die Ue⸗ bereinfthtunung mit fich ſelbſt, die Allgemeinheit. Das formale Brincip der Geſetzgebung kommt in diefer Einſamkeit in fich zu keinem Inhalte, trinkt Beſtimmung. Die einzige Form, die dieß Princip hat, iſt die der Identität mit ſtch ſelbſt. Das All⸗ gemeine, das Sich-nicht-Widerſprechen iſt etwas Leeres, das

#) Kritik d. reinen Vernunft, S.62, 500.

\ J 592 Dilttet Thell. Neuere Philofophier . im Prottiſchen ſowenig als im. Theoretifchen zu. einer Realität kommt. Das allgemeine Sittengefeh ſpricht Kant fo aus (ud ſolche allgemeine Zorm wollte man von jeher, aufftelfen, das ii auch Forderung des abfirakten Verflandes); „Handle nah Mazi men“. (das, Gefet ſoll auch mein beſonderes ‚Fepm), „bie fühh

Damit nur de Mbfräon, Zenttät. 0 © Bat Kant zur Vefimmung der PLUS Cbemm du db ist, Bo PB TEEN

N s Sihnichtwiderfpreden, mas das Geſette ee iſt. Sein Baterlad au vertheidigen, die ———— ‚Anderen * wegen. hiee Jnbaltes, ſondern weil es Pfüht if: wie, —— das Gedachte, darım, weil und. infofem # gedadt if.) Das Oefeh der Moraltät n

Geht Eure, Sagen den Asmen;“ fhenten Ale, mas fe hal, Pit, aufgehoben. Mir der. Identität Yomit man um, feinen Sgtit weiter, Gott I: Gott; jeder Jah der. in diefe Form gelegt wird, iſt ohne ſich zu wiberfpreden Aber dieß ift ebenfo gut, als wenn er gar nicht hineingelgt wird: z. B. Eigenthum, dief muß in Beziehung auf mein Han deln vefpektirt werden; aber es kann aud ganz wegbleiben, « giebt Fein Eigenthum, die Beflimmung Tann ganz wmegbleiben. In Anfehung des Eigenthums ift das Gefeg: das igenthum fol vefpektirt werden; denn das Gegentheil kann nicht allgenti⸗ nes Gefeg ſeyn. Das ift richtig. Aber das Eigenthum if vor ausgefegt: ift es nicht, fo wird cs nicht refpektirt; iſt es, fo ik es. Sehe ich Bein Eigenthum voraus, fo ift im Diebftapl kein Widerſpruch vorhanden; es ift ganz formelle Beftimmung. Die iſt der Mangel des tantifh=fihtefhen Princips, dag es formell

#) Kritik 4. prakt. Vernunft, 8.54 u. 58 (35). ®%) Vergl Oben, B.Il, 5.447.

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594 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

‚Anderes des allgemeinen Willens; er iſt aber nicht Letztes, fülckt- bin Beharrendes,

c. Das andere Boftulat ift Poftulat Gottes. Der ii hat die ganze Welt, das Ganze der Sinnlichkeit ſich gegenäke. Die Vernunft dringt auf Einheit beider Seiten; die Ratur, die Welt fol in Harmonie mit dem vernünftigen Willen, dem Se ten feyn. Die Idee des Sittengefeges ift das Gute, als in Endzwed der Welt; da es aber formell iſt, fo bat es für fd feinen Inhalt, ficht den Zrieben und Neigungen einer fubjetts ven, und einer äußeren felbfiffändigen Natur gegenüber. Der Widerſpruch Beider vereint Kant in dem Gedanten des höh⸗ fien Gutes, worin die Natur der Vernunft angemeffen fey,*) eine Webereinfiimmung, um die es eigentlich gar nidt a thun ifl, oder worin die praßtifche Realität beſteht. Denn Glüd⸗ feligteit ift nur das finnlihe Selbfigefühl oder Wirklichkeit dies fes als diefes Individuums, nicht die an fich allgemeine Reli: tät. Jene Vereinigung bleibt daher felbft nur ein Ienfeits, ein Ge danke. Kant geht ganz in das Geſchwätze ein, daß es in diefer Welt dem Zugendhaften oft fchlecht, dem Lafterhaften gut gehe u. f. f.*): und poftulirt naher das Dafeyn Gottes als des Weſens, de Kaufalität, wodurd diefe Harmonie zu Stande kommt, zum Be huf fowohl der Vorfiellung der Heiligkeit des fittlichen Geſetzet, als des in der Natur, aber auch nur nad dem unendlichen Progreſſe zu realifirenden Vernunftzweds: fo wie die Unfiab lichkeit der Seele, als den”unendlihen Progreß ‚des Subirttd in feiner Moralität, weil die Moralität felbft etwas Unvolltens menes ift und in's Unendliche Fortfchritte machen muß; weldt Doftulate den Widerfprudy, wie er ift, beftchen lafien, und am ein abftrattes Sollen feiner Auflöjung ausfprechen. Gott ift alt ein Poflulirtes; die Vernunft erkennt es nicht. Die Harmonit ift nicht vorhanden, nicht wirklich; fie foll nur feyn. Das Ber

#*) Kritik d. prakt. Vernunft, S. 198 200. %#) Ebendaselbst, 5.205 209.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philsfophie. 595 .

Rulat felbft ift perenntrend; das Gute iſt ein Jenfeits gegen die Natur, fie find in dieſen Dualismus geflellt. Die Natur bliebe nicht mehr Ratur, wenn fie dem Begriffe des Guten angemefien würde; es bleibt fo beim höchſten Widerſpruche, fie können fi nicht vereinigen. Das Geſetz der Nothwendigkeit und das Ge⸗ feß der Freiheit find verfchiedene von einander. Es iſt ebenfo nothwendig, die Einheit Beider zu fegen; fie ift.aber nicht wirk⸗ lich. Das Andere, die Trennung Beider, iſt gefegt,; Kant bringt populare Redensarten herbei: das Böfe foll überwunden werden, muß es aber ebenſo wenig feyn. Gott bleibt fo Poſtulat, ift nur ein Blaube, ein Dafürhalten, welhes nur fubjektiv, nicht wahr an und für ſich if.*) Diefes Refultat ift auch febr popular.

Diefe Poftulate drüden nun nichts, als die gedankenloſe Spnthefis der verſchiedenen Diomente aus, Die fi allenthalben widerfpredhen; fie find ein „Neil“ **) von Widerfprühen. 3.8. die Unfterblichkeit der Seele iſt poftuliet, um der unvolllommenen Moralität willen, d. h. weil fle mit Sinnlichkeit affleirt iſt. Aber das Sinnlihe iſt Bedingung des moralifchen Selbfibewußt- feyns; das Ziel, die Vollkommenheit, ifl, was die Moralität als ſolche feldft aufhebt. Ebenſo das andere Ziel, die Harmo⸗ nie des Sinnliden und Vernünftigen, hebt gleichfalls die Mo⸗ ralität auf; denn fie befleht eben in diefem Gegenfage gegen bie Sinnlichkeit. Die Wirklichkeit, das Seyn des Gottes, bes die Harmonie Hervorbringenden, ift eben fo eine foldye, die mit Bewußtſeyn zugleih Teine ifl; er wird vom Bewußtfeyn zum Behufe der Harmonie angenommen, wie die Kinder fich irgend eine Vogelſcheuche machen, und mit einander ausmachen, file wollen fi vor diefem mannequin fürchten. Der Behuf, zu dem er zugleid) angenommen wird, daß durch dic Vorſtellung eines

heiligen Geſetzgebers das Sittengefek um fo mehr Achtung ges

#) Kritik d. prakt. Vernunft, S. 23 - 227. “#) Vergl. Kritik d, reinen Vernunft, 5.471. 38 *

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596 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

winne, wiberfpricht dem, daß eben die Droralität darin Wick, das Gefeg rein um fein felbft willen zu achten. *) Die prattifche Vernunft alfo, wo das Selbfiberußtfegn

das Anſich ſich gilt, gegen die Iheoretifdhe, worin das gegerfän

liche Wefen, tommt ebenfo wenig zu einer Einheit und Wit lichkeit an fich felof. Es kommt den Menſchen ſchwer an, 8 glauben, daß die Vernunft wirklich fey; es iſt aber nichts. wirt ih als die Vernunft, fie if die abfolute Macht. Die Eiteltit des Dienfchen will vermeintlihes Ideal im Kopf haben, um Alles zu tadeln: Wir find die Gefcheidten, haben es in us,

aber vorhanden ift es nicht. Das ift der letzte Standpunkt; c

ift dieß hoher Standpunkt, aber es wird nicht bis zur Wabe heit fortgegangen. Das abfolute Gut bleibt Sollen ohne Ob jettivität; und dabei foll es bleiben.

3. Kritit der Urtheilstraft Noch ift die dritte Gelk in der kantiſchen Philofophie übrig, daß auch hier die SForberum

des Konkreten eintritt, worin die Idee diefer Einheit nit 4

ein Ienfeits, fondern als ein Gegenwärtiges geſetzt iſt, dk Idee der Urtheilstraft. Ihre Gegenftände find Theile das Schöm, Theils das organifche Leben; und diefe Seite ift befonders wide tig. Kant fagt, wir haben einen Verfland; er ift im Theoretis fen wohl gefeggebend, bringt Beſtimmungen hervor, Kategorien, Aber diefe Beftimmungen des Berflandes bleiben nur allgemeine Beflimmungen, außer denen das Befondere (das andere Beflands

—— ——

flü, das zu jeder Erkenntni gehört) liegt; und Beides if fr

den Verfiand von einander verfhieden. Der Verſtand iſt eine Seits, anderer Geits das Befondere; feine Unterſchiede ſin felbft in der Allgemeinheit bleibend. Im Praktiſchen if die Vernunft das Anſich; aber ihr freies Fürfichſeyn, die -gefehger bende Freiheit Cin höherer Form), ſteht der Natur in ihrer Frei⸗ heit und eigenen Geſetzen gegenüber:

*) Kritik d. prakt, Vernunft, S. 146.

ss . Delter Ppeik Meere Phlblerhie lich machen; und die Natur mug folglich auch fo" gedacht wer, den können, daß die Gefegmäßigkeit ihrer Form wenigſtens zut Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwece nach Feciheitege ſetzen zuſammenſtimme⸗Alſo muß es doch einen Grund der Einheit: des Ueberſinnlichen was der Natur zun/ Grunde ieh mit dem, was der Fretheitsbegriff praktiſch enthält, geben, daben der Begriff, wenn er gleich weder theoretiſch noch praktiſch m einem Erkenntniſſe deſſelben gelangt; "mithin kein eigenthümlich / Gebiet Hat, dennoch den Uebergang von der Dentungsart nah den" Peincipien der einen zu der nach Prineipien der andern mõglich may en „Zwifhen dem Verftande und der Vernunft iſt nun he Nrtpeilstraft, wie zwiſchen dem Erkenntniß⸗ und Begehung vermögen Luſt und Unluſt; in diefem Vermögen muß alſo da Uebergang vom Gebiete der Naturbegriffe zum Gebiete des fr Heitsbegeifis Liegen. **#) "Rn giebt es zwel Produtte Wen der Kunſt und der organischen Natur, die uns Einheit‘ Beiht kund thun· Die Betrachtung dieſer Werke) enthält Dich, def wie ‚Einheit von Verſtand und Befonderein fehen; "aber Dit Betrachtungsweiſe if nur eine ſubjektive. Sole Dinge ww den nur nad) diefer Einheit betrachtet, fle find aber nicht anfid fo; wie fle an fid find, liegt jenfeits. Kant fpricht fo von ei⸗ nem anſchauenden Verftande, das ift tiefe Beflimmung;; er giebt allgemeine Gefege, befiimmt aber ebenfo das Befondere. Das Zweckmäßige gehört hierher, der Zweck if allgemeine Brflims mung; das Zwed mãßige iſt beſondere Realität, das nur durch das Allgemeine beſtimmt iſt. Der Verſtand iſt der Grund die⸗ fer Einheit des Mannigfaltigen; das Beſondere iſt durch das Allgemeine, das Sinnliche durd das Ueberfinnliche beftimmt. Diefe Idee ift nicht das Wahre folder Produkte, fondern nur

*) Kritik der Urtheilskraft (3, Auflage, Berlin 1799), Cinleitung S.xXVU—XX. FR) Ebendafelbft, S. AXIV—AXV.

I

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philoſophie. 599

eine Weiſe, wie wir fle vorſtellen; das nennt Kant Urtheils⸗ kraft, Verbindung eines Befonderen. mit einem Allgemeinen.. Die Idee der Urtheilskraft vereinigt Beides, „— .ein Allgemeines, weldhes das Befondere an ihm felbfi hat. In der unmittelbaren Artheilstraft enthält die Gattung das Beſondere (es ift aber auch Befonderes, das nicht durch die Gattung beflimmt if); fo. ifl es nicht in der reflektirten Urtheilstrafl. Die reflettirend« Urtheilgtraft hat zu ihrem, Princip die Einheit des abftrakt All- gemeinen des Verfiandes und der. Befonderheit, die Idee eine gefehmäßigen Rotpwendigteit, welche zugleich :fsei if, oder. einer ggreiheit, die mit: ihrem, Juhalt unmittelbar. eins iſt. Sie iſt hierin nicht befiimmand- nach ‚allgemeinen Geſetzen / ſondern zeflettirend, indem „das Befondere gegeben. Kr: won. u das Allgemeine finden ſoll.“ 3) on , „Dieß Princip ann nun fein anderes. fen. ‚als. PERF , allgemeine. Raturgeſetze ihren Grund in unferem Verſtande ha⸗ ben, der fie der Natur, ohzwar nur nach ihrem allgemeinen Be- geiff, vorſchreibt, die heſonderen empirifchen Gelege in Anſchung defien, was in ihnen Durch jene unbeſtimmt gelaſſen ifly.narh ei⸗ ner folhen Einheit hetzachtet werden müflen, als ob gleichfalls ca Verſtand (wens gleich nicht der unfrige) fie zum Behuf un⸗ ſerer Erkenntnifvermögen, um ein Syſtem der Erfahrung nach befonderen Raturgefegeu möglich⸗zu machen, gegeben hätte. Richt, als ob-ein folcher Verſtand angenommen: werden müßte (bean es if nur die reflektirende Urtheilskraft, der dieſe Idee zum Princip dient); fendern dieß Vermögen. giebt nur ſich felbk, nicht der Natur. dadarch ein Geſetz.“

„Beil num ber. Begriff von einem Objekt, fofern er zu⸗ gleich den Grund der Wirklichkeit dieſes Objekts enthält, der Zwed, und die Vebereinflimmung eines Dings mit derjenigen Beſchaffenheit der Dinge, die nur nad Zwecken möglich ift, die

#) Kritik der Unheildkraft, Einleitung, ©. XXV-XXVI.

Drirter Abſchuitt. Kantiſche Philsfophie. oo

gedoppelte Swemäßigteit in ſich: dieſes Beurtheilen iR äfthe- tif, und teleologiſch; jene ift die ſubjektive Zweana⸗ ſigkeit, dieſe die objektive, logiſche. )

a. Die eine Geſtalt iſt die äſthetiſche Urtheilekraft, das Sqhöne; ſie beſteht darin: „Luft und Unluſt iſt etwas Sub⸗ jettives, was gar kein Erkenntnißſtück werden Tann. Der Ges genftand hat: infofeen nur Zweckmäßigkeit, wenn feine Vorſtel⸗ Inng unmittelbar mit dem Gefühl der Luft verbunden if; und dieß if cine äſthetiſche Vorſtellung. Die Auffaſſung dee Formen in Sie Einbildungekraft kann niemals geſchehen, ohne Duff die reflektirende Urtheilskraft, auch nnabflchtlich;- fie wenig⸗ Rens mit ihrem Vermögen, Anfhauungen auf. Begriffe zw bes ziehen, "vergleiche. : Wenn un in diefer Vergleichung die Eins bildungstraft (als Vermögen der Anſchauungen a priori”?) „zum Verſtande, als dem Wermögen der Begriffe, durch eine getzebene Vorſtellung“ etwas Schönes „unabfichtlich in Euſtimmung verſetzt, und dadurch ein Gefühl- der Luft erwedt wird:. fo: muß: der Gegenſtand alsdann ‚ale zwetmäßig: für bie teflettirende Urtheilstraft angefehen werden. Aeſthetiſch iſt ein felches Urtheil über die Zweckmäßigkeit des Objekte, weldes ſich auf keinem vorhandenen Begriff vom Gegenſtande gründet wid keinen von ihm verfhafft. -Ein Gegenflaud, deſſen Form CEnicht das Diaterielle feiner Vorfielung als Empfindung) als Grand der Luft an der Vorftellung eines ſolchen Objekts beur- eilt wird, iR fhön,“**) das erfle vernünftige Wort über Schönheit: Das Sinnliche ift das Eine Dioment des Sale; daun muß es Seiſtiges, Begriff ausdrücken.

„Das Schöne iſt, was ohne” ſubjektives „Intereſſe, was ohne Begriffe” (Reflexions⸗Beſtimmungen) „als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgeftellt wird. Es bes zieht fi auf feine Neigung, alfo fühlt fih das Subjekt ganz 7 #) Kritik der Urtheilskraft, S. XLVIII-L.

##) Ebendaſelbſt, ©, XLII— ALV.

602 Dritter Theil, Neuere Philofophie

frei darin, Es iſt nicht für mid ſchön,“ nicht dur Res geiffe, Reflerion, Gelege. *) „Zwecd ift der Begenfland am Begriffs, fofern diefer als Urſache von jenem“ (dem &egenkan) „angefehen wird; und die Kaufalität eines Begriffe in. Ale bung feines Objekts iſt die Zweckmäßigkeit.“ **) Zum deal gehört „Die Bernunftidee, welche die Zweke der Dienfchheit, fe fern fle nicht ſinnlich vorgeflellt werden Tonnen, zum Princip ya Beurtheilung. einer Geſtalt macht, duch Dig, als ihre Wirkun in der: Erſcheinung, ſich ‚jene offenbaren.” *#*) „Das Ya darf man lediglich an der menfchlihen Geſtalt erwarten.” }).. Das Erhabene iſt das Beſtreben, eine Idee finnlich da⸗

zußellen, wo zugleich die Linangemeflcubeit, das Nichtgefaßtuer deufönnen der Idee durch das: Sinnlihe ſich darflellt. FF)

‚Bier, in der äſthetiſchen Urtheilskraft ſehen wir Die ummk telbare ‚Einheit des Allgemeinen und. Befandgren;: ‚denn Mt Schöne iſt: eben diefe ‚begrifflofe . unmittelbare Einheit: Kam ſetzt ſie in das Subjekt; und fie etwas Subjektives oder If fer Befcdwänttes; und als äſthetiſch auch niebeiger, infofern fe nicht die begriffene Einheit if.

b. Die andere Weiſe der Uebereinſtimmum iſt in der de | jettiven und materialen Zweckmäßigkeit Die teleologiſche Vetrath⸗ tung der Natur, daß in den. organifhen Raturprodutien De unmittelbare. Einheit des: Begriffs und der. Realität als gegew

fländlihe angeſchaut wird, der Naturzweck, in feiner Allze⸗ meinheit Befonderes, in feiner Befonderheit Gattung enthalten. Ratur⸗ Produkte. betrachten wir teleologifrh, nicht äußerlich, fm | dern nad) innerer Teleologie. Nach äußerer Zweckmäßigkeit hei \ Etwas feinen Swed in Anderem: „Der Schnee fihert die Saatn

“r) Ebendaſelbſt, ©. 32. RER) Ehendafelbft, ©. 56.

HD Ebendafelbft, ©. 59:

TH Ebendaselbt, S.77. .

Dritter Abſchnitt. Kantiſche Philofophle. 603

is Falten Ländern vor Froſt, erleichtert die Gemeinſchaft -der Menſchen durch Schlitten.” Bei der Betrachtung des Les bendigen bleiben wir nicht dabei fliehen, daß wir ein Sinn⸗ liches vor uns haben, das nad) den Kategorien des Verſtandes nach Einer Seite betrachtet wird; fondern wir betrachten es als Urſach feiner felbfi, als ſich felbft producirend. Dieß if das Sic) » erhalten Des Lebendigen, als Individuum iſt es vergänglich; aber indem es lebt, bringt es ſich felbft hervor, obzwar es Bes . Dingungen dazu nöthig hat. *) Ferner iſt der Naturzweck Mas terie, infofern fie organiſtrt iſt, innerlich organifirtes Natur⸗ Produkt, „in welchem Alles Zweck und wechſelſeitig auch Mit⸗ Tel iR. HR) Alle feine Glieder find Mittel, und zugleich Zweck; es iſt in fe zugleich Zwei und Mittel, Selbſtzweck. Sein Zweck iſt nicht außerhalb; und die innere Zweckmäßigkeit iſt, daß Etwas an ihm felbft Zweck und Mittel iſt. Es iſt der. ariſtote⸗ Dfige Begriff; es it Unendliches, das in fi rast werüdgcht, bie Idee: Ä in

Kant tommt hierbei herauf: „Bir würden wiſchen Sa turmehanism und Technik der Ratur, d. i. Zweckverknü⸗ Sfung in derfelben, Teinen Linterfhied finden, wäre unſer Ver⸗ Hand nicht von der Urt, daf er vom Allgemeinen zum Beſon⸗ deren geben muß, und die Urtheilstraft alfo keine beſtimmenden Urtheile fällen kann, ohne ein allgemeines Geſetz zu haben, dar» unter fie jenes fubfumiren Tonne. Das Befondere nım als ein folches enthält in Anfehung des Allgemeinen etwas Zufällis ges, gleichwohl erfordert aber die Vernunft im der Verbindung befonderer Geſetze der Natur doch auch Einheit, mithin Geſetz⸗ lichkeit, weldye GSefeglichteit des AZufälligen Zweckmäßtgkeit Heißt: und die Ableitung der befondern Gefege aus den allgemeinen ift, in Anfehung defien, was jene Zufälliges in ſich enthalten,

*) Kritik der Urtheilskraft, S. 279 283, ##) Ebendaselbst, S.286 288. u) Ehendafelbft, ©. 292 296.

zum Einzelnen duch Begriffe geht, in welchem nicht die du fälligkeit der Zufammenftiimmung der Natur in ihren Produb ten nad befonderen Grfegen zum Verſtande angetroffen win, welche dem unfrigen es fo ſchwer macht, das Mannigfaltige derfelben zur Einheit der Erkenntniß“ zufammen „zu brins gen.“ **) Aber daf diefer „intellectus archetypus” #*) die wahre Jdee des Verftandes fey, darauf fommt Kant nit; ji dern unfer Verſtand ift fo befehaffen, „daß er vom Analyüiſch Allgemeinen zum Befonderen fortgeht,“ F) und ein von der Sinw

#) Keitif der Urtheilskeaft, ©. 343 344. *#) Ebendaſelbſt, S. 3417. ###) Ebendaselbst, S.351.

H Ebendaſelbſt, S. 318.

X

Deister Abſchnitt. Kantiſche Philoſophie. 605

Uchkeit ſpeciſtſch unterfchiedenes und ganz davon unabhängiges Extenntnifvermögen if. |

Sonderbarer Weife hat a) Kant diefe Idee des Intuitiven, weiß nicht, warum ſie keine Wahrheit haben ſoll, weil un⸗ ſer Verſtand anders beſchaffen ſey; aber 4) die abſolute Ver⸗ niunft und der anfichſeyende Verſtand, haben wir geſehen, find fo beſchaffen, daß fie an ihnen felbfi Leine Realität haben, der Derſtand eines Stoffs bedarf, die theoretifche Vernunft Hirnge⸗ fyinnfte erzeugt, die praktiſche Vernunft ihre Realität beim Pos ſtuliren bewenden laffen muß. Ungeachtet ihrer unmittelbar und beflimmt ausgefprochenen Nicht⸗Abſolutheit follen fie doch das wahre Erkennen feyn, und der intuitive Verſtand, der Begriff und Anfhauung in Einer Einheit hat, nur fo ein Gedanke, den wir uns machen. «. Ein organifhes Weſen tft, daß Natur⸗Mechanismus und Bweck (Seele, Allgemeines) in Einheit find. *) Wir betradgten, als wohnte im Sinnlichen ein Begriff, der. fi das. Befondere gemäß ſetzt; wir betrachten es nah der Weiſe eines intuitiven Werflandes. Das ift groß, das ift Die Idee, das wahrhaft Kon⸗ krete, duch den inwohnenden Begriff beflimmte Realität; das iR die adäquate Idee, wie Spinoza fagt. In den organifchen Raturs Produkten haben wir die Anſchauung von der unmittelba» von Einheit des Begriffs und der Realität; die Lebendigkeit, die Seele, das Allgemeine, und die Eriftenz, bie Befonderung ifl wentiſch, ift in Einer Einheit angefchaut, nicht fo im der unor⸗ ganiſchen Ratur. So kommt die Vorflellung des Kontreten im bie kantiſche Philoſophie, daß der Begriff, das Allgemeine, bes Kimmend ift das Befondere.

Kant hat diefe Ideen felbft wieder nur in fubjektiver Ben timmung genommen; fie find nur Betrachtungsweifen, keine ob» ettive Beflimmungen. Obgleich Kant die Einheit ausfpriät, fo

%#) Kritik der Urtheilikraft, 5.35.

J Dritter Abſchnitt. Kantiſche Philoſophie. 607

in dee Vernunft; aber die fubjektive Vernunft Tann dieß nicht realificen. In- jeder guten Handlung vollbringt der: Menſch etwas Gutes. Dieß ift aber nur beſchränkt; das ‚allgemeine Gute, der allgemeine Endzwed als Endzweck der Welt kann nur erreicht werden durch ein Drittes. Und diefe Macht über: die Welt, die zum Endzwed bat das Qute in der Welt, iſt Bott.*)

Und fo iſt Gott ein Poftulat der praktifchen Vernunft, was " geglaubt werden muß. Die Natur hat ihre eigenthümlichen Geſetze; dieſe felsfiftändigen, einzelnen Beziehungen haben teine Beziehung auf das Gute. Aber die Vernunft iſt dieß, die Ein “Helt zu verlangen, fie als das Weſentliche, Subftantielle in ſich zu haben und zu wollen. Der Gegenſatz, Widerfprinh des: Gu⸗ ten und der Welt iſt Diefer Identität zuwider; die Vernunft suuß daher fordern, daß diefer Widerſpruch aufgehoben werde, dag eine Macht: ifl, die gut für fi felbft und Macht über: die Ratur if. Dieß ift nun Gott; und diefe Stellung bat Gott ta der kantiſchen Philoſophie. Beweifen laffe es ſich nicht, daß Sort fen. Es fen aber die Forderung. Wir haben die Zwei, Ye Welt und das Gute. Die Tugend, Moralität: iſt nur gut, Sofern fie im Kumpfe iſt; fie findet fo diefen Gegenfag gefekt, und anderer Seits iſt nothiwendig die Harmonie Beider. Der Mangel, daß Gott nicht bewiefen werden Tann, liegt darin, daß nach Kants Dualismus nicht gezeigt werden Tann, daß das Gute als abfiratte Idee an ihm ſelbſt dieß if, feine Idee als abſtrakt aufzuheben: und die Welt dieß ift an ihr ſelbſt, ſich in ihrer Aeußerlichkeit, Berfhiedenheit von dem Guten ſelbſt auf- abheben, und als ihre Wahrheit zu zeigen, was in Rüdficht zu tunen als das Dritte erfcheint, aber zugleich als das Erſte beſtimmt wird. So Tann alfo nad Kant Gott nur geglaubt werden. **)

» - -#) Kritik der Urtheilskraft, 8.4344. WW) Ebendaselbst, S. 460 461.

Dritter Abſchnitt. Kantifche Philoſophie. 609

‚und unmittelbares Seyn, alle Vermittelung if unwahr. Bei Kant ift alfo das Nefultat: „Wir erfennen nur Exfcheinuns gen;“ bei Jacobi dagegen: „Wir erkennen nur Endliches und Bedingtes.“

Ueber beide Reſultate iſt nun eitel Freude unter den Men⸗ ſchen geweſen, weil die Faulheit der Vernunft nun, Gottlob, von allen Anforderungen des Nachdenkens fi entbunden, der Frei⸗ heit ein volllommenes Recht eingeräumt meinte, und nun, de das Inſichgehen, das in die Tiefe der Natur und. des Geiſtes Steigen erfpart war, es ſich wohl ſeyn laffen konnte. Das weitere Refultat iſt Dabei die Autofratie der ſubjektiven Vernunft, welche, da fie abſtrakt ift und nicht erkennt, nur fubjektive Bes wißheit bat, keine objektive Wahrheit: . Das war :die zweite Freude, dag ich diefe Autarkie habe, die ich weder erkennen nad rechtfertigen kann, aud) nicht brauche; ‚meine. fubjektive Frejheit der Meberzeugung und Gewißheit gilt für Alles. Die deitte Frende fügte Jacobi hinzu, daß, weil das Uneudlicht dadurch ae wermdlicht werde, es fogar ein Frevel fey, das: Wahre ex⸗ dennen zu wollen. Troſtloſe Zeit der Wahrheit, wo . vorbei .if alle Metaphyſik, Philoſophie, nur Philoſophie sit, | hie Erin iſt!

Faſſen wir das Ganze der tantiſchen Philoſophie aufame men, fo finden wir allenthalben die Idee des Denkens, die ab» foluter Begriff an ihr felbft if, den Unterſchied, die Realität an ihre ſelbſt hat: die theoretiſche und praßtifche Wernunft aber nur-den abfiratten Unterſchied; in der Urtheilstraft geht Kant auch foweit, daß er den Unterſchied als. wirklichen, pder nicht nur die Befonderheit, fondern die Einzelnheit fest... Er bat rich tig und beflimmt das Ganze unterfhieden. Aber da einmal dieſe philifierhafte Vorſtellung von unferem, vom menfhlichen Erkenntmißvermögen ausgeht: fo gilt ihm diefes in feiner empis zifchen Form, ungeachtet er es für nicht die Wahrheit erfennend auch ausfagt, und die wahre Idee deſſelben, die er auch. bes

Geſch. d. Ppit. * * 39

Driner Abſchnitt. Johanu Sottlieb Fichte, IE

einen Gegenſat gegen das Anfih: es fehlt bas Regatwe, das aufgehobene Sollen, das nicht begriffen iſt.

Aber der. Gedanke und das Denken waren einmal ein uns Giberroindliches, nicht mehr zu befeitigendes Bedürfnig geworden. Es war mithin eine Forderung der Konfequenz, daß die beſon⸗ deren Gedanken als nad der Rothwendigkeit aus jenem erften Einen berborgebracht erfchienen, als aus der Einheit des Ich's hervorgehend und durch fle gerechtfertigt. Zweitens aber hatte der Gedanke ſich über die Welt verbreitet, an Alles fich gehef⸗ tet, Alles unterſucht, feine Formen in Alles hineingetragen, Als tes fuftematifiet; fo daß allenthalben nad) feinen Beftimmungen Verfahren werden foll, nicht aber nach einem bloßen Gefühl, nad Reutine, oder prattifhem Sinne, der ungeheuern Bewußtloſtg⸗ keit fogenannter prattifher Männer. So foll alfo in der Theds Zogie, in Regierungen und deren Gefehgebungen, beim Zwecke Ges Staats, den Bewerben und der Mechanik immer nur nad allgemeinen Beſtimmungen, rationell verfahren werben (rätionelle Wierbrauerei, rationelle Ziegelbrennerei). Dieß I das Bedürf⸗ niß eines konkreten Denkens, während bei dem kantiſchen Re⸗ fultate der Erfcheinung nur ein leeree Gedanke geivefen war. FIR es ja doch auch das Weſen der gHeoffenbarten Religion, zu wiffen, was @ott if. Rad dem Gehalte, der Wahrheit, war mithin eine Sehnſucht vorhanden, da der Menſch einmal: nicht zur Brutalität zurüdtchren und ebenfowenig zur Form des Ems pfindens herunterfleigen konnte, fo daß diefe das allein Geltende für ihn wäre in Bezug auf das Höhere. Das erfle Be⸗ dũrfniß, nad) Konfequenz, hat Fichte zu befriedigen gefucht.

C. Fichte. Fichte'ſche Philofophie iſt Wollendung der kantiſchen Phi⸗ loſophie. Außer dieſen und Schelling find keine Philoſophien. Die Anderen ſchnappen von dieſen etwas auf, und bekämpfen

und bequängeln fie damit. Ils se sont battus les Pancs, pour 39 *

4809 iin Berlin, 2) mo.cM

Tonnen wir. hier nicht näher handeln. Es muß bei Dem,. was fihteihe Philofophie genant wird, ein Anterfchied gemacht werden zwifchen feiner eigentliden fpekulativen, Philofophie, die ftreng konſequent fortfchreitet frif

1) #Fichts?s Leben und Briefwechsel, "herausgegeben von ni nem Sehne, Th.1, 5.3, 6.

2) Ebendaselbst, F. 21 Ag.

Ebendasolbet. S.38 fig.

*) Versuch einer Kritik aller Offenbarung,

>) Fichte's Leben und Briefwechsel, Th. I, 8.142, 189.

®) Ebendaselbst, 5, 337— 338, 348 349, 353 354, 3583; Th. IT, 8. 140— 142.

?) Ebendaselbst, Th.l, 8.370—372, 442 448.

#) Ebendaselbst, 8,455.

9) Ebendaselbst, 8.518, 540,

10) Ebendaselbst, 8.578.

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Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philofophie, 63

weniger befannt —: und feiner popularen Philoſophie, zu der die Borlefungen in Berlin vor einem gemiſchten Dublitum gehören, fo bie Schrift „Vom feligen Leben.” Sie haben Ergreifendes, Er⸗ baulides ſich fo nennende Fichtianer kennen oft nur. diefe Seite —; fie find für das gebildete religiöfe Gefühl eindrin« gende Reden. Diefe können in der Gefchichte der Philoſophie nicht beachtet werben, fie können durch ihren Inhalt den größten Werth haben; der Inhalt: muf aber fpekulativ entwidelt werden, das ift nur in feinen früheren piloſophiſchen Schriften vor⸗ handen.

1. Urſprüngliche Philoſophie Fichte's. Dieſen Mangel, die Tantifche gedanktenlofe Inkonſequenz, durch die es dem ganzen Syſtem an: fpekulativer Einbeit fehlt, hat Fichte aufgehoben. Die abfolute Form ift es, die Fichte er⸗

- griffen, ober die abfolute Form iſt cben das abfolute Fürfichſeyn,

die abfolnte Regativität, nicht die Kinzelnheit, fondern der Bes griff der Einzelnheit und damit der Begriff der Wirklichkeit. Seine Philoſophie ift Ausbildung der Form in fih (die Ver⸗ nunft fonthefirt fich in fich ſelbſt, iſt Syntheſe des Begriffs und der Wirklichkeit), und befonders eine fonfequentere Darftellung der kantiſchen Philoſophie; fie geht über den Grundinhalt derfelben nicht hinaus, und man hat fie befonders Wiſſenſchaftslehre genannt. *) Seine erfien Schriften find ganz kantiſch. Fichte bat auch feine Philoſophie zunächſt für nichts Anderes angefehn, als für eine Tonfequente und ſyſtematiſche Vervollkommnung der Tantifhen: **) und Ich als deren abfolutes Princip, fo daf aus ihm, der zugleich unmittelbaren Gewißheit feiner felbft, aller Inhalt des Univerfums als Produkt dargeflellt werden . müſſe,

%) Ueber den Begriff der MWiissenchaftsiehre (VV einer, 4794),

Ss. 48. “#) Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre ( Leipzig,

4791), Vorrede S. II.

- Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philoſophie. 615

begriffen iſt, das das Selbſtbewußtſeyn in ſich zurückgenommen bat. Und der Begriff des Begriffs iſt von dieſer Seite gefun⸗ den, daß in dem, was begriffen wird, das GSelbfibewußtfeyn die Gewißheit feiner felbft hat; was nicht begriffen ift, ift ihm ein Fremdes. Diefer abfolute Begriff, oder dieje an und für ſich ſelbſt ſeyende Unendlichkeit ift es nun, welde in der Wifs ſenſchaft zu entwideln ift, und deren Unterfheidung als alle Un⸗ terſcheidung des Univerſums aus ſich darzuſtellen iſt; in ſeinem Nuͤterſcheiden muß es in ſich reflektirt bleiben, in gleicher Abſo⸗ Autheit Es exiſtirt überall nichts weiter, als das Ich; und | Ich if da, weil es da iſt: was da ift, ift nur im Ich und für Ich.*) Fichte hat nun nur diefen Begriff aufgeftellt; allein zur Wiffenfhaft, zur Realifirung aus ſich felbft, hat er ihn nicht "gebracht. Denn diefer Begriff firirt fih ihm als diefer Begriff; er hat die Abfolutheit für ihn, infofern er nur der nicht realie firte Begriff ift, und alſo felbfi der Realität wieder gegenüber tritt. Fichte hat damit die Natur der Realiflrung und die Wiſ⸗ ſenſchaft felbft nicht gefunden.

Die fihtefhe Philofophie hat den großen Vorzug und das - Wichtige, aufgeftellt zu haben, dag Philoſophie Wiflenfhaft aus höchſtem Grundfag feyn muß, woraus alle Beſtimmungen noth⸗ wendig abgeleitet find. Das Große ift die Einheit ‚des. Prin⸗ cips und der Verſuch, wiffenfchaftlicy Tonfequent den ganzen In⸗ halt des Bewußtſeyns daraus zu entwideln oder, wie man es nannte, die ganze Welt zu konftruiren. **) Dian hat fi dar über aufgehalten. ***) Es ift Bedürfniß der Philofophie, Eine lebendige Idee zu enthalten. Die Welt ift eine Blume, die aus Einem Saamentorn ewig hervorgeht. ü

Wie Kant das Erkennen, fo ſtellt Fichte das Wiſſen

%) Grundlage der geraminten VVissenschaftslehre,. S. 13 14. ##) Ueber den Begriff der VVissenschaftslehre, 5.12. #u%#) Grundlage der gesamınien VVissenschaftslehre, Vorrede, $5.X—XlI

weder aus ihr" beiviefen werden kann, nod aus einer andırm Wiſſenſchaft; denn fie ift die höchſte. IM die Wiſſenſchaftslchn fo giebt es auch ein Syſtem; giebt es ein Syſtem, fo giebt sah eine Wiſſenſchaftslehre, und einen abfoluten erften Grundfa,— durch einen unvermeidlichen Zirkel.“ *)

a. Mo Fichte in feiner Darſtellung die höchſte Beſtinmihüt erlangt hat, fängt er an von dem, was wir oben **) gehabt haben, von der transcendentalen Einheit des Selbfibenuft- feyns; darin bin Ich Eins, dieß Ich, diefe Einheit if bei Ficht diefelbe und das Erſte. Er geht in feiner Philoſophit dar

*) Tennemann's Guundriß von Wendt, $. 393, S. 494 4; Vergl. Ueber den Begrijf der Wissenschaftslehre, 8.43 17; 9- 30, passin; 8

Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philoſophie. 617

von aus, daß die Philoſophie mit einem ſchlechthin un⸗ bedingten, gewiſſen Grundſatz, mit etwas unbezweifel⸗ bar Gewiſſem in der gemeinen Erkenntniß, anfangen müſſe. „Beweiſen oder beflimmen läßt er ſich nicht, weil er abſolut er⸗ ſter Grundfag ſeyn fol.” *%) Mon diefem Wiſſen ifE nun die einfache Grundlage die Gewißheit meiner felbfl; dieſe Gcwißheit ift die ‚Beziehung meiner auf mich felbfl. Cartefius fing an: Cogito, ergo sum; ich dente, fo bin ih. Das Senn des Ach iſt nicht todtes, fondern konkretes Seyn, das höchfle Senn, das Denten. Denten ifl Thätigkeit; diefe als Eins, Fürſichſeyen⸗ Des vorgeftellt, ift Ich. Ich iſt das abſtrakte Wiffen, das Wiſ⸗ fen überhaupt; im Anfang haben wir nur das Weberhaupt. Diefes Wiffen bat abfolute Gewißheit, wir fangen mit einem Gewiſſen an, Ih, derfelbe Punkt, wie bei "Eartefius, aber mit ganz andern Bedürfnifien und Forderungen. Denn aus biefem Ich foll nicht das Seyn, fondern das weitere Syflem des Denkens aufgeftellt werden. Descartes fängt mit dem Ich on: dann haben, finden wir noch andere Gedanken in uns, von Gott: dann kommt er zur Ratur u. f. f. Eine Philoſophie ganz aus Einem Stüde hat Fichte verfucht, eine Philofophie, worin nichts Empirifches von Auffen aufgenommen wäre. Damit iſt gleih ein ſchiefer Gefldhtspunft hereingebracht; und dieſer Gedanke fällt in die alte Borftellung der Wiffenfchaft, von Grund⸗ fügen in dieſer Form anzufangen und von ihnen auszugehen: fo daß diefem Grundfag die Realität, die aus ihm hergeleitet wird, gegenüber tritt, und daher in Wahrheit Anderes ift, nicht abgeleitet wird. Oder jener Grundfas drüdt eben darum nur die abfolute Gewißheit feiner felbfl, ohne die Wahrheit, aus. Der oberfte Grundfag iſt unmittelbar, nicht abgeleitet; er ſoll für fi gewiß feyn, das ift nur Ih. Ih fol an Allem zweifeln, von Allem abftrahiren; nur vom Ih Tann ich nicht

x) Grundlage der sesammten VVissenschaftslehre, 8.3.

Dritter Abſchnitt. Fichte'ſche Philofophie. | 619

ſtimmungen hervorgebracht hat, dahinter kann ich nicht kommen. Allein wenn ich über mein Bewußtſeyn philofophire, wenn ich weiß, was mein Ih thut, fo komme ich hinter mein gewöhnliches Bewußtſehn. Wenn ic philofophire, fo bin ich Bewußtfeyn, und bin mir als Bewußtſeyn Gegenftand; id) mache mir fo mein gewöhnliches Bewußtfepn zum Gegenſtand. Dieß thut das gewöhnliche Bewußtfeyn nicht; es befchäftigt fi nur mit an⸗ dern Gegenſtänden, Interefien u. f. f., macht ſich nicht fein ei⸗ genes Bewußtſeyn zum Gegenſtand. Shilofophiren wir z. B. über Seyn, Urſach, Wirkung u. f. f,, fo machen wir Seyn u. f. f. zu unferm Bewuftfeyn. Mache ich fo eine reine Kategorie zu meinem Bewußtfeyn, fo made ich mein Bewußtſeyn zum Bewußt- feyn, und ſtehe fo hinter meinem gewöhnlichen Bewußtſeyn. Fichte hat fo das Wiffen des MWiffens erfi zum Bewußtſeyn gebracht.

Das Weitere ift, daß alfo Fichte das philsfophifche Bewußtſeyn, den Zwed der Philoſophie darin gefegt hat, das Willen zu wiſſen; und er hat feine Philofophie deshalb Wiſ⸗ fenfchaftsichre genannt, die Miflenfchaft des Wiffens. Das Wifs fen ift hier die Thätigkeit, Wiffen der Kategorien; diefe hat Fichte betrachtet und Lonftruirt. Ach ift da Thatfache, fagte Fichte, das Erſte. Ich iſt nod nicht ein Sag. Als Sag, als Grundfag muß Ih nicht als trodenes Ich, als Eins genommen werden; zum Sag gehört Syntheſe. Fichte analyfirt Ich in drei Grundſätze, aus welden die ganze Wiſſenſchaft entwidelt wers den fol. .

a. Der erſte Sag muß einfach ſeyn; Prädikat und Sub⸗ jett müffen fi) glei feyn. Sind fie ungleih, fo muß das Verbindende erſt bewiefen werden; nach ihrer Verſchiedenheit find die Beflimmungen nicht unmittelbar Eins, fie müſſen .alfo Durch ein Drittes bewiefen werden. Der erſte Grundfag muß alfo identifh feyn. Diefer erfle Grundfag nun näher, als Grundfag, unterfcheidet die Form und den Gehalt an ihm, aber

wußtſeyn bit, weiß ih don einem Grgenflande: fo weiß id, ii er mein Gegenftand iſt, der Gegenfland ift auch mein. Der abftratten Form nach iſt diefer Sat IH— IH, die Per tität überhaupt, Beziehung feiner auf ſich ſelbſt; zur Beziehung gehören Zwei, die aber hier daffelbe find. Ich ift identiff mit feinem Unterfchiede, aber fo daß das Unterſchiedene unmillelbat daffelbe ift, und das Identifche ebenſo unterſchieden iſt; das if Unterfchied, der Feiner iſt. Das Selbſtbewußtſeyn iſt nicht tedte Identität, noch Nichtfeyn, fondern Gegenftand, der mir gleich il,

®) Grundlage der gesammten Pisseuschaftslehre, 5.2. ##) Ebendaselbst, 8.5. #3) Ehendafelbit, 15.

+) Ebendafelbft, S. 17.

+7) Ebendaselbst, 5.8.

ER

Dritter Abſchnitt. gichte ſche Phlloſophie. 6

Ich iſt Subjelt, Braditat und Beziehung. Abſtrakt iſt dieß AA, der Sag des Widerſpruchs. A iſt gleichgültiger In⸗ halt; Ich —⸗Ich iſt Einheit Beider, Ich ſelbſt. Das iſt unmit⸗ telbar gewiß, alles Andere muß mir ebenſo gewiß werden; es ſoll Beziehung meiner auf mich ſeyn. Der Inhalt fol in Ich verwandelt feyn,.fo daß ich nur meine Beflimmung darin babe. 2.. In diefem Grundfage nun iſt erſtens noch kein Unterſchied ausgedrückt; es iſt wohl Subjekt und. Prädikat, aber für uns, die wir darüber reflektiren und es unterſcheiden, an ihm ſelbſt iſt: kein Unterſchied, kein wahrer Inhalt. Zweitens iſt er wohl unmittelbar gewiß, Gewißheit des Selbſtbewußtſeyns; allein das Selbſtbewußtſeyn ift ebenfo Bewußtſeyn, und darin iſt es: ihm ebenfo gewiß, daß andere Dinge find, es tritt. diefen gegenüber. Drittens hat tr .cben darum die Wahrheit nicht an ihm, weil die Gewißheit feiner Feine Gegenfländlichkeit, nicht die form des imiterfiiedenen Inhalts an ihr hat, oder eben dem VBewußt⸗ fegn eines. Anderen gegenübertritt. Diefer Grundſatz iſt ab⸗ ſtrakt, es iſt kein Unterſchied darin; er hat nur formell einen In⸗ Balt: er iſt mangelhaft, weil er Inhalt enthalten fol. Wie tommt denn. nun .aber die Beflimmung hinein? . 2B8. Darum ift es für Fichte nothwendig, einen zweiten Srundfag zu fehen; es fol Inhalt, Unterſchied vorkommen. Diefer Grundſatz ift der. Form nad) unbedingt; der Inhalt ift aber bedingt, er kommt dem Ich nicht zu. ») . Der’ zweite Orundfag, unter den erften geſetzt, **) ift: „Ich fee dem Ich ein Nicht⸗JIch entgegen; ***8) worin eben etwas Anderes, als das abſolute Selbſtbewußtſeyn geſetzt wird. Ihm gehört die Form darin an, die Beziehung; aber der Inhalt iſt Nicht-Ich, anderer als Ih. Der Sag ift unabhängig darnach das Richt⸗Ich, als Inhalt, vom Ih —: oder umgekehrt durch die #) Grundlage der gesammten }Tissenschaftsichre, 5.17 u.22.

#%#) Ebendaselbst, S.19-—- 20. #) Ebendaselbst, S.21.

Dritten Abſchnitt. Fichte'ſche Philoſophie. 623

erſten Sätze durch einander, worin Ih das Nicht-⸗Ich ein⸗ ſchränkt. %) „Das Ih ſowohl als das Nicht⸗Ich find Beide dur das Ich und im Ich gefegt als durch einander gegenfeitig beſchränkbar: d.i. fo dag die Realität des Einen die Realität des Andern aufhebe,” ** aber „nur zum Theil; nur fo ift Syntheſis, Deduction möglich. Ich ſchränke das Nicht-Ich ein, das Nicht⸗Ich iſt für mih; Ich ſttze es in mid, in die Gleich⸗ beit meiner mit mir. Go entnehme ich es der Ungleichheit, ſei⸗ nem Riht- Ihe Seyn: d.h. id, befhränte es. Diefe Befchräns kung des Nicht⸗Ich drüdt Fichte fo aus: „Ich fege im Ich,“ und zwar „dem theilbaren Ich ein theilbares Nicht⸗Ich entges gen;” eins iſt durch das Andere begrenzbar.**) Die ganze Sphäre defien, was ich vor mir habe, ift nicht Eins, fondern Zwei. Die Sphäre fol Ih feyn; ich ſetze fie aber theilbar, infofern Nicht⸗Ich darin if. Und das Nicht Ich hebe ih auch als ganze Ephäre (nad) dem zweiten Grundſatz) auf, und fege es theilbar. Das iſt der Satz des Grundes, oder die Be⸗ ziehung der Realität und Regation, die Grenze; das iſt der ſynthetiſche Grundſatz, er enthält mich begrenzt durch Nicht⸗ Ich und Nicht⸗Ich begrenzt durch Ih. FT) Won dieſer Syn⸗ theſe iſt eigentlich in den beiden früheren Sätzen noch nichts enthalten. So iſt auch hier derſelbe Dualismus, wie bei Kant, wenn es auch nur zwei Acte des Ich ſind, und wenn wir auch ganz im Ich ſtehen bleiben. Die mannigfaltigen Verhältniſſe von Ih und Richt-Ich geben num die Kategorien, wie Subs fiantialität, FF) Kaufalität+Fp) wf.w. Schon diefe erfte Aufftellung dreier Grundfäge hebt die wiffenfchaftliche Im⸗ manenz auf. | #) Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, $. 27. ##) Ebendaselbst, 5.52. mM) Ebendaselbst, 5.28 30. +) Ebendaselbst, 5.14, 23, 48.

+r) Ebendaselbst, S. 76. t+}) Ebendaselbst, S.67. _

von dem Nicht⸗ Ih, dieg'ift das Theoretifche, daß Ih, ir dem ich anſchaue, ein Inhalt ift; und id) werde fo beftimmt, id habe diefen Inhalt in’ mir, eben den Inhalt, der auffer mir f iſt. Dieß ift im Ganzen cbenfo, wie bei der Erfahrung Kante: Ih, und ein Stoff, Inhalt; fo-ift bier ein Nicht = Zch, modurd das Ich befiimmt wird. Ic) ift einmal befiimmt, das ander Mal, indem es fi) erhält, auch beftimmend; denn es ift denken). *)

Hier vorzüglich ift es nun, daß man Fichte erwartet, die Rückkehr des Andersfeyns in das abfolute Selbſtbewußtſeyn auf zuzeigen. Allein, indem einmal das Andersfeyn als unbedingt an fi angenommen worden, fo kommt diefe Rückkehr nicht a Stande. Das Jenfeits des Jh foll vom prattifchen Id be

®) Grundlage der gesamnıen Pissenschaftslehre, S.52-5 ##) Ebendaselbst, 8.74.

Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philofophie. 625

ſtimmt werden; fo bleibt dem unbeflimmten Nicht⸗Ich nur der Anſtoß auf Ich übrig, So findet die ins Unendliche gehende - Thätigkeit einen Anſtoß, duch den fie zurüdgedrängt wird in : fi, gegen -den fie dann aber wieder reagirt. Indem ih num : das Niht= Ich feße, muß das affirmative Ich fich felbft bes . fchränten. Diefen Widerſpruch fucht dichte zu vereinigen, aber = defien ungeachtet läßt er den Grundfhaden des Dualismus be= flehen; fo ift er nicht aufgelöft, und das Letzte iſt nur ein Sollen, . Beftreben, Sehnen. Diefe unendlihe Schnfuht hat man dann im Schönen und im religiöfen Gefühl als das Höchfte angefehen, und damit zufammenhangend die oben *) erwähnte Ironie. Dieß Ich iſt in diefer Rückkehr nur ein Sehnen, Streben; es „in feiner Eeits firirt, und Tann fein Streben nit realiſtren. Es beftimmt wohl das Andere, aber diefe Einheit iſt ſchlechthin eine endlihe; Nicht⸗Ich ift unmittelbar dem Beflimmen wieder | fo entgangen, und aus diefer Einheit getreten. Was vorhans den iſt, iſt nur,eine Abwechſelung des Selbſtbewußtſeyns und deg Bewußtſeyns eines Andern, und das unendliche Fortgehen diefes Abwechfelns, das Fein Ende findet. **)

b. Im theoretifhen Bewußtfeyn weiß id mic) als bes flimmt von dem Gegenſtande; das Ich iſt das Setzende über- haupt, findet fi darin durch das Nicht Ich befchräntt. Es ift fih aber felbft glei; feine unendliche Thätigkeit geht daher darauf, das Nicht⸗Ich immer aufzuheben, ſich felbft hervorzubrins gen. Die Weifen, dag das Ich fich felbfi fest, find die ver⸗ ſchiedenen Weifen feiner Thätigkeit; diefe haben wir in ihrer ' Kothwendigkeit zu ertennen. Das ift die philofophifche Erkennt⸗ niß; fo erkenne id immer nur Wiffen, That des Ih. Es if an’s Bewußtfeyn appellirt: Ich und Nicht Ich werden in ihrer Abſtraction poſtulirt. Die philofophifhe Erkenntniß betrachtet aber das Bewußtſeyn felbf. Es ift nicht genug, daß wir Diefes

#) Th. Il, 5.62— 64.

##) Grundlage der gesammten VFissenschaftsiehre S. 79. Geſch. d. Phil, * * 40

Dritter Abſchnitt. Fichte'ſche Philofophie. 627

Entwidelung diefer Schranke; diefe Thätigkeit ift nun die Kate⸗ gorie. Fichte will die Formen diefer Begrenzung durchgehen; hieraus entwidelt er die Beftimmungen des Gegenflandes, und Diefe Beflimmungen nennt er Kategorien. Und näher fucht Fichte nun die befonderen Kategorien daraus abzuleiten; woran von Ariſtoteles an kein Menſch gedacht hat, die Denkbeſtim⸗ mungen in ihrer Rothwendigkeit, ihrer Ableitung, ihrer Kon⸗ ſtruktion aufzuzeigen, dieß hat Fichte verſucht. Uber von Hauſe aus iſt ſeine Darſtellung mit einem Gegenſatze behaſtet, wie bei Kant: Ich und die Vorſtellung, und dann die Dinge an ſich; hier bei Fichte das Ich und das Nicht-Ich. Es iſt ein Anſtoß; alle Formen, worunter er mir vorkommt, daß das Obiekt Subſtanz ſey u. ſ. w., iſt ein Geſetztwerden durch mid), 3. B. Wechſelbeſtimmung im dritten Satze. „Durch die Beſtimmung der Realität oder Negation des Ich wird zugleich die Negation oder Realität des Nicht-Ich beſtimmt;“ Beides in. Einem iſt Wechſelbeſtimmung. *) „Gleicher Grad der Thä⸗ tigkeit des Einen als Leiden im Andern iſt Kauſalität.“**) Ich und Nicht-⸗Ich find bezogen und durch einander begrenzt; infofern etwas als Realität des Richt ch betrachtet wird, werde Ich infofern als paſſiv betrachtet. Und umgekehrt: infofern Ich real, thätig bin, das Objekt leidend, iſt das entgegengefeste Verhältniß vor⸗ handen. Diefes Verhältniß, daß die Paflivität der Objekte meine Aktivität oder Realität ifl, und umgekehrt, iſt der Begriff der Raufalität. Es ift Weife des Begrenzens, nähere Weife des Verhältniſſes. „So viele Theile der Negation das Ich in fidy fest, fo viele Theile der Realität fest es in das Nicht-Ich. Es fest ſich demnach fi) beflimmend, infofern es beftimmt wird, amd beſtimmt werdend, infofern es ſich beſtimmt.“ ***) Das ift der erfte vernünftige Verſuch in der Welt, die Kategorien abzuleiten;

%#) Grundlage der gesammten FVissenschaftslehre, 5.60. ##) Ebendaselbst, S. 67. SUR) Ebendaselbst, 5.59.

40 *

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Dritter Abſchnitt. Fichte'ſche Philoͤſophie. 629

'als daß die großen Principe dürftig gemacht, die lebendigen Punkte getödtet find: oder es find untergeordnete Formen ver- Andert, wodurd denn cin anderes Brincip aufgeftellt werden fol, aber näher betrachtet bleiben es die Yrincipe einer jener Philoſophien. Es mag dieß als Troſt dienen, daß ich von allen diefen Philoſophien nicht weiter fpredhe; das Yuseinanderlegen derfelben wäre nichts, als ein Aufzeigen, daß Alles aus Kant, Fichte oder Schelling genommen ift: und daß die Modifikation der Formen nur iſt der Schein einer Veränderung, eigentlich aber eine Verſchlechterung der Principe diefer Philoſophen. Beim Jdealprincip der fihtefehen Philofophie bin Ich alfo das Beflimmende, Segende. Aber es ift in diefem Beſtimmen auch ein Negatives vorhanden; Ich finde mich beflimmt, und Ich iſt fich felbft gleich, iſt unendlich, d.h. identifh mit ſich. Schranke der menſchlichen Vernunft u. f. f. ift eine unnüge Re⸗ densart. Daf die Vernunft des Subjekts befhräntt iſt, verſteht ſich von felbfl; aber wenn wir vom Denten fprecdhen, fo iſt Un⸗

mölichkeit nichts Anderes, als Sich-zu⸗fich-ſelbſt- verhalten,

Ban

u

"nicht zu feiner Grenze: der Ort, wo der Menſch unendlich ift, iſt eben im Denten. Die Unendlichkeit Tann dann auch fehr abfiratt.feyn, und fo ift fie auch wieder endlich; aber deſſen ungeachtet bleibt die Unendlichkeit in fich felbft. Fichte fagt nun, Ich ift unendlich, if denkend, findet fi aber mit einem Nicht: Ich; dieß ift ein Widerfprud. Das Ich, das fchlechthin bei

fich ſelbſt feyn fol, foll nun bei Anderem feyn, das Ich, das ſchlechthin frei if. Die Forderung, diefen Widerſpruch aufzulds fen, hat nun bei Fichte die Stellung, daf fie nur eine geforderte Auflöfung ift, daß ich die Schranke immerfort aufzuheben, über die Grenze immer fortzugehen habe ins Unendlide, in die ſchlechte Unendlichkeit hinaus, und immer eine neue Grenze finde.

Mit dem Aufheben einer Grenze zeigt fi) immer eine neue;

es iſt cine fortgefegte Abwechfelung von Negation und Affir⸗ mation, eine Jdentität mit fi, die wieder in die Negation

A = B “0 "Dritter Theil. Neuere Philofephie: verfällt, und daraus immer wieder hergeftellt twird. Dirf if der Standpunkt Fichte's in Rüchſicht des Theoretifgen. Ebenſo deducht Fichte num das Vorſtellen. Ih thätig/ gehe hinaus; Ich findet ſich aber im feiner Ipätka ‚gehemmt, findet eine Grenze, geht in ſich zurüd. Das ſw zwei entgegengefegte Richtungen, Hinaus und Hinein, beide fi) in mir; ich ſchwebe zwiſchen Beiden, will fie vereinigen, fo ti ih Einbildungstraft. *) Daf Beſtimmung, Grenze, fr Mes zwiſchen Beiden fep, muß ich die Grenze Händig make, das iſt der Verſta nd *#) Beſtimmungen des Verſtandes, dedb jette (Kategorien) und Beflimmungen der Vorſtellung find Ban der Syntheſe; jede Syntheſe ift aber neuer Widerſpruch. Erin alſo neue Vermittelungen nöthig; diefe find neue Beftimmuna So ſagt Fichte: Id Tann das Niht- Ich, immer forte ſtimmen, zu meiner Vorftellung maden, dd. ihm feine N tion gegen mich nehmen; id) habe es nur mit meiner Thith keit zu thun. Es ift aber immer noch Aeußerlichkeit darinıw Yanden; diefe bleibt zurück, wird nicht erklärt durch mir ‚Thätigkeit. Dieſes Ienfeits nennt Fichte den umendlide Anftof. **8) „Ich if in feiner Selbfibeftimmung als befin J mend und beftimmt zugleich betrachtet worden; wird darauf tt: flektirt, daß das ſchlechthin beflimmte Beftimmende ein fäldt hin Unbeſtimmtes ſeyn müffe, ferner darauf, daß Ich und Ridt: Ich ſchlechthin entgegengefegt find: fo if das eine Mal ja das Unbefiimmte, das andere Dial Nicht-Ich.“ F) Ich macht das Ob jett zu feiner Vorſtellung, megirt es; fo iſt diefe Philoſophit Idealismus, alle Veſtimmungen des Gegenſtandes ſind ideclt Alles, was Ich Beſtimmtes hat, hat es durch mein Setzen: Id made einen Rod, Stiefel felbfi, indem Id fie anlege, Es blatt

#) Grundlage der gesammten Hissenschaftslehre, $.197, 4 *#) Ebendaselbst, 8.204. we) Ebendaselbst, S. 196.

+) Ebendafelbfl, ©. 22:

Dritter Abfchnitt. Fichte ſche Philoſophie. 631

zurück nur der leere Anſtoß; das iſt das kantiſche Ding an ſich. Das Ich, die theoretiſche Vernunft, ſetzt ihr Beſtimmen in's Un⸗ endliche fort. „Ich bleibt“ aber immer, „als Intelligenz überhaupt, abhängig von einem unbefiimmten Nicht⸗Ich; nur durch foldes iſt es Intelligenz.” *) Das Theoretifche iſt fo abhängig.

Die Form der Darftelung hat Unbequemlichkeit; Ich fest, fo babe ich immer Ich vor Augen. Da erfcheint mir immer mein empirifches Ich; das iſt ungereimt. Die theoretifche Thä⸗ tigkeit ift bewußtlos; fie erſcheint erſt im philoſophiſchen Erken⸗ nen als bewußt; im gemeinen Bewußtſeyn find mir meine Pro⸗ dukte Gegebenes. Das Ih ift auch ungeſchickte, überflüffige Form, die den Geflchtspuntt verrüdt. Daß ich vorfielle, ift als lerdings meine Thätigkeit; der Inhalt ift aber die Hauptfache, es handelt fih um den Inhalt des Setens und feinen nothwens digen Zuſammenhang duch ihn felbfl. Befchäftigt man ſich nur "mit dem Inhalt, fo verfhwindet diefe Form der Subjektivität, welche das Herrfchende ift; die ſubjektive Form iſt das Bleibende in feinem Gegenfage. Für das Ich bleibt immer das Ding⸗ an⸗ſich; der Dualismus löſt fih nit auf. Man hat es nicht mit dem Wahren an und für fih zu thun, fondern mit einem Ab⸗ bängigen, weil Ich beſchränkt, nicht abfolut, iſt, wie cs fein Bes griff fordert. Die Intelligenz wird bier nicht als Geiſt betrach⸗ tet, er ift frei; Ich kommt nicht weiter, bat es immer mit dem⸗ felben unendlichen Anſtoß zu thun.

c. Das Zweite ift die praftifhe Bernunft. Im Brat- tiſchen aber iſt cs, wo diefer Gegenſatz ſich auflöfen fol. Das Verhältniß des prattifhen Ich if, daß „es ſich felbft fegt als beftimmend das Nicht⸗Ich,“ **) Ich bei mir felbfi darin ſey. Ich iſt unendliche Thätigkeit, Ich ZIch iſt abfolut, **%) freilich abſtrakt. Aber um eine Beſtimmung zu haben, muß

x) Grundlage der geſammten Wiſſenſchaftslehre, ©. 228.

##) Ebendaselbst, S. 225. MS) Ebendaselbst, S. 229.

632 Dritter Theil. Neuere Philofopbie.

do ein Nicht⸗Ich ſeyn; Ich ift die Thatigkeit, Kawfalität, das Sesende des Nicht⸗Ich und das Aufhebende des Gegeniiks defielben. Uber wie bei Kant Sinnlichkeit und Beruf entgegengefegt bleibt, fo ift derfelbe Gegenſatz bier, nur in eb⸗ firakterer Form, nicht in der roh empirifhen Kants. Fichte windet fi hier auf mannigfaltige Weife, oder giebt dem Ge genfage mandherlei verfhiedene Formen; die ſchlechteſte Form ifl, daf Ah als Kaujalität gejest if: denn darin hat es ein Anderes nott- wendig, worauf es thätig if. „Das abfolute Ih ſoll demned“ jegt „Urſache feyn des Nicht⸗Ich, d. i. nur desjenigen im Nicht⸗-Ich, was übrig bleibt, wenn man von allen ermeisbaren Formen der Vorſtellung abflrahirt: desjenigen, welchem der An- floß auf die in’s Unendlihe hinausgehende Thätigkeit des Jh zugefihrieben wird; denn daß von den befonderen Beflimmungen des Vorgefiellten, als eines foldhen, das intelligente Ich nah den notwendigen Gefegen des Vorſtellens Urſache fey, wird in der theoretifhen Wiſſenſchaftslehre dargethan.“*) Die Schranke der Intelligenz foll durchbrochen werden; das Ich fol das als lein Thätige feyn. Das Andere, der unendliche Anſtoß, m aufgehoben werden; Ich foll mich befreien. | „Run follte in unferer Borausfegung das Ich ein Nichts Ich fegen ſchlechthin und ohne allen Grund: d. i. es follte fih felbft ſchlechthin und ohne allen Grund einſchränken, zum Theil nicht fegen.” Dieß thut es ja ſchon als intelligent. „Es müßte demnad den Grund, ſich nicht zu fegen,” nur „in ſich felbft has ben;“ Ich ift aber gleih Ich, fest ſich ſelbſt, „es müßte“ fo „in ihm ſeyn das Princip, ſich zu fegen, und das Princip, ſich auch nicht zu fegen. Mithin wäre das Ich in feinem We fen fich felbft entgegengefest und widerftreitend; es wäre in ihm ein zwiefaches, entgegengefestes Princip: weldhe Annahme fich felbft widerfpricht, denn dann wäre in ihm gar tein Princip.

. #) Grundlage der geſammten Wiſſenſchaftslehre, ©. 232.

Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philofophie. 633

Das Ich wäre” fomit „gar nichts; denn es höbe ſich felbfl anf.” *) ‚Alle MWiderfprühe werden vereinigt durch nähere Beflimmung der widerfpredhenden Säge In einem anderen inne müßte das Ich gefest ſeyn als unendlih, in einem ans dern als endlih. Wäre es in einem und demfelben Sinne als unendlih und als endlich gefegt, fo wäre der Widerfpruch uns auflösbar; das Ich wäre nicht Eins, fondern Zwei. Inſo⸗ fern das Ich fid als unendlich fett, geht feine Thätigkeit auf das Ich felbfi, und auf nichts Anderes, als das Ih. Inſofern das Ih Schranten, und ſich ſelbſt in diefe Schranken fest, gebt feine Thätigkeit nicht unmittelbar auf ſich felbfl, fondern auf. ein entgegenzufegendes Nicht-⸗Ich,“ auf ein Anderes, ein Ob⸗ jett, „ift objektive Thätigkeit. **) Go bleibt Fichte beim Ges genfag, nur hat er andere Geftalt als zwei Richtungen im Id; Beide follen eine und diefelbe Thätigkeit des Ih feyn. Ich foU darauf gehen, das Entgegengefeste, das Niht= Ich, meiner Freiheit gemäß zu beſtimmen; jenfeits meiner Beftimmung kommt aber daffelbe Niht> Ich immer wieder vor. Das Ich fest fchledhthin einen Gegenſtand, Grenzpuntt; aber wo die Grenze fey, ift unbeflimmt. Den Kreis meiner Beflimmung kann id) in’s Unendliche hinaus verlegen, erweitern; aber ein Jenſeits bleibt immer. ,

Das Leste in Anſehung des Praktiſchen ift fo, daß Die Thätigkeit des Ich ein Schnen, Streben ift, »***) daffelbe, was das Tantifhe Sollen; Fichte behandelt dieß mit großer Weitſchweifigkeit. Die fichte'ſche Philofophie hat denfelben Standpunkt, als die kantifhe Dhilofophie; das Letzte ift immer die Subjektivität, fie ifl an und für ſich feyend. Schnen ift das Böttlihe; im Schnen habe ich mich nicht vergeffen: darum ifl es ein fo bebagliher Zuftand, Ich ſey diefe Wortrefflichkeit.

*) Grundlage der geſammten Wiffenfihaftslehre, ©. 233.

#) Ehendafelbft, S. 238 239. *KÆa) Ebendaselbst, 5.302, 246 247.

64 Driter Theil, Menere Pbilefopbie« · Streben iſt ein, unvollendetes Thum, oder an ſich begrenztes Thun Das Prattiſche als ein ſolches iſt mit einem Gegenfage behaf- tet, negativ gegen ein Anderes, Dieß Nicht -Ich, morauf es uis iſt, hat zwar alle Veſtimmungen durch die Thätigkeit du Ich; aber es bleibt ihm das reine Jenſeits übrig, es iſt ein mr endlicher Anſtoß: es hat nur die Bedeutung von Nicht: Je, feine pofttive, an ſich felbft fepende Beſſimmung. Das legte Refultat ift ein nie aufzulöfender-,, Zirkel, deh nämlic; „der endlihe Geift mothwendig etwas. Abſolutes auf fich fegen muß. (ein Ding an fih), und dennoch von der anım Seite anerkennen muß, daß daflelbe mur für ihm da fey (a nothiendiges Noumen).“. *) Oder wir fehen Ich "fchlediis beftimant nur im Gegenfage, Ih nur als Bewußtſeyn und Sch bewußtſeyn, ‚das nicht darüber Hinausfommt, noch zum Gt: wird. Ich if der abſolute Begriff, der nicht zur Einpeit ki Denkens kommt, nicht in diefe Einfachheit‘ zurückkehrt, oder h der Einfachheit nicht, dem Unterſchied, in der. Bewegung nik Die Ruhe hat, Segen, reine -Thätigkeit des Ich, und Ente genfegen nicht als daffelbe begreift. Oder Ich begreift den ur endlichen Anftoß, das Nicht- Ih nicht; es beſtimmt das Nikt Ich, aber es bleibt ein Jenfeits, ein Jenfeits, weldes al Nicht Ih das Selbſtbewußtſeyn nicht ſich zu eigen zu machen nei a) Erſtens behält dadurch Ich die Bedeutung des rinel- nen wirklichen Selbfibewußtfeyns, entgegengefegt dem allgemeinen, abfoluten, oder dem Geifte, worin es felbft nur Vroment it; denn das einzelne Selbſtbewußtſeyn ift eben diefes, das gegen ein Anderes auf der Seite ſtehen bleibt. Wenn Ich deswegen das abfolute Wefen genannt wurde, fo gab dieß das ungeheun Aergerniß, weil Ich in der That befiimmt nur in dem Sinn des einzelnen Selbftbewuftfeyns oder des Subjekts, entgegenge fegt dem Allgemeinen, vorkommt.

®) Grundlage der gesammten Wissenschaftsiehre, 8.273.

I

Dritter Abſchnitt. Fichte’fche Phitofophie. 635

AR) Zweitens tommt Fichte nicht zur Idee der Bernunft, als der vollendeten, realen Einheit des Subjetts und Objekts, «oder des Ih und Nicht-Ich; fie ift ein Sollen, wie bei Kant, ein Ziel, ein Glauben, *) daß Beides an fi) Eins fey, aber ein Ziel, deſſen Erreichung derfelbe Widerſpruch, wie bei Kant, if, nicht die gegenwärtige Wirklichkeit an ihm hat. Fichte bleibt beim Sollen fichen; jedoch wie Kant den Gedanken einer Ver: einigung in einem Glauben hinftelt, fo ſchließt auch Fichte mit einem Glauben. Das hat er in popularen Schriften auss geführt. Weil nämlid Ich firirt ift als entgegengefegt ges gen Nicht⸗Ich, und nur ift als entgegengefegt, fo geht es in jener Einheit verloren; die Erreichung diefes Ziels iſt des⸗ wegen in das fchlechte, finnliche Unendliche hinausgefhoben, eben ein Fortgang ohne Gegenwart, ohne Wirklichkeit an ihm felbft: denn Ich hat nur in feinem Gegenfage alle Wirklichkeit, Die fihtefhe Philofophie erfennt nur den endlichen Geift, nicht den unendlichen, nicht als allgemeines Denken, wie die tantifche das Nichtwahre; oder fie ift formel. Das Wiffen von der abfoluten Einheit wird als Glauben an eine moralis ſche Weltordnung gefaßt; fie ift abfolute DBorausfegung; wir haben Glauben, bei Yilem, was Ich thue, daß jede morali> ſche Handlung einen guten Erfolg haben werde. **) Diefe Idee ift, wie bei Kant, ein Allgemeines, ein Gedanktending. „In Summa, dadurch, daf etwas begriffen wird, hört es auf, Gott zu feyn; und jeder vorgebliche Begriff von Gott iſt nothwendig der eines Abgotts. Religion ifl ein praktiſcher Slauben an die moralifhe Weltordnung” (Bott); „Glaube an eine überfinnliche Welt gehört, nad) unferer Philofophie, unter die un⸗ mittelbaren Wahrheiten.” ***) Fichte fchließt fo mit der höch⸗

#*) Grundlage der gesammten VVissenschaftslehre, S. 301. ##) Ueber den Grund unsers Glaubens an eine göttliche VVelt- regierung (Fichte’s Leben, Th. II), S.111. RU) Meranwortungsfchreiben gegen d. Anklage d. Atheismus, S. 51, 53.

636 Dritter Theil. Neuere Philofophie-

fien Idee, Vereinigung der freiheit und Natur, fo daß fir w- mittelbar nicht erkannte iſtz mur der Gegenfag füllt in's Be wugtfegn. Diefe geglaubte Vereinigung findet er auch in Lich Gottes. Als geglaubt, empfunden, gehört diefe Form der Re ligiofität’an, nicht der Philoſophie und nur Die in der Pie: ſophie zu erkennen, kann Jatereffe haben.

F Es bleibt bei einer völlig ungenügenden Aeußerlichteit: Wel eine Beſtimmtheit nothwendig, fo die andere; die Richt: liegt zu Grunde. Ich if auf ein Anderes bezogen, wieder uf ein Anderes u. f. f. in's Unendliche. „Die Wiffenihuie lehre iſt realiftifch. Sie zeigt, daß das Bewußtſeyhn endlie Naturen ſich ſchlechterdings night erklären laſſe, wenn man mät eine unabhängig von denfelben vorhandene, ihnen völlig cute gengefegte Kraft annimmt, von der. diefelben, ihrem empirifin Daſeyn nach, felbft abhängig find. Sie behauptet aber uk

N nichts weiter, als eine ſolche entgegengefegte Kraft, die von wm

endlichen Wefen bloß gefühlt, aber nit erfannt wird, A möglichen Befiimmungen'diefer Kraft oder dieſes Nicht> Ih, di imn die Unendlichkeit hinaus in unferem Bewußtſeyn vortomm können, macht fie fih anheifhig, aus dem beftimmenden Vermi: gen des Ich abzuleiten, und muß diefelben, fo gewiß fie Wi: ſenſchaftslehre ift, wirklich ableiten können. Diefe Wifen- ſchaft iſt aber nicht transcendent, ſondern transcendental. Sie erklärt allerdings alles Bewußtſeyn aus einem unabhängig von allem Bewußtſeyn Worhandenen; aber fie vergißt nicht, das je nes Unabhängige abermals ein Produkt ihrer eigenen Denttraft wird, mithin etwas vom Ich Abhängiges ift, infofern es für dus Ich da feyn fol, Alles if, feiner Jdealität nad, vom Ich abhängig; Ich aber ift, feiner Realität nah, ſelbſt abhängig Dieß nothwendige Auferfich des endlichen Geiftes, was nur für ihn, ift derjenige Zirkel, den er in das Unendliche erweitern, aus welchem er aber nie herauskommen kann,“ *)

*) Grundlage der gefammten Wiſſenſchaftslehre, S. 272 27.

\ ER

Dritter Abfchnitt. Fichte'ſche Philofophie. ' 637

Ach ift Denken, an fi beflimmend das Objekt; diefe Fort⸗ bildung ift Denken. Ih, als Subjeft des Bewußtſeyns, iſt Denten; die logifche Fortbeſtimmung des Objekts iſt das in Subjett und Objekt Identiſche, der weientlihe Zufammenhang dasjenige, nach welchem das Objektive das Seinige des Ich ifl. Aber die fichtefche Wiffenfchaftslchre faßt den Kampf des Ich mit Objekten als den des Fortbeſtimmtwerdens der Objekte durch Ich: aber keine Identität des ruhig fi entwidelnden Begriffs.

y) Weil Ich fo auf einer Seite flrirt ifl, fo geht von ihm, als diefem Extrem, aller Fortgang des Inhalts der Wiffene ſchaft aus, und das Deduciren der fichte'ſchen Philofophie, das Erkennen, feinem Inhalt und feiner Form nach, iſt ein Fortgang von Beſtimmtheiten zu andern, die nicht in die Einheit zurückkeh⸗ ren, oder durch eine Reihe von Endlichkeiten, die das Abſolute

nicht an ihnen haben. Die abſolute Betrachtung fehlt, fo wie

vo. (& x mw wu x *

ein abſoluter Inhalt. 3. B. die Betrachtung der Natur iſt fo eine Betrachtung derſelben als reiner Endlichkeiten von einem Andern aus. So 3. B. wird der organiſche Leib fo begrif- fen: „Das Bewußtfeyn braucht eine ganz eigenthümliche Sphäre feiner Tätigkeit. Diefe Sphäre iſt gefegt durch eine urfprüng- liche, nothwendige Thätigkeit des Ih, worin es fich nicht frei weiß. Es ift ein Anſchauen, ein Linien Ziehen; dadurch wird dieß angefchaut als ein im Raum Ausgedehntes. Er iſt als ru⸗ hend, fortdanernd, und doch als unaufhörlich fich veröndernd oder als Materie gefegt, diefe als eine Menge von Theilen, fo bat file Glieder, da die Perfon ſich nur einen Leib zu⸗ fhreiben Tann, indem fie ihn fest als flehend unter der Eine wirkung einer andern Perſon. Aber ebenſo nothwendig ift, daß ich diefe Einwirkung hemmen kann; und die äußere Materie ifl ebenfo als aud meinen Einwirkungen in fie widerfiehend, d. h.

als eine haltbare, zähe Materie gefegt.” #)- Diefe zähen

* Grundlage des Naturrechts (Jena und Leipzig, 1796), Th. I, $8.55—71, passin

638 + Defeter Theil, Neere Psilsfonbie:

Perſonen können nit als Ein Teig aneinander leben. Dem mein Leib iſt mein Leib, nicht eines Anderm; er fol fern

"amd wirken; thätig feyn, ohne Daß Ich durch ihn wirkte. Ci

y

durch Einwirkung eines Anderen ann ich felbft thätig fehn, m ſtelle mich als vernünftiges Wefen dar, das von ihm reſpetin werden Tann; der Andere foll mic unmittelbar als wernünftit Weſen behandeln, id) foll für ihm ein vernünftiges Weſen fan, ehe ich thãtig gewefen bin. De h. meine Geftalt muß dund ik bloßes Dafeyn im Raume wirken, ohne daß ich thätig wärr;dk fie muß ſicht b ar fepn. Die wechfelfeitige Einwitkung verninlier Weſen foll ohne Thätigteit auf einander gefehehen ; es mh fubttle Materie gefegt werden, daß fie durch die bloße nuhar Geſtalt modificirt werde. So iſt das Licht deducirt, und vn bene: BIRU ſtia·. Ef dieß ein blofes uferliches Fortgehen von Ein zum Anderen, nad der Meife der gemeinen teleologiſchen Be trachtung / daß die Pflanzen und Thiere zur Nahrung des Nie ſchen vorhanden find. Dieß erhält die Wendung: Der Malt muf eſſen, alfo muß etwas Efbares da ſeyn, fomit find Mas zen und Thiere deducirt; Die Pflanzen müffen in Etwas ft: hen, fomit ift die Erde deducirt. Es fehlt dabei ganz, du der Gegenftand betrachtet wird, was er an ihm felbft iſt; if ſchlechthin nur in Beziehung auf ein Anderes betrachtet, Daber tommt der thierifhe Organismus als eine zähe, haltbareMatt- tie vor, die artitulirt ift und mobdificirt werden Tann, Liht alt eine fubtile Materie der Mittheilung des bloßen Daichn uf. f., wie dort Pflanze und Thier nur etwas Cfbart find. Won philofophifcher Betrachtung ift dabei Feine Rede. Eben dich ift der Fall im Anfehung des Inhalts. Fich hat auch Moral, Naturrecht verfaßt; er behandelt fie ab

#®) Grundlage des Naturrechts Th. l, 5.78—82, passim.

N

Dritter Abſchnitt. Fichte ſche Philofophie. 639

nur als Wiſſenſchaften des Verſtandes. Das fichte'ſche Natur⸗ recht ſtellt z. B. die Organiſation des Staats auf. Dieſe Organiſation iſt gerade etwas ſo Geiſtloſes, als dieſe Deduktion natürlicher Dinge, und als manche der franzöfiſchen Konſtitutio⸗ nen waren, die wir in neueren Zeiten ſahen; eine formale äußerlihe Verknüpfung und Beziehung, worin die Einzelnen

3: als foldye als abfolute gelten, oder das Recht das höchſte Prin-

Rcip iſt. Das Allgemeine ift nicht der Geift, die Suöflanz des

Ganzen, fondern die Außerliche, verfländige, negative Gewalt ge- gen die Einzelnen. Der Staat iſt nicht in feinem Weſen, fon- dern nur als Rechtszuſtand begriffen, d. b. eben als eine ãu⸗ ßerliche Beziehung von Endlichen zu Endlihen. Die fihtes the Deduttion der rechtlihen und moralifhen Begriffe bleibt gleihfalls in der Schranke des Selbſtbewußtſeyns und der Härte des Verſtandes flehen, gegen die Fichte's populare Darſtellun⸗ gen von Religion und Sittlichkeit Inkonſequenzen darbieten. Kant hat angefangen, das Recht auf die Freiheit zu gründen, auch “Fichte macht im Naturrecht die Freiheit zum Principe; es tft aber, wie bei Rouſſean, Freiheit in der Form des einzelnen Individuums Cs ift dieß ein großer Anfang; aber um zum Befonderen zu kommen, haben fie Borausfesungen machen, aufs nehmen müffen. Es find mehrere Einzelne; die ganze Ausfüh⸗ rung des Staats bat alfo zur Kauptbefiimmung, daß bie Frei⸗ heit der Einzelnen fih durch die allgemeine Freiheit beſchränken müffe. #%) Sie bleiben immer Sprödes, Negatives gegen eins ander. Das Gefängniß, die Bande werden immer größer, flatt dag der Staat als Realifirung der Freiheit gefaßt werde. Es geht mit bornirtem Verſtande fort, das Naturrecht tt befonders misrathen; er dedurirt aud die Natur, fo weit er fle braucht, das ift ideenlofes Fortgehen.

#) Grundlage des Naturrechts, Th. II, S. 24.

640 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

2. Fichte's neu umgebildetes Syſtem.

An feinen fpäteren, popularen Schriften hat Fichte Glan, Liebe, Hoffnung, Religion aufgeftellt, ohne philofophifches es tereſſe, für ein allgemeines Bublitum, eine Philoſophie für anf gelärte Juden und Jüdinnen, Staatsräthe, Kogebue. Ficht bat eine große Aufregung feiner Zeit gegeben, den Kantianie⸗ mus vollendet. Popular fagt er: „Nicht das endlidhe IS ift, fondern die göttlihe Idee ift der Grund aller Philoſophie; Alles, was der Menſch aus fich felbft_thut, ift nichtig. Alles

Seyn ift lebendig und in ſich felbft thätig: und es giebt kein

anderes Leben als das Seyn, und Fein anderes Seyn als Belt; Gott ift alfo abfolutes Seyn und Leben. Das göttliche Wefen teitt auch aus fi) hervor, offenbart und äußert fih, bie Tel." *)

Diefe Philoſophie enthält nichts Spekulatives, aber fie for

dert das Spekulative. Wie die kantiſche Philoſophie in ihn

Idee des höchſten Gutes, worin die Gegenfäge fich vereinigen

follen: fo fordert die fihtefche Philofophie die Bereinigung im Ich und in dem Anſich des Glaubens, in welchem das Selbſt⸗ bewußtfeyn in feinem Handeln von der Weberzeugung ausgeht, dag an fi fein Handeln den höchſten Zweck hervorbringe und das Gute ſich realifire. Es ift in der fihtefchen Philoſophie nichts zu fehen, als das Moment des Selbſtbewußtſeyns, dis

ſelbſtbewußten Inſichſeyns: wie in der engliſchen Philoſophie

ebenfo einfeitig das Moment des Seyn⸗für⸗-Anderes, oder des Bewußtſeyns nicht als Moment, fondern als das Princip des Wahren ausgefproden if; in keiner von Beiden die Einheit Beider, der Geift.

Fichte's Philofophie macht in der äußeren Erſcheinung der Nhilofophie einen bedeutenden Abſchnitt. Bon ihm und feine

*) Mirner: Handbuch d. Geſch. d. Phil., B. II, 8.192, ©.416; Ueber das Wesen des Gelehrten (Berlin, 1806), S.4—5, 15, 23 77.

Dritter Abſchnitt. Friedrich von Schlegel, 641

Manier kommt das abflrafte Denken, die Deduktion und Kon« ſtruktion. Mit der fihtefhen Bhilofophie hat ſich eine Revo Intion in Deutfchland gemadt. Bis in die Tantifche Philoſo⸗ phie hinein ift das Publitum noch mit fortgegangen, bis zur Tantifhen Philofophie erwedte die Philofophie cin allgemeines Sinterefie; fie war zugänglich, man war begierig darauf, fle ges börte zu einem gebildeten Manne überhaupt. Sonſt beſchäftig⸗ ten fih Gefchäftsmänner, Staatsmänner damit; jest, bei der Tantifhen Dhilofophie, finten ihnen die Flügel. Sie find nicht bis zum fichte'fchen Spekulativen fortgegangen, haben gleich Ab⸗ fchied genommen, wo es zum Spekulativen gebt; befonders feit Fichte wurde es Befchäftigung weniger Männer. Das Yubli« um wurde durch die Tantifhe und jacobi'ſche Philoſophie darin beflärtt, daß das Wiſſen von Gott ein unmittelbares ſey, das man von Haus aus kenne, ohne zu fludiren. |

Die Zeit hat nad) Leben, nad Geift gerufen. Indem nun fo der Geift in das Selbfibewußtfeyn zurüdgegangen, aber in es als leeres Ich, das ſich nur einen Inhalt, eine Erfüllung giebt durch Endlichkeiten, Einzelnheiten, die nichts an und für fi find: fo ift die nächſte Stufe diefe Erfüllung des Selbſtbewußt⸗ ſeyns an ihm felbft, den Inhalt ſich an ſich ſelbſt zu wiſſen, eis nen Inhalt, der, durchdrungen von ihm, ein felbfibewußter, gei= :fliger Inhalt, oder inhaltsvoller Geift fey. Dieſe unmittelbare Einheit des felbfivewußten Ich und feines Inhalts, oder der Geift, der fein felbfibewußtes Leben nur anfhaut, und dieß als die Wahrheit unmittelbar weiß, hat fid dann in den poetifchen und propbetifchen, fehnfüchtigen Zendenzen geäußert, in Aus⸗ wüchſen, die aus der fichtefchen Philofophie hervorgegangen find.

3. Hauptformen, die mit der fihte’fhen Philoſo— phie zufammenbhangen. Es fällt, in Anfehung des Inhalts, den das fichte'fche Ich in feiner Philoſophie gewinnt, die vollkommene Geiftlofigkeit, Geſch. d. Phil. * * 4

das volle Herz if 26 erfh, welche ihnen den Nacbn Ban für ie sfohem et weikeriniihtd. =

Feſte, diefe innerliche Befriedigung Gtahenme And rigie & pfindungen. Diefer Trieb zu etwas Feftem hat Andere i pofitive Neligiofität, in Katholicismus, Aberglauben, Wunn geworfen, um etwas Feſtes zu haben, weil der inneren Subjk tivität Alles ſchwankt. Sie will fih mit der ganzen Gem des Gemüths an Pofitives wenden, den Kopf umter dus Loft tive beugen, dem Aeußerlichen fih in die Arme werfen, md fi det innere Nöthigung dazu.

c. Die Subjettivität beſteht im Mangel, aber Ttich nach einem Feſten, und bleibt fo Sehnſucht. Diefe Schnfuit einer ſchönen Seele ftellt fih in Novalis? Schriften x Diefe Subjektivität bleibt Sehnſucht, kommt nicht zum Sub ſtantiellen, verglimmt in ſich, und hält ſich auf diefem Stan: punkt fe, das Weben und Liniengiehen in fich felbft; «it inneres Leben und Umſtändigkeit aller Wahrheit. Die &r

Dritter Abſchnitt. Novalis. Fried. Bouterwek. Krus. 645

teavaganz der Subjektivität wird häufig Werrüdtheit; bleibt ſte im Gedanken, fo ift fie im Wirbel des reflettirenden Verſtan⸗ des befangen, der immer gegen fi negativ iſt.

d. Eine andere Form der GSubjektivität iſt Subjettivität der Willtür, Ignoranz. Sie ergriff dieß, daß die legte Weiſe des Erkennens unmittelbares Wiffen fey, Thatſache des Bes wußtſeyns; das ift bequem. Die fihtefche Abſtraktion und fein harter Berfiand hat Abfchredendes für das Denken; die faule Vernunft ließ fih Jenes gefagt feyn, und hat allem kon⸗ fequenten Denten, aller Konftruktion entſagt. Diefe Willkür erlaubte fi) Alles, wie in der Zabagie, nahm ſich poetifch, pros phetiſch. Dann war fie auch nüchterner und profaifcher; fie hat Die alte.Logit und Metaphyſik wieder herbeigeholt, nur mit der Wendung, daß es Thatſachen des Bewußtſeyns ſeyen. So Fries. Er wollte die Kritit der reinen Vernunft verbeffeen, indem er die Kategorien als Thatfadhen des Bewußtſehns aufs faßte. Beliebiger Stoff Tann da hereingenommen werden. Die Ehre ift in Anfehung des Whilofophirens zu Grunde ges gangen; denn fie fest eine Gemeinfhaftlichkeit von Gedanken Grundfägen, Korderung von Wiffenfchaftlichklit, oder auch nur Meinungen voraus. Es wurde aber Alles auf befondere Sub- jettivität gefiellt; Jeder war hochmüthig und verachtend gegen Andere. Die Vorſtellung von Sclöfldenten verbindet fi damit. Man kann nicht für Andere denten: das Gelbfidenten iſt der Beweis; man foll eigenthümliche Partikularität aus- hecken, fonft hat man es nicht felbft gedacht. Das ſchlechte Ge⸗ mälde ift das, wo der Künftier ſich felbft zeigt; Originalität ifl, ‚etwas ganz Allgemeines zu produciren. Die Marotte des Selbſt⸗ denkens ift, daß Jeder Ubgefchmadteres hervorbringt, als ein Anderer. |

Bonterwek ſpricht von „Virtualität, Lebendigkeit der Kraft: daß Subjekt und Objekt als Eins, nämlich als abfolute Virtualität angefhaut werden. Mit diefer abfoluten Vir⸗

nen, ift jedem Sterblichen unmöglich 99 00. Krug fhrieb „gundamental- Philofoppie,“ filt nteanscendentalen Spnthetismus, transcendentalen Ri liemus und transcendentalen Idealismus; im \unzertremlihe Verbindung“ auf. Es ifi eine zurfprüngliche transrenkate Syntheſis zwiſchen dem Nealen und Idealen, zwiſchen den ku kenden Subjekte und der gegenüberſtehenden Außenwelt geye ben;“ dieſe transcendentale Syntheſis muß „anerkannt md hauptet werden, ohne fie erk lär en zu wollen.⸗ #) (iii

uichen Borlelign.d D. Selling.

Das bebdeutendfte, oder in philofophifcher NRüdfiht cin bedeutende Hinausgehen über die fichte'ſche Vhilofophie hat Sch ling endlich gethan. Die höhere ächte Form, die ſich an Fihk anſchloß, ift die ſchelling'ſche Philoſophie.

Friedrich Wilhelm Joſeph Schelling, geboren zu Sqom⸗

*) Rixner: Handb. d. Gesch.d. Phil, B.IIT, 8. 156,5.317—3%: Vergl. Bouterweh's Apodietik (1799), Th. II, 5.206212, pasin

##) Krug: Entwurf eines neuen Organon der Philosopkir (Meissen, 1801), $.75—76; Rixner: Handbuch d. Geschichte Philosophie, B. III, $.157, 8.349.

###) Rixner: Handbuch d. Gesch.d. Phil, B. II, 8.458, 8.30: Fries: Neue Kritik d. Vernunft (1. Ausg., Heidelberg, 1807), B.l, 8.75, 281, 284, 343.

9) Aixner: a. a. 0. 8.351: Fries: a. a. O., $.206.

=

Dritter Abſchuitt. Friedtich Wilhelm Joſeph Schelling. 617:

dorf im Würtembergiſchen, am 27. Januar 1775, ſtudirte in Leipzig und Jena, wo er in nähere Beziehung. mit Fichte trat. Seit mehreren Jahren ift er Sekretär der Akademie der bilden- den Künfte in Münden. Es kann hicht vollftändig noch ſchick⸗ lich über fein Leben gefprodhen werden, da er noch lebt.

Die fchelling’fhe Philofophie ift nun zunächſt übergegan« gen zum Erkennen Gottes; und fle if ausgegangen von der kantiſchen und dann der fihtefhen Philofophie. Schelling legt Jacobi's Princip von der Einheit des Denkens und Seyns zum Fundamente, nur dag er es näher zu beſtimmen anfängt. *) Die konkrete Einheit bei ihm ift dann die, daß das Endliche fe wenig als das Unendlihe etwas Wahres if, die fubjektive Idee fo wenig als die Objektivität, und daß Berbindungen, in benen beide Unwahre als felbfiftändig außer einander verknüpft werden, auch nur Verbindungen von Unmwahren find. Die kon⸗ krete Einheit kann nur fo gefaßt werden, dag fie Proceß iſt und Die lebendige Bewegung in einem Satze. Diele Untrennbarteit iſt eben nur in Gott; das Endliche ift dagegen dasjenige, was biefe Zrennbarteit an ihm bat. Infofern es ein Wahres ifl, if es auch dieſe Einheit, aber in einer befchräntten Sphäre, umd chen darum in der Trennbarkeit beider Momente.

Selling bat feine philofophifche Ausbildung vor dem Publitum gemacht. Die Reihe feiner philoſophiſchen Schriften iſt zugleich Geſchichte feiner philofophifchen Bildung, und fiellt feine allmählige Erhebung über das fihtefdhe Princip und den fantifchen Inhalt dar, mit welchen er anfing; fie enthalt nicht eine Folge der ausgearbeiteten Theile der Philofophie nad ein- ander, fondern eine Folge feiner Bildungsfltufen. Wenn nad einer legten Schrift gefragt wird, worin fi feine Bhilofophie am Beftimmteflen durchgeführt darftellte, fo kann man feine

%#) Schelling’s philosophische Schriften (Landshut, 1809, B.I,

Vom Ich als Priueip der Philosophie, S. 1. - u 8.3—4 (1. Aus- gabe, Tübingen, 179, $.4—7).

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philofophie. 649

Keritabilität u. f. f. geſprochen wird, wie bei Eſchenmayer von Potenzen, faßte er dann (darum fo früh aufgetreten) bie Natur in Gedanten- Kategorien auf, und machte allgemeine bes flimmtere Verſuche wiffenfhaftliher Yusführung: da er Moral und Staat nad kantiſchen Grundfägen darftellte; fo im „Trans

cendentalen Idealismus“ im fihtefdhen Sinne, aber nad) Kants Zum ewigen Frieden”.

In fpäteren Darflellungen fing er in jeder Schrift nur immer wieder von vorne an (flellte nie ein vollendet durchge⸗ führtes Ganzes auf), weil man flieht, daß das Vorhergehende ihm ‚nicht Genüge gethan; und fo hat er fih in verſchiedenen Formen und Terminologien herumgeworfen. Es war immer Sus hen nad) einer neuen form: „Entwurf eines Syſtems der Natur⸗Philoſophie,“ 1799; „Syſtem des transcendentalen Ideas Iismus,“ 1800; „Bruno, ein Gefpräb über das göttliche und natürliche Princip der Dinge,“ 1802; „Zeitfehrift für fpetulative Phyfik,“ zweiten Bandes zweites Heft, 1801; „Reue Zeitſchrift für fpekulative Phyſik,“ 1802 fig. Eins feiner ausgeführe teften Werke ift feine ZranscendentalsPhilofophiee Dann machte er in feiner „Zeitſchrift für fpetulative Phyſik“ den Ans fang zu einer Behandlung des Ganzen. Hier geht Schelling gewiffernaßen noch mit Bewußtlofigteit von der fichte'ſchen Form Des Konftruirens aus; aber es liegt fchon die Idee darin, daß die Natur eben fo ein Syſtem des Wernünftigen ift, als das Wiſſen. |

Es ift daher auch nicht thunlich, daß in ein Detail einge gangen werde über das, was fhelling’fhe Philoſophie ges nannt wird, wenn es auch die Zeit erlaubte. Denn fie iſt noch nicht ein in feine Glieder organifirtes wiffenfchaftlihes Ganzes, fondern befteht mehr in einigen allgemeinen Momenten, die als lein das fich glei Bleibende find. Diefe Philofophie ift noch in der Arbeit ihrer Evolution begriffen, nod nicht zur reifen

= ——— EN ER N 6 ——— ein al6- das, Zntellige een |

daß fie das Shafende der Natur i, or ebenfe aud Wiſu und Erkennen. Darum if es in der Philofophie zu thun. & iſt nicht formelle Vereinigung des Spinoza, noch fubjektive Te talität, wie bei Fichte, fondern Totalität mit der unendlichen Form; diefes fehen wir im der ſchelling' ſchen Philoſophe ber: vorgehen,

In einer feiner früheren Schriften hat Schelling Tran cendental-Ppilofophie und Natur-Philofophie als die Seiten der Wiſſenſchaft vorgeſtellt, fpäter die Natur=Ppilofophie für fi, und zwar in dem Sinne der allgemeinen Philofophie; fein: Philoſophie hat er auch Natut-Philoſophie genannt.

1. Ueber die Beſtimmung Veider hat er ſich erklärt im

*) Vorlesungen von 180}.

IN

Drittee Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 651

Spfleme des transcendentalen Sdealismus Wenn wir fein Syſtem des transcendentalen Idealismus zuerft betrach⸗ ten, fo hat es fihtefchen Ausgangspunkt; Schelling hielt fi für Fichtianer. „Alles Wiffen beruht auf der Uebereinſtimmung eines Objektiven mit einem Subjettiven.” Im gemeinen Sinne giebt man dieß zu, es ift Einheit des Begriffs und der Reali⸗ tät. Die abfolute Einheit, wo das Eriflirende vom Begriffe nicht verſchieden ift, diefe vollendete Idee ift das Abfolute, nur Gott; alles Andere bat ein Dioment der Nichtübereinfiimmung des Objektiven und Subjektiven. „Den Inbegriff alles Objek⸗ tiven in unferem Willen können wir Natur nennen; der Inbegriff alles Subjettiven dagegen heiße das Ich oder die Intelligenz.“ *) Sie find an ſich identiſch und als identifch vorausgefett. Das Verhältniß der Natur zur Intelligenz bat er fo angegeben: „Wenn nun alles Wiffen zwei Pole hat, die fi wechfelfeitig vorausfesen und fordern, fo muß es zwei Grundwiſſenſchaf⸗ ten geben, und es muß unmöglich ſeyn, von dem Einen Pol auszugehen, ohne auf den anderen getrieben zu werden.“ *#) So treibt die Natur fih zum Geift, fo der Geiſt fih zur Ras tur for. Jedes kann zum Erſten gemacht werden, und Beides muß gefchehen; fowohl das Ach als die Natur muß zum Erften gemadt werden.

a. „Wird das Objektive zum Erſten gemadıt,“ ***) co fangen wir mit den Raturwiffenfchaften an; und „die nothwens dige Tendenz,” der Zweck „alle Naturwiſſenſchaft iſt alfo, von der Natur auf’s Intelligente zu kommen. Dieß iſt das Beſtreben, Theorie in die Raturerfcheinungen zu bringen. Die höchſte Vervolltommnüng der Naturwifienfhaft wäre die volllons mene Vergeiftigung aller Naturgefege zu Geſetzen des Anſchauens und des Dentens. Die Phänomene (das Materielle) müflen

*) Syſtem des transcendentalen Idealismus, ©. 1. ”#) Ebendaſelbſt, ©. 3. RR) Ebendaſelbſt, ©. 2.

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| fin und Bemußtlofen rodubte der Matur "find "mis mishngn

urſprünglich identifch iſt mit Dem, was in ——— tes und Bewußtes erkannt wird. Durch dieſe Tendenz, dt Natur intelligent zu machen, wird die Naturwiſſenſchaft zur Ns tur=Philofophie.” *) Der intelligente Charakter der Nu tur ift als Bedürfniß der Wiſſenſchaft ausgeiprochen.

Es ift weiter zu bemerken, daß Schelling im neueren Zei⸗ ten der Urheber der Natur» Philofophie geworden ift; fe it nicht neue Wiffenfhaft, wir hatten fie immer, bei Ariftoteles uf. w. Die engländifhe Philofophie iſt auch nur Faſſen det Natürlihen in Gedanken; Kräfte, Gefege der Natur find Grund beftimmungen. Der Gegenfag von Phyſik und Natur- Philoſo⸗ phie iſt nicht Gegenjag von Nichtdenken und Denken der Nu tur. Die Gedanken in der Phyſik find nur formelle Verftan

*) Eyſtem des transcendentalen Sdealismus, ©.3— 5,

EN

Dritter Abſchnitt. Schelling’fche Philoſophie. 653

desgedanten; der nähere Inhalt, Stoff Tann nicht durch den Gedanken felbft: befiimmt werden, fondern muß aus der Erfah zung genommen werden. Nur der Tontrete Gedanke enthält feine Beflimmung, Inhalt in fih; nur die äußerliche Weife des Erſcheinens gehört den Sinnen an. Die Phyſiker wiſſen nit, daß ‚fie denken, wie jener Engländer Freude empfand, daß er Drofa ſprechen konnte. Schelling’s Verdienſt iſt nit, daß er an das Auffaffen der Natur den Gedanken brachte, fondern dag er die Kategorien des Denkens der Natur änderte; Formen des Begriffs, der Vernunft brachte er an dieNatur, fo im Mags netismus die Form des Schluffes: Er hat nicht nur diefe For⸗ men aufgezeigt, fondern die Natur auch zu Eonftruiren, aus dem Princip zu entwideln gefucht. |

b. Das Zweite ift die andere Beſtimmung: „Oder das Subjettive wird zum Erſten gemadt.” So ift hier „die Auf⸗ gabe die: Wie ein Objektives hinzutomme, das mit ihm über⸗ einftimmt?” Dieß wäre dann die wahre Transcendental« Philoſophie. „Vom Subjettiven als vom Erfien und Abs foluten auszugehen und das Dbjeltive aus ihm entfliehen zu Laffen,” das ift der entgegengefegte Gang; die Betrachtung deſ⸗ felben ift der Inhalt der Zranscendental=Philofophie, „die an⸗ dere nothivendige Grundwiſſenſchaft der Philofophie.” *) Das Drgan der ZranscendentalsPhilofophie ift das Subjektive, das Produciren des innern Handelns. Das Produciren und Res flettiren auf dieß Produciren, das Bewußtlofe und Bewufte in Einem, ift der äfthetifche Akt der Einbildungstraft. **)

a. In Anfehung des Ich als Grundlage der Transcen⸗ dental⸗Philoſophie (fo bat er es damals genannt) geht nun Schelling ebenfo zu Werke, wie Fichte. Hier wird vom Faktum Des Wiſſens, Princip des Miffens angefangen, „in welchem der Inhalt dur die Form und die Form dur den Inhalt bedingt

*) Syſtem des transcendentalen Idealismus, ©, 5 —7. u%) Ebendaselbst, 5.17 —21 passim.

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 655

fepende,.aber als konkret, ſich in ſich vermittelnd, als die abſo⸗ Inte Einheit des Subjettiven und Objektiven ausgedrüdt, oder als die abfolute Indifferenz des Subjektiven und Objektiven.

Die ſchelling'ſche Philoſophie macht alfo den Anfang vom

unmittelbaren Wiſſen, von der intellettuellen Anſchauung; aber das Zweite ift, daß ihre Inhalt nicht mehr das Unbeſtimmte, das Weſen der Wefen ift, fondern das Abfolute als konkret. - Was die Form der intellektuellen Anſchauung anbetrifft, fo ifl darüber fhon gefprochen; es ift die bequemfte Dianier, die Er⸗ Tenntnig darauf zu fegen, auf das, was einem einfällt. Uber Bas unmittelbare Wiſſen von Gott als einem geiftigen iſt nur für chriſtliche Völker, nicht für andere, nicht im Bewußtſehn ans derer Völker. Roc zufälliger erſcheint dieß unmittelbare Wifs fen als intellektuelle Anfchauung des Kontreten, näher Identität ‚der Subjektivität und Objektivität. Indem Die Vorausſetzung der Philoſophie iſt, daß die Individuen haben die unmittelbare Anſchauung von dieſer Identität des Subjektiven und Objekti⸗ ven, ſo erſcheint die Philoſophie in den Individuen als ein Kunfttalent, Genie, als ob nur Sonntagskinder ſie hätten. Phi⸗ Iofophie aber if, ihrer Natur nad, fähig, allgemein zu feyn; denn ihr Boden ift das Denken, und chen dadurch iſt der Menſch Menſch. Alſo das Princip ift ein ſchlechthin allgemeines; wenn aber eine beflimmte Anſchauung, Bewußtſeyn gefordert wird, wie das Bewußtſeyn oder die Anfchauung der Identität des Sub⸗ jettiven und Objektiven, fo iſt dieß die Forderung eines beflimme ten, befonderen Denkens.

In diefer Korm nun aber des Miffens des Abfoluten als konkret, und näher in der Form der Einheit des Subjektiven und Objektiven, hat fi die Philofophie getrennt von der Vor⸗ flelung, dem gewöhnlichen vorftellenden Bewußtſeyn und feiner Meife der Reflerion. Schon bei Kant (deflen verwerrenem Idealismus) ift der Anfang diefee Trennung von der gewöhnlichen Weiſe des Bewußtfenns gemacht. Nur das Refultat, daß das

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 657

wieder emporgekommen, und die Philoſophie iſt ſo wieder ein Ei⸗ genthũmliches geworden; das Princip der Philoſophie, das Den- Ben, das Denten an fi, das vernünftige Denken hat die form des Denkens erhalten. In der fhelling’fhen Philofophie ift fo auch wieder der Inhalt, die Wahrheit, zur Hauptſache gewors den, wogegen in der kantiſchen Philofophie das Intereſſe fich beſonders fo ausgeſprochen hat, daß das Wiflen, das Erkennen, das fubjektive Erkennen unterfucht werden folle; es ift als plaus fibel erfhienen, dag man das Inſtrument, das Erkennen, zuerſt unterfuhe. Es ift die Gefchichte, die von dem axoAcorısog er- zählt wird, "der nicht eher in’s Wafler gehen wollte, als bis. er ſchwimmen könne. Das Erkennen unterfuchen, heißt: das Erken⸗ nen erfennen; wie man aber erfennen will, ohne zu erkennen, iſt nicht zu fagen. Die if nun der Standpunkt der ſchel⸗ ling'ſchen Philoſophie überhaupt.

Schelling nimmt Bezug auf die ſichte'ſche Philoſophie, und Diefe Beziehung ift fo ausgedrüdt: Ih iſt ſogleich Ich —Ich, Ich bin für mid Selbſtbewußtſeyn; fo bin Ih Subjekt⸗Ob⸗ fett. „Die Wiſſenſchaft kann von nichts Objektivem ausgehen,” fondern vom „Ritt Objektiven, das fih felbft zum Objekte wird” als „urfprünglide Duplicität.”*%) Ich bin für mid, mir Gegenfland; die Beziehung von Beiden, Ich als Subjekt und Ich als Objekt, ift nur Ih, Ich iſt nur diefe Einheit Beider, es ift Subjekt Objekt. Im Selbfibewußtfenn bin id bei mir felbft Objektivität, Unterſchied von mir iſt nicht vorhan⸗ den; die Unterſchiedenen find unmittelbar identifh, und diefem Selbſtbewußtſeyn gegenüber ift noch nichts „Der Idealis⸗ mus iſt der Diehanismus des Entfichens der objektiven Welt aus dem innern Princip der geifligen Zhätigkeit.“ **)

6. Indem nun der Unterfdhied des. Subjelts und Objekts eintritt und genommen wird, fo ergiebt ſich Verhältniß des Ichs 9) System d. transcendentalen Idealismus, 5.55 —58, passim.

WW) Ebendaselbst, S.63— 65.

Sch. d. Pb." 42

658 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

zu feinem Anderen; *) das ifl der zweite Sag bei Fichte. Die weitere Analyſe ift nun die Beichräntung des Ich durd 14 ſelbſt. Das Ich fett ſich entgegen; es ift Nicht⸗Ich, indem u fi als bedingt fegt. Das ift der unendlihe Anfloß; denn die ſes Bedingtfeyn ift das Ich felbfl. a) „Ih iſt als Ich unbe⸗ grenzt,“ es ift wirklich, „nur infofern es begrenzt iſt,“ ſich anf Nicht-Ich bezieht. Nur fo iſt Bewußtſeyn; Selbſtbewußtſeyn iſt leere Beſtimmung. Ich wird ſich durch feine Selbſtanſchauung

endlich. „Dieſer Widerſpruch läßt ſich nur dadurch löſen, daß

Ih in dieſer Endlichkeit ſich unendlich wird, d. h. ſich anſchau als ein unendliches Werden.” Die Beziehung des Ich auf fid und auf den unendlihen Anftoß find unzertrennlich. P) „Ih ift nur begrenzt, infofern es” über feine Schranke hinausgeht, „unbegrenzt iſt;“ diefe Grenze ift alſo nothwendig. Diefer Wi derſpruch, der vorhanden ift, bleibt, wenn auch Ich das Nicht⸗Ich immer beſchränkt. „Beide Thätigkeiten, die ins Unendliche hinausgehende, begrenzbare, reelle, objektive Thätigkeit, und die begrenzende, ideelle, ſetzen ſich wechfelfeitig vorau Idealismus reflektirt bloß auf die Eine, Realismus auf di andere, transcendentaler Idealismus auf beide.” »*) Das Hl Verwirrung in Abſtraktionen.

Yo „Weder durch die begrenzende noch durch Die begrenzt Thätigkeit kommt das Ich zum Selbſtbewußtſeyn. Es if fm nach eine dritte, aus beiden zufammengefegte Thätigkeit, durd weldhe das Ich des Selbfibewußtfepns entſteht.“ Dieſe Tren⸗ nung, die immer vorhanden ift, wird nur in einem Dritten ges löft; „dieſe dritte ift die zwifchen beiden” Gegenſätzen „ſchwe⸗ bende, der Streit entgegengefester Richtungen.“ 44) Eu ift nur wefentlihe Beziehung, relative Jdentität; der Unterfchied bleibt immer darin. Diefes Dritte iſt herauszuheben. „Dieftt

%*) System des transcendentalen Idealismus, $S.69— 70. ##) Ebendaselbst, S.72— 79.

RR) Ebendaſelbſt, ©. 85 86.

Dritter Abſchnitt. Schelling’fhe Philoſophie. 659

Streit wird nit im einer einzigen Handlung, fondern nur in einer unendlichen Reihe von Handlungen vereinigt werden kön⸗ nen.“*) Der Streit folder entgegengefesten Richtungen, der Richtung des Ich in fih und nad) Außen wird ſcheinbar fo ge⸗ töft, daß er nur im unendlihen Progreß gelöft wird. Wenn volftändig, fo müßte die ganze innerlihe und äuferlihe Natur in allem ihren Detail dargeftellt werden.: Die Philofophie kann nur die Haupts Epochen auffiellen. „Wenn alle Zwifchenglies der der Empfindung dargelegt werden könnten, fo müßte ung das auf eine Deduttion aller Qualitäten in der Natur führen; was unmöglich iſt.“ **) Diefes Dritte, was die Vereinigung unmittelbar in fi enthält, if ein Denten, in dem die Befons derheit ſchon enthalten if. Das ift der kantiſche intuitive Ver⸗ fand oder intelligente Anfchauung, anfhauende Intelligenz. Dies fes Dritte, was die abjolute Einheit der Widerfprüche ift, nennt Schelling auch intelleftuelle Anfchauung.

c Das Jh ift bier nicht einfeitig gegen Anderes: es ift Identität des Bewußtlofen und Bewußten, aber nicht eine ſolche, deren Grund im Ich felbft liegt. ***) Diefes Ih muß das abfolute Princip feyn: „Die ganze Philofopbie geht von ei⸗ nem Princip aus, das als das abfolut Identiſche nidt= objektiv iſt.“ Denn ift es objektiv, fo if damit gleich Trennung geſetzt; ein Anderes ftcht ihm gegenüber. Das Brincip iſt aber Auflö⸗ fung diefes Gegenfages; es ift an und für ſich nicht objektiv, „Wie fol ſolches Brincip nun zum Bewußtſeyn hervorgerufen und verflanden werden, was nothiwendig ifl, wenn es Bedingung des Verſtehens der ganzen Philoſophie iſt? Daß es durch Bes geiffe ebenfo wenig aufgefaßt als dargeflellt werden könne, bes Darf keines Beweifes.” Begriff nennt Scelling nämlid ge⸗ weine Kategorie; Begriff ift aber das konkrete, in ſich unend⸗

*) Syſtem des transcendentalen Idealimus, ©. 89. #R) Ebendaſelbſt, &. 98. MAR) Ebendaselbst, S. 442 444. 42 *

60 90 De Acer Meuere Perlofephien

Tide Denten, „Es bleibt alfo nichts übrig, als daß es inc ner unmittelbaren Anſchauung dargeflellt werde. "Wenn sm eine folhe Auſchauung gäbe, / welhe das abſolut ‚Zdentifde, « ſich weder Subjettive noch Objektive zum) Objekt Hat, und ma ſich für ſolche, die” doch „mur eine intelleftwelle ſeyn Tann, = die unmittelbare Erfahrung beriefe,“ fo wäre die Are) »Wodurd kann man an dieſe Anſchauung wieder obj machen, d. h., wie kann außer Sweifel gefegt werden, Dj nicht auf.einer fubjektiven Täufhung beruhe, wenn es nidt allgemeine, von allen Menſchen anerkannte Objektivität j Anſchauung giebt?“ Dieſes intellektuelle Princip an fihik alfo in einer Erfahrung ‚gegeben werden, um ſfich darauf hs fen zu können, „Die Objektivität der intellektuellen Anja! ft die Kun, Das Kunſtwerk nur reflektirt mir, mar id durch Nichts reflektirt wird, jenes abfolut Identiſche, mas ih im Ich ſchon ſich getrennt hat.“ #) Die Objektivität der tität und das Miffen derfelben ift die Kunft; in Einer und We) ſelben Anfhauung ift Ich feiner fih bewußt und bewuftios!| Diefe objektiv gewordene intellektuelle Anſchauung ift objttir finnliche Anfhauung; eine andere Objektivität iſt der & griff, die eingefehene Nothwendigkeit,

Die beiden Haupt» Momente find einer Seits: die intel tuelle Anſchauung ift als das Princip gefordert; das Cubjit muß fi als intellektuelle Anfhauung verhalten, wenn es phil fophiren will. Das Subjekt muß nit mit der Meflerion bs haftet ſeyn, das ift Verſtandesbeſtimmung. Ebenſo finnlitt Wahrnehmung für ſich enthält nur Aufereinander, iſt nicht ir tellektuell, Es wird alfo fowohl für den Inhalt der Dpileie phie ein Princip vorausgefegt, als aud für das fubjeftive Pi lofophiren; es wird gefordert, man folle ſich intellektuell av ſchauend verhalten. Auf der anderen Seite fol diefes Princh

*) Syſtem des transcendentalen Idealismus, ©, 471— 472. *#) Ebendaselbst, 8.475.

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Drittes Abſchnitt. Schelling'ſche Philofophie. 661

doch auch bewährt werden; diefes gefchieht im Kunſtwerk. Es if die höchſte Weife der Objektivirung der Vernunft, weil da finnlihe Vorſtellung geeint ift mit Intellettualität; das finn⸗ liche Daſeyn ifl nur Ausdrud von Geiftigkeit. Die höchſte Ob⸗ ‚jettivität, die Ih, das Subjekt erlangt, die höchſte Identität des Objektiven und Subjektiven ift nun das, was Schelling inbildungstraft nennt; und das Objekt, die intelligente Anſchauung derfelben, ift die Kunfl. Die Kunft wird fo als das Innerſte und Höchſte gefaßt, das in Einem das Intellektuelle ‚und Reelle producire: und das Philoſophiren vorgeſtellt als dieſe Genialität der Kunfl. Aber Kunſt und Einbildungs- traft iſt nicht das Höchſte. Denn die Idee, der Geift kann nicht auf eine Weiſe wahrhaft ausgedrüdt werden, wie die, in der Die Kunſt ihre Idee ausdrüdt. Dieß if immer Weife der An ſchauung; und wegen diefer Form der Eriftenz, diefer finnlichen Weiſe, kann das Kunftwerk nicht .entfpredhen dem Geiſte. Ins dem fo der legte Punkt als Einbildungstraft, als Kunft bezeich⸗ net ift, fo ift dieß ſelbſt im Subjekt ein untergeordnneter Stande punkt; und fo ift dieſer Punkt felbft nicht diefe abfolute Iden⸗ tität des Subjektiven und Objektiven.

Das vernünftige fpekulative Denken ift nad feinem ſubjek⸗ tiven Denken gefordert. Dan Tann nichts Anderes: fagen, als: Du haft die intellektuelle Anſchauung nicht, wenn Dir dieſes falsch erfcheint. Die intelleftuelle Anſchauung iſt die fichtefche Einbildungstraft, das Schweben beider Richtungen; Etwas zu beweifen, begreiflich zu machen, fällt alfo weg, Das richtige Auffaſſen wird direkt gefordert. Die andere Seite ift diefe, daß die Idee, infofern fie als Princip ausgefprochen iſt, aſſer⸗

toriſch vorangeftellt if. Das Abſolute iſt die abfolute Identität des Subjeltiven und Objektiven, die abfolute Indifferenz des Reellen und Jdeellen, der Form und des Weſens, des Allges meinen und Befonderen; in der Identität Beider ift weder das Eine noch das Andere. Es ift aber auch nicht abfirakte, “leere,

i

62 Deitter Then. Neuere Pbilofophie- trodene Einheit: Das iR die logiſche Identität, das Klaſſſi— ren nad Gemeinſchaftlichem; der Unterfchied bleibt aber k draußen liegen. ‘Die Identität iſt konkret ſowohl Subjehii rät als Objektivität; ſte find als anfgehobene, ideeller darin Halten. Zur Vorftellung kann 'diefe Jdentität: Leicht gebih werben: Die Vorflellung 3 B. iſt fubjektin, fie Hatızud beftimmten Inhalt des’ Außerenander; dennoch iſt die Word dung einfach, es iſt Ein Art, Eine Cindeit, Das gelhafte in der fchelling’fhen Philofophte: if, daß der“ Indifferenz des" Subjektiven und MDbjektiven vorn hinril, dieſe Identität abfolut aufgeſtellt wird, Tohnie) daß es tie "wird, daß dieß das’ Wahre’. "Oft braucht Schelling di je Spinoza’s, ſtellt Ariome auf: Man will, wenn man ppilofeit daf es fo iſt, bewieſen haben.” Wird aber mit der iritellehe len Anſchauung angefangen, fo"ift das Mfertion," Drake, N man fh gefallen Laffen ſott, weil die Forderung · gematti daß man intellettuell anfchaue, 9 In sun mm nn ' Es find im Allgemeinen diefe beiden Gänge’ feht Beftimmt a gedrüdt. Eine Seite ift dabei diefe Duthführung der Natur a Subjekt: die andere die des Jchs zum Objekt. Die wahre Dur führung aber könnte nur auf logifhe Weiſe gefchehen; tm diefe enthält den reinen Gedanken. Aber Die Logifche Bıtrak tung ift das, wozu Schelling in feiner Darſtellung, Entwitdm nicht gekommen iſt. Der wahrhafte Beweis, dag diefe Kent tät das Wahrhafte if, Fönnte vielmehr nur fo geführt wert, daf jedes für ſich unterſucht wird in feinen logifchen Beftimmu— gen, d. h. in feinen wefentlihen Beftinmungen: woran fid I dann ergeben müßte, dag das Subjektive dieß iſt, ſich zum wandeln in Objektives, und das Objektive dieß iſt, nicht fo} bleiben, fondern ſich fubjekliv zu mahen. Man müßte am Cr lichen felbfi aufzeigen, daß es den Widerfpruch in ſich enthielt und fid) zum Unendlichen machte; fo hätten wir alfo die Eir heit des Endlihen und Unendlien. Bei ſolchem Verfahrn

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Deittee Abſchnitt. Schelling’fche Philofophie. 663 |

wird diefe Einheit nicht vorausgefegt, fondern es wird an ihnen felbft gezeigt, daß ihre Wahrheit ihre Einheit if, jedes für ſich aber einfeitig: daß ihr Unterfchied ſich verkehrt, umſchlägt in diefe Einheit; da der Verfiand meint, an den Unterſchieden habe er ein Feſtes. So wäre dann das Refultat der dentenden Bes trachtung, daß jedes ſich unter der Hand zu feinem Gegentheile macht, und nur die Identität Beider die Wahrheit if. Der Verſtand nennt allerdings diefe Verwandlung Sophifterei, Ho⸗ kuspotus, Gaukelei u. ſ. f. So wäre diefe Identität als Res fultat, nad) Jacobi als Bedingtes, Hervorgebrachtes gefekt. Aber zu bemerken ifl, daß diefe Entwidelung, das Refultat, eine Einfeitigteit enthält, und daher dieß Bermitteln felbft wieder aufzuheben, als unmittelbar zu fegen iſt; es iſt ein Proceß, der ebenfo das Vermitteln in fih iſt. Scelling hat wohl diefe Vorſtellung im Allgemeinen gehabt, hat fle aber night auf bes flimmte logifche Weife durchgeführt; bei Schelling if es uns mittelbare Wahrheit.

Das ift Hauptfchwierigkteit bei der ſchelling'ſchen Philoſo⸗ phie. Dann hat man fie misverflanden, platt gemadt. Es ifl leicht zu zeigen, daß das Subjektive und Objektive verfchieden if. Wären fie nicht unterfhieden, fo wäre damit nichts zu maden, wie mit A=A; aber fle find entgegengefegt als Eins. An allem Endlichen ifl eine Jdentität vorhanden, nur das ift wirklich; aber außer, daß das Endliche diefe Identität ift, iſt auch Nicht⸗Uebereinſtimmung der Eubjektivität und Objektivi⸗ tät, des Begriffs und der Realität, das ift die Endlichkeit. Dieſem Principe Schelling’s fehlt die Form, der Beweis; es ifl nur hingeſtellt.

2. Zn folgenden Darftellungen that fi nun aud das Bes dürfniß zu beweifen hervor; aber if die Manier einmal anges nommen, fo if das Beweifen nur Reflektiren, das iſt formell geblieben. Schelling hat, indem es in feiner Darftellung Bes dürfniß ifl, anzufangen mit der Idee des Abfoluten als Iden⸗

tität des Objektiven und Subjettiven, verſucht, die Idet zu bemweifen, und pivar in der „wewen Seitſchrift ir fpekulative Physik.“ Uber diefe Beweiſe find höcht iv mell geführt: fo daf fle eigentlich immer Das worausfegen, mi bewiefen werden fol. Das Ariom nimmt die Hanptfade a Voraus an; und fo ift ſchon Alles geſchehen. 3. 8. „dasiı nere des Abfoluten oder das Wefen deffelben kann nur als h folute, durchaus reine und ungetrübte Identität gedacht mern Denn das Abſolute ift nur abfolut, und was in dem gedacht wird, if nothwendig und immer daffelbe, nämlich M wendig und immer abfolut. Wäre die Idee des Apfolu allgemeiner Begriff“ (Vorſtellung), „fo würde dieß nidı ie deen, daß im ihm, diefer Einheit der Abſolutheit umerael fr Differenz angetroffen würde, Denn die verfchiedenften Dingf doch im Begriff immer) Eins und identiſch, wie ein Rehıd BVieled und Cirkel Figuren find. Die Möglichkeit der Difen aller Dinge bei volltommener Einheit im Begriff Liegt ink Art, wie das Befondere in ihnen dem Allgemeinen verbune iſt. Im Abfoluten fällt dieß gänzlich hinweg, weil es zu fein Idee gehört, daß das Befondere in ihm auch das Algen das Allgemeine das Befondere, und durch diefe Einheit aud fr ner Form und Wefen in ihm Eins feyen. Mithin folt a : Anfehung des Abjoluten unmittelbar daraus, dag cs abjolt il, auch die abfolute Ausfhliefung aller Differenz aus irn Weſen.“ 9 Iene Identität ift nun aud in einem anderen Buhe tr zeichnet als abfolute Indifferenz des Objektiven und Cubjelt ven: fo daß Beide darin ihre wahre Beſtimmung haben. Ati der Ausdruck Indifferenz ift zweideutig, es iſt Gleichgül gegen Beides; und fo hat es den Schein, als ob die Erfüllun der Indifferenz, wodurch fie konkret ift, gleichgültig ift. Shelin

*) Neue Zeitfprift für ſpekulative Phyſik, B. l, Städt, &.2-5

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Deitter. Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 665

ſagt auch: Identität des Weſens und der Form, des Unend⸗ lichen und Endlichen, des Poſttiven und Negativen. Alle ſolche Gegenſätze kann man gebrauchen; ſie find aber nur abſtrakt, und beziehen ſich auf verfchiedene Stufen der Entwidelung des Lo» " giſchen ſelbſt. Von diefer abfoluten Pdentität geht Schelling nun aus; und eine ausführlihe Darſtellung feiner Philoſophie iſt in der „Zeitſchrift für fpetulative Phyfit” enthals ten. Hier hat er, wie Spinoza, eine geometrifhe Methode gebraudt: Ariome, dann Säge, die den Beweis führen, dann abgeleitete Säge. Aber diefe Diethode hat keine wahrhafte An⸗ wendung auf die Philoſophie. Er hat hierbei gewiffe Formen Des Unterfchieds vorausgefeät, die er Potenzen nennt, und von Eſchenmayer, der fie aufbrachte, aufgenommen hat; *) cs find die fertigen Unterſchiede, deren fih Schelling bedient.

.& Vor's Erſte hat Schelling wieder die fpinoziflifhe Sub⸗ ftanz, das einfache abfolute Wefen hervorgerufen **) und dem transcendentalen Idealismus wieder die Bedeutung des abſo⸗ Iuten Zdealismus gegeben —: **»*) aber fo, daß dieß Wefen un« mittelbar. an ihm felbft die abfolute Form oder das abjolute | Erkennen if, ein felbfibewußtes Weſen, wie es bei Spis noza die Form eines Gegenfländlihen oder Gedachten hatte. Spetulative Philofophie beficht in diefer Behauptung, nicht für fich, fondern ift ihre reine Drganifation; das Erkennen ſteht im ' Abfoluten. F Diefe Einheit des Mefens und der Form ift das Abfolute, oder, wenn wir das Weſen als das Allge⸗ meine, die Form als das Befondere betradten: fo ifl es die abfolute Einheit des Allgemeinen und Befonderen, oder des Seyns und des Erkennens. Die Form iſt, für ſich betrachtet, das Befondere oder das Hervortreten der Differenz (die Sub«

#) Zeitschrift für spekulative Physik, B.II, Hefell, V orer- innerung, S.XIII.

##) Ebendaselbst, 8.44, Anm, $.28.

*RR) Vergl. Ebendaselbst, Vorerinnerung, S. VI-V IL 7) Ebendaselbst, 8.7, 5.5

dektivität). Aber die Diferenten, Subjekt und Dbjett; ra

.gemeines und Veſonderes, find mir ideelle Gegenfäge; fie fir

im Abfoluten ſchlechthin Eins. Um diefe Einheit zu faſſen, uuj

die, Form in dem Sinne des Dentens oder felbfibewußten Cr

tennens aufgefaßt werden. Diefe Form, oder Erkenntnij ıı

dieſt Einheit if} die Unfhauung, die das Denken und Sehn d

folut gleich fegt, und-indem fie) das Abſolute formell aushrit,

zugleich Ausdrud feines: Wefens, feines Seyns, wird. *)— Ju

tellektuell iſt diefe Anfhanung, weil ſie Vernunftanfchanung Ih

und als Erkenntniß zugleich abfolut —— IRRE ſtande der Erkenntniß.

———

oder mit: der · abſoluten Anſchauung als Sag oder Definitionen

dedrüctt, daf „die Vernunft abfolute Indifferenz du

Subjetts und Objekts iſt:“ fo daß es weder das Ci

noch das Andere ift, fondern diefer, wie aller Gegenfag, ſchlet⸗

bin darin vertilge iſt. Diefe unmittelbare intellektuelle A

| ſchauung oder diefe Definition des Abfoluten ift hiermit das

Vorausgefegte, die Forderung an Jeden, der philoſophiren mil,

diefe Anfchauung zu haben. **) Mer die Einbildungstraft nidt

hat, ſich diefe Einheit vorzuftellen, entbehrt des Organs dr

Philoſophie.***) Diefes Anfhauen ift felbft das Erkennen,

aber es ift nod) nichts Erkanntes ; es ift das Unvermittelte, Geier

derte, Als fo ein Unmitielbares muß man fie haben; und Ems,

das man haben Fann, kann man aud nit haben. Dit

unmittelbare Forderung hat daher der ſchelling'ſchen Ppilojoptie

das Anſehen gegeben, als ob ihre Bedingung ein eigenes Talent,

Genie oder Zuſtand des Gemüths erfordere, überhaupt etwas

Zufälliges. Denn das Unmittelbare, Angefhaute ift in der Fom

#) Zeitichrife für spekulative Physik, B.II, Hefe LI, $.17—, Sl. #%) Ebendaselbst, $.4, S. 1-2 #*#) Ebendaselbst, $.2—3, 8.2—4.

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Dritter Ahſchnitt. Schelling’fdye Philoſophie. 667

eines Seyenden oder Zufälligen, nichts Nothwendiges; und wer fie nicht verficht, muß eben meinen, er befige diefe Anfchauung nicht. Dder, um fie zu verfiehen, muß man fi Mühe geben, die intellettuelle Anſchauung zu haben; ob man fie aber hat oder nicht, kann man nicht wiflen, nicht daraus, daß man fie verfieht: denn man kann bloß meinen, fie zu verſtehen.

Daß die intellettuele Anfhauung oder der Begriff der Vernunft ein Borausgefektes iſt, und feine Nothwendigkeit nicht Dargeftellt iſt, dieß ift ein Mangel, duch den fle diefe Geſtalt hat. Schelling Scheint mit Plato, wie mit den Neuplatonitern, dieß gemein zu haben, das Wiſſen in die innere Anſchauung der ewigen: Ideen zu fegen, worin: die Erkenntniß unvermittelt und unmittelbar. im Abfoluten ifl. Allein wenn Plato von: diefer Anſchauung der Seele, die von allem endlichen empiriſchen oder reflettirten Erkennen fi befreit. hat, und die Neuplatoniker von der Entzüdung des Denkens ſprechen, in welder das Er⸗ tennen unmittelbares Erkennen des Abfoluten if: fo ift dabei weſentlich diefer Unterfchied zu bemerken, daß mit Plato's Ers tennen des Allgemeinen oder feiner Intellettualität, worin aller Gegenfatz fih als ein realer aufhebt, die Dialektik vergefells ſchaftet if, d.h. die begriffene Rothwendigteit des Aufhebens dDiefer Gegenſätze, daß Plato nicht damit anfängt; fle find auf- gehoben fo, daß bei ihm ift die Bewegung, worin fie fih auf« heben. Das Abfolute ift felbft als diefe Bewegung des Sich⸗ aufbebens zu faſſen; dieß iſt dann wirkliches Erkennen und Ers kennen des Abjoluten.

a. Dieß Abfolute beſtimmt Schelling als die abfolute Iden⸗ tität oder Indifferenz, A=A, *) des Subjektiven und Objet- tiven, oder des Endlichen und Unendlichen, zufällig bald in diefer, bald in einer andern Form des Gegenfages. Diefe Idee hat

%) Zeitschrift für spekulative Physik, B. II, Heft II, $. 4, 8.4; 9.23, Erl., ©. 15.

N DEÄEE Theil Meuere Philofophie.

un n icht die Dialektik, als durch welche diefe Gegenfäge fd ſelbſt ‚zum Uebergehen in ihre: Einheit beſtimmen, ſondern ii intellektuelle Anſchauung zu ihrer Bewährung: fo wie auch da Fortgang nicht die immanente Entwidelung aus der fpekulaten Sdet it, fondern nach der Meife äußerer Neflerion gefeicht- Dwiſchen Subjekt 'und ‚Objekt iſt feine» andere, als quaui tative Differenz möglich. Denn es iſt keine quakitativeDii renz Beider denkbar,“ alfo nur die der Größe. Der Gegenſel teuit alſo an diefem Mbfoluten hervor, > md wird als in m relativer und quantitativer oder unmefentlicher beftimme *) (x er doc vielmehr qualitativ gefaßt und: for gezeigt werden wi ,, Hals ein Unterſchied, der ſich aufpebt): fo daß jede Seite ir eine relative Totalität, **) und ſogleich in der. einen I ‚eine Faktor, im der andern: dernandere Faktor üb erwirgn iſt, AB, Beide aber abfolute Jdentität bleiben. ++) Didi ungenügend, es giebt nocpandere Brfimimungen; die Difi iſt allerdings qualitativ, das ift aber nicht abſolute Beftimmunz Die quantitative Verſchiedenheit iſt niht wahrhafter Anterfdid; das Verhältniß iſt ganz äußerlich, Das Uebergewicht des Ob jettiven und Subjektiven ift auch feine Gedankenbefiimmun fondern nur finnlihe Beftimmung.

Diefe quantitative Differenz ift die Form actu. Das Abſolun iſt quantitative Indifferenz des Subjeftiven und Objektirn, infofern auf das Segen des Unterſchiedes Bezug genommen wirt) „In Bezug auf die abfolute Identität iſt feine quantitative Difis denkbar. Die quantitative Differenz if nur außerhalb der dr foluten Identität und außerhalb der abfoluten Totalität möglih.“ FF) „Es it nichts an fi auferhalb der Totaliit,

*) Zeitfcheift für fpefulative Phhſik, B. N, Heft, F. 23, S.13—-1l ®#) Ebendatelbet, $.42, 8.26. ser) Chendafelit, $.2, Erl, & 1-45.

H Ebendafelbit, 9.24, S. 155 8.30, 8.17.

+7) Ebendafelbii, 5.25, u. Zuf.; $.26, Zuſ. ©. 15 16.

Dritter Abſchuitt. Schellingeſche Dhiloſophie. 669

aur vermöge willkürlicher Trennung des Einzelnen vom Gan⸗ zen.“ *) „Die abſolute Identität iſt nur unter der Form der quantitativen Indifferenz des Subjcktiven und Objektiven.” Die quantitative Differenz außerhalb (f. oben) der abfoluten Identi⸗ tät und Zotalität erfcheint als die abfolute Identität felbfi, nur unter der Form der quantitativen Indifferenz. **) „Die quans titative Differenz des Subjettiven und Objektiven ift der Grund aler Endlichkeit. *) Eine foldhe quantitative Differenz nennt Schelling auch Potenz: „Dede befiimmte Potenz bezeichnet eine befiimmte quantitative Differenz des Subjektiven und Objekti⸗ ven“ Free) „Dieſer Gegenfak findet gar nicht flatt an fich, oder vom Standpunkte der Spekulation aus. Bon diefem aus ie A fo gut, als B; denn A wie B: ift die ganze abfolute Identis tät, die nur unter beiden Formen, aber unter beiden glei exi⸗ fir.” ) A=B if relative Zotalität. „Die abfolute Identi⸗ tät.ift das Univerfum felbfl.” FI) Das Schema derfelben, als Linie glei angenommen, ift: | + + A=B A=B A=A _ „worin nach jeder Richtung daffelbe Identiſche, aber nad) ent⸗ gegengefesten Richtungen mit überwiegendem A oder B ge« ſettt ik.“ *1) ß. Die näheren Hauptmomente des Anfangs find:

ca. Daß die erfle quantitative Differenz des Abſoluten, oder „die erſte relative Totalität” (Identität) „dic Materie if,“

*) Zeitſchrift fuͤr ſpekulative Phyſit, B. 1, Heft II, 5.28, An⸗ merkung, ©. 16. | Ax) Shendafelbft, $.31, 30, ©.17—19. “RR, Ebendaselbst, $. 37, 5.22. FREI) Ehendafelbfi, $. 42, Erk. 2, ©. 26. ‚PD Edendaſelbſt, F. 44, Anm., S. 27 28. Tr) Ebendaselbst, 8.32, 5.19. ) Ebendaſelbſt, $. 46, Zuſ. S. 29

670 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

die erfie Potenz. „Beweis: A==B ift weder als relative Jorats tät, noch als relative Duplicitätetwag Reelles. Als Jdentitkt tann A==B im Einzelnen, wie im Ganzen, nur durch Die Linie au⸗ gedrüdt werden,” erſte Dimenfion. „Uber in jener Linie A durdhgängig als feyend geſetzt;“ A iſt nicht an fidh, fondern nur ale A=A. „Alſo fest diefe Linie dDurdgängtg AB als relative Zotalität voraus; die relative Zotalität iſt alfo das erfie Vorausgeſetzte, und wenn dic relative Identität ift, fo ift fle nur durch jene,’ Duplicität, zweite Dimenflon. „Ebenſo ſetzt die relative Duplicität die relative Identität voraus. Relative Identität und Duplicität find in der relativen Zotalis «ät zwar nicht actu, aber doch potentia enthalten.“ *)

„Die abfolute Identität, als unmittelbarer Grund der Reas lität von A und B in der Materie, ifl die Schwertraft.”“*® „Bund B überwiegend find: jenes Attraktiv⸗, diefes Expan⸗ fip- Kraft“) ‚Das quantitative Segen der Attraktiv⸗ und Erpanfiv= Kraft geht ins Unendliche; ihr Gleichgewicht ift im Ganzen, nit im Einzelnen.” +)

BP. Diefe Jdentität felbft als feiend geſetzt, ift das Licht: „A? iſt das Licht,” die zweite Potenz; infofeen A=B, ift auch A? gefegt. FF) Diejelbe Identität, „unter der Form der relativen Iden⸗ tität, der hervortretendenPolarität „von A und B gefest, if Kohäfions- Kraft.” Die aktive Kohäſion ift der Magnetis- mus,und das materielle Univerfum ein unendliher Magnet, FFf) 1mo die Reihe der Körper, Planeten, Dietalle u. f. f. befondere

*) Ziſchrift für ſpekulative Phyſik, B. 1, Heft II, 8.51,

an) audaleldt, 8.54, S. 40. WW) Ebendaselbst, 8.56, Zus.2, S. 42. +) Ebendaselbst, $. 57, u. Erl, 8.43 44. +r) Ebendaſelbſt, S. 6264, ©. 47 48; sn 93, 5.59 50. HD Ebendaselbst, $.67—69, 8.49 —50. |

Dritter Abfchnitt. Schelling’fche Philofophie. 67

Kohäflons«Berhältniffe ausdrüden. *) Der magnetifche Proceß iſt die Differenz in der Indifferenz, und die Indifferenz in der Differenz, **) abſolute Identität als ſolche. Der Indifferenz⸗ puntt iſt das Weder⸗Roch und Sowohl⸗Als auch; potentia find die Pole dieſelben Weſen, nur unter ihren Faktoren ‚gefegt. Beide Pole find „nur mit überwiegendem Plus oder Minus,’ #*#) nicht reine Abftraktionen. „Im ZTotalmagnet ifl der empirifhe Magnet der Indifferenzpuntt. Der empirifche Magnet ift das Eifen.“ **#*) Alle Körper find bloße Dretamorphofen des Eifens, find potentialiter im Eifen enthalten.“ +) „Je zwei differente Körper, die fi berühren, ſetzen in ſich wechſel⸗ feitig relative Kohäflons- Verminderung und Erhöhung. Diefe . wechfelfeitige Kohäfions- Veränderung durch Berührung zweier differenter Körper Wafferfloff und Sauerſtoff ifl Elettricität.” +p)

YY. „Die Zotalität des dynamiſchen Procefies wird nur durch den chemiſchen Proceß dargeftellt,” deſſen Zotalprodutt, die Schwere durch das Licht als Grund zur bloßen Form des Seyns der abfoluten Identität herabgeſetzt, der Organismus (Aꝰ), die dritte Potenz iſt. FrP)

y. Es iſt großer zjormalismus. Diefe Botenzen erfcheinen ale Rord- und Süd-, Oſt- und Wefl-Polarität: ferner ihre Vers widelungen als Nord⸗Weſt, Süd⸗Oſt u. ſ. w. Zurlegten gehört Mer⸗ kur, Venus, Erde u.f.f. FF) „Die Kohäſion iſt die Impreſſion

#*) Neue Zeitschrift für spekulative Physik, B.I, St. II, S.98. ##) Ebendaselbst, S.92—93; Erster Entwurf eines Systems der Natur- Philosophie, 8.297. ;

RR) Zeitschrift für spekulative Physik, B.II, Heft II, 8.68, Zus., 8.49. | we) Ebendaselbst, 8.76, u. Erk, 5.53.

T) Ebendaselbst, 8.78, Zus.; 8.77, 8. 53. +) Ebendaselbst, 8.83, u. Zus, S.54; 8.103, Anm., S. 76.

Fr) Ebendaſelbſt, 8.112, ©.84; $.136— 137, 8. 100 - 110; 5.141, Zus.1, 8.112 +rrr) Neue Zeitschrift, B. I, St. II, 5.117 118.

672 Dritter Theil. Neuere Philofophie-

der Selbft-” (des Lichts) „oder Jchheit in der Materie, wodurd fe zuerft als Befonderes aus der allgemeinen Identität herauckin und fi in das Neid) der Form. erhebt.“ *) Planeten und Metalı bilden eine Reihe unter der Form. dynamifcher Kohäſion, m nad der einen Seite die Kontraktion, nad) ‚der andern die Cr panſion überwiegend if. **) „Die Ropäfton außerhalb ii Indifferenzpuntts nenne ich paffive. Nach der negativen Sci! (Pole) „zu fallen einige der _dem Eifen am nächflen ſiehenden hierauf die fogenannten edlen Metalle,“ dann der „Diaman zulegt der Kohlenſtoff, die größte paffive Rohärenz Md der pofitiven Seite fallen wiederum einige Metalle, Durd) melde ſich die Kohärenz des Eiſens verliert,“ der Auflöfung * zuletzt „in den Stickſtoff verſchwindet.“ te)

Es iſt Formalismus, Alles als Reihe darzuſtellen, ne flächliche Befimmung- ohne Nothwendigkeit; ſtatt Begrife fir den wie Formeln. Es ift glänzende Einbildungskraft, mie Ki Görtes. Schelling hat fi in zu viele Einzelnheiten aut laffen, eine Konftruftion geben wollen. In diefer Darfık hung iſt er in der Entwicelung jedoch nur fortgegangen bisjm 4. Organismus; was aber die Seite des Geiſtes betrifft, ſo ya? diefe in feiner früheren Schrift, „Syftem des transcendentals Idealismus,” in größerer Ausführlichkeit gegeben. In Kit fiht des Praktifhen ift er jedoch nicht weiter fortgegangen, mit Kant in feiner Schrift vom ewigen Frieden. ine beſendert Abhandlung über die Freiheit ift tiefer ſpekulativer Art; aber ft betrifft nur diefen einen Punkt,

Selling ifi nun der Stifter der neueren Natur = Philofophi. Natur Philofophie heißt im Ganzen nichts Anderes, als die

©) Neue Zeirfhrift für fpekulative Phyſik, BT, St. I, ©.8. w#) Zeitschrift für spekulative Physik, B.II, Heft Il, $.8, 5.64—66; Neue Zeitschrift, a. a. O, 8.118 119. ###) Zeitschrift für spekulative Physik, a. a. O., 88 S.67 - 68.

II

Dritter Abſchnitt. Schelling’fche Philofophie. 673

Ratur dentend betrachten. Dieß thut die gewöhnliche Phyſik aber au; denn ihre Beflimmungen von Kräften, Gefeten u. f. f. find Gedanken. Nur, wenn die Philofophie über die Form des Berflandes hinausgeht, und den fpefulativen Begriff erfaßt hat: fo muß fie die Dentbefiimmungen, die Kategorien des Verſtan⸗ des über die Natur ändern. Kant hat hierzu fhon den Anfang, gemacht; und Scelling hat in Stelle der gewöhnlichen . Meta⸗ phyſik der Ratur, den Begriff derfelben zu faſſen gefucht. Schel⸗ ling nennt die Natur die todte, erfiarrte Intelligenz: fo daß fie nichts iſt, als die äußerliche Weife des Dafeyns des Spflems der Gedantenformen, wie der Geift iſt Das Daſeyn deffelben Sys fleıns in der Form des Bewußtſeyns. Die iſt eins der Ver⸗ dienſte Schelling’s, den Begriff und die Form des Begriffs in der Natur eingeführt zu haben, den Begriff geflelli zu haben an die Stelle der gewöhnlichen Verſtandes⸗Metaphyſik.

Die Hauptform iſt die von Kant wieder in Erinnerung gebrachte Form der Zriplicität, die Form der erſten, zweiten und dritten Potenz. Er fängt von der Materie an, fo daf er fagt, die erfie Indifferenz in der AUnmittelbarkeit ift die Materie, und dann hiervon zu weiteren Beflimmungen übergeht. Uber der Fortgang erfcheint mehr als ein äußerlich angebrachtes Schema, das Logifche des Fortgangs ift nicht entwidelt; und dadurd hat fih die Natur⸗Philoſophie befonders in Miskredit gefegt, in⸗ dem fie auf ganz äußerlihe Weife verfahren if, ein fertiges Schema zum Grunde legt, und darunter die Raturanfchauung bringt. Diefe Formen waren bei Schelling Potenzen; aber man bat auch, flatt foldher mathematifchen formen oder des Typus von Gedanken, ſinnliche Formen zum Grunde gelegt, wie Jacob Böhm Schwefel, Mercurius. Dian hat fo den Diagnetismus, die Elektricität und den Chemismus in der Natur als die drei Potenzen befiimmt; und man hat fo beim Organismus z. B. die Repro⸗ duftion den Chemismus, die Seritabilität die Elektricität und

Geſch. d. Phil. * * 43

iR als ſolchen zu begreifen, "oder anders fo, daß er init Form hervortrete. Statt Uebergewicht fagt er: Wefen und fom; er unterfcheidet fie. Die andere Seite aber ift, worein wahrhiit die Nealität des Subjetts und Objetts gefegt wird; fie min allein darein gefest, daß das Subjekt nicht in der Weftimmikit, Subjekt gegen Objekt zu fehn, wie in der fichte’fchen Philfts phie, als an ſich feyend gefest wird, fondern als Subjekt ⸗db⸗ jekt, als Identität Beider: eben das Objekt nicht nad) fint ideellen Beftimmtheit als Objekt, fondern infofern als es felht abfolut if, oder die Jdentität des Subjektiven und Objeti- ven. In anderen Darftellungen gebraucht Schelling die Form, daf fie auseinander treten, daf auf einer Seite das End

9) erg: Erster Entwurf eines Systems der Natur-Philoso- rhie, 8.297.

N

Dritter Abſchnitt. Schelling’fche Philoſophie. 675

liche in’s Unendliche eingebildet, auf der andern das Unendliche in’s Endlide: jenes die ideelle Seite, dieß die Natur, die reelle Seite.

Darin beſteht nun die wahre Abſolutheit von Allem und Jedem, daß es ſelbſt nicht als Allgemeines und Beſonderes, ſon⸗ dern das Allgemeine in dieſer ſeiner Beſtimmtheit ſelbſt als Ein⸗ heit des Allgemeinen und Beſonderen, und ebenſo das Beſon⸗ dere als Einheit Beider erkannt wird. Die Konſtruktion beſteht eben darin, jedes Beſondere, Beſtimmte in das Abſolute zurück⸗ zuführen, oder es zu betrachten, wie es in der abſoluten Einheit iſt; ſeine Beſtimmtheit iſt nur ſein ideelles Moment, ſeine Wahr⸗ heit aber eben ſein Seyn im Abſoluten. Dieſe drei Momente (Potenzen): der Einbildung des Weſens in die Form, und der Form in das Weſen, welche beide relative Einheiten ſind, und das Dritte, die abſolute Einheit, rekurriren in jedem einzelnen wieder; ſo daß die Natur als die Einbildung des Weſens in die Form oder des Allgemeinen in's Beſondere ſelbſt wieder dieſe drei Einheiten an ihr hat, und ebenſo die ideelle Seite, jede Potenz für ſich iſt wieder abſolut. Dieß iſt die allgemeine Idee der wiſſenſchaftlichen Konſtruktion des Univerſums: die Triplici⸗ tät, welche das Schema des Ganzen iſt, in jedem Einzelnen ebenſo zu wiederholen, dadurch die Identität aller Dinge zu zei⸗ gen, und eben dadurch fie in ihrem abſoluten Weſen zu betrach⸗ ten, daß fie alle diefelbe Einheit ausdrüden. *) "

Die nähere Erläuterung iſt höchſt formell: a) „Das Wer fen wird in die Form, da diefe für fih das Befondere (Ends liche) iſt, dadurch gebildet, daß das Unendliche hinzutommt, bie Einheit in die Vielheit, die-Indifferenz in’ die Differenz aufges nommen wird.” 6) Die andere Beftimmung ifl: „Die Form wird dadurch in das Mefen gebildet,: daß das Endliche in das

%) Neue Zeitschrift für spekulative Physik, B. I, St. II, $.341— 38. \ 43%

Dritter Abſchnitt. Echelling’fche Pbilofophie, 677

endliche aufgenommen wird. Hiermit fhlägt die form, als das Befondere, in das Mefen ein, und wird felbft abſolut. Die Form, die in das Weſen eingebildet wird, ſtellt fi im Gegen« fage gegen das Mefen, das in die form, und welches nur als Grund erfiheint, als abfolute Thätigkeit und pofltive Urſache von Realität dar. Die Ein-Bildung der abfoluten Form in das Wefen ifl, was wir ale Gott denten, und von diefer Ein Bildung find die Abbilder in der ideellen Welt, welche daher in ihrem Anſtich die andere Einheit iſt.“ *)

y. In beiden Potenzen, Sphären, find nun diefe geboppelten Ans Eins-Bildungen. Das Abfolnte felbfi, Bott, iſt aber ab» folute Einheit der Form und des Weſens, als Einheit beider Cinbildungen. In diefen beiden Einbildungen kommen auch in jeder die drei Einbildungen vor. Jede von beiden Einbilduns gen ift die ganze Totalität, aber nicht geſetzt, nicht erfcheinend als folche, fondern überwiegend mit dem einen oder dem andern Kaktor. **) Icde von beiden Seiten hat nun an ihr felbft wie der‘ diefe Unterfchiede, und zwar:

ca. Der Grund, die Ratur nur als Grund, iſt die Mas terie, die Schwere; die zweite Potenz iſt aber „auch in der reellen Welt, das Licht, das in der Finſterniß ſcheint, die in das Wefen gebildete Form. Die Einbildung der Form in das Wefen, in der realen Welt, ift der allgemeine Mechanis⸗ mus, die Nothwendigkeit. Die abfolute In» Eins- Bildung der beiden Einheiten im Realen, daß die Diaterie ganz Form, die Form ganz Materie ift, ifl der Organismus, der höchſte Ausdrud der Ratur, wie fie in Bott, und Gottes, wie er in der Natur if, im Endlichen.“

BB. Auf der ideellen Seite „ift das ;iffen das in den Zag der Form gebildete Weſen des Abfoluten: das Hans deln ein Hineinbilden der Form, als des Befondern, in das

*) Neue Zeitfchrift für ſpekulative Phyſik, B. J. St. II, ©. 41. *#) Ebendaselbst, S. 41 45.

es Tewer Bei. Reue Bhilefenbie.

Bern des Ybroluten; wie im der verliere Welt Die Dem Seien Dextificire Zurm als Schr icheint, fe ſcheint im der ıberis Belt Bart feibıt in eigener Gchhslt, als die in der Simbiitung der Korn m das Seren darchgesrochene lebendige «or. ve dei m jeder Kückſicht die Deafe ud veule Welt ich wieder als GSleichniij ud Sinnbild verhalten. Tie abieure Ju⸗ us Biſdung der beiden Einheiten im Pealen, fe dal Ber If gan; Form, die Form ganz Erst HE, ik das Runıtmert, mb jenes im “Ibioluten verborgene Geheimmif, welches die Mur aller Realität if, tritt Bier in der reſiektirten Melt feibık, in ver höchſten Toten; und höchken Berrinung Gettes und der Natur als Einbilduugstraft herr.“ Kuufl, Dichtkumi if Höchſtes bei Scheling, um jener Durdöringeng willen br die Kunſt ifl das Abſolute wur im finnlider Ferm So md wie wäre cin Kunſtwerk, das dem Geifie, der Idee Bes Geiles entſprãche?

15: „Das Univerfum iſt im Abſoluten als das voillım- menfle organifhe Weſen und als das vollkommenſte Kunſtwerk gebildet: fire die Bernunft, die es in ihm erkennt, im abiolatr Wahrheit: für die Einbildungstraft, die es im ihm darftelt, in abfoluter Schönheit. Jedes von diefen drückt nur dieſelbe Einheit, von verfchiedenen Seiten” betrachtet, „aus; und Beide fallen in den abfoluten Indifferenzpuntt, in deſſen Erkenntnij zugleid der Anfang und das Ziel der Wiſſenſchaft if.” *) Diefe höchſte Idee, diefe Unterſchiede find Alles nur. fehr for mell gefaßt.

3. Verhältniß der Natur zum Geifte, und Gott, dem Abfoluten. Dan hat feine Bhilofophie auch Natur⸗Phi⸗ lofophie genannt; abi Natur⸗Philoſophie it nur Ein Theil des Ganzen. Schelling ift Urheber der Natur⸗Philoſophie gewor⸗ den, welchen Namen er feiner Dhilofophie in dem Sinne gege-

#) Nere Zeiſchrift für fpekulative Phyſik, BT, Et. I, &.45—50,

passim.

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 679

ben, daß er das Weſen Gottes, inſofern er ſich ſelbſt als unendliches Anſchauen zum Grunde macht, als Natur be⸗ ſtimmt, und dieſe ſo das negative Moment in Gott iſt, da die Intelligenz und das Denken nur iſt, indem es fih ein. Seyn entgegenfegt: in dem näheren Sinne überhaupt Urheber der Nas tur=Philofophie geworden, in dem er die Natur als die Anr ſchauung oder den Yusdrud des Begriffs und feiner Beflimmuns gen aufzuzeigen angefangen hat. Jedoch bat er diefe Darftels lung Theils nicht vollendet, Theils fich vornchmlid an das Ans fihfeyn gehalten, und den Formalismus des äußerlichen Kon⸗ firwirens nad) einem vorausgefesten Schema hineingemifcht. Näher anderwärts in fpäteren Darftellungen erſt bat fid Schelling gelegentlih über das Verhältniß, die Nature Gottes, das Verhältniß der Ratur in diefem Kontreten gegen Jacobi fo erflärt: „Gott, oder genauer das Wefen, weldes Gott ift, ift Grund: einmal Grund von fidh felbft als fittliches Weſen. Aber er macht fih” dann „auch zum Grunde,” nicht zur Urſache. Der Intelligenz muß etwas vorausgehen, *) das Senn, „da das Denken der gerade Gegenſatz des Seyns. Mas der Anfang einer Intelligeuz if, kann nicht wieder intellis gent ſeyn, indem fonft Feine Unterfcheidung wäre, es kann aber nicht ſchlechthin nichtintelligent feyn, eben weil es die Möglich⸗ teit einer Intelligenz if. Alſo wird es ein Mittleres feyn, d. i. es wird mit Weisheit wirkten, aber gleihfam mit einer eingebors nen, inftinktartigen, blinden, noch nicht bewußten Weisheit: fo wie wir oft Begeifterte wirken fehen, die Sprüche reden voll Bers fand, reden fie aber nicht mit Befinnung, fondern wie durd) Eingebung.“ **) Gott alfo, als diefer Grund feiner felbft, iſt die Natur, die Natur, wie fie in Gott ift; fo wird die Natur in der Natur Dhilofophie betrachtet. **#) Das Abfolute

*) Denkmal der Schrift von den göttlihen Dingen, S. 4. “RW, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der

670 Drittes Theil. Neuere Philoſophie.

die erſte Pptenz. „Beweis: A==B iſt weder als relative Idem⸗

tãt, noch als relative Duplicität etwas Reelles. Als Idemint

kann A=B im Einzelnen, wie im Ganzen, nur Durch die Linie ans gedrüdt werden,” erſte Dimenfion. „Aber in jener Linie A durchgängig als feyend geſetzt;“ A iſt nicht an ſich, ſondem nur als A=A. „Alſo fest diefe Linie dDurdgängtg AB als relative Zotalität voraus; die relative Zotalität ift alfo das erſte Vorausgeſetzte, und wenn die relative Identität ift, fo ift fic nur durch jene,’ Duplicität, zweite Dimenflon. „Ebenſo fest die relative Duplicität die relative SJdentität voraus. Relative Ydentität und Duplicität find in der relativen Totalis tät zwar nicht actu, aber doch potentia enthalten.” #)

„Die abfolute Sdentität, als unmittelbarer Grund der Rear lität von A und B in der Materic, ifl die Schwerkraft.“) „A und B überwiegend find: jenes Attraktiv⸗, diefes Erpans

fip- Kraft) „Das quantitative Segen der Attraftivs und Erpanfio= Kraft geht ins Unendliche; ihr Gleihgewicht ift im Ganzen, nit im Einzelnen.” +)

PP. Diefe Identität felbft als feiend geſetzt, ift das Licht: „A? il das Licht,” die zweite Potenz; infofeen A=B, iſt auch A? gefest, FF) Diejelbe Sdentität, „unter der Form der relativen Iden⸗ tität,“ der hervortretenden Polarität „von A und B gefest, if Kohäfions- Kraft.” Die aktive Kohäſion ift der Magnetis- mus,und das materielle Univerfum ein unendliher Magnet, FFF) mo die Reihe der Körper, Planeten, Metalle u. f. f. befondere

*) Zeitſchrift für fpekulative Phyſik, B. II, Heft II, 8. 51, ©. 35 —36.

”#) Chendafelbft, 8.54, S. 40. WW) Eben.laselbst, 8.56, Zus.2, 5.42. T) Ebendaselbst, 8.57, u. Erl, 8.43 —44. tr) Ebendafelbft, $.62— 64, ©.47—485 8.92 93, 5.59 50. TrPp) Ebendaselbst, 8.67 —69, $.49— 50.

Dritter Abfchnitt. Schelling’fche Philo ſophie. 671

Kohäflons-Verhältniffe ausdrüden. *) Der magnetifche Proceß iſt die Differenz in der Indifferenz, und die Indifferenz in der Differenz, *%) abſolute Identität als ſolche. Der Indifferenz⸗ puntt ift das Weder⸗Noch und Sowohl-Als auch; potentia find die Pole diefelden Wefen, nur unter ihren Faktoren gefegt. Beide Pole find „nur mit überwiegendem Plus oder Minus, **a) nicht reine Abftraktionen. „Im Totalmagnet ift der empiriſche Magnet der Indifferenzpuntt. Der empirifche Magnet ift das Eiſen.“****) Alle Körper find bloße Mietamorphofen des Eifens, find potentialiter im Eifen enthalten.“ F) „Se zwei differente Körper, die ſich berühren, ſetzen in ſich wechfels feitig relative Kohäflons-Berminderung und Erhöhung. Diefe . wechfelfeitige Kohäflons- Veränderung durch Berührung zweier differenter Körper Wafferfioff und Sauerſtoff ift Elettricität” FH

yy. „Die Zotalität des dynamiſchen Proceſſes wird nur durch den chemiſchen Proceß dargeftellt,” deſſen Zotalprodutt, die Schwere durd das Licht als Grund zur bloßen Form des Seyns der abfoluten Identität herabgefegt, der Organismus . (A?), die dritte Potenz if. TIP)

y. Es ift großer Formalismus. Diefe Potenzen erfheinen als Nord-⸗ und Süd⸗, Oſt- und Wefl-Polarität: ferner ihre Vers widelungen als Nord⸗Weſt, Sid-Oftu.f.w. Zurlestengehört Ders fur, Benus, Erde u.f.f. FF FH) „Die Kohäfion ift die Impreffion

#*) Neue Zeitschrift für spekulative Physik, B.I, St. II, S.98. #R) Ebendaselbst, S. 92 —93; Erster Entwurf eines Systems der Natur- Philosophie, S. 297. ; SRH) Zeitschrift für spekulative Physik, B. I, Hofe II, 8.68, Zus, 8.49. WR) Ebendaselbst, 8.76, u. Erk., 5.53. T) Ebendaselbst, $. 78, Zus.; $ 77, 9.58. ID Ebendaselbst, 8.83, u. Zus., 8.54; 8.103, Anm, S. 76. +rP) Ebendaſelbſt, 8.112, ©.84; 8. 136— 137, 5.109 110; $.141, Zus. 1, S. 112, +4++}) Neue Zeitschrift, B. I, St. II, S.117 118.

Dritter Abſchnitt. Schelling’fche Philoſophie. 673

Ratur dentend betrachten. Dieß thut die gewöhnliche Phyſik aber au; denn ihre Beflimmungen von Kräften, Geſetzen u. f. f. find Gedanten. Nur, wenn die Philofophie über die Form des Berflandes hinausgeht, und den fpekulativen Begriff erfaßt hat: fo muß fie die Dentbeftimmungen, die Kategorien des Berftans des über die Natur ändern. Kant bat hierzu ſchon den Anfang, gemacht; und Schelling hat in Stelle der gewöhnlihen Metas phyſik der Natur, den Begriff derfelben zu fafien gefucht. Sichel ling nennt die Natur die todte, erfiarrte Intelligenz: fo daß fie nichts ift, als die äußerliche MWeife des Dafeyns des Syſtems der Gedantenformen, wie der Geift ift das Daſeyn deffelben Sy⸗ ſtems in der Form des Bewußtſeyns. Dieß ifl eins der Ver⸗ dienfte Schelling’s, den Begriff und die Form des Begriffs in der Natur eingeführt zu haben, den Begriff geftelli zu haben an die Stelle der gewöhnlichen Verſtandes⸗Metaphyſik.

Die Hauptform ift die von Kant wieder in Erinnerung, gebrachte Form der Zriplicität, die Form der erflen, zweiten und dritten Potenz. Er fängt von der Materie an, fo daß er fagt, die erfle Indifferenz in der Unmittelbarkeit ifl die Materie, und dann hiervon zu weiteren Beflimmungen übergeht. Aber der Fortgang erfcheint mehr als ein äußerlich angebradgtes Schema, das Logifche des Fortgangs ift nicht entwidelt; und dadurch hat fih die Natur⸗Philoſophie befonders in Miskredit gefegt, in⸗ dem fie auf ganz äußerliche Weife verfahren ift, ein fertiges Schema zum Grunde legt, und darunter die Naturanſchauung bringt. Diefe Formen waren bei Schelling Potenzen; aber man hat auch, flatt ſolcher mathematifchen formen oder des Typus von Gedanken, finnliche Formen zum Grunde gelegt, wie Jacob Böhm Schwefel, Mercurius. Man hat fo den Magnetismus, die Elektricität und den Chemismus in der Natur als die drei Potenzen befiimmt; und man hat fo beim Organismus z. DB. die Repro- duktion den Chemismus, die Irritabilität die Elcktricität und

Geſch. d. Phil. * * 43

674 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

die Senflbilität den Magnetismus genamt.*) Diefer Ynfug, formen, die aus einem Kreife der Natur genommen find, auf einen anderen Kreis anzuwenden, ifl weit gegangen, Ok en nemt 3.8. die Holzfafern Nerven, das Gehirn der Pflanze. Das ift Spiel der Analogie, aber um Gedanken ift es zu ihun; Nerven find feine Gedanken, ebenfo nicht die Ausdrüde: Pol der Kontraktion, der Erpanfion, das Männliche, Weiblihe u. f. f. Diefer For⸗ malismus, ein Außerliches Schema anzuheften an eine Sphüre der Natur, die man betrachten will, ift das Außerlihe Thun der Natur⸗Philoſophie; und fie nimmt die Schema felbfi aus der Phantaſte. Alles dieß geichieht, um dem Gedanken ya entge= ben; und dieß iſt denn doch die legte einfache Beflimmung, um die es ſich handelt.

b. In der neueſten Darfiellung bat Schelling andere Fer⸗ men gewählt; er bat-fih, wegen unausgebildeter TKorm und Mangel an Dialektik, in verfhiedenen formen herumgeworfen, weit Leine befriedigend if. Die Realifirung der Idee fängt in Anfehung des Brgenfages mit dem Gegenfage des Allgemei- nen und Befonderen, Endlichen oder Unendlichen an, ohne ihn felbft als folchen zu begreifen, oder anders fo, daß er in der Form hervortrete. Statt lebergewicht fagt er: Weſen und Form; er unterfcheidet fie. Die andere Seite aber ifl, worein wahrhaft die Realität des Subjekts und Objekts gefeht wird; fie wird allein darein gefest, daß das Subjekt nicht in der Beſtimmtheit, Subjett gegen Objekt zu fehn, wie in der fihtefchen Philoſo⸗ pie, als an ſich feyend gefegt wird, fondern als Subjekt⸗Ob⸗ jeft, als Identität Beider: eben das Objekt nicht nach feiner ideellen Beflimmtheit als Objekt, fondern infofern als es felbft -abfolut ifl, oder die Identität des Subjektiven und Objekti⸗ ven. In anderen Darfiellungen gebraucht Schelling die Form, daß fle auseinander treten, daß auf einer Seite das Ends

*) Vergl.: Erster Entwurf eines Systems der Natur-Philoso- phie, 5.297.

E* * ZT

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 675

liche in's Unendliche eingebildet, auf der andern das Unendliche in's Endliche: jenes die ideelle Seite, dieß die Natur, die reelle Seite.

Darin beſteht nun die wahre Abſolutheit von Allem und Jedem, daß es ſelbſt nicht als Allgemeines und Beſonderes, ſon⸗ dern das Allgemeine in dieſer ſeiner Beſtimmtheit ſelbſt als Ein⸗ heit des Allgemeinen und Beſonderen, und ebenſo das Beſon⸗ dere als Einheit Beider erkannt wird. Die Konſtruktion beſteht eben darin, jedes Beſondere, Beſtimmte in das Abſolute zurüd« zuführen, oder es zu beirachten, wie es in der abfoluten Einheit ift; feine Beflimmtheit ift nur fein ideelles Moment, feine Wahrs heit aber eben fein Seyn im Wbfoluten. Diefe drei Momente (Potenzen): der Einbildung des Wefens in die Form, und der Form in das Mefen, welche beide relative Einheiten find, und das Dritte, die abfolute Einheit, rekurriren in jedem einzelnen wieder; fo daß die Natur als die Einbildung des Weſens in die Form oder des Allgemeinen in’s Befondere felbft wieder dieſe ‚drei Einheiten an ihr hat, und ebenfo die ideelle Seite, jede Potenz für fi if wieder abfolut. Dieß ift die allgemeine Jdee der wiſſenſchaftlichen Konftruttion des. Univerfums: die Triplici⸗ tät, welche das Schema bes Ganzen ift, in jedem Einzelnen ebenfo zu wiederholen, dadurch die Identität allee Dinge zu zeis gen, und chen dadurch fie in ihrem abfoluten Wefen zu betrach⸗ ten, daß ſte alle dieſelbe Einheit ausdrüden. *) "

Die nähere Erläuterung iſt höchft formell: a) „Das Wer fen wird in die Form, da diefe file ſich das Befondere (Ends liche) iſt, dadurch gebildet, daß das Unendliche hinzutommt, die Einheit in die Vielheit, die Indifferenz in die Differenz aufges nommen wird.” 6) Die andere Beſtimmung ifl: „Die Form wird dadurch in das Weſen gebildet,- daß das Endliche in das

%) Neue Zeitschrift für spehulative Physik, B. I, St Il, 5.31 38. oo . \ 43 *

676 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

Unendliche, die Differenz in die Indifferenz aufgenommen wird.“ Einbilden, Aufnehmen find finnlihe Yusdrüde.

„Anders ausgedrüdt: das Befondere wird dadurch zur abs foluten Form, daß das Allgemeine mit ihm Eins wird, das Als gemeine dadurd) zum abfoluten Weſen, daß das Befondere mit ibm Eins wird. Diefe beiden Einheiten find aber im Abſolu⸗ ten nicht außereinander, fondern ineinander, und darum das Abfolute abfolute Indifferenz der Korm und des Weſens.“ Der Unterfchied wird immer wieder aus dem Abfoluten entfernt.

„Durch diefe beiden Einheiten werden zwei verſchiedene Po⸗ tenzen beſtimmt, an fich aber find-Beide die vollig gleichen Wur⸗ zeln des Abfoluten.” Das ift Verficherung, befländige Rückkehr nach jeder Unterſcheidung.

a. „Bon der erſten abfoluten Ein- Bildung find in der er⸗ fheinenden Natur die Abbildungen, daher Ratur, an ſich bes trachtet, nichts Anderes, als jene Eins Bildung, wie fie im Abs foluten (ungetrennt von der andern.) if. Denn dadurd, daß das Unendlidhe in das Endlihe, wird das Weſen in die Form eingebildet; da nun die Form nur durch das Weſen Realität erlangt, fo kann das Wefen, da es in die Form, ohne daß diefe (nad) der Borausfegung) gleicherweife in das Wefen eingebildet ift, fh nur als Möglichleit oder Grund von Realität, nidt aber als AIndifferenz der Möglichkeit und Wirklichkeit darſtellen. Aber was fi fo verhält, namlih als Wefen, fofern es bloß Grund von Realität, alfo zwar in die Form, nicht aber hinwie⸗ derum die Form in es ſelbſt eingebildet if, ifl, was ſich als Ras tur darſtellt.“ *)

ß. „Das Weſen ſcheint in. bie Form, hinwiederum aber fheint auch die Form in das Wefen zurüd; dieß iſt die andere Einheit,” das Geiſtige.

„Diefe wird dadurch gefekt, daß das Endliche in das Un⸗

*) Meue Zeitfcheift für fpekulative Phyſik, 3. I St. U, S. 40.

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 677

endliche aufgenommen wird. Hiermit fhlägt die form, als das Befondere, in das Mefen ein, und wird ſelbſt abfolut. Die Form, die in das Weſen eingebildet wird, flellt fi im Gegen⸗ fage gegen das Werfen, das in die form, und weldes nur als Grund erfheint, als abfolute Thätigkeit und pofltive Urſache von Realität dar. Die Ein-Bildung der abfoluten Form in das Wefen if, was wir als Gott denken, und von diefer Eins Bildung find die Abbilder in der ideellen Welt, welche daher in ihrem Anflch die andere Einheit iſt.“ *)

7. In beiden Botenzen, Sphären, find nun diefe gedoppelten Ans Eins-Bildungen. Das Abfolute felbft, Gott, iſt aber abs folute Einheit der Form und des Weſens, als Einheit beider Cinbildungen. In diefen beiden Einbildungen kommen aud) in jeder die drei Einbildungen vor. Jede von beiden Einbilduns gen iſt die ganze Totalität, aber nicht geſetzt, nicht erfcheinend als foldhe, fondern überwiegend mit dem einen oder dem andern Faktor. **) Icde von beiden Seiten hat nun an ihr felbft wie⸗ der‘ diefe Unterfchiede, und zwar:

co. Der Grund, die Natur nur als Grund, ifl die Ma⸗ terie, die Schwere; die zweite Potenz iſt aber „auch in der reellen Welt, das Licht, das in der Finſterniß feheint, die in das Wefen gebildete jorm. Die Einbildung der Form in das Weſen, in der realen Welt, ift der allgemeine Mechanis⸗ mus, die Nothwendigkeit. Die abfolute In» Eins - Bildung der beiden Einheiten im Realen, daß die Draterie ganz Form, die Form ganz Materie if, if der Organismus, der höchſte Ausdrud der Katur, wie fie in Gott, und Gottes, wie er in der Natur if, im Endlichen.“

BB. Auf der ideellen Seite „it das Wifſen das in den Tag der Form gebildete Weſen des Abſoluten: das Han⸗ dein ein Hineinbilden der Form, als des Beſondern, in das

*) Neue Zeitfchrift für fpefulative Phyſik, B. J,. St. I, ©. 41. *#) Ebendaselbst, S.41— 45.

678 Dritter Theil. Neuere Philoſophie.

Weſen des Abfoluten; wie in der reellen Welt die dem Wefen identifleirte Form als Licht fcheint, fo ſcheint in der ideellen Welt Gott felbft in eigener Geſtalt, als die in der Cinbildung der Form in das Wefen durchgebrochene lebendige Form, fo daf in jeder Rüdficht die ideale und reale Welt fi) wieder als Gleichniß und Sinnbild verhalten. Die abfolute In = Eins Bildung der beiden Einheiten im Idealen, fo daß der Stoff ganz Form, die Form ganz Stoff if, ift das Kunftwert, und jenes im Abfoluten verborgene Geheimniß, welches die Wurzel aller Realität ift, tritt bier in der reflektirten Welt felbft, in der höchſten Potenz und höchſten Wereinung Gottes und der Natur ale Einbildungstraft hervor.” Kunſt, Dichtkunſt ift Höchſtes bei Schelling, um jener Durddringung willen. Aber die Kunft ift das Abfolute nur in finnliher Form. Wo und wie wäre ein Kunftwert, das dem Geiſte, der Idee des Geiſtes entfpräce ?

yy. „Das Univerfum ift im Abfoluten als das volltom- menfte organifche Wefen und als das volltommenfte Kunſtwerk gebildet: für die Vernunft, die es in ihm erkennt, in abfolute Wahrheit: für die Cinbildungstraft, die es in ihm darſtell, in abfoluter Schönheit. Jedes von diefen drüdt nur diefelbe Einheit, von verfchiedenen Seiten” betrachtet, „aus; und Beide fallen in den abfoluten Indifferenzpuntt, in defien Erkenntniß zugleih der Anfang und das Ziel der Wiflenfchaft if.“ *) Diefe höchſte Idee, diefe Unterfchiede find Alles nur. fehr for» mell gefaßt.

3. Verhältniß der Natur zum Geifte, und Gott, dem Abfoluten. Man bat feine Philoſophie auch Natur⸗Phi⸗ lofophie genannt; abi: Natur⸗Philoſophie ift nur Ein Theil des Ganzen. Scelling ift Urheber der Natur Bhilofophie gewor⸗ den, welchen Namen er feiner Philofophie in dem Sinne gege-

*) Neue Zeifchrift für foekulative Phyſik, 3.1, St IL, S. 45 50,

passim.

Dritter Abſchnitt. Schelliug'ſche Philoſophie. 679

ben, daß er das Weſen Gottes, inſofern er ſich ſelbſt als unendliches Anſchauen zum Grunde macht, als Natur be⸗ ſtimmt, und dieſe ſo das negative Moment in Gott iſt, da die Intelligenz und das Denken nur iſt, indem es fih ein Seyn entgegenfekt: in dem näheren Sinne überhaupt Urheber der Nas tur=Philofophie geworden, in dem er die Natur als die Ar ſchauung oder den Ausdrud des Begriffs und feiner Beſtimmun⸗ gen aufzuzeigen angefangen bat. Jedoch bat er diefe Darftels lung Zheils nidht vollendet, Zheils ſich vornehmlich an das Ans fihfeyn gehalten, und den Formalismus des äußerlichen Konz firuirens nad einem vorausgefesten Schema hineingemifät. Näher anderwärts in fpäteren Darfiellungen erft hat fi Schelling gelegentlich über das Verhältniß, die Natur Gottes, das Verhältniß der Ratur in diefem Kontreten gegen Jacobi fo erflärt: „Gott, oder genauer das Weſen, weldes Gott ifl, it Grund: einmal Grund von fich felbft als fittlihes Weſen. Aber er macht ſich“ dann „auch zum Grunde,” nicht zur Urſache. Der Intelligenz muß etwas vorausgehen, *) das Seyn, „da das Denken der gerade Gegenfag des Seyns. Was der Anfang einer Intelligenz ift, kann nicht wieder intellis gent feyn, indem fonft Feine Anterfcheidung wäre; es kann aber nicht ſchlechthin nichtintelligent feyn, eben weil es die Möglich⸗ teit einer Intelligenz if. Alſo wird es ein Mittleres feyn, d. i. es wird mit Weisheit wirken, aber gleihfam mit einer eingebor- nen, inftinttartigen, blinden, noch nicht bewußten Weisheit: fo wie wir oft Begeifterte wirken fehen, die Sprüche reden voll Ver⸗ fland, reden fie aber nicht mit Befinnung, fondern wie durd) Eingebung.” **) Gott alfo, als diefer Grund feiner felbft, ift. die Natur, die Natur, wie fie in Bott ift; fo wird die Natur in der Natur⸗-Philoſophie betrachtet. +) Das Abfolute

*) Denkmal der Schrift von den göttlichen Dingen, &. 4. ”r) Chendafelbft, S.85— 86, | *#W) Philosophische Untersuchungen über das Wesen der

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680 Dritter Theil. Neuere Bhilofophie.

ift aber, diefen Grund aufzuheben, und ſich ſelbſt zur Intelligenz zu madıen.

Nach der Idee diefer Konſtruktion bat nun Schelling das natürlide Univerfum darzuftellen zu verfchiedenen Malen angıs fangen. Er verbannt alle diefe leeren allgemeinen Worte von Bolltommenheit, Weisheit, äußerer Zweckmäßigkeit; oder: das Kantifche, dag unfer Erkenntnißvermögen fie fo betrachte, verwan⸗ delt er darin, daß die Ratur fo befchaffen fy. Er hat nad Kant’s dürftigem Anfange, in der Ratur den Geift aufzuzeigen, vorzüglich diefe Naturbetrachtung wieder angefangen, im gegen» fländlihen Weſen denfelben Schematismus, .denfelben Rhythmus zu erkennen, der im Ideellen ftattfindet; fo daß die Natur fi darin darftellt, nicht ein dem Geifte Fremdes, fondern eine Pros jettion deffelben in. die gegenfländliche Weiſe überhaupt zu ſeyn.

Es gehört nicht hierher, weder das Einzelne hiervon anzu⸗ geben, noch Seiten aufzuzeigen, welde in den bisherigen Dar⸗ ſtellungen Schelling’s nicht genügen könnten. An die Darfids lung der anderen Seite, der Philoſophie des Geiftes, ift er nicht gekommen. Scelling’s Philoſophie muß noch in ihrer Evolss tion begriffen angefehen werden. *) Am meiften muß von ik das unterfchieden werden, wie feine Nachbeter eines Theils fih in einen geiftlofen Wortfhwall vom Abfoluten hineingeworfen haben: Theils aus Mlisverftand der intelleftuellen Anfchauung, das Begreifen und damit das Haupt» Dioment des Erkennens aufgeben, und aus der fogenannten Anſchauung fprecdhen, d. b. das Ding eben anguden, und daran eine oberflädhliche Analogie und Beflimmtheit aufgegriffen, und damit die Natur deffelben ausgefprodhen zu haben meinen, in der That aber alle Wiſſen⸗ fhaftlichteit verbannen. Diefe ganze Tendenz flellt fich zus

menschlichen Freiheit ( Philosophische Schriften, B. I, Landshut, 1809), 8.429; Denkınal der Schrift von den göttlichen Dingen, 5.89 93.

#) Vorlesung von 180}.

Dritter Abſchnitt. Schelling'ſche Philoſophie. 681

nächſt dem reflektirten Denken, oder dem Fortlaufen an ſixirten, feſten, unbeweglichen Begriffen gegenüber. Statt aber im Be⸗ griff zu bleiben, und ihn als das unruhige Ich zu erkennen, find ſie auf das entgegengeſetzte Extrem des ruhenden Anſchauens verfallen, des unmittelbaren Seyns, des fixen Anfichs: und meinen, den Mangel des Fixen durch das Angucken zu er⸗ ſetzen, und dieß Angucken dadurch intellektuell zu machen, daß ſie es wieder durch irgend einen fixirten Begriff beſtimmen; oder auch fie bringen das Angeſchaute fo in Bewegung, daß fle z. B. ſagen, der Fiſch unter den Vögeln iſt der Strauß, weil er ei⸗ nen langen Hals hat, Fiſch wird zu etwas Allgemeinem, aber nicht zu einem Begriffe.

Dieſe ganze Manier, die in die Naturgeſchichte und Na⸗ turlehre, ſo wie in die Medicin eingeriſſen iſt, iſt ein ſo elender Formalismus, eine fo gedankenloſe Vermiſchung der gemeinſten Empirie mit den oberflächlichen ideellen Beſtimmungen, als je ein Formalismus ſchlecht gewefen if. Das locke'ſche Philoſo⸗ phiren iſt nicht fo ſchlecht; jenes ift dem Inhalt und der Form nach nicht befler, nur noch mit einem läppifchen Eigendünkel verknüpft. Die Philoſophie ift dadurch in eine allgemeine Verächtlichkeit und Beratung herunter gefunten, welche diejenigen am meiften theilen, welche verfihern, im Beflge des NHilofophirens zu feyn. An die Stelle des Ernfies des Begreifens, der Befonnenheit des Gedankens, tritt ein Spiel mit läppifchen Einfällen, die für tiefe Anfhauungen, hohe Ahnungen, aud für Poefie gelten; und fie meinten recht im Centrum zu ſeyn, wenn fle auf der Dberflähe find. Bor 25 Jahren *) ift mit der Dichtkunſt derfelbe Kall gewefen, daß die Genialität ſich derfelben bemächs tigte, und geradezu blind aus ſich heraus, wie aus einer Piſtole, in der poetifhen Begeifterung dichtete. Die Produkte waren entweder Verrücktheit, oder, wenn fie nicht verrüdt waren, fo

*#) Vorlesung von 1805.

682 Dritter Theil. Neuere Philofophie.

platte Proſe, dag der Inhalt für Proſe zu ſchlecht war. So auch in dieſen Philoſophien. Was nicht ganz gedankenloſts Gewäfhe vom Indifferenzpunkt und der Polarität, Cauer: fioff, dem Heiligen, Ewigen u. f. f., find ſolche triviale Gedan⸗ ten, daß man darum zweifeln kann, man babe fle richtig aufs gefaßt, weil fie «@) mit foldher anmaßenden Unverſchämtheit aus gethan werden, und dann 4) man den Slauben hat, daß bed fo etwas Zriviales nicht gefagt werde,

Wie fle in der Dpilofophie der Natur den Begriff vergeſ⸗ ſen, und ſich ganz geiſtlos verhalten, ſo vergeſſen ſie den Geiſt ganz. Dieß iſt der Abweg, indem, dem Principe nach, Begriff and Anſchauung Eine Einheit iſt, in der That aber dieſe Ein⸗ heit, diefer Geiſt, felbft unmittelbar ayfteitt, alſo im Anſchauen, und nicht im Begriffe iſt.

Die Natur⸗Philoſophie, beſonders den Organiemus, führte Schelling mehr aus. Cr bediente fi der Form der Potenz; er nahm den Ausdrud von Eſchenmayer. Die Dhilofophie muf feine Formen aus anderen Wiſſenſchaften (Mathematik) nehmen. Die geiftige Seite hat Schelling im transcendentalen Ideali⸗⸗ mus dargefiellt; es bleibt bei kantiſchen Gedanken (in Rechts⸗ Dpilofophie und ewigem Frieden). Schelling bat cine ein zelne Abhandlung über die Freiheit bekannt gemacht, diefe ik von tiefer, fpekulativer Art; fie flieht aber einzeln für ſich, in der Philofophie kann nichts Einzelnes entwidelt werden.

Dieß ift nun die legte intereffante, wahrhafte Geftalt der Philoſophie, die wir zu betrachten hatten. Die Idee felbft ik bei Schelling herauszuheben, daß das Wahre das Konkrete if, die Einheit des Objektiven und Subjektiven. Jede Stufe hat im Shyſtem ihre eigene Form; die letzte iſt die ZTotalität der Formen. Das zweite Große Schelling’s ifl, in der Natur⸗Phi⸗ lofophie die Formen des Geifles in der Natur nachgewiefen zu haben; Elektricität, Magnetismus find nur äußerlihe Weifen dev Idee, des Begriffe. Die Hauptfache in der fchelling’fchen

Dritter Abſchnitt. Schelling’fche Philofophie. 683

Philoſophie ifl, dag es um einen Inhalt zu thun ifl, um das Mahre, und dieß als konkret gefaßt iſt. Die ſchelling'ſche Phi⸗ loſophie hat einen tiefen ſpekulativen Inhalt, der, als Inhalt, der Inhalt iſt, um den es nach der ganzen Geſchichte der Phi⸗ loſophie zu thun geweſen iſt. Das Denken iſt frei für ſich, aber nicht abſtrakt, ſondern in ſich konkret: erfaßt ſich in ſich als Welt, aber nicht als intellektuelle Welt, ſondern als intellektuell⸗ wirkliche Welt. Die Wahrheit der Natur, die Natur an ſich, iſt intellektuelle Welt. Dieſen konkreten Inhalt hat Schelling aufgefaßt. Der Mangel iſt, daß dieſe Idee überhaupt, und dann die Beſtimmung dieſer Idee, die Totalität dieſer Beſtimmungen (welche ideelle und natürliche Welt giebt) nicht als durch den Begriff in ſich nothwendig gezeigt und entwickelt find. Es fehlt dieſer Form die Entwidelung, die dasLogifche ift, und die Noth- wendigkeit des Fortgangs. Die Idee ift die Wahrheit, und alles Wahre ift Idee; das muß bewiefen werden, und die Sy⸗ flematiffrung der Idee zur Welt als nothwendige Enthüllung, Offenbarung muß gezeigt werden. Indem Schelling .diefe Seite nicht aufgefaßt hat, fo iſt das Logiſche, das Denken vermißt. Die intellektuelle Anfchauung, Einbildungstraft,. Kunſtwerk wurde daher als Meife, die Idee darzuftellen, gefaßt: „Das Kunftwerk ift höchſte und einzige Weife, in der die Idee für den Geift ifl.“ Die höchſte Weife der Idee iſt aber ihr eigenes Element; das Denken, die begriffene Idee ift höher, als das Kunftwert. Die Form wird mehr zu einem äuferlihen Schema; die Dies thode ift das Anhängen diefes Schema’s an äußerliche Gegen: ftände. Damit hat fich in die RatursNhilofophie Formalismus eingefhlihen; fo bei Den, es grenzt an Verrüdtheit. Das Dhilofophiren wurde fo ‚bloß analogifhes Reflektiren; das ift die ſchlechteſte Weiſe. Schelling hat es fih au ſchon zum Theil leiht gemacht; die Andern haben es vollig misbraucht.

Dritter Abſchnitt. Mefultat. 685 |

Bis hierher ift num der Weltgeift gekommen. Die legte Phi⸗ loſophie ift das Refultat aller früheren; nichts ift verloren, alle Nrincipien find erhalten. Diefe konkrete Idee ifl das Refultat der Bemühungen des Geiftes durd fall 2500 Jahre (Tha⸗ les wurde 640 vor Chriftus geboren), feiner ernfihafteften Arbeit, fi felbfi objektiv zu werden, ſich zu erkennen:

Tantae molis erat, se ipsam cognoscere mentem. Daß die Philofophie unferer Zeit hervorgebracht werde, dazu bat ſolch' eine lange Zeit gehört; fo träge und langfam arbeis tete er, fih an diefes Ziel zu bringen. Was wir in der Erin nerung kurz überſchauen, läuft in der Wirklichkeit in diefe Länge auseinander. Denn in diefer firebt der Begriff des Geifles, in fi angethan mit feiner ganzen konkreten Entwidelung, Reiche thum, Auferlichem Befichen, ihn durchzubilden und fich fortzufühs ren, und aus ihm fi hervorzugehen. Er führeitet immer vors “wärts zu, weil nur der Geift ift Fortſchreiten. Oft fcheint er\ ſich vergefien, verloren zu haben; aber innerlich fich entgegenges fest, ift er innerliches Fortarbeiten wie Hamlet vom Geifte feines Vaters fagt, „Brav gearbeitet, waderer Maulwurf” —, bis er, in ſich erftarkt, jest die Exrdrinde, die ihn von feiner Sonne, feinem Begriffe, fchied, aufflößt, daß fie zufammenfält. In folder Zeit hat er die fieben Dieilen Stiefel angelegt, wo fie, ein feelenlofes, morfchgewordenes Gebäude, zufammenfällt, und er in neuer Jugend ſich geftaltet zeigt. Diefe Arbeit des Geis fies, fih zu erkennen, ſich zu finden, diefe Thätigkeit iſt der Geiſt, das Leben des Geiftes ſelbſt. Sein Refultat ift der Bes griff, den er von ſich erfaßt: die Geſchichte der Philofophie die Mare Einficht, daß der Geiſt die gewollt in feiner Geſchichte. Diefe Arbeit des Dienfchengeiftes im innern Denken iſt mit als len Stufen der Wirklichkeit parallel. Keine Bbilofophie geht über ihre Zeit hinaus. Die Geſchichte der Philoſophie iſt das Innerſte der Weltgeſchichte. Daß die Gedantenbefiimmungen dieſe Wichtigkeit hatten, das iſt weitere Erkenntniß, die nicht in

Hauptmomente zuſammenzufaſſen, fo ift, nach orientalifcem Tu⸗ mel der Subjektivität, die zu feinem Verſtand damit Ir fand kommt, das Licht des Gedankens in den Griechen ul: gegangen. Die Stufen find die Jdeen. Die Philofophie de Alten hat die abfolute Idee gedacht, und die Realiſtrung dr die Realität derfelben hat darin beftanden, die vorhandene ge genwärtige Welt zu begreifen, und fie zu betrachten, wie fie un und für fh if.

4) Diefe Philofopbie ging nicht von der Idee ſelbſt an, fondern vom Gegenfländlihen als einem Gegebenen, und we: wandelt dafelbe in die Jdee; das Seyn.

2) Der abfiratte Gedanke, der voög, ift als allgemein Werfen ſich befannt worden, der Gedanke nicht als fubjettint Denken; Plato’s Allgemeine.

Dritter Abſchnitt. Reſultat. 687

3) In Ariſtoteles tritt der Begriff auf, frei, unbefangen, begreifendes Denken, alle Geſtaltungen des Univerſums durch⸗ laufend, vergeiſtigend.

4) Der Begriff als Subjekt, fein Fürſtchwerden, Inſich⸗ feyn, die abfiratte Trennung find die Stoiter, Epitureer, der Stepticismus: nicht freie konkrete Form, fondern abflratte, in fih formelle Allgemeinheit.

5) Der Gedanke der Totalität, die intelligible Melt, die Welt als Gedantenwelt, ift die konkrete Idee, wie wir fie bei den Neuplatonitern gefehen haben. Dieß Prinzip ift die Idealität überhaupt in aller Realität, die Idee als Zotalität, aber nicht ſich wiflende Idee, bis das Prinzip. der Subjettivität, Individualität in fle einfchlug, Gott als Geift fich wirklich im Selbſtbewußtſeyn wurde.

6) Aber das Wert der modernen Zeit ift, diefe Idee zu faſſen als Geift, als die fich wiffende dee. Um dazu fortzus gehen, von der wiflenden Idte zum Sihmiffen der Jdee gehört der unendliche Gegenſatz, daß die Fdee zum Bewußtfeyn ihrer abfoluten Entzweiung gekommen ifl. Die Philoſophie volls endete fo, indem der Geiſt das gegenftändliche Weſen dachte, die Intellektualität der Welt, und erzeugte diefe geiftige Welt als einen jenfeits der Gegenwart und Wirklichkeit vorhandenen Ges genfland, wie eine Natur, die erfie Schöpfung des Geiftes. Die Arbeit des Geiftes befand nun darin, dich Jenſeits zurüd zur Wirklichkeit und in’s Selbfibemußtfeyn zu führen. Dieß ift darin geleiftet, daß das Selbftbewußtfenn fi ſelbſt denkt, und das abfolute Weſen als das fi felbft dentende Selbfibewußt- feyn erkennt. Ueber diefe Entzweiung bat das reine Denten in Cartefius fid aufgetban. Das Selbſtbewußtſeyn denkt fi erfiens als Bewuftfeyn; darin ift alle gegenfländliche Wirklid- keit enthalten, und die pofitive, anfchauende Beziehung feiner Wirklichkeit auf die andere. Denken und Schn find ent» gegengeſetzt und identifch bei Spinoza; er hat die füb-

bar ſey jenes Anfhauen des Ewigen und Göttlichen, wie mın fagt, fondern abfolut erfennend. Dieß nicht ſich ſelbſt erfennene Anſchauen ift der Anfang, wovon als einem abfolut Borausge fegten ausgegangen wird; es ſelbſt ift fo nur anſchauend, at unmittelbares Erkennen, nicht Selbfierfennen: oder es erktun nichts, und fein Angeſchautes ift nicht ein Erfanntes, fonten, wenn’s hoch kommt, ſchöne Gedanken, aber Feine Erfenntnift. Und erkannt ift die intellektuelle Anfhauung, c) indem die Entgegengefegten, alle äußere Wirklichkeit als die innere, jew getrennt von dem Andern erfannt wird. Wird es feinem We fen nad), wie es ift, erkannt, fo zeigt es ſich als nicht befichen, fondern daß fein Weſen die Bewegung des Uebergehens il. Dieß Heraklitiſche oder Skeptiſche, daß nichts ruhend iſt, die muß von Jedem aufgezeigt werden, und fo in dieſem Bewußt⸗

Dritter Abfchnitt. Refultat. 689

feyn, daß das Wefen Jedes Beflimmtheit if, fein Gegen⸗ theil ift, geht die begriffene Einheit mit feinem Gegen theile hervor. 6) Ebenfo ift diefe Einheit felbft in ihrem We⸗ fen zu ertennen; ihr Weſen als diefe Identität ifi ebenfo, im ihr Gegentheil überzugehen oder ſich zu realificen, fi anders zu werden: und fo tritt ihr Gegenfag durd fie ſelbſt hervor. y) Wieder ift von dem Gegenſatz zu fagen, er ift im Abfoluten nicht; dieß Abfolute ift das Weſen, das Ewige u. f. f. Uber dieß ift felbft eine Abſtraktion, oder es ift nur aufeiner Seite, und der Gegenfag ift das Ideelle; er ifi die Form, er iſt das weſentliche Moment feiner Bewegung. Jenes ift nicht ruhend, dieß nicht der raſtloſe Begriff, ſondern ruhend, in fih befriedigt, in feiner Roaftlofigkeit. Das reine Denten ift fortgegangen zum Ges genfag des Subjettiven und Objektiven; und die wahrs hafte Verſöhnung des Gegenfages ift die Einficht, da diefer Ge⸗ genfag auf feine abfolute Spige getrieben, ſich felbft auflöft, an fih, wie Schelling fagt, die Entgegengefegten identifch find, und nicht nur an fidh, fondern daß das ewige Leben diefes iſt, den Segenfag ewig zu produciren und ewig zu verföhnen. In der Einheit den Gegenfag, und in dem Gegenfat die Einheit zu wiffen, dieß ift das abfolute Wiffen; und die Wiffenfchaft ift dieß, dieſe Einheit in ihrer ganzen Entwidelung durch ſich felbft zu wiffen.

3. Dieß iſt nunmehr das Bedürfnifß der allgemeinen Zeit und der Dhilofophie Es if eine neue Epoche in der Welt entfprungen. Es fheint, daß es dem Weltgeifle jegt gelungen if, alles fremde gegenftändliche Wefen fi abzuthun, und endlich fi als abfoluten Geift zu erfafien, und was ihm gegenftändlich wird, aus ſich zu erzeugen, und es, mit Rube das gegen, in feiner Gewalt zu behalten, Der Kampf des endlichen Selbfibewußtfeyns mit dem abfoluten Selbfibewußtfeyn , das je⸗ nem außer ihm erfihien, hört auf. Das endlihe Selbſtbewußt⸗ feyn bat aufgehört, endlihes zu feyn; und dadurch. anderer

Geſch. d. Phil. ** 44

[4

Dritter Abſchnitt. Kefultat. 69

und Refultat aller vorhergehenden. Man Tann jest nicht Plas toniter feyn, man muß fich erheben a) über die Kleinlichkeiten einzelner Meinungen, Gedanken, Einwürfe, Schwierigkeiten: PB) über feine eigene Eitelkeit, als ob man etwas Befonderes gedacht habe. Denn den innern fubflantiellen Geift erfaffen, dieß ift dee Standpunkt des Individuums; innerhalb bes Ganzen find fie wie Blinde ia demfelben, der innere Geiſt treibt fie. \ . , Hiernach iR nun unfer Standpunkt das Erkennen der der, das Wiffen der Idee als Geift, als abfoluter Geift, der fi fo entgegenfegt einem andern Geifte, dem endlichen; und das Prin⸗ zip diefes Geiftes ift, zu erfennen, fo daß für ihn ift der abſo⸗ Iute Geifl. Ich babe verfucht, diefen Zug der geifligen Geſtal⸗ tungen der Philofophie in ihrem Fortgehen mit Andeutung ihres Zufammenhangs zu entwideln, vor Ihreng Gedanken vorüber« zuführen. Diefe Reihe ift das wahrhafte Geifterreih, das einzige Geiſterreich, das es giebt; eine Reihe, die nicht eine Vielheit, noch auch eine Reihe bleibt, als Aufeinanderfolge, fondern eben im Sichfelbftertennen, fih zu Diomenten des Einen Geifleg, zu dem Einen und demfelben gegenwärtigen Geiſte madt. Und diefer lange Zug von Geiftern find die einzelnen Nulfe, die er in feinem Leben verwendet; fle find der Organismus unferer Subſtanz. Auf ſein Drängen wenn der Maulwurf im In⸗ nern fortwühlt haben wir zu hören, und ihm Wirklichkeit zu verfhaffen; fie find ein fchlechthin nothiwendiger Fortgang, der nichts als die Ratur des Geiſtes ſelbſt ausfprücht, und in uns Allen lebt. Ich wünfdhe, dag diefe Geſchichte der Philoſo⸗ phie eine Aufforderung für Sie enthalten möge, den Geifl der Zeit, der in ung natürlich iſt, zu ergreifen, und aus feiner Na⸗ türlichkeit, d.h. Verſchloſſenheit, Leblofigkeit hervor an den Tag zu ziehen, und jeder an feinem Orte mit Bewuftfeyn an den Tag zu bringen. \ Für Ihre Aufmertfamteit, die Sie mir bei diefem